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6.

Adolf Braun war restlos zufrieden. Dieser Zusammenstoß auf der Straße und dieses lächerliche Verhör mit dem Affen von Untersuchungsrichter waren ganz nach seinem Sinn gewesen. Das Ende war nahe.

Es war auch Zeit. Ein Jahr war fast vorbei, und sein Geld bis auf einen kleinen Rest zusammengeschmolzen.

Er war auf alles gefaßt. Das Nächste würde nun wohl sein, daß sein Feind ihn über den Haufen schoß, wenn er ihm wieder in den Weg trat. Er selbst trug nie eine Waffe bei sich. Er wollte es nicht. Wenn jener zum Mörder an ihm wurde auch das war gesättigte Rache, denn der Mörder würde für seine Tat büßen müssen.

Er hatte keine Furcht. Wenn er sich je hätte fürchten wollen, durfte sein Plan nie unternommen werden.

Er wartete. Entweder kam dieses Ende oder – eine Nachricht durch Ede.

Die Nachricht kam. Am achten Tage nach dem Überfall auf der Straße, dem dritten nach dem Verhör.

Es war eine erstaunliche, es war eine sehr zufriedenstellende Nachricht.

Er erfuhr, daß er von seinem Feinde in der Nähe seines Hauses gesehen worden war – obwohl er seit Monaten nicht mehr dort draußen gewesen war! ...

Ede erzählte:

»Du, dein Staatsanwalt ist jetzt ganz verrückt geworden. Er ist gestern abend aus dem Hause gestürzt und hat immerzu in die Luft geschossen – auf wen, weiß kein Mensch, denn es war überhaupt niemand in der Nähe. Sie haben ihn in eine Anstalt gebracht ...«

Ede schloß:

»Nun, auf dich wird er doch wohl nicht haben schießen wollen – so wirst du ihn doch wohl nicht geärgert haben ?«

Er sah seinen Freund lächelnd an. Aber der lächelte nicht zurück. Sein Gesicht trug wieder den verschlossenen, geheimnisvollen Ausdruck, den er, Ede, in letzter Zeit öfters auf ihm gesehen, und den er sich nie recht erklären konnte – den Ausdruck, der ihm daher immer ein bißchen unheimlich war. Was konnte er denn vor ihm verbergen wollen – vor ihm, seinem besten Freunde? –

Ihr Zusammensein an diesem Abend war kürzer als sonst.

Als Adolf Braun allein war, war ihm, als löse sich eine schwere und kaum mehr tragbare Last von seinem Herzen.

Aber erst zwei Tage später fiel sie ganz von ihm ab – als er hörte, daß sein Feind für geisteskrank erklärt und an eine Heilung nicht mehr zu denken sei.

Wieder brachte ihm sein Freund Ede die Nachricht:

»Der kommt nie mehr heraus... Die Olle heult den ganzen Tag. Die Villa soll verkauft werden – in dem Hause bliebe sie nicht länger. Mieze geht natürlich zum Ersten...« Dann wollten sie – und nun kam es heraus, das große Geheimnis – dann wollten sie gleich heiraten. Sie hatte was Gespartes und sie würden einen kleinen Zigarrenladen aufmachen. Mit Wettbureau natürlich. Denn die Rennbahn durfte immer noch einen, wenn auch jetzt stark beschnittenen Platz in seinem Herzen behalten (in dem für anderes dann allerdings keiner mehr war: Mieze war Siegerin geblieben und sah ganz danach aus, als wenn sie hinfort keine andere Nebenbuhlerin mehr in ihm dulden würde). Er aber, Adolf, müsse sie fleißig besuchen kommen, und natürlich bei dem ersten, strammen Jungen (schon auf dem Wege) Pate stehen.

Sie stießen an – immer wieder: auf eine glückliche Zukunft...

Beim Abschied schüttelten sie sich die Hand, wie immer.

– – – Und auf immer.

Adolf Braun kam an diesem Abend erst nach Mitternacht nach Hause.

Er war noch lange durch die Straßen gegangen.

In ihm war alles still und ruhig. Seine Arbeit war getan. Es war eine lange und schwere Arbeit gewesen, mühevoll und aufreibend. Aber sie war getan, und er hatte erreicht, was er gewollt – was ihm von allem Anfang an, erst dunkel und unklar, dann immer klarer und bestimmter vorgeschwebt hatte. Er durfte mit sich zufrieden sein. Aber auch ein Gefühl der Leere war in ihm, das er so noch nicht kannte. Es war ihm, als sei der Zweck seines Lebens erfüllt.

Es nochmals beginnen, nochmals dort anfangen, wo er gewesen war, als man es ihm zerbrochen hatte – dazu hatte er nicht mehr die Kraft. Und auch nicht mehr die Lust.

Er hatte niemand auf der Welt, und sein Lehen nur um seiner selbst willen zu leben – dazu war es ihm nicht wertvoll genug. Auch sein Geld war zu Ende.

Es langte, da er keinerlei Schulden hinterließ, gerade noch zu einem anständigen Begräbnis.

Das erhielt er, nachdem man ihn, einige Tage später, an einer einsamen Stelle im Walde, mit dem Schuß in der Schläfe und der Waffe in der Hand, gefunden hatte.

Ende


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