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II.

Adolf Braun

1.

Adolf Braun war der Sohn »armer, aber ehrlicher Leute«.

Er hatte die Volksschule besucht, drei Jahre hindurch seine Lehrzeit in einem Manufakturwarengeschäft absolviert und in den nächsten mehr oder weniger schlecht bezahlte Stellungen bekleidet, bis es ihm geglückt war, in einem der größten der Branche eine solche zu erhalten, daß er nun auch seine alten Eltern unterstützen konnte, bei denen er lebte. Er war sehr glücklich darüber.

Er war, was man einen »guten Jungen« nennt: freundlich und offen, willig und unaufdringlich, ein braver Kamerad und treuer Freund. In seinen freien Stunden (wie heute fast alle jungen Leute) dem Sport ergeben, aber nicht ausschließlich, und ebensooft auch zu Hause über einem guten Buch (wie heute nur noch wenige junge Leute). Nicht hinter den Mädchen her, aber auch vor ihnen nicht davonlaufend. Mit Hand und Herz noch frei.

Wenn sein Charakter, im Grunde ein ganz unkomplizierter Charakter, eine besondere Eigenschaft aufwies, so war es die eines ausgesprochenen Gerechtigkeitsgefühls. Er konnte es schwer über sich bringen, ein Unrecht (das sich seinem noch nicht tief genug greifenden Denken natürlich nur in seinen Folgen, nicht in seinen Ursachen als solches zu erkennen gab) – er konnte es schwer ertragen, ein Unrecht ruhig mit anzusehen. Ebensowenig ertrug er ein an ihm begangenes.

Das hatte bereits in seiner Schulzeit bei dem noch nicht Dreizehnjährigen zu einem harten Zusammenstoß geführt. Er war von einem Mitschüler vor dem Lehrer zu Unrecht beschuldigt worden. Eine blutige Schlägerei war die unmittelbare, eine tödliche Feindschaft (auf seiner Seite) die weitere Folge. Denn er verzieh seinem Gegner nie und wies alle späteren Annäherungsversuche des Reuigen mit einer bei seinem sonst so gutmütigen Wesen ganz ungewohnten Schroffheit und Heftigkeit zurück.

Im übrigen war er alles andere als händelsüchtig, sondern im Gegenteil verträglich, und so wäre sein Leben, wie das der meisten Menschen, wohl ohne alle besonderen Zwischenfälle friedlich und unauffällig verlaufen, wenn nicht ein furchtbares – für ihn furchtbares – Ereignis von heute auf morgen diesem Leben eine andere Wendung gegeben hätte.


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