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4.

Er behielt fünfhundert Mark zurück und trug das übrige auf die Sparkasse.

Er nahm sich, als Alleinmieter, ein ruhiges und sauberes Zimmer bei einer netten, alten Frau, kleidete sich ein und half seinem Freunde Eduard auf die Beine.

Er rechnete so: ein Jahr hatte er Zeit. Es lag vor ihm. Dann würde sein Geld wohl aufgebraucht sein, sicher dann, wenn die Ausführung seines Planes unvorhergesehene besondere und größere Ausgaben erforderte.

In diesem einen Jahr mußte es also gelingen: sein Feind zu Fall gebracht werden. Stand dieser Feind dann noch aufrecht, war sein Plan mißlungen. Aber ein Jahr war lang (er wußte, wie lang es sein konnte!).

Adolf Braun ging an das, was er seine Arbeit nannte – was seine ganze und ausschließliche Beschäftigung in diesem Jahre werden und sein sollte.

Er wußte natürlich, wie sein Feind hieß: Staatsanwalt Sierlin. Er wußte auch, wo er wohnte: einmal, an einem Tage des Hungerwahnsinns, war er draußen gewesen, vor seiner Villa in dem stillen Vorort, entschlossen, ihn mit seinen bloßen Händen zu erwürgen, wenn er ihn treffen sollte. Er traf ihn an dem Tage nicht.

Jetzt dachte er nicht mehr daran, ihn selbst zu töten. Das wäre ja ein leichtes und ungeheuer einfach gewesen: ihm aufzulauern und ihn dann niederzuknallen. Aber eine solche Strafe wäre viel zu leicht und schmerzlos gewesen. Und dann: sie sollte vollzogen werden, ohne daß er selbst dabei in Gefahr geriet. Er wollte nicht noch einmal (und auf immer) dorthin zurück, wo er alles gelitten hatte, was ein Mensch zu leiden nur fähig war.

Nein, seine Rache sollte unblutig, sicher und für menschliche Augen unsichtbar sein. Sie sollte wirken wie ein Gift – nicht wie ein barmherziges, schnelltötendes, sondern wie ein schleichendes, unerkennbares, undeutbares Gift, das sich einfressen sollte wie eine heimtückische Krankheit: harmlos in seinen ersten Wirkungen, furchtbar in seinen letzten.

Das war es, was er vorhatte.

Der Feind sollte ihn, sein Opfer, sehen. Sehen und immer wieder sehen – überall und unverhofft. Sehen, sehen, bis er seinen Anblick nicht mehr ertrug, bis er ...


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