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IV. Tischreden D. Martin Luthers von der Welt und ihrer Art

 

Der menschlichen Herzens Unersättlichkeit, und es wird doch eines Dinges bald überdrüssig.

Doct. Martinus sagete: »Wer jetzt ein Fürst ist, der wollte gern ein König sein oder ein Kaiser. Ein Buhler, der eine Jungfrau lieb hat, gedenket immerdar, wie er sie möchte zur Ehe bekommen, und ist in seinen Augen keine schöner denn sie. Wenn er sie nun bekommen hat, so wird er ihrer bald überdrüssig und meinet, ein andere sei viel schöner, die er wohl hätte können überkommen. Also gedenkt ein Armer, hätte ich hundert Thaler, so wollt ich der Allerreichste sein, wenn er sie aber kriegt, so will er ihrer noch mehr haben. Das Herz bleibet auf einem Ding nicht beständig, das haben die Heiden auch ab experientia gehabt und gesaget: Virtutom presentem odimus, sublatam ex oculis quaerimus invidi.«

Und sagete Anno 1542 Doctor Luther darauf: »Als Lucas Cranach Maler, der ältere, sein Weib genommen hatte und die Hochzeit wäre gehalten gewesen, da hätte er immerdar bei der Braut der nächste sein wollen. Da hatte er einen guten Freund gehabt, der hat ihn eine Weile aufgehalten und gesaget: Lieber, thue nicht also! Ehe ein halb Jahre hingehet, wirst du sein gar genug haben, und es wird keine Magd im Hause sein, du wirst sie lieber haben denn dein Weib. Und es gehet auch also. Denn praesentia odimus, absentia amamus

 

Warum die Heiden so schön Ding vom Tode geschrieben.

»Mich nimmt oft Wunder,« sprach D. Martinus Luther, »was die Heiden bewogen, daß sie so schön Ding vom Tode geschrieben haben, weil er so grausam, gräßlich und häßlich ist. Aber wenn ich gedenke an die Welt, so wundert es mich gar nichts, denn sie haben unter sich viel Bubenstück von ihrer Oberkeit sehen müssen, die ihnen wehe gethan, haben sie mit nichts anders denn mit dem Tode bedräuen können.

Haben die Heiden den Tod so gering geachtet, ja so ehrlich und hoch gehalten, wie viel mehr sollten wir Christen es thun? Denn die armen Leute haben vom ewigen Leben weniger denn nichts gewußt; wir wissens aber, noch fürchten wir uns und erschrecken so hart, wenn man uns vom Tode saget. Wohlan, es sind unsere Sünden, und wir müssen bekennen, daß wir ärger denn die Heiden leben; darum geschieht uns nicht unrecht daran. Denn je größer die Sünde, je grausamer der Tod ist. Das siehet man an den Leuten, die wider Gottes Gebot gehandelt haben und sterben sollen, oder daß man ihnen vom jüngsten Tage saget, wie sie zagen und toben, wenn sie gleich frisch und gesund sind. Solche Kräutlein sind wir!«

 

Gleißender, ansehnlicher Rathgeber.

»Es ist nichts Schädlichers denn ein gleißender, ansehnlicher, heuchlischer Rathgeber. Wenn man seinen Rath und Bedenken höret, so hats Hände und Füße, wenns aber soll angehen, so stehets wie ein stätiger Gaul, den man nicht kann forttreiben.«

 

Unbeständigkeit menschlichen Herzens.

»Des Menschen Herz ist gleich wie Quecksilber, das jetzt da, balde anders wo ist, heut also, morgen anders gesinnet. Darum ists gar ein armselig Ding und Eitelkeit, wie Ecclesiastes, der Prediger Salomonis saget, daß ein Mensch, begehrt ungewiß Ding und sehnet sich darnach, und daß er nicht weiß, wie es gerathen wird; dagegen das gewiß ist und das allbereit gerathen ist, verachtet er.

Da Herzog Friedrich regierte, mißfiel uns beide, er und seine Sanftmüthigkeit und Lindigkeit, daß er ein friedlich, geruhig und eingezogen Regiment und Hof führete, und hofften auf einen andern bessern, der nach ihm würde ans Regiment kommen. Ei, sagten wir, wenn wir Herzog Hansen hätten, da wirds fein werden! Da wir ihn nun hatten nach Herzog Friedrichs Tode, da begehrten wir den jetzigen Herzog, Johanns Friedrichen Kurfürsten, der wirds thun, sagten wir; aber über drei Jahre so wird er uns gewißlich auch nicht tügen.«

 

Das Evangelium deckt auf der Menschen Bosheit.

»Gleich wie die Kälte größer und geschwinder wird im Winter, wenn sich die Tage längern und die Sonne uns näher kömmet (denn dieselbe macht die Kälte dichter und preßt sie zusammen), also wird auch der Menschen Bosheit größer, das ist scheinlicher, und bricht baß herfür, wenn das Evangelium geprediget wird. Denn der Heilige Geist strafet die Welt um die Sünde, welches die Welt nicht kann noch will leiden.«

 

Die Welt muß ernste und geschwinde Regenten haben.

»Die Welt kann solcher Häupter nicht entbehren, von denen sie regieret muß werden, ja N. N. mit seiner Tyrannei ist gleich ein Leckerbißlein für die Welt. Darum spricht Gott durch den Propheten Samuel zu dem Volk Israel, das um einen König bat, er wollte ihnen geben einen König: aber das sollte sein Recht sein, ihre Söhne würde er nehmen zu seinen Wagen und Reitern, ihre Töchter zu seinen Köchinnen, item, ihre besten Aecker, Gärten, Weinberge und Oelgarten nehmen und seinen Kämmerern und Knechten geben (I. Sam. 8, II ff.).«

Und sagete D. Mart. Luther drauf: »Als Kurfürst Friederich vom Wahltage zu Cöln war wieder heim kommen, da Kaiser Karol war zum römischen Kaiser erwählet worden, da hatte S. Kurfürstl. Gn. ihren vornehmsten Rath, Hr. Fabian von Feilitzsch, gefraget, wie ihm diese neuen Zeitungen gefielen, daß sie den König von Hispanien hätten zum Kaiser erwählet? Da hatte derselbige weise Mann geantwortet: Die Raben müssen einen Geier haben.«

 

Der Welt Reden und Wesen.

»Des Bischoffs von Mainz Leibarzt, der vom Evangelio wieder zum Papstthum gefallen und zum Mamelucken war worden, sagte: Ich will Christum dieweil hinter die Thür setzen, bis ich reich werde, darnach will ich ihn wieder hervor nehmen. Und ein gottloser Wücherer sagte: Willt du todtschüchter sein, so wirst du nimmermehr reich. Solche gottlose und gotteslästerische Wort verdienen und bringen mit sich die höchste Strafe.

Wenn einer das könnte enden, daß er Gott hinter die Thür könnte beiseit setzen und ihn wieder hervor ziehen, wenn er wollte, so hätten die Menschen gut handeln; denn also müßte Gott ihr Gefangener sein. Es sind Wort der epikurischen Säue und der letzten Zeiten, die eine große Plage und Strafe Gottes, dazu den jüngsten Tag reizen und reif machen.«

 

Was in Amtsverrichtung zu betrachten.

»Wenn ich mirs nicht von Herzen ließe sauer werden um des Mannes willen, der für mich gestorben ist, so sollt mir die Welt nicht können Gelds genug geben, daß ich ein Buch schreiben oder etwas in der Bibel verdolmetschen wollte. Ich will meine Arbeit von der Welt unbelohnet haben, sie ist zu gering und arm dazu; ich habe noch nie meine Herrn zu Sachsen um einen Pfennig gebeten, weil ich bin hie gewest.«

 

Welt sucht Unsterblichkeit von ihrem Stolz.

Doctor Martin Luther redet von der Welt Hoffart: »Weil alle Menschen fühlen und erkennen, ja sehen, daß sie sterben und vergehen müssen, suchet ein Jeglicher hie auf Erden Unsterblichkeit, daß seiner ewig gedacht werde. Etwan suchtens große Könige, Fürsten und Herrn damit, daß sie ließen setzen große Marmelsäulen und sehr hohe Pyramides; Gebäue und Pfeiler, viereckicht aufgeführet und immer je höher je spitziger, damit vermeinten sie unsterblich zu werden, wie jetzt mit großen Kirchen, köstlichen, herrlichen Häusern und Gebäuen. Kriegsleute jagen und trachten nach großen Ehren und Lobe mit Obsiegen und rühmlichen Victorien. Gelehrte suchen ein ewigen Namen mit Bücherschreiben, wie wir denn jetzt bei unser Zeit auch sehen. Aber auf die ewige, unvergängliche Ehre und Ewigkeit Gottes siehet man nicht. Ah, wir sind arme Leute!«

 

Wie man alt werde.

»Willst du alt werden, so werde bald alt.
Behalt den Kragen warm,
Fülle nicht zu sehr den Darm,
Mache dich der Grethen nicht zu nah:
Also wirst du langsam grau!«

 

Junge Leute.

»Ein junger Mensch ist wie ein junger Most, der läßt sich nicht halten, er muß gähren. Wir essen und trinken uns zu Tode, schlafen, feisten, farzen uns zu Tode. Ei, wir haben feine gute Ursach, hoffärtig zu sein!«

»So viel wir Gliedmaße haben, so viel Töden sind wir unterworfen. Mägdlein lernen ehe reden und gehen dann die Knäblein; denn Unkraut wächst allzeit ehe heraus denn das Gute. Also werden Jungfrauen auch ehe reif zu freien denn Gesellen.«

 

Der Welt Narrheit.

»Groß ist der Welt Thorheit, sie achtet Edelgesteine nicht nach ihrer Dignität und Würde, sondern nach dem sie viel gelten. Dürfen einen Türkis um fünfhundert Gulden achten, der doch keine bewährte Kraft hat und den gemeine Leute würden kaum einen Groschen werth achten. Darum hat Claus Narre (wie man sagt, dem Kurfürsten, der Edelgestein kaufte, und fragte ihn, wie theuer er sie schätzte) eine feine Antwort gegeben und gesagt: ›So theuer ist er und werth, so hoch ihn ein reicher Narr achten und bezahlen darf.‹«

 

Ein anders.

»Der Welt Bosheit ist so groß,« sprach D. M. Luther, »daß sie aller Gaben Gottes mißbraucht; denn obwohl viel, so durch Gottes Wort erleuchtet sind, den Armen gerne leihen und helfen, doch sind ihr dagegen viel, die nicht allein nichts wieder geben, sondern auch Böses für Gutes bezahlen; ihnen ist das Leihen gleich als gefunden.

Ich bin oft betrogen worden von unverschämten Bettlern und Streichern. Einen kleidete ich einmal und bracht ihm zuwegen einen guten Zehrpfennig, da er doch ein verzweifelter Bube war gewesen. Denn er kam zu mir und fragte mich um Rath in einem Fall des Gewissens; ich tröstete ihn, da er mich doch täuschte und eine Zeitlang zur Hochzeit gebettelt hatte; aber nicht lange darnach ward er gehängt. Ich bin vielmal von solchen Gesellen betrogen; ich meinte, alle Leute wären wie ich. Also hat D. Valentinus Mellerstadt Vielen mit seinem Gelbe gedienet, aber mit seinem großen Schaden. Es heißet, wenn ich einem leihen muß, so soll ers wiedergeben; leihen und geben ist zweierlei.«

 

Die Welt ist immer ärger worden, nachdem das Evangelium ist wieder an Tag kommen und geprediget.

»Es ist ein Wunder und sehr ärgerlich Ding, daß nachdem die rechte reine Lehre des Evangelii wieder an den Tag ist kommen aus sonderlicher Gnade und Offenbarung Gottes, die Welt immer ärger ist worden. Jedermann ziehet die christliche Freiheit nur zum fleischlichen Muthwillen, als hätte ein Jeglicher nun Macht zu thun, was ihn gelüstet. Darum ist des Teufels und Papsts Reich, was das äußerliche Regiment belanget, am besten für die Welt, denn damit will die Welt regieret sein, mit strengen Gesetzen und Rechten, Superstition und Aberglauben. Durch die Lehre von Gottes Gnade wird sie ärger; denn wenn sie höret, daß ein ander Leben nach diesem sei, ist sie mit diesem Leben zufrieden, und läßt unsern Herrn Gott das ander immerhin behalten. Wenn sie nur hie gute Tage, Ehr und Gut hat; wie gemeiniglich der Papst und seine Cardinäle und Geschmierten thun, wie eines Cardinals Testament anzeiget. Denn zu Rom starb ein reicher Cardinal, der groß Geld hinterließ. Nun hatte er bei dem Gelde in einem Kasten eine Bulla verschlossen; wie nach seinem Tode der Kasten aufgemacht ward, fanden sie den Brief, darinne standen geschrieben auf Pergamen diese Worte:

Dum potui, rapui; rapiatis, quando postestis.
(Weil ich konnt, raubt ich immer zu,
Also nach mir ein jeder thu.)

O, wie muß dieser Cardinal gestorben und gefahren sein.«

 

Nachahmen, was es sei.

»Nachahmen und thun, was man von einem Andern siehet, ohne Beruf, ist ein menschlich und teuflisch Ding, darum ist es stracks unnütz und schädlich. Also ahmen nach die Ketzer Gottes Wort, führen dasselbe traun auch auf der Zunge; die Heuchler die Werke des Glaubens, die thun sich auch äußerlich; die Abgöttischen die Ceremonien, die halten sie auch; die Dummkühnen und Wagehälse folgen dem Kriege, wollen auch Kriegsleute sein; die Narren und Klüglinge dem Regiment, wollen auch regieren; die Hümpeler und Störer den Handwerken, wollen auch kunstreiche Meister sein; die Eselsköpfe ahmen nach gute Künste, wollen traun auch gelehrt sein, wie Mäusedreck sich unter den Pfeffer menget.

Darum, wenn Gott sein Wort, Werk und Künste gibt, so thut er nichts, denn daß er Affen reizet und macht, und der große Haufen folget den Affen nach. Gott aber behält das Übrige von dem ersten Contrafeit. Also ist die Welt von Anfang gewest.«

 

Die Welt thut Niemand etwas umsonst.

Die Welt ist so eigennützig, daß sie Niemand etwas umsonst thut, sondern Alles will verlohnet haben. »Wie diese Fabel anzeiget,« sprach D. Martinus: »Einer vermiethet dem Andern seinen Esel und ging neben ihm; der aber drauf saß, da die Sonne so heiß schien und stach ihn, bat er den Herrn, er wollte drauf sitzen und ihn auch ein wenig im Schatten gehen lassen. Aber er wollte nicht und sagte: Er hätt ihm den Esel zu reiten vermiethet und nicht den Schatten davon, denselben sollt er ihm sonderlich bezahlen, da er ihn haben wollte. Diese Fabel ist ein Contrafeit und Bild der Welt, die thut nichts umsonst, will einem auch nicht den Schatten mittheilen und vergönnen!«

 

Wie die Welt die Wohlthat vergilt und belohnet.

Philippus Melanchthon sagete einmal über D. Luthers Tisch diese Fabel: Daß einmal ein Bäuerlein wäre über Feld gegangen, und da er sich müde gegangen hatte, kam er an eine Höhle oder Loch, in welchem eine Schlange lag, die war mit einem großen Steine verschlossen. Die Schlange rief ihn an und bat, er wollt den Stein vom Loche wälzen und sie los machen, wenn er das thäte, wollte sie ihm den besten Lohn und Dank geben, den man auf Erden pfleget zu geben. Das gute Bäuerlein ließ sich endlich bereden, wälzet den Stein vom Loch und machte die Schlange los, und foderte seinen Lohn; da wollt ihn die Schlange stechen und umbringen, und sprach: Liebes Männlein, also pflegt die Welt zu lohnen denen, die ihr alles Guts gethan haben! Da er aber einen andern und bessern Lohn begehrte und die Schlange auf ihrem Erbieten verharrte, berief sich das Bäuerlein auf Anderer Erkenntniß, welches Thier ihnen am ersten begegnete, das sollte darüber Richter sein. Da brachte man einen alten und abgearbeiteten Karrnhengst geführt, der kaum die Haut ertragen konnte, der sollte zum Schinder, daß man ihm die Haut abzöge; der sprach: Mir gehets also, nun ich mein Herz gar abgezogen habe, will man mich todtschlagen und schinden. Darnach kam ein alter Hund, den sein Herr ausgeschlagen hatte, der klagte, es ging ihm gleich auch also. Da sich nun das Bäuerlein auf den dritten Richter, der ihnen begegnet, berief und stellt es auf desselben endlichen Machtspruch und Aussage, kam ein Füchslein; dasselbige rief das Männlein an und verhieß ihm, da es ihm würde helfen und von der Schlangen erretten, so wollt er dem Füchslein alle seine Hühner geben. Das Füchslein sprach: Die Schlange sollt wieder ins Loch gehen, denn wollt es darüber sprechen; Ursach: ein jeglicher müßte zuvor in seinen vorigen Stand wieder gesetzet und restituirt werden, ehe denn eine Rechtfertigung, ein Urtheil und Sentenz erginge. Die Schlange, weil sie einmal gewilliget und es dem Fuchs Macht geben hatte, kroch sie wieder ins Loch. Da ward der Bauer her, wälzte von Stund an den Stein wieder davor, daß die Schlange nicht konnte herauskommen. Da nun das Füchslein des Nachts kam und wollte die Hühner, die ihm verheißen waren, holen, schlug ihn das Weib und das Gesinde todt. Darauf sprach D. Martinus: »Dieses ist ein recht Contrafeit der Welt: Wem man vom Galgen hilft, der bringet einen gerne wieder daran. Wenn ich kein Exempel dergleichen mehr hätte, so wäre doch der Herr Christus Exempels genug, der die ganze Welt von Sünde, Tod, Teufel und Hölle erlöset hat und ist von seinem eigenen Volk gekreuzigt und an den Galgen gehenkt worden.«

 

Von epikurischen Leuten.

Es ward Doctor Martin Luthern über Tisch zu Eisleben gesaget, daß ein Edelmann, C. von Seckendorf, sollte in einem Convivio gesagt haben: Wenn Gott ihm seinen Reichthum und Wollust ließe, daß er tausend Jahre leben und allen seinen Willen treiben möchte, so wollte er darnach unserm Herrn Gott gerne seinen Himmel lassen. Darauf sagte Doctor Martinus Luther: »Das ist eine rechte Sau gewesen, und denen gehören nichts anders denn Trebern.«

 

Der Welt Güter und Schätze.

»Die Fugger können,« sprach Doctor Martinus, »in einer Eile aufbringen ein Tonne Goldes, fünf oder sechs, das der Kaiser nicht vermag. N. Fugger hat bei 18 Tonnen Golds verlassen. Man sagt, daß die Fugger und Welser haben dem Kaiser einmal zwölf Tonnen Goldes im Kriege für Padua geliehen. Augsburg vermag in dreien Wochen dreißig Tonnen Goldes aufzubringen; das vermag der Kaiser nicht.«

Und sagte der Herr Doctor: »Daß ein Bischofs von Brixen einmal zu Rom gestorben, welcher auch war ein Kardinal gewesen und sehr reich, und als er war todt gewesen, hatte man bei ihm kein Geld gefunden, denn allein ein Zettelein eines Fingers lang, das in seinem Aermel gesteckt war. Als nun Papst Julius denselbigen Zettel bekommen, hat er bald gedacht, es würde ein Geldzettel sein, schickt bald nach der Fugger Factor in Rom und fraget ihn, ob er die Schrift nicht kenne? Derselbige spricht: ja, es sei die Schuld, so der Fugger und seine Gesellschaft dem Kardinal schuldig wären und machte dreimal hundert tausend Gülden. Der Papst fraget: Wenn er ihm solch Geld erlegen könnte? Des Fuggers Diener sprach: alle Stunde. Da fodert der Papst zu sich den Kardinal aus Frankreich und England, und fraget: Ob ihr König auch vermöchte drei Tonnen Goldes in einer Stunden zu erlegen? Sie sagten: Nein. Da sprach er: das vermag ein Bürger zu Augsburg zu thun. Und hat der Papst Julius dasselbige Geld bekommen.«

Es sagete auch der Herr Doctor: »Daß der Fugger dem Rath zu Augsburg einmal hätte sollen die Schatzung geben, da hätte er die Antwort gegeben: Er wüßte nicht, wie viel er hätte oder wie reich er wäre, darum könnte er die Schatzung nicht geben. Denn er hätte sein Geld in der ganzen Welt, in Türkei, Griechenland, zu Alexandria, in Frankreich, Portugal, England, in Polen und allenthalben; jedoch wollte er die Schatzung geben von dem, das er zu Augsburg hätte.«

Der Herr Doctor sagete auch, »daß er von einem gehört hätte, der da gesaget, daß er von dem Kaiser Maximiliano ein Kartenblatt hätte empfangen, darauf wenig Wort waren geschrieben gewesen, damit war er zum Fugger gen Augsburg kommen, der hätte ihm darauf sechs tausend Gülden gegeben, die hätte er in einen Aermel gesteckt und bei sich geführet, daß es seine Knechte nicht wären gewahr worden.« Aber der Doctor sagete, »daß er das mit dem Kartenblatt gerne gläubete, denn vor Zeiten hätte man kleine Briefe geschrieben und wäre großer Glaube gehalten worden. Aber das Geld zu führen, daß mans nicht gewahr würde, däuchte ihn etwas zu milde geredet sein.«

 

Daß Fürsten und Herren die Klöster und geistlichen Güter zu sich reißen.

Doctor Luther sagte einmal über Tisch davon, »daß ein wahres Sprichwort wäre: Daß Pfaffengut Raffengut wäre, und daß Pfaffengut nicht gedeihe. Und dasselbige habe man aus der Erfahrung, daß diejenigen, die da geistliche Güter zu sich gezogen haben, zuletzt darüber verarmen und zu Bettlern werden.« Und sprach darauf, »daß Burkhard Hund, Kurfürst Hansen zu Sachsen Rath, hätte pflegen zu sagen: ›Wir vom Adel haben die Klostergüter unter unsere Rittergüter gezogen; nun haben die Klostergüter unsere Rittergüter gefressen und verzehret, daß wir weder Klostergüter noch Rittergüter mehr haben.‹ Und erzählete Doctor Luther davon ein hübsche Fabel und sprach: »Es war einmal ein Adler, der machte Freundschaft mit einem Fuchse, und vereinigten sich, bei einander zu wohnen. Als nun der Fuchs sich aller Freundschaft zum Adler versah, da hatte er seine Jungen unter dem Baume, darauf der Adler seine jungen Adler hatte. Aber die Freundschaft währete nicht lange; denn alsbald der Adler seinen Jungen nicht hatte Essen zu bringen, und der Fuchs nicht bei seinen Jungen war, da floh der Adler herunter und nahm dem Fuchs seine Jungen und führete sie in sein Nest und ließ sie die jungen Adler fressen. Da nun der Fuchs wieder kam, sah er, daß seine Jungen hinweggenommen waren, klagets derhalben dem obersten Gott Jovi, daß er Ius violati hospitii rächen und diese Iniuriam strafen wollte. Nicht lange darnach, da der Adler wiederum seinen Jungen nichts zu essen zu geben hatte, sah er, daß man an einem Orte im Felde dem Jovi sacrificirete. Derhalben floh er dahin, und nahm flugs einen Braten vom Altar hinweg und brachte denselbigen den jungen Adlern ins Nest, und flog wieder hinweg und wollte mehr Speise holen. Es war aber am Braten eine glühende Kohle behangen blieben, dieselbige als sie ins Nest gefallen war, zündet sie das Nest an, und als die jungen Adler nicht fliegen konnten, da verbrannten sie mit dem Nest und fielen auf die Erde.« Und saget Doctor Luther darauf, »daß es pflege also zu gehen denen, so die geistlichen Güter zu sich reißen, die doch zu Gottes Ehren und zu Erhaltung des Predigamts und Gottesdiensts gegeben sind; dieselbige müssen ihr Nest und Jungen, das ist ihre Rittergüter und andere weltliche Güter, verlieren und noch wohl Schaden an Leib und Seel dazu leiden.«

Auf ein ander Mal sagete Doctor Luther, »daß die geistlichen Güter Adlers Federn Art und Natur an sich hätten, denn wo man sie zu andern Federn legete, so fressen und verzehren sie dieselbigen. Also wenn man die geistlichen Güter per fas et nefas unter andere Güter menget, so verzehren sie auch dieselbigen, daß einer zuletzt gar nichts behält.«

Es war einer zu Wittenberg mit Namen Severus, welcher des Römischen Königs Ferdinandi Söhne Präceptor gewesen, der bei Doctor Luther zu Tisch gegangen. Dieser hatte über Doctor Luthers Tische gesaget: Es wäre zu Linz ein Hund gewesen, der dazu gewöhnet worden, daß er hat pflegen Fleisch aus den Fleischbänken zu holen in einem Korbe. Wenn aber andere Hunde wären an ihn kommen, hatten ihm das Fleisch nehmen wollen, so hat er den Korb niedergesetzt und sich weidlich mit ihnen durchbissen. Wenn sie ihn überwältiget hatten, so wäre er am ersten mit dem Maul in den Korb gefallen, habe ein Stück Fleisch erwischt, auf daß er auch etwas davon überkäme. Da sprach Doctor Luther darauf: »Eben das thut jetzt unser Kaiser Karol auch; welcher nachdem er lange die geistlichen Güter vertheidiget hat und nun siehet, daß ein jeglicher Fürst die Klöster und Stifte zu sich reißet, so nimmt er jetzt auch die Bischthümer ein; wie er denn neulich das Bischthum Utrich und Lüttich zu sich gerissen hat, auf daß er auch partem de tunica Christi überkomme.«

 

Von denen, die an der Welt Reichthum hangen.

»Ein Mensch, der sich ergeben hat auf der Welt Reichthum und Ehre, und indeß vergisset seiner Seelen und Gottes, der ist gleich einem kleinen Kindlein, das in der Hand hält einen Apfel, der schön ist von Gestalt und äußerlicher Farbe, und meinet, es habe etwas Gutes; inwendig aber ist er faul und voller Würmer.«

 

Tischreden von D. M. Luthers von Händeln und Wucher.

»Ein bürgerlicher und rechtmäßiger Handel wird von Gott gesegnet, daß einer von zwanzig Pfennigen einen hat, aber ein gottloser und unleidlicher Gewinn im Handel wird verflucht. Wie Melchior Lotther Buchdrücker, der aus seinen Büchern, die ich ihm zu drucken gab, ein groß Geld gewonnen hat, daß ein Pfennig zweene erworben. Es hat in der Erste mächtig viel getragen, also daß Hans Grünenberger, der Drucker, mit Gewissen sagte: Herr Doctor, es trägt allzu viel; ich mag nicht solche Exemplaria haben. Es war ein gottfürchtiger Mann, darum war er auch von Gott gesegnet.

Ein billiger Gewinn ist, daß man von zwanzig Pfennigen einen habe, von hundert Gülden einen Gülden; aber der schändliche verfluchte Geiz schreitet gar über die Schnur und Maß; jetzt will man für einen Pfennig zweene haben, ein Pfennig muß ihr zweene, hundert Gülden müssen zwei hundert dazu gewinnen; darum ist auch kein Segen Gottes dabei. Wie unsern Buchführern geschieht, die alles auf den höchsten Gewinn treiben und aufs Theuerste geben; darum werden sie auch nicht reich, und wenn sie gleich reich werden, so druhets nicht, entweder sie oder ihre Kinder und Erben verarmen und werden drüber zu Bettlern, kriegen einen bösen Namen zu den Exemplaren.

Die Römer haben verboten zwölfe vom Hundert zu nehmen, jetzt aber dürfen sie alle Leipzigsche Märkte vom hundert fünfzehn Gülden nehmen, das thut jährlich achtundvierzig Gülden, ist eben der XXV. Pfui dich mal an! Wenn Sünde nicht mehr für Sünde gehalten wird, da ist weder Rath noch Hülfe; aber ich hoffe, Gott wird mit dem jüngsten Tage kommen, alsbald das Wort des Evangelii wird aufhören.«

 

Leihen.

»Leihest du, so kriegst du es nicht wieder. Gibt man dirs wieder, so geschiehts doch nicht so balde und so wohl und gut. Geschiehts aber, so verleurest du ein guten Freund.«

 

Vom Spiel.

»Karten- und Würfelspiel ist jetzt am gemeinsten, denn diese Welt hat viel und mancherlei Spiele erfunden; sie hat sich wahrlich wohl gelöset! Da ich ein Knabe war, waren alle Spiele verboten, also daß man die Kartenmacher, Pfeifer und Spielleute nicht ließ zum Sacrament gehen, und mußten vom Spielen, Tanzen und andern Spectakeln und Schauspielen, wenn sie es geübt oder zugesehen hatten und dabei waren gewest, beichten. Jetzt gehets im hohen Schwang und man vertheidingts für Übung des Verstandes usw.«

 

Vom Saufen.

»Ich habe neulich,« sprach D. M. L., »zu Hofe eine harte, scharfe Predigt gehalten wider das Saufen; aber es hilft nicht. Taubenheim und Minkwitz sagen: Es könne zu Hofe nicht anders sein, denn die Musica und alles Ritter- und Saitenspiel wäre gefallen, allein mit Saufen wäre jetzt die Verehrung an Höfen. Und zwar unser Gnädigster Herr und Kurfürst ist ein großer starker Herr, kann wohl einen guten Trunk ausstehen, seine Nothdurft machet einen andern neben ihm trunken; wenn er ein Buhler wäre, so würde es sein Fräulein nicht gut haben.

Aber wenn ich wieder zum Fürsten komme, so will ich nicht mehr thun, denn bitten, daß er überall seinen Unterthanen und Hofleuten bei ernster Strafe gebieten wolle, daß sie sich ja wohl vollsaufen sollten. Vielleicht, wenn es geboten würde, möchten sie das Widerspiel thun, quia nitimur in vetitum, was verboten ist, dawider thut man gern.«


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