Balduin Möllhausen
Der Schatz von Quivira
Balduin Möllhausen

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Zehntes Kapitel.

Der alte Brief.

Zwei Tage waren seit Splitters und Lucretia's Zusammenkunft verstrichen, und noch immer harrte Wegerich vergeblich auf einen Besuch des jungen Rothweil. Ahnungslos, daß die Kunde von dem Ableben seines Onkels längst auf dem Karmeliterhofe verbreitet worden, scheute Perennis die Gelegenheit, mit dem greisen Gärtner und Lucretia in eine Unterhaltung zu treten, in welcher er gewissermaßen gezwungen war, von einem Todten wie von einem Lebenden zu sprechen oder sprechen zu hören. Mehrfache Zusammenkünfte mit dem Notar, bei welchem er jedesmal Splitter höflich, jedoch mit wachsender Abneigung begrüßte, trugen dazu bei, ein Wiedersehen weiter hinauszuschieben, welches durch den Gedanken an Lucretia's inniges Verhältnis zu jenem bis zu einem gewissen Grade verbittert wurde. Einen Theil seiner Muße hatte er mit dem Entwerfen von Zeichnungen ausgefüllt, ohne daß er bei diesem Schaffen nach alter Weise große Befriedigung gefunden hätte. Und so beschloß er endlich, einen lieblichen Morgen zum Umherstreifen in der Nachbarschaft zu verwenden und die alte Heimstätte zu besuchen. In Erinnerung der Mittheilungen des greisen Fischers wählte er den Weg durch den Festungsgraben, der ebenfalls zum Strome hinunterführte. Es schwebte ihm dabei das Bild des schönen Fischermädchens vor, jener räthselhaften Erscheinung, welche, wie mit übernatürlichen Kräften ausgestattet, ihn abstieß, um ihn gleich darauf wieder um so unwiderstehlicher anzuziehen. Auf der einen Seite das uralte verwitterte, senkrecht aufsteigende Mauerwerk, auf der anderen den rauhen Erdabhang, versetzte er sich im Geiste in die fernliegenden Tage, in welchen er unter der Aufsicht einer Wärterin denselben Weg wandelte. Damals ergötzte er sich an schillernden Blumen und bunten Kieseln; und heute? Wo blühten ihm ungetrübte Freuden, wie in jenen Zeiten? Wo genügte ein unansehnliches Gebilde, sein Auge zu fesseln, die Lust des Besitzergreifens in ihm zu wecken?

Wehmüthigen Betrachtungen hingegeben, achtete er kaum auf seine Umgebung. Vergessen war der Zweck, zu welchem er sich auf den hindernißreichen Weg hinab begeben hatte. Erst als das morsche Mauerwerk sein Ende erreicht hatte und in einem rauhen Erdabhange seine Fortsetzung fand, spähte er wieder um sich. Hier erhob sich eine Hütte, dort eine, lauter Baulichkeiten, welche von einer mehr als bescheidenen Lage der Besitzer zeugten. Von Gärten nur sehr schwache Spuren. Einige Beete mit Küchenvegetabilien, hin und wieder eine roth blühende spanische Kressestaude oder eine melancholisch dareinschauende riesenhafte Sonnenblume, das war Alles. Die geringen Proben einer gleichsam beiläufigen Vorliebe für Zierpflanzen waren in ihrer trüben Vereinsamung wenig geeignet, das Auge freundlich, wohl gar einladend zu berühren. An einer dieser ärmlichen Heimstätten führte der Weg vorüber. Von diesem wurde durch eine kümmerliche Dorneneinfriedigung ein wüstes Vorgärtchen getrennt. Kinder spielten in demselben. Neben der offenen Hausthür war eine Frau mit Waschen beschäftigt.

»Wohnt der Fischer Ginster in der Nähe?« fragte Perennis hinüber.

Die Frau, eine derbe Gestalt mit dem Ausdruck in Sorgen erprobter Energie, kehrte sich ihm zu. Nachdem sie ihn mit einem Blick flüchtig geprüft hatte, antwortete sie höflich:

»Dies ist sein Haus. Wollen Sie ihn sprechen, so müssen Sie an den Rhein gehen. Stromabwärts zehn Minuten Wegs, und Sie sehen ihn.«

»Dort besuchte ich ihn bereits,« erwiderte Perennis, »und da er mir von seinem Hause erzählte, hielt ich es für der Mühe werth, im Vorübergehen anzufragen.«

Die Frau hatte ihre Arbeit wieder aufgenommen. In ihrem früh gealterten Antlitz war ein harter Kampf ums Dasein ausgeprägt, und die Kinder in dem wüsten Vorgarten waren noch zu jung, um ihr kämpfend zur Seite zu stehen. In der Erwartung, Gertrud in die Thüre treten zu sehen, fand Perennis sich indessen getäuscht; und doch war die Zeit nicht fern, in welcher sie ihrem Großvater das Mittagessen zuzutragen pflegte.

»Einen Augenblick möchte ich rasten,« sprach er nach kurzem Sinnen, indem er in der Nähe der arbeitsamen Frau auf einem dreibeinigen Schemel Platz nahm; »hübsche, gesunde Kinder,« bemerkte er darauf, als vier wilde Rangen im Alter von sechs bis zwölf Jahren ihn mit großer Neugierde betrachteten und dabei diesen oder jenen Lieblingsfinger krampfhaft zwischen den Zähnen hielten.

»Gesund genug sind sie,« antwortete die Frau mit einem Blick des Stolzes auf ihre staubige Nachkommenschaft; »an Appetit fehlt's ihnen zu keiner Tageszeit; wenn die Bande nur hören wollte. Ohne Stock geht's nicht.«

Die Kinder kicherten sich gegenseitig zu, öffneten ihre Augen noch weiter, und etwas weiter glitten die Finger zwischen die vollen Lippen hinein.

»Vier Kinder,« führte Perennis das Gespräch weiter, »eine hübsche Anzahl.«

»Einer fehlt, ein strammer Bursche; der befindet sich beim Tischler in der Lehre. Sein Vater war Böttcher, ist aber schon lange todt.«

»Wie traurig. Und da haben Sie die Last allein tragen müssen?«

»Schwer genug; aber ist man gesund, leistet man viel. Der Großvater schießt sein Theil zu; ich wüßte sonst nicht, wie ich's anfangen sollte, alle die Mäuler zu befriedigen. Ist nicht einmal unser richtiger Großvater.«

»Ein Mädchen traf ich bei ihm –«

»Die Gertrud – das ist nur meine Stieftochter. Mein Mann war schon vorher verheirathet.«

»Sie scheint eine frische, flinke Person zu sein; wie geschaffen, eine Stütze der Hausfrau zu werden.«

»Die und eine Stütze!« rief die Frau aus, doch spähte sie besorgt um sich, »nun ja, in manchen Dingen ist sie eine Hülfe; sie thut diesen und jenen Gang für mich, wenn ihr der Kopf danach steht, sonst ist sie keine große Erleichterung im Hause. Bald paßt's ihr hier nicht, bald da nicht, und 'ne Art des Befehlens hat sie, daß man ihr schon zu Diensten sein muß. Aber die Kinder hängen an ihr wie die Kletten.«

»Ein schönes Mädchen ist sie obenein; sie wird zu seiner Zeit einen angesehenen Schwiegersohn ins Haus bringen.«

»Die und heirathen,« lachte die Frau, »die heirathet ebenso wenig, wie die alte Windmühle da drüben –«

In diesem Augenblick trat Gertrud um den Giebel das Häuschens herum in den Vorgarten. Einen Henkelkorb am Arm, das Haar sittig auf gesteckt und feste Schuhe auf den kleinen Füßen, erinnerte sie durch nichts mehr an den unsteten Irrwisch, wie er Perennis noch immer so lebhaft vorschwebte. Nur in der flammenden Gluth auf ihrem charakteristischen Antlitz, in den unter den gerunzelten schwarzen Brauen unzufrieden hervorfunkelnden Diamantaugen, vor Allem aber in der tadellos graziösen Bewegung entdeckte er Anklänge an das ihn bis in seine Träume hinein verfolgende Bild einer schadenfrohen Rheinnixe.

Von der Stadt heimkehrend, wo sie kleine Einkäufe besorgt hatte, war sie hinter dem Hause den Abhang heruntergekommen, sobald sie aber Perennis' Stimme erkannte, nach kurzem Lauschen um den Giebel herumgetreten. Perennis begrüßte sie, wie einen Fremden, durch leichtes Kopfnicken; zugleich flogen ihre Blicke prüfend über die nächste Umgebung. Die Anwesenheit der bestaubten Kinder war ihr offenbar peinlich; sie begegnete ihnen indessen sanft, als dieselben sich um sie drängten, und jedem drückte sie ein Weißbrötchen in die Hand, mit der Bedingung, es hinter dem Hause zu verzehren. Dann wendete sie sich an ihre Stiefmutter.

»Hier im Korbe ist Alles,« sprach sie ruhig, während die Frau auf ihre Wäsche sah, als hätte sie, schuldbewußt, einen Blick aus den großen dunkelblauen Augen gefürchtet, »wie weit ist's mit dem Mittagessen? Kann ich es dem Großvater hinaustragen?«

»Alles fertig,« antwortete die Frau, »es steht beim Feuer. Vergiß nicht das Brot.«

Achselzuckend wollte Gertrud ins Haus treten, als Perennis sie veranlaßte, sich nach ihm umzukehren.

»Ich gehe nach dem Karmeliterhofe,« rief er ihr zu, »unser Weg ist derselbe; gefällt Dir's, so bleiben wir beisammen.«

»In fünf Minuten breche ich auf,« antwortete das Mädchen, »wollen Sie nach dem Karmeliterhofe, so kümmert's mich nicht; der Weg ist breit genug für Zwei,« und sie verschwand im Inneren des Hauses.

»'s ist schwer fertig werden mit ihr,« raunte die Frau Perennis zu, der trotz der abstoßenden Antwort die Begleitung des räthselhaften Mädchens nicht gern aufgegeben hätte, »schon als Kind war sie zuweilen wie besessen. Aber ich trag's ihr nicht nach um meines verstorbenen Mannes willen, und der hielt große Stücke auf sie.«

»Dergleichen schleift sich im Leben allmälig ab,« versetzte Perennis wie entschuldigend, »und eine böse Antwort von solchem Kinde ist oft lobenswerther, als eine zu freundliche.«

»Die hat noch nie Fremden eine gute Antwort gegeben,« las die Frau scheinbar von ihren rüstig schaffenden Händen ab, »aber Spitzen, Hohn und Spott, daß Jeder ihr gern aus dem Wege gehen möchte.«

»Trotzdem will ich's versuchen, auf freundschaftlichem Fuß mit ihr zu bleiben,« versetzte Perennis lachend, »ist's für mich doch eine Lust, in die trotzigen Augen zu schauen, von welchen man glauben möchte, daß sie Funken sprühen.«

Bevor die Frau sich auf eine Erwiderung besonnen hatte, erschien Gertrud mit ihrem Korbe in der Hausthür. Einen kurzen Scheidegruß richtete sie an ihre Stiefmutter, und ohne sich nach Perennis umzusehen, trat sie in den Weg hinaus.

Perennis säumte nicht.

»Auf Wiedersehen, gute Frau,« rief er der Wäscherin zu, indem er sich schnell erhob, »warum soll ich allein gehen, wenn sich die schönste Gelegenheit bietet, auf dem Wege die Zeit zu verplaudern?«

»Sie werden kein Glück mit ihr haben,« sprach die Frau gedämpft, um von Gertrud nicht gehört zu werden, »auf dem Leinpfad mag's gehen, aber in der Stadt würde es sich schlecht für 'nen feinen Herrn schicken, neben dem Irrwisch einherzustolziren.«

Perennis lachte wieder sorglos und eilte an Gertruds Seite, welche, lebhaft einherschreitend, bereits einen Vorsprung gewonnen hatte.

Anfänglich gab diese sich das Ansehen, ihn nicht zu bemerken. Erst nach einer längeren Pause des Schweigens, und als ob sie die auf ihr ruhenden Blicke gefühlt hätte, kehrte sie sich, ohne ihre Eile zu mäßigen, plötzlich Perennis zu. Ihre Augen richtete sie fest und durchdringend auf die seinigen. Mit keiner Wimper zuckte sie. Perennis meinte, daß sie bis in seine Seele hineinspähe.

»Wer hat Ihnen aufgetragen, in des alten Ginster Haus einzukehren, Herr Rothweil?« tönte es scharf zwischen den vollen Lippen hervor, und dichter schoben sich die schwarzen Brauen über den unwillig blickenden Augen zusammen.

»Warum hast Du im Hause des alten Ginster den Namen eines Bekannten vergessen?« fragte Perennis gutmüthig spottend zurück.

»Was scheert's die Frau und die Kinder, wie Sie heißen,« antwortete Gertrud, geringschätzig die Achseln zuckend, »es braucht nicht Jedermann zu wissen, daß der Herr des Karmeliterhofes gestorben ist und Sie gekommen sind, die Erbschaft in Empfang zu nehmen.«

Perennis starrte auf Gertrud, wie auf ein mit übernatürlichen Kräften ausgestattetes Wesen.

»Wer sagt das?« fragte er erstaunt.

»Es braucht Niemand zu sagen, wenn's sich die Sperlinge auf den Dächern gegenseitig zuschreien,« hieß es gleichmüthig.

»Wegerich und die junge Dame wissen es ebenfalls?«

»Ich habe sie nicht darum befragt; aber ein Wunder wär's, wüßten sie's nicht.«

»Gertrud, höre, Du bist ein scharfsinniges, ein verständiges Mädchen. Ahnst Du etwa, woher diese Gerüchte stammen?«

»Ich ahne es nicht, und dennoch, ja, ich könnt's ausfindig machen, allein was verschlägt's? Lieber sagen Sie mir, was Sie im Hause meines Großvaters suchten.«

»Ich suchte nichts, liebe Gertrud, doch ich will aufrichtig sein. Du erscheinst mir so seltsam. Mir ist zuweilen, als gehörtest Du nicht auf die Straße, und da wollte ich mich überzeugen –«

»Wie's bei mir zu Hause aussieht,« fiel Gertrud boshaft ein, »und da haben Sie gefunden, daß der verspottete Irrwisch – Du meine Güte, Herr Rothweil! was mache ich mir daraus, ob meine Stiefmutter für Geld wäscht, meine Stiefgeschwister sich im Kehricht wälzen! Ich selbst bin im Kehricht aufgewachsen, und wenn ich einst als elendes Steinkohlenweib hinter 'm Zaun sterbe, wundert sich kein Mensch darüber.« Sie lachte so höhnisch und bitter, daß es Perennis durch die Seele schnitt; sorgloser fügte sie hinzu: »Was könnte ich Anderes verlangen? Sie aber, Herr Rothweil, ein vornehmer Herr, sollten das bedenken und nicht mit dem verrufenen Irrwisch gehen.«

»Ich gehe, mit wem ich will. Wenn Du mir gefällst, kümmert das keinen Anderen, als mich selber.«

Aus Gertruds Augen schoß einer ihrer geheimnißvollen Blicke auf ihn; dann sah sie wieder geradeaus. Vielleicht nie mehr, als gerade jetzt, machten sich die beiden Naturen in ihr gelten: Die eine, welche sie mit ihren Angehörigen verband, und die andere, die von der Marquise mit wunderbarer Geduld und Berechnung gehegt und gepflegt worden war.

»Es giebt nicht viele Männer, die so reden,« versetzte sie nach kurzem Sinnen, und es rief den Eindruck hervor, als hätte sie sich noch stolzer und zuversichtlicher emporgerichtet, »aber wenn Sie meinen, daß ich mich vor Jemand schäme, barfuß zu gehen und meinem Großvater das Essen zu bringen, so kennen Sie den Irrwisch schlecht. Gerade, weil Sie mich begleiten wollten, zog ich zuvor meine Schuhe aus. Auch ich thue, was ich will, und Jedem, der sich für besser hält, als mich, diene ich, wie's ihm gebührt. Doch Sie verdienen, daß auch ich aufrichtig bin. Ich schämte mich wirklich, Sie bei meiner Stiefmutter zu finden; und dann die unsauberen Kinder, das heißt, es sind gute Geschöpfe und gegen ihre Unsauberkeit läßt sich nichts machen; sie selber können ebenso wenig dafür, wie ihre schwer arbeitende Mutter. Wir sind eben arme Leute. Man hat aber schon erlebt, daß die ärmsten jungen Mädchen vornehme Damen wurden, und Niemand ihnen angesehen hätte –« sie verstummte und runzelte die Brauen tief.

Schärfer sah Perennis auf sie hin. Ihre Worte klangen so räthselhaft, bargen eine so feste Ueberzeugung in sich, daß seine Neugierde noch erhöht wurde. Woher hatte sie diesen scharf ausgeprägten Schönheitssinn, dieses dumpfe ästhetische Gefühl? fragte er sich. Denn darauf allein konnte zurückgeführt werden, daß sie der waschenden Stiefmutter und der sich im Kehricht wälzenden Kinder, denen sie im Grunde ihres Herzens wohlwollte, sich schämte, sie gewissermaßen verleugnete. Und weshalb war sie auf der einen Seite so besorgt, Perennis Alles fern zu halten, was ihr selbst widerwärtig erschien, während sie andererseits trotzig, gleichsam stolz herausfordernd die Schuhe ablegte, um ihm dadurch bei jedem Schritt ihre Herkunft und ihre Lebensstellung ins Gedächtniß zu rufen?

Ein Weilchen gingen sie schweigend neben einander her. Sie bogen aus dem Festungsgraben auf das Rheinufer. Bald darauf befanden sie sich außerhalb des Bereiches der aufwärts und abwärts ankernden Kohlenschiffe und der bei denselben beschäftigten Arbeiter.

»Fahren wir so fort, dann härten wir ebenso gut Jeder für sich allein gehen können,« brach Perennis das Schweigen.

»Ich habe Sie nicht gerufen,« antwortete Gertrud wenig höflich, »wollen Sie sprechen, so reden Sie immerhin. Ich selber habe nichts zu sagen.«

»So will ich sprechen, wie mir um's Herz ist, und offenbarte ich Anderes, so würdest Du bald genug die versuchte Täuschung entdecken.«

»So denken Sie von der barfüßigen Tochter eines armen Böttchergesellen,« bemerkte Gertrud ungläubig.

»Fragte ich nach Deiner Geburt, oder weshalb Du vorziehst, Deine Füße nicht in lästiges Schuhzeug einzuzwängen? Ich erblicke in Dir nur eine Art Wunder, und von Herzen wünsche ich, daß Du eine Dame werden möchtest, für welche Du mehr geschaffen bist, als für – nun, als für Arbeiten, welche Deinen Rücken vor der Zeit beugen.«

Gertrud sah starr geradeaus. Dabei zuckte es verrätherisch um ihre Lippen, als hätten Spott und Schadenfreude sich mit Gewalt Bahn brechen wollen. Von solchen Empfindungen beseelt, antwortete sie nach kurzem Ueberlegen zögernd.

»Und wäre ich eine vornehme Dame, wie dann? Schwerlich würden Sie mich so vertraulich angeredet, mich schwerlich unaufgefordert begleitet haben. Für den barfüßigen Irrwisch ist freilich Alles gut genug.«

»Nun ja, es waltet ein Unterschied, welcher durch Aeußerlichkeiten bedingt wird. Wärest Du indessen wirklich eine vornehme Dame, so könntest Du bei mir keine aufrichtigere Theilnahme erwecken, als jetzt in Deinem einfachen Aufzuge.«

Um Gertruds Lippen zuckte es wieder.

»Sie bedauern mich und glauben, ich müsse einen dummen Arbeiter oder Knecht heirathen, um nicht zu verhungern,« bemerkte sie spöttisch, »o ich hörte wohl, was Sie mit meiner Stiefmutter verhandelten.«

»Das sollte mir leid thun, Gertrud, wahrhaftig, wäre ein solcher Mann noch so rechtschaffen und threuherzig, nein, eine derartige Heirath wäre Dein Unglück.«

»Meinen Sie? Hm, Sie sind ein Mann von Stande, möchten Sie selber vielleicht den barfüßigen Irrwisch zur Frau nehmen? Ich denke, nein. Ihre Freunde würden Sie verspotten.«

Bei den letzten Worten richtete sie ihre Augen forschend auf Perennis.

Dieser lachte herzlich.

»Warum sollte ich nicht?« fragte er, dem tiefen Gluthblick frei begegnend, »ich bin überzeugt, wir würden kein schlechtes Paar bilden. Wenn's meinen Freunden nicht paßte, könnten sie mir aus dem Wege gehen.«

Die Gluth in den prachtvollen Augen wuchs. Gertrud schien einen sengenden Strahl bis in Perennis' Herz hineinsenden zu wollen. Plötzlich lachte sie hell auf, und indem sie ihr Haupt schüttelte, entwich das eigenwillige üppige Haar zum größten Theil seinen losen Banden.

»Ich heirathe weder einen Arbeiter, noch Sie selber!« rief sie geringschätzig aus, »ich will überhaupt nicht heirathen, und könnte ich dadurch ein Königreich erkaufen. Außerdem haben Sie Ihren Schatz auf dem Karmeliterhofe, und einen hübschen, freundlichen Schatz obenein.«

Perennis blickte unwillig.

»Glaube, was Du willst,« sprach er ernst, »schon früher erklärte ich Dir, daß die junge Dame meine Verwandte sei. Bezweifelst Du es jetzt noch, so gebe ich es auf, Dich zu überzeugen. Aber Du erinnerst mich an etwas: Wer es Dir mittheilte, errathe ich nicht, und nachdem es einmal in die Oeffentlichkeit drang, wäre es nutzlos, es länger abzuleugnen. Der Herr Rothweil ist in der That gestorben, und zwar schon vor Jahresfrist. Da ich nun sein nächster Verwandter bin, vielleicht auch sein Erbe, so wünschte ich, die Angelegenheit vorläufig zu verheimlichen und den alten Wegerich nicht aus seiner Ruhe aufzustören. Wurde ihm die Kunde auf anderem Wege zugetragen, so ist es allerdings zu spät. Hoffentlich treten keine Fälle ein, welche den jetzigen Bewohnern des Hofes Unannehmlichkeiten bereiten. Ich denke dabei auch an die Frau Marquise, Du stehst unter deren besonderem Schutz?«

»Ich warte ihr auf, das ist Alles.«

»Und erfreust Dich einer gütigen Begegnung?«

»Sie begegnet mir gar nicht. Ich sagte es schon früher. Sie ist wunderlich; hat sie einen guten Tag, so redet sie mit mir.«

»Ich möchte sie kennen lernen, nachdem ich so viel Merkwürdigkeiten über sie hörte.«

»Sie haßt fremde Gesichter. Unbarmherzig weist sie Jedem die Thür, der sich bei ihr eindrängen möchte.«

Perennis schwieg, und eine größere Strecke legten sie zurück, ohne daß ein Wort zwischen ihnen gewechselt wurde. Kurz vor der Stelle, auf welcher der Pfad zu dem alten Ginster hinabführte, blieb Perennis stehen.

»Gertrud,« hob er ernst und eindringlich an, »magst Du anderen Menschen wie ein lustiger Kobold erscheinen, so erkenne ich in Dir doch einen Charakter – ich meine ein Gemüth –«

»Ich weiß, was Charakter ist,« bemerkt Gertrud gleichmüthig.

»Gut also,« fuhr Perennis überrascht fort, in dem lieblichen Antlitz, welches plötzlich die Undurchdringlichkeit einer Sphinx angenommen hatte, nach versteckten Regungen forschend, »ich erkenne in Dir einen Charakter, dem man blindlings vertrauen darf. Täglich verkehrst Du auf dem Karmeliterhofe, siehst, wer dort aus und eingeht, erräthst leichter, als jeder Andere, was Diesen oder Jenen dahinführt. Als muthmaßlicher zukünftiger Besitzer des Hofes muß mir daran gelegen sein, mich mit allen ihn betreffenden Verhältnissen vertraut zu machen; dazu aber kannst Du mir helfen, wenn Du mich über alle außergewöhnlichen Vorkommnisse unterrichtest. Willst Du das thun?«

»Warum sollte ich nicht? Wo finde ich Sie jedes Mal?«

»Ich werde von Zeit zu Zeit im Hause Deines Großvaters vorsprechen –«

»Das thun Sie nicht,« versetzte Gertrud leidenschaftlich, »was wollen Sie in dem häßlichen Festungsgraben – und dann die Kinder und die Wäsche – nein, giebt's keinen anderen Weg, so muß ich's dem Zufall überlassen, mich mit Ihnen zusammenzuführen; doch ich kann zu Ihnen gehen; sagen Sie mir, wo Sie wohnen.«

»Zu mir?« fragte Perennis zweifelnd, und freundlich fügte er hinzu: »Nein Gertrud, das vermeide. Ich wohne in einem unscheinbaren Gasthofe, und sähe man Dich dort aus und eingehen, möchten sich zu unserem beiderseitigen Nachtheil böse Zungen regen.«

»Auf böse Zungen gebe ich nicht so viel,« erwiderte Gertrud geringschätzig, und sie schnippte mit Daumen und Mittelfinger der linken Hand, »was können sie mir anhaben? Ihretwegen gehe ich keinen Fingerbreit von meinem Willen und Wege ab. Wollen Sie, so ist mir's recht.«

Perennis schwankte nicht länger. Er zog eine Karte hervor, schrieb seine Wohnung auf dieselbe und reichte sie Gertrud. Diese las flüchtig Straße und Hausnummer und schob die Karte nachlässig in die Tasche ihres Kleides.

»Wenn Sie wähnen, ich sei allen Menschen so gern und so schnell zu Diensten, so irren Sie sich,« sprach sie, indem sie Beide ihren Weg weiter verfolgten, »Sie gefallen mir aber, und dessen rühmen sich nicht viele Menschen. Mancherlei könnte ich Ihnen anvertrauen, doch ich will nicht. Vielleicht später, vielleicht in Jahr und Tag –« und seitwärts von ihm forttretend, versank sie gleichsam in das Weidendickicht des Uferabhanges. Muthwilliges Lachen tönte noch herauf; die Bewegungen der schlanken grünen Zweige bezeichneten die Richtung, welche sie eingeschlagen hatte, um zu ihrem Großvater zu gelangen.

Kopfschüttelnd setzte Perennis seinen Weg fort. Er vergaß, dem alten Ginster einen Gruß zuzurufen, so unwiderstehlich fesselten ihn die Betrachtungen über das räthselhafte Mädchen.

Mit ungeheuchelter Freude wurde er willkommen geheißen, als er in Wegerichs Wohnung eintrat. Lucretia war mit der Zubereitung des Mittagessens beschäftigt. Ihr holdes Antlitz, von der Hitze des Ofens geröthet, erglühte noch tiefer, als sie ihn erkannte und ihm zutraulich die Hand reichte. Doch dem Ausdruck der Freude folgte bald der einer tiefen Besorgniß, als man des verstorbenen Besitzers des Karmeliterhofes gedachte. Woher den Bewohnern des Hofes die Kunde gekommen, wurde nicht erörtert, aber ernster faßten Alle die Zukunft ins Auge, welche durch das unvorhergesehene traurige Ereigniß für Jeden eine Ungewisse geworden.

Perennis hatte nicht länger Ursache, die an ihn ergangene Aufforderung, die Erbschaft anzutreten, vor seinen Freunden zu verheimlichen. Er offenbarte sogar, daß der Mangel an Geldmitteln die als unumgänglich nothwendig erscheinende Reise in unbestimmte Ferne hinausrücke, bei seiner Abneigung, eine Anleihe aufzunehmen, vielleicht gar unmöglich mache, um dafür in ein altes verwittertes Antlitz und in ein jugendfrisches zu schauen, die beide gleich rathlos zu ihm aufsahen. Wegerich säumte indessen nicht, dem neuen Gebieter zum besseren Verständnis der Lage nicht nur alle von seinem verstorbenen Herrn empfangenen Briefe vorzulegen, sondern auch diejenigen Dokumente, welche sich auf den verschuldeten Grundbesitz bezogen. Letztere verschafften Perennis ein überaus trübes, sogar entmuthigendes Bild von dem europäischen Theil der Erbschaft. Einen eigenthümlichen Kontrast zu demselben bildeten die in langen Zwischenpausen eingetroffenen Nachrichten, welche mittelbar und unmittelbar das Vorhandensein eines überseeischen großen Vermögens andeuteten und bestätigten.

Seine Nachforschungen ausdehnend, betrat Perennis zum zweiten Mal das Arbeitszimmer. Bereitwillig öffnete Wegerich den Schreibtisch und alle innerhalb desselben angebrachten Schubladen und Fächer. Nirgend fand sich auch nur eine Andeutung, welche auf den Karmeliterhof oder die Reise des Verstorbenen Bezug gehabt hätte. Peinlich geordnet lagen hier und da Abhandlungen über einzelne Alterthümer, Auszüge aus römischen Klassikern, die Kolonisation des Rheinthals betreffend, Listen der noch in dem Zimmer vorhandenen Alterthümer und anderer, die auf dem Wege des Tausches in fremde Hände übergegangen waren. Doch sorgfältig, wie Perennis Alles durchblättern mochte; von Briefen oder zu verwerthenden Notizen entdeckte er keine Spur. Es unterlag kaum einem Zweifel, daß der Verstorbene die Möglichkeit, nicht mehr heimzukehren, ernst ins Auge gefaßt und daher Alles vernichtet hatte, was auf seine Privatverhältnisse hätte Licht werfen können. Manches mochte er mit fortgenommen haben. Auf alle Fälle hatte er mit großer Ueberlegung dafür gesorgt, daß, wer auch immer in seiner Abwesenheit den Schreibtisch durchsuchte, unbefriedigt blieb. Ebenso wenig vermochte Wegerich nennenswerthe Auskunft zu ertheilen. Seine Erinnerungen reichten nur wenig weiter, als bis zum Tage der Abreise seines Herrn.

Indem der alte Mann trübselig erzählte und sich in die Erinnerung an entschwundene Tage versenkte, hatte Perennis mechanisch in einem vor ihm liegenden Buche geblättert. Dasselbe enthielt eine Zusammenstellung von Berichten über die Eroberung der Provinz Neu-Mexiko durch die Spanier. An Stellen, welche dem Verstorbenen wichtiger erschienen sein mußten, hatte er Papierstreifen zwischen die Blätter gelegt. Perennis prüfte dieselben gedankenlos. Ganze und halbe Worte, je nachdem die Scheere sie trennte, standen auf denselben. Endlich aber fiel ihm ein stärkeres Lesezeichen in die Hände. Nachlässig entfaltete er den kleinen Bogen. Es war ein Brief, anscheinend von weiblicher Hand geschrieben. Bevor er denselben las, sah er nach der Unterschrift. Ein Name stand nicht da, statt dessen das Wort: »Eine Betrogene.« Ebenso fehlte die Anrede. Das Couvert, in welchem der Brief einst steckte, mochte gleich nach dem Empfange vernichtet worden sein. An wen das Schreiben gerichtet gewesen, blieb also ein Räthsel.

»Die Sünden der Väter werden an ihren Kindern und Kindeskindern heimgesucht bis ins dritte und vierte Glied,« lauteten die Worte des alten Briefes, »es ist ein ungerechtes Urtheil, denn die Sünden der Väter müßten an ihren Kindern und Kindeskindern in einer Weise heimgesucht werden, daß die Strafe auf das Haupt der Väter zurückfiele. Was dem Einen als unübersteigliches Hinderniß erschien, sein Wort zu lösen, der Anderer setzt sich ihm zum Trotz leicht darüber hinweg, und das ist mein eigenstes Werk. Ich bin das rächende Geschick. Ich will Dich mit meiner Rache verfolgen, bis das Auge mir bricht. Wo ich meinte, Rosen zu pflücken, da keimten mir Stechapfel und Belladonna, und die vergifteten mein Leben. Soll ich unter dieser Last heimlich dahinsterben, während ich den Leuten ein lächelndes Antlitz zeige? Ja, ich will lächeln, so lange es mir vergönnt ist, bezaubern und berauschen. Du sollst von mir hören, heute, wie vor sechszehn Jahren, und nach einem Vierteljahrhundert noch, wie heute. Mir fern, sollst Du vor mir zittern. In jedem Augenblick denke, daß ich vor Dich hintrete, um Dir ins Ohr zu schreien: ›Das ist mein Werk!‹ Gott erhalte Dich noch viele lange Jahre, Gott erhalte mich, daß ich meine Lebensaufgabe erfülle. Wo Du weilen, wohin Du fliehen magst, da denke, daß mein Geist Dich umschwebt. Sogar in Deinen Träumen besucht Dich eine Betrogene.«

Nachdem Perennis den Brief längst zu Ende gelesen hatte, sah er noch immer auf die vor seinen Blicken verschwimmenden Worte nieder. Er bezweifelte kaum noch, daß diese Ausbrüche eines unversöhnlichen Hasses an seinen verstorbenen Onkel gerichtet gewesen, daß sie sich auf ein von ihm begangenes Unrecht bezogen, gleichviel in welchem Lebensabschnitt dasselbe zu suchen. Er begriff aber auch, daß weniger um seinem Forschungseifer zu fröhnen, er der angestammten Heimat entsagte, als sich einer Verfolgung zu entziehen, die bis an sein Ende nicht müde zu werden versprach. Und mochte er sich frei von Schuld oder schuldig fühlen, jene erbitterte Verfolgung fürchtete er noch auf der anderen Seite des Ozeans, oder er hätte nicht so ängstlich vermieden, den Ort seines Aufenthaltes in der Heimat bekannt werden zu lassen. Wer aber war jene Betrogene und in welcher Beziehung stand sie zu einem Manne in den reiferen Jahren, der sich jetzt noch bei Allen, die ihn früher kannten, des Rufes eines stillen, friedlichen und gefälligen, wenn auch etwas wunderlichen Gelehrten erfreute? So wogten seine Gedanken durcheinander, während seine Blicke starr auf den feinen Schriftzügen ruhten und Wegerich ihn ängstlich beobachtete.

Es klopfte leise an die Thür.

Perennis schrak empor.

»Herein!« rief er in der Verwirrung. Die Thür öffnete sich und in derselben erschien Lucretia, mit süßer Befangenheit meldend, daß das Mahl bereit sei.

Noch unter dem vollen Eindruck der jüngsten Entdeckung schob er den Brief in die Tasche.

»Wir stehen zu Diensten,« sprach er, heitere Sorglosigkeit erzwingend, und an der Hand Lucretia's verließ er das Zimmer.

»Unsere Entdeckungen beschränken sich auf das allergeringste Maß,« beantwortete er seiner lieblichen Verwandten stumme Frage, »das heißt, wir sind jetzt ebenso weise, wie zuvor.«

»So würden Sie die abenteuerliche Reise aufgeben?«

Perennis senkte einen forschenden Blick in die lieben blauen Augen. Wie ein warmer Lebenshauch wehte es ihm aus denselben entgegen, daß er auf jedes einen herzlichen Kuß hätte drücken mögen. In vielen Monaten, vielleicht in Jahren sie nicht wiederzusehen, war sein nächster Gedanke. Es gewann die Frage Leben, ob es nicht heiße, einem leeren Phantom nachjagen. Die Gestalt Splitters tauchte vor seinem Geiste auf; er sah, wie dieselbe sich mit berechtigter Zärtlichkeit dem theuren Haupte zuneigte, und beinahe rauh klang seine Stimme, indem er antwortete:

»Die Reise ist unabweisbar. Ich muß mir Klarheit, Gewißheit über Alles verschaffen. Als eine heilige Aufgabe betrachte ich, jedem Tadel vorzubeugen, welchen der eine oder der andere durch den Verstorbenen unabsichtlich Geschädigte ihm ins Grab nachschleudern könnte. Und wer bürgt dafür, daß ich nicht berufen bin, die von unserem gemeinschaftlichen Verwandten getroffenen letztwilligen Verfügungen auch nach anderen Richtungen hin zur Ausführung zu bringen. Und gewiß dürfen wir voraussetzen, daß er das Ihrer Mutter ertheilte Versprechen in seinem Testament löste. Wäre es aber noch so wenig, über das er verfügte, so viel zu einer guten Aussteuer für meine herzige Cousine wird immerhin zu erwarten sein.«

»Was sollte ich damit?« fragte Lucretia, und ihr Antlitz blieb so ruhig, so klar, ein untrüglicher Beweis, daß nicht der leiseste Gedanke an ihren Verlobten sie störte oder freudig bewegte, »nie rechnete ich auf Erbschaften, noch werde ich auf solche rechnen –« sie stockte. Die Erinnerung an ihre letzte Zusammenkunft mit Splitter mochte erwachen. Sie säumte einige Sekunden und fügte lebhaft hinzu: »Traf der Verstorbene letztwillige Verfügungen, so wird man sich drüben wohl der Sache annehmen. Für mich liegt etwas unendlich Trauriges darin, sobald Jemand die Augen schloß, sich in Muthmaßungen über seine Hinterlassenschaft zu ergehen.«

»Nach verbürgten Nachrichten starb er schon vor Jahresfrist,« entschuldigte Perennis sich gewissermaßen.

»Dagegen erhielten wir die Kunde erst vor einigen Tagen,« wendete Lucretia ein, »bei uns den Eindruck erzeugend, als seien wir eben von seinem noch offenen Grabe fortgetreten.«

»Möge er sanft ruhen in der fremden Erde,« antwortete Perennis ernst, »sein Andenken aber können wir nur ehren, indem wir seinen letzten Willen erkunden und, gleichviel wie er lautet, gewissenhaft erfüllen.«

Er reichte Lucretia den Arm und führte sie an den gedeckten Tisch. Grübelnd folgte Wegerich. Seinen ganzen Scharfsinn bot der alte Mann auf, eine Quelle zu entdecken, aus welcher die Mittel zu der beabsichtigten Reise bezogen werden könnten.


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