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11.

Jetzt war es soweit, daß er sich zu erkennen geben wollte und mußte.

Er war überzeugt, daß sein Feind noch immer nicht wußte, wer er war, geschweige denn, was er wollte.

Er hätte sich sonst anders benommen – mit größerer Sicherheit und wahrscheinlich auch versucht, mit ihm in irgendeine Berührung zu kommen: ihn anzusprechen oder ihm in den Weg zu treten.

Wie sollte er ihn wohl auch wiedererkannt haben? – Damals, bei der Verhandlung, hatte er immer nur in seinen Akten geblättert und ihn kaum angesehen. Der Augenblick des Hinausgehens aber war zu kurz gewesen, wenn er auch einen gewissen Eindruck nicht verfehlt haben mochte. Außerdem war er selbst verändert: er trug das Haar nicht mehr als Bürste, sondern länger und gescheitelt, einen kleinen Schnurrbart, und war stärker in den Schultern.

Es war so weit. Die Hälfte der gesetzten Zeit war schon verflossen.

Er hatte in der Zeit erreicht, was zu erreichen war. Er war gesehen und bemerkt worden. Man war unruhig, gereizt, wütend (bis zu welchem Grade war nicht festzustellen). In jedem Falle waren Neugier, Mißtrauen, Verdacht erweckt. Die Plänkeleien hatten jetzt aufzuhören.

Dafür mußte es zum ersten Vorstoß kommen, bevor dann der eigentliche Kampf begann (in welchem es sich erweisen würde, wer von ihnen der Stärkere war).

Er fühlte, wie sehr sein Gegner auf dieses erste Zusammentreffen brannte.

Er wollte ihm nicht mehr ausweichen. Er sollte ihn finden.

Die Anlagen lagen schon wieder fast verlassen da, als er, etwa zwei Wochen nach den Ferien, um eine frühe Nachmittagsstunde seinen alten Platz auf der Bank wieder bezog.

Die beiden ersten Tage vergebens: den einen Abend war der Erwartete erst ganz spät nach Hause gekommen, als er die Hoffnung bereits aufgegeben – er erfuhr es nachträglich durch seinen Freund; den anderen aus einem unbekannten Grunde.

Aber am dritten Tage, gegen Abend, sah er ihn um die gewohnte Stunde nach Hause kommen.

Er hatte sich noch nicht gesetzt, sondern stand abseits in ziemlicher Entfernung und beobachtend. Noch konnte er daher nicht gesehen worden sein.

Jetzt nahm er Platz, sah in die Luft und steckte sich eine Zigarette an. Dann noch eine und noch eine. Er wartete.

Nach etwa einer halben Stunde sah er den Feind, nicht aus dem Hause treten, sondern sich von der linken Seite her nähern. Er mußte den hinteren Ausgang benutzt haben, und er wußte, warum.

Er beeilte sich, eine frische Zigarette hervorzuholen und anzurauchen. Auch das gehörte zu seinem Plan.

Bald bemerkte er, wie der Feind hinter ihm aus dem Gebüsch hervortrat und vorsichtig auf die Bank zukam. Er sah, wie er sich setzte.

Er rührte sich nicht.

Und dann schlug die Stimme, diese seit Jahren nicht mehr gehörte, aber nie vergessene Stimme an sein Ohr, wie sie ihn um Feuer bat.

Er wandte sich langsam und scheinbar gleichgültig zu ihr hin und sah zum erstenmal wieder in das ihm jetzt so nahe verhaßte Gesicht, sah sekundenlang fest in die kalten, etwas vorstehenden Augen, stand schweigend auf, warf verächtlich seine Zigarette fort und entfernte sich.

Er wußte nicht, wohin er ging.

Er fühlte nur, wie er zitterte. Er zitterte, seine Nerven drohten unter der ungeheuren Anstrengung, sich zu beherrschen: nicht in dieses Gesicht, das er haßte und verabscheute wie nichts auf der Welt, wie er jemals auch nur annähernd etwas gehaßt, zu schlagen (nein, zu spucken),– seine Nerven, sonst Stahl, drohten nachzugeben. Erst allmählich wurde er ruhiger.

Er wußte, jetzt war er erkannt. Ein Aufzucken in diesen grünlichen Augen hatte es ihm bewiesen. Das Vorspiel war zu Ende.

Der Kampf konnte beginnen.

Sein Feind hatte eiserne Nerven. An seinen stählernen, die nie mehr, wie eben, zucken durften, was immer auch geschehen würde, sollten sie sich langsam, aber sicher zermürben.


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