Johannes Richard zur Megede
Quitt!
Johannes Richard zur Megede

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Dreißigstes Kapitel.

Auf der ermländischen Landstraße trabte ein Reiter. Er ritt einen abgetriebenen Braunen von edlem Bau. Der Spätoktober trieb mit eisigem Winde die ersten Flocken, die Plänkler des Winters, und warf sie dem Reiter ins scharfe, blasse Gesicht. Ihn rührte es nicht. Mann und Pferd hatten manche Meile hinter sich, hügelauf – hügelab. Dennoch spähte der Reiter noch immer scharf nach rechts und links. Die Landschaft interessierte ihn nicht. Welle auf Welle, gleichmäßig, schier endlos dehnte sich das katholische Land. Auf der Höhe der Fichtenwald und dumpf wiederhallender Huf, in der Tiefe die Dörfer, weiß, groß, mit der viereckigen Ordenskirche und den starrgläubigen Bauerngesichtern – hell klirrte das Eisen auf holprigem Pflaster; auf den Seiten das schwarze Einerlei von Brache und Feld, in den Furchen der weiße Schneeflaum – dazwischen willkürlich eingestreut die Gehöfte der Ausgebauten. Der Braune trabte matt. An den vielen verwitterten Heiligenbildern fühlte er den Schenkel fester, und die Lippe des Reiters zog sich verächtlich; wo aber die schwarzen Krähen im Schwarm über einem Moorloche kreisten, ward ihm der Zügel straff, und der Reiter hob sich im Bügel. Ein scharfer Blick auf die Stelle – ein kurzes Schnalzen – und weiter ging's auf hartem Sommerwege.

301 »Gehab dich nicht weinerlich, Jörge! . . . Es glaubt's dir ja doch niemand! . . .« Der Sprecher hatte recht. Er hieß ja Hasso v. Natzfeld und schien der Gegend ganz der alte, nur härter, blässer und von eisigem Hohn. Aber eine Manie hatte sich bei ihm seit einem Monat eingestellt: wurde ein unbekannter Leichnam aus einem Moor gezogen – da ritt er noch nachts hin und maß die Entfernung nicht; hatte sich ein Namenloser erhängt – derselbe unverständliche Eifer. Er schien die Zeitungen nur auf solche Nachrichten hin zu lesen. Seltsame Marotte! – Es war wohl ein düsterer Punkt im alten Blut, der ihn trieb. Den Loja konnte er ja doch nicht suchen. Der war ja schon seit Maries Todestag spurlos verschwunden. Von dem sprach er auch nie – er und niemand.

Und dennoch suchte er ihn! Er kam heute wieder von einer traurigen Suche. Es war ein fremder Mann, den die masurischen Fischer ans Land gezogen hatten. Der Freund war nicht mehr – das wußte er. Aber wohin hatte sich der Lebensmüde verkrochen – in welchen Sumpf, welchen Wald? Er hätte ihn so gern gefunden, im eignen Erbbegräbnis beigesetzt – den andern zum Trotz.

Er fand ihn nicht. Er sollte ihn nie finden. –

Die Sonne stand tief, als er die letzte Bodenwelle überwunden und der Gampeschkeimer Kirchturm auftauchte. Der Fuchs sah ihn und wieherte hell. Er träumte von einer Siesta im warmen Stall. Aber sein Herr war der größere Phantast. Er hielt am Kirchhofe, stieg langsam ab und winkte einem Dorfjungen, der nur zögernd herbeikam. Der Sasser war kein leutseliger Herr.

»Führe ihn ein paar Augenblicke, mein Junge!« 302 Der Braune sah seinem Herrn nach. Er hatte ihn noch nie an einem Kirchhof erwartet. Die rostige Gitterthür knarrte. Prinz Lack sah sich argwöhnisch um – er wollte allein sein. Darauf ging er rasch die Gräberreihe entlang zu einem frischen Grab. Viel welke Kränze lagen auf dem schwarzen Hügel, und mit verregneten Atlasschleifen spielte der Abendwind.

Der Mann blickte ernst im Kreise umher – es war nicht der alte Hasso. Mitten zwischen die Dorftoten hatten sie Marie gebettet, auf des Vaters Wunsch. Ringsum ragten die schwarzen Kreuze aus Holz und Eisen, mit hochtönenden Bibelsprüchen in verblassender Vergoldung, mit unbeholfen eingekritzelten Zahlen, die ein tieferes Weh bargen; dazwischen auch graue Steine aus eingesunkenen Gräbern und schmucklose Grashügel – die Vergessenen und die schon im Leben Gestorbenen. Die Blumen waren verblüht, das Gras braun – nur die untergehende Sonne warf ihre fahlen Lichter. Sie war auch sterbensmüde, die alte Sonne. Aber die gemalten Kirchenfenster erwiderten den letzten Gruß, doch mit stumpfem Blinken. In der Höhe flatterten die Dohlen schreiend um den Turm.

Hasso hatte die Mütze abgenommen und den Kopf gesenkt. Der Wind fuhr durch das dichte schwarze Haar. Er wollte ein Gebet sprechen und die Hände falten. Es ging nicht recht mit dem Vaterunser. Das letzte Mal lag weit zurück, und das Gebet erschien ihm fast wie eine Komödie.

Aber er stand noch eine lange Weile, die Hand mit der Reitgerte in die Seite gestemmt, den Fuß fest auf dem frischen Hügel. Das Gebet hatte er vergessen. Ein andres Bild hielt ihn. Wie kahl 303 und armselig der Dorfkirchhof heute aussah! Vor einem Monate war er geputzt wie zu dem fröhlichsten Feste. Prinz Lack sah alles im Geiste genau. Er sah den endlosen Wagenzug, der die Chaussee von Lorschen an bedeckte. Die Gegend hatte ihr Bestes gethan in hohen Hüten, schwarzen Rüschen, Leichenbittergesichtern. Es ist ein schöner Brauch. Und die Leidtragenden glauben auch an die eigne Trauer eine Viertelstunde, auch länger, je nachdem die Rede im Trauerhause währt. Und dann denken die Damen wie natürlich an ihre Toiletten, ihre Kinder, ihre Wirtschaft. Der Lorscher Reichtum forderte ja zu Vergleichen heraus. Es war doch ein sehr, sehr trauriger Fall. Das große Vermögen und kein Erbe: ›Fritz würde ja so ausgezeichnet hineinpassen.‹ – Und die kostbaren Valenciennes-Spitzen von der verstorbenen Gräfin, die verschimmeln oder von einer diebischen Jungfer weggenommen werden, Klärchens vollem Halse ständen sie gewiß beim ersten Kaiserhallenball vortrefflich – vielleicht könnte sie sie auch schon zur Einsegnung tragen. ›Und der neue schwarze Krepphut ist total verdorben, wenn es auf dem Kirchhof regnen sollte; und das wird es ganz gewiß!‹

Die Herren dachten an ihre Zigarren, die schrecklich lange Grabrede nach einer schrecklich langen Fahrt im Schritt. Sie sehnten sich nach einem Skat als Gemütsberuhigung, nach einem richtigen Glase Wein gegen die unangenehme Herbstkühle. Sie fragten sich, ob das wunderschöne Lorschen siebenhundertfünfzig- oder bloß sechshundertfünfzigtausend Mark bringen würde, wenn es einmal unter den Hammer käme, und ob der unausstehliche Hasso das große Dennhöfen schließlich doch noch erben werde. Und bei dem 304 Gedanken fanden sie den Sasser ganz besonders widerwärtig! Mehrere hatten sich auch schon heimlich verabredet zu einem L'hombre, einem gemütlichen »Schweinevesper«; zum Beispiel der dicke Domat, der schweigsam neben seiner moralischen Gattin sitzt und sich den Kopf zerbricht, wie er ihrer Zucht heute entkommen kann.

Hasso kannte die Begräbnisgefühle so gut, er hatte sie immer mitgemacht.

Und die Wagenburg um den Kirchhof wurde immer gewaltiger. Ueber die Mauer guckten neugierige Dorfkinder, die Bauernfrauen standen und knicksten. Ja so ein Tod ist ein großes Fest! Und Hasso sah sich auch selbst. Er stand dicht an der Kirchhofthür, blaß, kühl, als wenn ihn die Sache nichts anginge; um ihn altfränkische Hüte, altfränkische Gesichter, Leute des Kreises, die nur der Gräflichkeit ihren Kratzfuß machen wollten und scheu zurückwichen, wenn der Sasser den Kopf drehte. Sie meinten's genau so ehrlich wie die andern – die Doerstedts, die Gorahs, Hellenbergs, die Gerguhns, Domats, Miehlers und so weiter –die ganze Orschauer Sippe, die eigentlich nur zu ihrem eignen Ruhme gekommen war, um wieder einmal zu zeigen, wie vornehm und gottesfürchtig der junge und der alte Adel vor der Heimsuchung Gottes und der eignen Würde sich verbeugten. Aber sie standen weiter vorn im weiten Kreis um das Grab. Die tadellosen Hüte glänzten, und die alten Köpfe nickten in dem angemessenen Trauertempo, Helme blitzten, und Sporen klirrten leicht, Kreppschleier flatterten, und schwarze Handschuhe faßten nach schönen Augen. Sie waren alle wieder gerührt, die guten Herzen, gerührt über den Tod und über sich selbst.

Und der Vikar sprach wunderschön. Er sprach 305 im Namen der Unterdrückten und Armen, denen sie eine Heilige, eine Mutter gewesen, er sprach von dem aufopfernden Kindesgehorsam, der rührenden Brautliebe, er meinte es ganz ehrlich, trotz der blumenreichen Wendungen und der harten Aussprache. Und als er mit weithallender Stimme die Schlußworte sprach: »Ihr Leben ist dahingeflossen wie ein krystallheller Bach ins unendliche Meer der Ewigkeit«, da glaubten sie ihm alle. Nur Arthur v. Gampesch zuckte bei dem Vergleiche zusammen wie bei einer häßlichen Berührung und sah stier auf das Grab – es war männlicher Schmerz, doch der Ausdruck nicht ganz passend. Der alte Graf aber begann heftig zu weinen, – er hätte stärker sein sollen, würdiger. Doch bei aller Trauer war man sehr neugierig, wie der alte Pfarrer die Sache angreifen würde. Hasso hatte im Sommer von ihm behauptet, er hielte jede Grabrede nur siebenmal. Der geistliche Herr sah sehr alt aus mit seinem Tuffsteingesicht und seiner blauen Nase, und der weite Talar wallte um eine zitternde Gestalt. Die Leute mußten sich vorbeugen, um ihn überhaupt zu hören, er flüsterte nur. Dabei war's eine konfuse Rede von Jugend und Versuchung, von Sünde und Vergebung. Es kam auch der merkwürdige Satz darin vor: »Sie hat viel gelitten, darum wird ihr auch viel vergeben.« Bei den Worten mußte er einhalten, ihm fehlte der Faden. Und der Schluß war seltsam, ja empörend für alle, die Marie gekannt: »Ihr aber kanntet sie alle nicht!« Er konnte es auch nur stammelnd sagen. Er war ja so alt! Aber der Graf trat zu ihm und drückte ihm die Hand. Und die Männer sahen einander fest ins Angesicht – es war ein langer Blick – sie hatten sich wohl verstanden.

306 Zu Hasso drang wenig von den Grabreden, ihm lag auch wenig daran. Nur den alten Pfarrer sah er in dem Augenblicke, als die zitternde Hand über dem kranzbedeckten Sarge das heilige Kreuzeszeichen machte . . . »Der Herr gebe dir Frieden! Amen . . .«

Die Träger sprangen herzu, die Seile knarrten, der Sarg senkte sich langsam. Es war ein so großer, schwerer Sarg für die kleine, zarte Comtesse. Und als der letzte Kranz hinabsank, fühlte Hasso einen eigentümlichen Schauer. Es mußte sehr kalt sein da unten für das heiße Herz! Dazu klangen die Glocken dumpf, die Schuljugend sang mit heller Stimme den letzten Choral, und der junge Kantor bewegte den Regenschirm im Takte.

Dann entleerte sich der Friedhof. Hasso blieb. Die Menge umging ihn scheu. Er grüßte ja auch niemand wieder. Nur Frau Domat trat zu ihm heran. Es war doch immer dekorativ, bei einem Hasso v. Natzfeld zu stehen, während das Gesindel vorbeitrollte.

»O, der schreckliche Fall! . . . Ach! Herr v. Natzfeld, wer mit Marie so gestanden hat . . . alles gemeinsam – Gedanken, Gefühle. Und das in der Blüte der Jugend begraben zu müssen! Hätte mich alte Frau doch lieber der Himmel genommen!« Sie sprach's mit Absicht laut. Auch die ganz ferne Stehenden sollten wissen, wie sie mit der Comtesse gestanden, und Natzfeld sollte sie feierlich trösten. Und er antwortete . . . etwas Ungeheuerliches . . . »Ja, das wäre vielleicht besser gewesen, gnädige Frau.«

Sie wollte etwas Zermalmendes darauf sagen, aber sie dachte noch zur rechten Zeit an ihren Gatten, an Herbert, und daß Hassos Landwirtschaftspolitik 307 doch eines Tages triumphieren könne . . . »Die Sache hat Sie sehr angegriffen, Herr v. Natzfeld;« sie lächelte sarkastisch. Als er sich leicht zu ihr verbeugte, bemerkte sie erst, daß er nicht einmal den Johanniter angelegt hatte. ›Er ist erblich belastet, wie der alte Adel überhaupt,‹ dachte sie, und das war ihr eine tröstliche Aussicht für den Adel der Zukunft – für ihren Adel.

Hasso blieb, obgleich schon die ersten Equipagen wegrollten und Leute eilig das Grab zuschaufelten. Auch der Graf und Gampesch waren an ihm vorübergegangen – die Herren hatten sich nur stumm zugenickt. Hasso sah ihnen nach. »Ein gebrochener und ein müder Mann . . . Gampesch wird's überstehen,« sagte Hasso, »der Alte hat sich heute selbst begraben.«

Das Rollen des letzten Wagens verklang. Hasso war allein. Warum er noch blieb? Er hoffte auf ein leises Kreischen der verrosteten Thüre, einen unsicheren Schritt, ein gramzerrissenes Gesicht, eine schwankende Gestalt, die an dem frischen Grabe stöhnend zusammenbrechen würde – um noch einmal allein zu sein mit ihr. Und Hasso sah, wie er sich dann über den Freund beugen würde, ihm Trost einzusprechen: ›Mut, Hans! Wir wollen das Leben noch einmal beginnen. Mit der Liebe ist's vorbei, versuchen wir's mit der Freundschaft!‹

Und er wußte, daß er den Verzweifelten doch getröstet, zum Leben zurückgezwungen hätte. Aber der kam nicht – der konnte nicht kommen! Auch das wußte er, weil die ganzen Menschen, wie Loja, einsam verbluten müssen. – Und Hasso ging.

Heute machte Prinz Lack nochmals das alles durch, und ihm dünkte, es drücke noch schwerer. –

308 Dann beugte er sich auf einen welken Kranz und riß ein braunes Blatt ab. ›Schlaf in Frieden, Mieze!‹ – Er legte das Blatt in seine Brieftasche und ging zwischen den Gräberreihen zurück zum Ausgange. Da sah er noch einmal zurück. Die Flocken fielen dichter, die Kreuze ragten düsterer – der kleine Grabhügel verschwamm.

Als er wieder in den Sattel stieg, blinkte schon hinter den beschlagenen Fenstern der Dorfhäuser Lampenschimmer, und Rauch wirbelte aus den Schornsteinen. Auch durch den Gampeschkeimer Park blitzte ein einsames Licht. Hasso schlug den Mantelkragen hoch und ließ die Stute schärfer traben. Es war noch ein weiter Ritt, und ihn fröstelte. Die Chaussee war einsam, und der Hufschlag klang matt in dem dichten Flockenfall. Dann bog der Reiter in den Dennhöfer Kirchenweg ein. Der Wald lag schweigend, düster. Plötzlich scheute der Braune zur Seite und schnaubte ängstlich. Hasso murmelte einen Fluch. Auf dem Fußwege gingen ein paar eng aneinander geschmiegte Gestalten, eine Hand fuhr nach einem Hute. Hasso dankte nicht und trabte weiter. Er hatte die beiden wohl erkannt. Es war Doerstedt und die schöne Frau. Die froren nicht in der feuchten, kalten Schneeluft. Sie träumten von Liebe und Frühling, und wie sie am besten das Trauerjahr abkürzen könnten.

Im Hohlweg am Flusse mußte Hasso vorsichtig im Schritte reiten. Der Braune sah argwöhnisch auf ein nebliges Etwas, das die Passage fast versperrte. Es war ein alter Planwagen mit einer ausgemergelten Mähre, die den steinigen Abhang nicht hinauf konnte. Sie stand dampfend da und keuchte. Eine rohe Händlerstimme schimpfte halblaut.

309 »Fahrt doch wenigstens zur Seite, daß ich vorbei kann!« rief Hasso ärgerlich.

Da wurde die brutale Stimme geschmeidiger. »Gleich, gleich – gnädiger Herr!« Aber in dem Augenblick heulte ein Hund auf, der unter dem Wagen kurz gebunden war, und ein struppiger Kopf mit eingefallenen Augen schaute zwischen den Wagenrädern vor.

»Bist du's, Unkas?« fragte Hasso. Ein wahnsinniges Heulen war die Antwort, und das Tier tobte an seinem Stricke.

»Ich schlag' dir gleich tot, Kret'!« drohte die brutale Stimme.

»Wo habt Ihr den Hund her?«

»Gekauft, gnädiger Herr.«

»Lügt nicht, Kerl!« herrschte ihn Hasso an. »Ihr fahrt mit Euerm Handelswagen durchs Land und maust, was Ihr mausen könnt.«

»Er ist mir zugelaufen im Walde, gnädiger Herr,« besänftigte die Stimme wieder. »Es ist auch nur wegen das Fell.«

»Laßt ihn los!« befahl Hasso. »Ich kenne den Besitzer.«

Der Mann that's knurrend. Ein schmutzbedeckter, wilder Unhold sprang winselnd am Pferde empor. »Sie sollen dich nicht aufhängen,« tröstete Hasso, »schon weil er dich gern gehabt hat.«

Der Händler schob den Wagen zur Seite. Hasso ritt vorüber, und Unkas trottete nach. Er war sehr müde und verhungert.

Als Hasso nach einer Stunde auf seinen Hof ritt, tobte die Meute in ihren Hütten. Der Knecht, der ihm das Pferd abnahm, wollte den fremden Köter mit einem Fußtritt wegschleudern und war 310 sehr erstaunt, als sein Herr sagte: »Laß gefälligst meinen Hund zufrieden! Er kommt mit mir aufs Zimmer. Und die Wirtin soll für irgend etwas Eßbares sorgen.« Und Unkas stieg mit seinem neuen Herrn etwas gedrückt und ungläubig wedelnd die Treppe zum Arbeitszimmer empor. Es war ein vornehmes Gemach mit vielen Geweihen und kostbaren Waffen. Die Hängelampe brannte. Auf dem Tische lag ein Telegramm.

»In der Stichwahl mit erdrückender Majorität gewählt. Gratuliere.

Der Landrat.«

Hasso lächelte trübe und schnippte das Papier über die glatte Nußbaumplatte weg zur Erde. Dann nahm er das Notizbuch heraus und betrachtete lange das welke Blatt. Er sah fast wehmütig dabei aus. Unkas blickte ihn schuldbewußt an und versuchte mit seiner schmutzigen Schnauze sich an seinem Knie zu reiben, wie er es bei Loja gewohnt war.

Hasso betrachtete das Tier. »Du hast Glück, du struppige Bestie! Gieb mir eine Pfote! . . . Verstehst du vielleicht mit deinem Hundeverstand, was das heißt, wenn einem im Leben nur noch der Hund geblieben ist? . . . eh!« Und der Hund wedelte demütig.

Prinz Lack stand auf und fuhr sich über die Augen. »Na, da wären wir glücklich reif für Anna v. Doerstedt!« – Und er ging ins Eßzimmer.

 

Ende.

 


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