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XVII. Tischreden D.M. Luthers von der christlichen Kirche

 

Die Kirche soll mitten in der Welt unter den Leuten sein.

»Gott hat seine Kirche und christliche Gemeine mitten in die Welt unter unendliche äußerliche Action, Geschäfte, Berufe und Stande gesetzt, damit die Christen nicht Mönche sollten sein, noch in die Klöster und Wildnisse laufen, sondern sollen untern Leuten leben und gesellig sein, auf daß ihre Werk und Übungen des Glaubens kund und offenbar werden. Denn geselliglich und freundlich unter einander leben, wie Aristoteles der Heide sagt, ist nicht des Menschen Ende, dazu er geschaffen ist, sondern nur ein Mittel. Aber das vornehmeste Ende, darum er geschaffen, ist, daß Einer den Andern von Gott lehre, was er im Wesen, und sein Wille, wie er gegen uns gesinnet ist. Darum spricht Aristoteles: Non medicus et medicus, non arator et arator, sed medicus et arator etc. faciunt societatem: Nicht ein Arzt und Arzt, nicht ein Ackermann und Ackermann, sondern ein Arzt und Ackermann usw. zugleich machen eine Gemeinde und Gesellschaft. Es gehören mancherlei Stände zu einer Commune.

Es sind drei vornehmliche Stände, denn es müssen sein Leute erstlich, die da arbeiten, zum Andern die da regieren, zum Dritten die da kriegen. In diesen dreien stehet ein Regiment und Policei. Darum sagt Plato: Gleich wie die Ochsen nicht von Ochsen, noch Ziegen und Böcke von Ziegen und Böcken regieret werden; also werden Menschen nicht von Menschen als Menschen regieret, sondern von großen Helden und verständigen Leuten.«

 

Der Kirche Gestalt.

»Weltweise Leute sehen, daß die Kirche ungestalt und verachtet, arm und elend ist; aber andere Gottlose werden hervorgezogen und hoch erhoben, richten es nach der Vernunft, ohne Gottes Wort; so gehen sie denn dahin! Daher kommts, daß sie die ganze Religion verachten und sagen, der Artikel von der Todten Auferstehung sei nur erdichtet, den Pöbel damit zu erschrecken und in Furcht zu bringen und zu halten. Die Bauern kommen selten dahin, daß sie Gott und die Religion verachten, sie denken nur sonst nicht daran; aber die Klugen und Weisen nehmen sich darum an, denken ihm nach, messens und richtens nach der Vernunft. Also hat Erasmus Roterodam und Andere, die gelehrtsten, verständigsten und klügesten Leute, den Epikurer im Busen.

 

Der Kirchen Angst.

»Der Kirchen Krochsen und in Kindesnöthen Liegen währet eine lange Zeit; es wird aber ein Mal ihr Alter und Zeit kommen, daß sie wird erlöset werden und einen fröhlichen Anblick haben!«

 

Ein Gleichniß und Bild der Kirche.

Amaranthus wächst im Augstmonde und ist mehr ein Stengel denn ein Blümlein, läßt sich gerne abbrechen und wächst fein fröhlich und lustig daher. Und wenn nun alle Blumen vergangen sind, und dies mit Wasser besprengt und feucht gemacht wird, so wirds wieder hübsch und gleich grüne, daß man im Winter Kränze draus machen kann. Ist Amaranthus daher genennet, daß nicht verwelkt noch verdorret.

Ich weiß nicht, ob der Kirche etwas möge gleicher sein, denn Amaranthus, diese Blume, die wir heißen Tausendschön. Denn wiewohl die Kirche ihr Kleid wäscht im Blut des Lämmleins, wie in Genesi und Apokalypsi stehet, und ist mit rother Farb gefärbet, doch ist sie schöner denn kein Stand oder Versammlung auf Erden. Und sie alleine hat der Sohn Gottes lieb wie seine liebe Braut, an der er alleine seine Lust und Freude hat; an der alleine hänget sein Herz, verwirft und hat ein Unlust und Ekel an allen Anderen, die das Evangelium verachten oder verfälschen.

Zu dem läßt sich die Kirche auch gerne abbrechen und berupfen, das ist, sie ist Gott willig und gerne gehorsam im Kreuz, ist darinne geduldig und wächst wiederum fein lustig, und nimmet zu, das ist, sie kriegt den größten Nutz und Frucht davon, nämlich, daß sie lernet Gott recht erkennen, anrufen, die Lehre frei bekennen, und bringet viel schöner, herrlicher Tugenden.

Endlich bleibt der Leib und der Stamm ganz, und kann nicht ausgerottet werden, ob man wohl wider etliche Glieder wüthet und tobet und sie abreißt. Denn gleich wie Amaranthus, Tausendschön, nicht verwelkt noch verdorret, also kann man auch nimmermehr die Kirche vertilgen und ausrotten. Was ist aber Wunderbarlicheres denn der Amaranthus? Wenns mit Wasser besprenget und drein gelegt wird, so wirds wieder grün und frisch, gleich als von Todten auferweckt.

Also sollen wir keinen Zweifel haben, daß die Kirche wird aus den Gräbern von Gott erweckt, wieder lebendig hervor kommen und den Vater unsers Herrn Jesu Christi und seinen Sohn, unsern Erlöser und Heiland, samt dem Heiligen Geist ewiglich loben, rühmen und preisen.

Denn wiewohl andere Kaiserthum, Königreiche, Fürstenthum und Herrschaften ihre Aenderung haben und bald wie die Blümlein verwelken und dahin fallen, doch so kann dies Reich, das so hoch und tief eingewurzelt ist, durch keine Macht noch Gewalt zerrüttet noch verwüstet werden, sondern bleibt ewig.«


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