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9.

Zwei Tage später nahmen die beiden Freunde nach einem vergnügten Abend gerührten Abschied voneinander. Adolf war, wie er sagte, von seinem Onkel– demselben, der ihn unterstützte – eingeladen, einige Wochen bei ihm zu verbringen. (Eduard brauchte nicht mehr zu wissen, als zu wissen nötig war, daher auch nicht, wohin er in Wirklichkeit ging.)

Er hatte natürlich durch ihn (wie dieser durch Mieze) erfahren, wohin der Rest der staatsanwaltschaftlichen Familie gestern gereist war und in welchem Hotel man abzusteigen gedachte. Mieze hatte die Adresse aufgeschrieben erhalten, um für alle Fälle Nachricht geben zu können, wenn »etwas passieren sollte«, und diese Adresse natürlich ihrem Liebsten gezeigt.

Adolf Braun fuhr am nächsten Morgen ab.

Die ersten Menschen, die ihm in der Hotelhalle begegneten, waren Frau Staatsanwalt Sierlin mit ihren beiden Kindern, welche ihn sofort erkannten und sich nach ihm umsahen.

Er schien sie an diesem Tage ebensowenig wie an allen folgenden zu sehen. Alles, was er tat, war: daß er den Oberkellner (unter Zuhilfenahme eines guten Trinkgeldes) bat, ihm einen bestimmten Tisch für die Mahlzeiten in der Veranda zu reservieren.

Im übrigen badete er, lag am Strande, führte das müßige und gesunde Leben aller Gäste hier – von keinem beachtet, niemanden beachtend und – wartete.

Am sechsten Tage zeigte ihm der festlich mit Blumen geschmückte Tisch – der zweite von dem seinen an der Fensterseite der Veranda –, daß der Feind heute eintreffen sollte. Er ging sofort ins Bureau hinunter und erledigte seine Rechnung, da er, wie er sagte, morgen früh mit dem allerersten Zuge abreisen müsse.

Als er die Veranda wieder betrat, saß der Erwartete bereits zwischen den Seinen und über der Suppe. Adolf Braun nahm seinen gewohnten Platz ein, den fremden Tisch auch heute im Rücken.

Um auch diesmal ganz sicher zu gehen (gesehen zu sein), stand er kurz vor Schluß der Mahlzeit auf und ging auf einem kleinen, aber völlig unnötigen Umwege so dicht an dem Tisch der Familie vorbei, daß er gesehen werden mußte. Obwohl keiner der Daransitzenden aufsah, fühlte er doch, daß einer ihn bemerkt hatte. Das war alles, was er wollte.

Er ging sogleich auf sein Zimmer und zu Bett. Am nächsten Morgen, als alles noch schlief, verließ er das Hotel und reiste ab.


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