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XLII. Tischreden D. M. Luthers von Reichstagen, Conventen oder Versammlungen in Religionssachen

 

Wie es Doctor Luthers zu Augsburg ergangen.

Doctor M. L. erzählte und sagte, wie es gegangen wäre zu Augsburg Anno 1518 und wie des Papstes Legat daselbst mit ihm gehandelt und umgegangen wäre. »Erstlich,« sprach er, »da ich citirt und gefordert ward, erschien und kam ich, aber mit einer großen Custodien und Verwahrung des Churfürsten zu Sachsen usw. Herzog Friederichs, der mich an die von Augsburg verschrieben, und ihnen befohlen hatte. Dieselben hatten sehr fleißig Achtung auf mich, und warneten mich, daß ich je nicht mit den Italiänern wollte umgehen, keine Gemeinschaft mit ihnen haben, noch ihnen vertrauen; denn ich wüßte nicht, was ein Wale wäre.

Drei ganze Tage war ich zu Augsburg ohne des Kaisers Geleite. Indeß kam ein Wal oft zu mir, foderte mich zum Cardinal, und hielt fleißig bei mir an, ich sollte revociren und widerrufen, ich sollte nur ein Wort sagen, Revoco; so wird Dich, sprach er, der Cardinal dem Papst commendiren und befehlen, und also wirst Du mit Ehren wieder zu Deinem Fürsten kommen.

Nach dreien Tagen kam der Bischoff von Trient, und zeigte von des Kaisers wegen dem Cardinal an mein Geleite. Da ging ich in aller Demuth zu ihm, fiel erstlich nieder auf die Knie; zum Andern, auf die Erde, so lang ich war liegend; zum Dritten, da ich also lag, hieß mich der Cardinal dreimal aufstehen. Da stand ich auf, das gefiel ihm sehr wohl, und hoffte, ich würde mich eines Bessern bedenken.

Da ich des andern Tages wieder zu ihm kam, und gar nichts widerrufen wollte, sprach er zu mir: Was meinest Du, daß der Papst nach Deutschland frage? Meinest Du, die Fürsten werden Dich mit Waffen und Kriegsvolk vertheidigen? O nein! Wo willt Du bleiben? Unterm Himmel, sprach ich. So stolz und hoffärtig war der Papst. Drum ist seine Dignität, Herrlichkeit und Majestät in Verachtung kommen, welches ihm viel werscher thut, denn der Tod. Sie könnens nun nicht wehren.

Darnach demüthigte sich der Papst, und schrieb der Kirchen, ja Magistro Spalatino und Pfeffinger, des Churfürsten Hofprediger und Kammerrath, sie wollten mich ihm überantworten, und daran sein, daß sein Mandat und Befehl ausgerichtet und exequirt würde. Dem Churfürsten aber schrieb er auf diese Meinung: Wiewohl Du mir für Deine Person unbekannt bist, doch hab ich Deinen Vater, Herzog Ernsten, zu Rom gesehen, der war ein gar gehorsamer Sohn der Kirche, visitirte und besuchte aufs Andächtigste unsere Religion, die hielt er in großen Ehren, wünschte und wollte, daß auch Deine Serenität und Durchlauchtigkeit in seine Fußstapfen treten usw.

Der Churfürst aber merkte des Papsts ungewöhnliche Demuth und sein bös Gewissen, sah auch die Kraft und Wirkung der heiligen Schrift wohl; drum ließ ers bleiben. Meine Resolutiones und Büchlein gingen, ja flohen in wenig Tagen durch ganz Europa, das dritte Theil der Welt; drum ward der Churfürst confirmirt und gestärkt, wollte die Mandata und Befehle des Papsts nicht exequiren und vollstrecken, und unterwarf sich der Erkenntniß der Schrift.

Wenn der Cardinal vernünftiger und mit besserer Bescheidenheit mit mir zu Augsburg wäre umgegangen und gehandelt hätte, und da ich ihm zu Fuße fiel, mich angenommen hätte; so wäre es nimmermehr dahin kommen. Denn zur selben Zeit sah ich noch sehr wenige Irrthümer des Papsts. Hätte er stille geschwiegen, so hätte ich auch leichtlich geschwiegen.

Das war der Stylus und Brauch des römischen Hofs in dunkeln und verwirreten Sachen, daß der Papst sagte: Wir nehmen aus päpstlicher Gewalt diese Sache zu uns, vertilgen und löschen sie ganz und gar aus. Alsdenn mußten beide Theil weinen. Ich halte, der Papst gäbe drei Cardinäle drum, daß es in dem Fasse wäre, darinnen es dazumale war.«

 

Von Doctor Martin Luthers Reise und Handlung auf dem Reichstage zu Worms 1521.

»Also ging mirs daselbst: Da mich der Herold Dienstags in der Matterwochen citirte, das Kaiserliche und vieler Fürsten Geleite mitbrachte, ist bald am andern Tag am Mittwoch dasselbe Geleite zu Worms gebrochen, haben mich da verdammt und meine Bücher verbrannt. Als ich nun gen Erfurt kam, da kam mir die Botschaft, wie ich zu Worms wäre verdammt worden; ja in allen Städten ward daselbst hinaus öffentlich angeschlagen wider mich; daß mich auch der Herold fragte: Ob ich noch gedächte gen Worms zu ziehen?

Wiewohl ich erschrak und zitterte; doch antwortete ich ihm, und sprach: Ich will hinein ziehen, wenn gleich so viel Teufel darinnen wären, als Ziegel auf den Dächern. Da ich gen Oppenheim kam, nicht weit von Worms, kam Magister Bucerus zu mir, und widerrieth mir, ich sollte nicht in die Stadt ziehen, denn Glerpion, des Kaisers Beichtvater, wäre bei ihm gewest, ihn gebeten, mich zu warnen, daß ich nicht sollte hinein ziehen, denn ich würde verbrannt werden, sondern ich sollt mich in der Nähe bei Franz von Sikkingen aufhalten, der würde mich gern aufnehmen.

Das thäten die Bösewichter Alles nur darum, daß ich nicht sollte compariren und erscheinen. Denn, wo ich drei Tage verharret hätte, so wäre mein Geleite aus gewest, und sie hätten die Thür zugeschlossen, mich nicht verhöret, sondern gewaltiglich verdammt.

Aber ich zog immer fort aus lauter Einfältigkeit. Und da ich die Stadt sähe, von Stund an schrieb ich Spalatino, daß ich käme und fragte, wo ich sollte einziehen zur Herberge. Da verwunderten sie sich alle, daß ich unversehens käme; denn sie meineten, ich würde außen bleiben, durch Schrecken und Arglistigkeit verhindert.

Aber zween von Adel, als H. von Hirsfeld und Herr Hanns Schott, nahmen mich an, und führeten mich, aus Befehl des Churfürsten zu Sachsen usw., in ihre Kammer. Aber kein Fürst kam zu mir, denn nur allein die Grafen und Edelleute, welche hart auf mich sahen, und die vier hundert Artikel wider die Geistlichen Kaiserlicher Majestät überantwortet hatten, und gebeten, man wollte die Beschwerung abschaffen, oder sie würdens selbst müssen thun. Von welchen allen sie durch mein Evangelium erlöset sind. Aber die Bauern sind nun undankbar worden, fechten das Evangelium an.

Der Papst hatte dem Kaiser geschrieben, daß er mir das Geleite nicht sollte halten. Darauf drangen alle Bischöffe. Aber die Fürsten und Stände wollten nicht drein willigen; denn es würde ein großer Lärm draus werden. Ich hatte großen Glimpf da, den ich heraus brachte. Sie mußten sich mehr vor mir fürchten, denn ich mich vor ihnen. Denn der Landgraf, als noch ein junger Herr, begehrte mich zu hören, und kam zu mir, redete mit mir; und endlich sagte er: Lieber Herr Doctor, habt Ihr recht, so helfe Euch unser Herr Gott.

Bald da ich gen Worms kam, schrieb ich Glapioni und bat, er wollte zu mir kommen, nach seiner Gelegenheit und Willen. Aber er wollt nicht, es wäre nun umsonst. Darnach erschien ich, berufen und erfordert, vor dem ganzen Reichsrath auf dem Rathhause, da der Kaiser, Churfürsten und Fürsten bei einander versammlet waren. Da fing das Bischoffs von Trier Official, D. Eck an, und sagte zu mir: Martine, Du bist hierher berufen, daß Du sollt Antwort geben, ob Du diese Schriften für Deine Bücher erkennest (die auf dem Tische bei einander lagen, und er mir weisete); da sprach ich: Ich gläubs. Aber D. Hieronymus Schurf sagte von Stund drauf: Man lese die Titel vorne drauf. Da nun dieselben verlesen worden, sprach ich: Ja, sie sind mein.

Zum Andern fragte er mich: Wollt ihr sie widerrufen? Da sprach ich: Gnädigster Herr Kaiser, etliche meiner Bücher sind Streitbücher, darinnen ich meine Widersacher angreife; etliche sind Lehrbücher, dieselben kann ich und will nicht widerrufen, denn es ist Gottes Wort. Aber so ich in den Streitbüchern wider Jemand zu heftig bin gewest, hätte ihm vielleicht zu viel gethan, so will ich mich weisen lassen, wollet mir Bedenkzeit geben. Da ward mir ein Tag und eine Nacht gegeben.

Des andern Tages ward ich berufen von Bischöffen und Andern, die mit mir handeln sollten, daß ich widerriefe. Da sagte ich: Gottes Wort ist nicht mein Wort, drum weiß ichs nicht zu vergeben; was aber außer demselben ist, will ich gerne gehorsam sein. Da sprach Markgraf Joachim: Herr Doctor, so viel ich vernehme, ist das Eure Meinung, daß Ihr Euch wollt weisen lassen, ohne allein, was die Schrift betrifft? Ja, sagte ich, das will ich.

Da sagten sie: Ich sollte es Kais. Maj. heimstellen. Ich wollt aber nicht. Sie sprachen: Ob sie denn nicht auch Christen wären, die solche Sache mit Ernst würden ausrichten? Darauf sagte ich: Doch ohne Abbruch und Verletzung der Schrift, die wollte ich frei behalten, denn ich könnte das nicht vergeben, das nicht mein wäre. Dagegen sagten sie: Ihr sollet Euch zu uns versehen, sie werden recht schließen. Ich aber sprach dawider: Ich trauete ihnen so viel nicht, daß sie für mich wider sich selbst schließen sollten, die mich jetzunder im Geleite also verdammt hätten. Aber daß Ihr sehet, was ich thun will, machts mit mir, wie Ihr wollt, ich will Euch mein Geleite heimgeben und aufsagen. Da sprach Herr Friedrich von Feilitzsch: Das ist wahrlich genug, ists anders nicht zu viel.

Darnach sagten sie: Laßt uns doch etliche Artikel nach! Ich sprach: Im Namen Gottes, der Artikel, die außer der Schrift sind, will ich mich nicht wehren. Bald waren zween Bischöffe zum Kaiser gegangen, und ihm angezeiget, ich widerriefe. Da schickte der Bischoff zu mir und ließ fragen: Ob ich gewilligt hätte, die Sache dem Kaiser und Reich heimzustellen? Ich sagte: Ich wollte nicht, hätte auch niemals drein gewilliget. Da sprach der Bischofs: Es ist gut, daß ich Euch gerufen habe. Also widerstand ich Vielen alleine, also, daß auch mein Doctor (Staupitz) und Andere übel zufrieden waren über meine Beständigkeit; ja Etliche sagten, da ich die Artikel in ihr Bedenken heimstellen wollte, so würden sie die Artikel, so zu Costnitz im Concilio verdammet, alle schenken und nachgeben. Ich aber antwortete und sprach: Hie ist Leib und Leben. Da kam Cochläus und sagte zu mir: Martine, willt Du das Geleite aufgeben, so will ich mit Dir disputiren. Ich hätte es nach meiner Einfalt gethan, und mit ihm angenommen; aber D. Hieronymus Schürf antwortete drauf höhnisch und gleich lächelnd: Ei, das müßte wahrlich sein, es ist nicht ein ungleich Anmuthen und Anwerben, wer so närrisch wäre. Also bleib ich beim Geleite. Da sprangen etliche Gesellen herfür und sagten: Wie? führet Ihr ihn gefangen? Das müßte nicht sein!

Darnach kam ein Doctor des Markgrafen von Baden zu mir, wollte mich mit großen, hochtrabenden Worten bewegen, ermahnete mich und sagte: Ich wäre ja viel schuldig zu thun und zu lassen um brüderlicher Liebe willen, damit Friede und Einigkeit unter den Leuten erhalten, und nicht Empörung erregt würde, auch wäre man Kaiserlicher Majestät, als unserer höchsten Oberkeit, schuldig, gehorsam zu sein, man sollte Aergerniß in der Welt fleißig verhüten; drum sollte ich revociren. Darauf sagte ich: Ich wollte um der Liede willen herzlich gerne gehorsam sein, und thun, doch so fern, daß das wider den Glauben und Christi Ehre nicht ist.

Da sprach der Trierische Canzler: Martine! Du bist Kaiserlicher Maj. ungehorsam, drum ist Dir erlaubet, mit dem gegebenen Geleite wieder abzureisen. Da antwortete ich und sprach: Wie es dem Herrn gefallen hat, so ists geschehen; sehet Ihr auch zu, wo Ihr bleibet. Also zog ich davon in meiner Einfältigkeit, merkte noch verstand ihre Arglist nicht, brachte also ein großen Glimpf aus Worms, daß sie darnach hätten gewollt, es wäre noch in dem Fasse, darinnen es vorhin gewest.

H. Georg lachte immerdar, wenn ich mich auf die Schrift berief, und sagte: Wehret, lieben Herrn, es soll in meinem Lande wohl gewehret werden. Was? Sie gingen mit mir um mit solcher Arglistigkeit, daß Herzog Friederich zu Sachsen usw. hat müssen sagen: Ich hätte nicht gemeint, daß man also sollte handeln.

Darnach exequirten sie das gräuliche Edict der Acht, welches Jedermann Ursache gab, sich an seinen Feinden zu rächen, unter dem Titel und Schein lutherischer Ketzerei; und die Tyrannen haben doch endlich müssen wieder revociren. Also hat mirs zu Worms gegangen, da mich allein der Heilige Geist erhielt.«

 

Vom Nutz und Kraft der Augsburgischen Confession und Apologia.

»Gottes Wort ist kräftig. Je mehr mans verfolget, je mehr breitet sichs aus, und je weiter es kömmt. Sehet an den Reichstag zu Augsburg, welches wahrhaftig die letzte Posaune und Drommete ist vor dem jüngsten Tage. Wie wüthete da die Welt wider das Wort! O wie mußten wir dazumal beten, daß Christus im Himmel droben bleiben sitzen möchte! Da brach unser Lehre durch die Confession hervor ans Licht, also, daß sie in kurzer Zeit durch den Kaiser allen Königen, Fürsten und Universitäten zugeschickt ward. Viel feine, treffliche Leute sind damals in Höfer gewest, hin und wieder, unter welchen etliche von Gott erwählet, die fingen diese Lehre wie einen Zunder, und darnach zündeten sie Andere auch an.

Unsere Confession und Apologia ist mit großen Ehren ans Licht kommen, ihre Confutation liegt in der Finsterniß und stinkt. O wie gern wollte ich, daß ihre Confutation an den Tag käme; wie wollten wir uns an den alten zerrissenen Pelz machen, und ihn also zerschmettern, daß die Flecken hin und wieder davon stieben sollten. Aber sie scheuen das Licht.«


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