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XXVIII. Tischreden D. M. Luthers von Schwärmern, Rotten und Secten, so sich wider D. M. Luthern gelegt haben.

 

Marcus von Zwickau.

»Anno 21. kam einer mit Namen Marcus Storck von Zwickau zu mir«, sprach D. Martinus, »der war mit Worten sehr freundlich; aber mit Geberden und im Leben leichtfertig, wollte sich seiner Lehre halben mit mir unterreden. Weil er sichs aber ohne Schrift zu tun unterstand und vermaß, wollte ich außer der Schrift nichts mit ihm zu schaffen haben, er thäte denn Zeichen. Denn Gott läßts bei seinem Wort, das er uns offenbart und gegeben hat, bleiben, will außer und ohne das nichts mit uns handeln. Drum, sprach ich, mußt Du Zeichen thun. Da sagte er: In sieben Jahren wirst Du Zeichen sehen! Welches der Teufel aus ihm redete. Denn nicht lang darnach, im 25. Jahr, folgete darauf der Bauern Aufruhr. Und sagte weiter mit großer Vermessenheit: Auch Gott selber soll mirs nicht nehmen! Sagte auch: Ich kanns einem ansehen, ob er erwählet sei oder nicht.

Also kann sich der Satan nicht verbergen; verlief sich balde und brauchte seltsame ungewöhnliche Worte, als: Pfund, Entgröbung, Langweiligkeit, Willigkeit usw. Da fragte ich ihn, wer solche Sprache verstünde? Antwortet er: Er predigte nicht, er hätte denn geschickte und verständige Discipel. Woher weißt Du denn, daß sie geschickt sind? Sprach er: Ich wills ihnen bald ansehen; wenn ich einen ansehe, so will ich merken, was er für ein Pfund hat. Lieber Marce, sagt ich, was habe ich für ein Pfund? Antwortet er: Ihr seid im ersten Grade der Beweglichkeit, Ihr werdet noch kommen in den ersten Grad der Unbeweglichkeit, in welchem ich bin. Da las ich ihm einen guten Text, und ließ ihn darnach fahren. Es verdroß ihn aber sehr übel, wie seine Geberden anzeigten. Darnach schrieb er mir von Kemberg einen sehr freundlichen Brief und Vermahnung. Ich aber sagte: Ade, lieber Marce!

Darnach kam zu mir unser Dresler. Und da ich aus meinem Hause ging, redet er mich mit frechen Worten kühnlich an und sprach: Herr Doctor, ich hab eine Botschaft an Euch von meines Vaters wegen. Da fragt ich ihn: Wer ist denn Dein Vater? Sagt er: Jesus Christus. Der ist mein Vater auch, sprach ich; was hat er Dir befohlen, das Du mir sagen sollt? Ich soll euch sagen von meines Vaters wegen, daß Gott zornig auf die Welt ist. Wo hat er Dirs denn gesagt? Antwortet er: Gestern ging ich zum Koswicker Tor hinaus, da sah ich ein kleines feuriges Wölklein in der Luft, das war ein Zeichen, daß Gott zürnet.

Darnach sagt er von einem andern Zeichen, und sprach: Ich lag in einem tiefen Schlaf, und sähe die Säufer sitzen, die sagten: Es gilt, es gilt dir! und die Hand Gottes über ihnen. Darnach goß mir einer ein Kandel Biers auf den Kopf, davon erwacht ich. Da sprach ich: Hat er Dir nichts mehr befohlen? Hörst Du Gesell, scherz mir nicht mit Gottes Befehl noch Namen! Und schalt ihn übel. Er aber ging mit zornigem noch hoffärtigem Muth davon, und sprach: Wer nicht hält, was der Luther lehret, der muß ein Narr sein.«

 

Schwärmer und Rotten sehen nicht auf Gottes Wort.

»Der Satan hat mich«, sprach D. Martinus, »oft mit vielen Schwärmern, so sich des Geistes rühmten, geplagt, mehr denn dreißig, welche allzumal sich unterstanden, mich von Gottes Wort auf ihre Träume zu führen. Wie denn eine Magd von Halle hierher geführt ward, die klagte und gab vor, sie wäre vom bösen Geiste besessen. Da sie aber in meiner Gegenwärtigkeit der Häuptmann ernstlich anredte und sagte: Sie wäre eine Kundschäffnerin, Verleumderin und Lästerin des Evangelii, die man mit dem Henker austreiben sollte, trollete sie sich aus der Stadt.

Also wollte mich auch einer, mit Namen Gutwalt, mit seinen demüthigen, heuchlerischen Worten überreden, daß ich seiner Meinung und Schwarm wollte Beifall geben, und sagte: Herr Doctor! Verachtet mich nicht, ob ich wohl ein armer, unverständiger, einfältiger Mann bin; denn Gott kann auch durch solche viel wirken und ausrichten. Ich betete Tag und Nacht mit Fasten und Thränen, und rief Gott an; da that ich das Buch auf und fand es allererst recht, und der Heilige Geist offenbarete mir damals die rechte Wahrheit. Das ist meine Meinung usw.

Drum die da den Geist rühmen und suchen sonderliche Offenbarung und Träume, die sind ungläubig und Verächter Gottes; denn sie lassen sich an Gottes Wort nicht begnügen, wollen damit nicht zufrieden sein. In geistlichen Sachen suche noch begehre ich keine Offenbarung noch Träume. Ich hab ein klar Wort, dabei allein bleib ich. Wie auch S. Paulus vermahnet und lehret, daß wir uns dran sollen halten und hängen, wenn gleich auch ein Engel vom Himmel anders lehrete (Gal. 1,8). In weltlichen und äußerlichen Sachen kann ich Propheten wohl zulassen, die da reden und weissagen von künftigen Dingen, wie es gehen würde und von Gottes Zorn usw.; aber in geistlichen Sachen, was die Seligkeit angehet, da bleibe ich allein bei der Krippen, gläub an Jesum Christum, geboren von der Jungfrauen, gelitten, gekreuziget und gestorben usw. für mich. Davon lasse man sich nicht weisen. Und da wir auf diesem Artikel fest bestehen und bleiben, so werden wir können vertreiben alle Geister, und mit ihnen von den andern Artikeln allzumal mit Segen und Sieg disputiren und ihnen Mannes genug sein!«

 

Schwärmer wollen nicht geirret haben, sondern recht gethan.

Anno usw. 36. den 25. Augusti kamen D. Martino Briefe, von M. Bucero, darinnen er bat, der Doctor wollte den Schweizern schreiben, und die Notel der Concordien, wie sie sich verglichen hätten mit einander, zuschicken. Da sprach Doctor Martinus: »Ich weiß nicht, was ich schreiben soll. Sie suchen nur einen Deckel mit unserm Schreiben, ihre Sache zu beschönen, und wollen doch ihre Irrthümer nicht bekennen; geben vor und rühmen sich, als sollt kein Theil das andere verstanden haben. Welches ich nicht habe wollen leiden, will auch die Schuld auf mich nicht kommen lassen, daß ich ihre Opinion und Meinung nicht sollte verstanden haben. Ah, Herr Gott, sie ist allzu klar verstanden! Warum hab ich denn so hart wider sie geschrieben, so ichs nicht verstanden habe? Das aber wollte ich gerne thun; wenn sie ihre Irrthümer bekenneten, so wollte ich auch bekennen, daß ich heftig und bitter wider sie gewest wäre. Aber diese Proposition, daß keiner den Andern sollt verstanden haben, kann ich nicht leiden. Man soll mirs auch nach meinem Tode nachsagen. Denn ich solchen Mittlereien allzeit bin feind gewest. Und habe sie über zehn Mal gebeten, da sie nicht rechte, reine, wahre Einigkeit suchten, so sollten sie es bei dem ersten Dissidio und Uneinigkeit bleiben lassen so lange, bis sichs selber zu Tode blütete. Ich will mich mit fremden Sünden nicht beladen, daß ich bei ihnen ein Fünklein auslöschte und bei uns ein groß Feuer machte. Da behüte mich Gott vor!

Ich habe Gottes Wort allzeit einfältig gelehret, bei dem bleib ich und will mich demselbigen gefangen geben, oder will ein Papst werden, der weder Auferstehung der Tobten noch ein ewiges Leben gläubet. Sie haben nur geschrieben, was der Vernunft gemäß ist, daß man im Sacrament empfahe Brod und Wein, den Leib und das Blut, aber der Leib und das Blut werde allein mit dem Glauben und Geist gessen und getrunken, mit dem Munde aber nur Brod und Wein.

Es kann kein rechte wahre Einigkeit werden, denn sie messen diese Sache nur mit der Vernunft. Ich wollte gerne sterben, wenn wir die Kirche in Schweiz und Städten könnten wieder gewinnen und zurechte bringen. Alsdenn würde sich Papst und Kaiser vor uns fürchten. Man soll aber auf Menschen nicht trauen, ja Menschen soll man fahren lassen. Sie suchen meine Worte aufs Allergenauste und Geschwindeste. Ich hab allein verheißen, ich wollte das Beste bei der Sachen tun. Mit den Worten wollen sie mich gefangen haben, meinen sie. O nein, ich will Gottes Wort nicht übergeben, ich habs weder zu Augsburg noch zu Worms wollen thun, da man mich auch überreden wollte, ich sollte die Sache übergeben. Ich aber wollte lieber mein Geleite aufsagen und übergeben, mit großer Gefahr Leibes und Lebens denn meine Lehre, ja Gottes Wort fahren lassen und Menschen übergeben!«

 

Vergleichung der Papilion, Zweifälter oder Sommervögel, mit den Schwärmern.

»Ein Papilio oder Sommervogel wird also generirt: Erstlich ist es eine Raupe und hänget sich irgend an eine Wand, gewinnet ein Häuschen; darnach im Frühling, wenn die Sonne warm scheinet, so bricht das Häuschen auf und flieget ein Papilio heraus. Wenn er nun sterben will, so setzt er sich auf einen Baum oder Blatt, drückt einen langen Tractum Eier von sich, daraus werden denn eitel junge Raupen. Also ist es generatio reciproca; es ist erstlich eine Raupe und wird wieder zu einer Raupe. Ich hab in meinem Garten varia genera der Raupen gefunden; ich gläube, es habe sie mir der Teufel herein geführet. Erstlich haben sie gleich als Hörner in der Nasen usw. Aber es sind eigentlich die Schwärmer. Denn die Raupen haben schöne, silberne, güldene Striemen, gleißen und scheinen hübsch; aber inwendig sind sie voller Gift. Die Schwärmer stellen sich fromm und heilig, aber sie haben falsche, irrige und verführerische Lehren. Und wenn die Sommervögel sterben, so lassen sie viel Eier hinter sich und werden aus einer Raupe viel andere Raupen. Also verführet ein Schwärmer viel Leute und wachsen aus ihm andere mehr Schwärmer und Rottengeister.«

Auf eine andere Zeit nennete D. M. Luther die Rottengeister, die da Klüglinge und Naseweise wären, »unzeitige und unreife Heilige, welche bald wurmstichig würden und von einem weichen Winde unter den Baum fielen.«

 

Für wen die Predigt des Gesetzes und des Evangelii gehöre.

»Die Predigt des Gesetzes muß man in der christlichen Kirchen haben um der bösen und muthwilligen Buben willen, trifft aber oft und gemeiniglich die frommen Herzen am meisten, welche es zermartert und zerplaget, daß sie nicht wissen, wo sie aus oder ein sollen, und drum sich vor einem rauschenden Blatt fürchten und immer verzweifeln wollen. Dargegen ist die Predigt des Evangelii gegeben, die betrübten elenden Gewissen und frommen Herzen zu trösten und zu stärken. So ergreifen die gottlosen und halsstarrigen, bösen Leute die Lehre des Evangelii und meinen, sie wollen daraus eine Freiheit haben zu sündigen und zu thun, was sie nur wollen und wird ihnen also nicht nütz und werden nur sicher davon.« Und sagte Doctor Martinus Luther: »Es gehet dem Evangelio gleich als wenn es regnet ins Wasser, da der Regen wenig Nutz schaffet, denn es ist zuvor Wassers genug in einem Strom oder Fluß; oder wenn es in einen großen wilden Wald regnet, als daß es in der dübischen Heide sehr regnet, da schaffet der Regen nicht viel Nutz oder Frucht; wenn es gleich sehr im Holz regnet, so ists doch vergebens. Aber dieweil müssen die Gärten, Wiesen und guten Äcker vertrocknen und verdorren, welche sonst eines Regens wohl bedürfen, auf daß sie Gras und Früchte tragen möchten.«

 

Wie allen Ketzern könnte gewehrt werden.

»Man thue die zehn Gebot Gottes hinweg,« sagte Doctor Martinus, »so hören alle Ketzereien auf. Denn die zehn Gebot sind ein Bornquell, daraus alle Ketzerei entspringt und fließt. Denn die heilige Schrift ist ein Buch aller Ketzer.«

 

Von künftigen Secten, so die rechte Kirche Gottes jämmerlich würden ärgern, betrüben und verwüsten.

Doctor Martinus saß betrübt und beweinete den jetzigen jämmerlichen Zustand der armen Kirche, die so in mancherlei Fahr jetzt stünde von wegen der Tyrannen und falschen Lehrer, Secten und Rotten, dadurch diese vergangenen Jahre der Satan das Evangelium, die Taufe und das Nachtmahl des wahren Leibes und Blutes Jesu Christi angefochten hat. »Ich hoffe aber,« sprach er, »die zween Irrthümer sollen nun schier versauset sein. Ich fürchte mich aber noch vor zwei Secten, als vor dem Epikurismo und Enthusiasmo; die zwo Secten werden noch regieren! Denn die ganze Welt gehet in der äußersten höchsten Sicherheit aufs Allervermessentlichste daher, als wollte sie ewig hie leben und als wäre kein Gott noch ander Leben nach diesem.

Die andern, die da nicht wollen dafür angesehen sein, als achten sie Gottes nicht, die werden flattern nach hohen Dingen, das mündliche Wort Gottes verachten und mit ihren eigenen Gedanken und Speculationen umgehen, sich des Geistes rühmen und vorgeben, das mündliche und äußerliche Wort sei nichts. Wie der Schwärmer Markus von Zwickau war, der sagte: Diese Lehre soll mir Niemand nehmen, auch Gott selber nicht! Und hatte mich überaus gerne durch mancherlei Weise auf seine Meinung gebracht; rühmete sich und gab vor, er hätte Alles ohne die Schrift aus Offenbarung gelernt. Item, er rühmete sich, sein Pfund und Gabe wäre im Grad der Unbeweglichkeit (denn also brauchten solche Schwärmer seltsamer, ungewöhnlicher Worte), nämlich er könnte den Leuten ins Herz sehen, was sie für Gedanken hätten usw. Aber Gott behüte mich vor seiner Schwärmerei!

Ich habe Sorge, derselben Enthusiasten werden mehr kommen, in grauen Röcken einhergehen, die Köpfe hängen, sauer sehen, ersoffen in ihren Gedanken und verdüstert, bleiben steif auf ihrem Wahn bestehen, weichen Niemand und verachten das mündliche Wort. Darum hab ich allzeit mit höchstem Fleiß geraten, vermahnet und gebeten, man wollte die heilige Schrift fleißig lesen und die Predigt hören, da Gott selbst durch seine Diener redet, daß wir mit Gott handeln, der sich offenbart hat und mit uns redet; aber den Gott, der da schweiget und in seiner Majestät verborgen ist, soll man gar fahren lassen. Darum, weil Gott wohl gesehen hat, daß wir mit unsern Gedanken und Speculationen in göttlichen Sachen irren, so hat er sich uns in seinem Wort offenbaret und durch seinen eingebornen Sohn, so der Mutter im Schos liegt an den Zitzen, mit uns geredt und ernstlich befohlen, da er sagt: Diesen sollt ihr hören, der wird's euch Alles lehren (Matth. 17, 5).

Aber wir wollen leider ihn nicht hören und verachten oder meistern das mündliche Wort, wollen nicht unten bei der Krippen und Windeln Christum suchen, sondern oben anfahen. Ah, wenn Gott durch einen Esel redete, so ist es sein Wort, wie viel mehr, da er's thut durch seinen Sohn und seine Apostel und gesandte Diener? Darum rühmet S. Paulus die Thessalonicher (1. Thess. 2, 13): ›Ihr habt‹, spricht er, ›unser Wort als Gottes Wort angenommen‹, wie es denn auch in der Wahrheit ist. Wenn wir das könnten gläuben, daß Gott mit uns redete, so würden wir das Wort in größern Ehren, lieb und werth halten. Aber man kann das Concretum, vornehmlich das Reden, loquitur, nicht erhalten. Denn das enthusiastische Quare, wie das Gott mit eigenen Gedanken suchet, richtet alles Unglück an: Warum der einige Gott dreifältig sei, eine Person, Gott und Mensch, seine Mutter eine Jungfrau sei? Warum er sich deß erbarme, jenes nicht?

Es ist das Peccatum originale, die Erbsünde, so den Adam im Paradies in alles Unglück gebracht hat, und ist uns in die Haut und Inwendiges gekrochen, muß auch durch den Christum wiederum herausgebracht werden. Das Quare, auf Deutsch wie, ist uns zum Wehe geraten; denn der Adam wollte stolziren und mit dem Quare, Wie, umgehen, da ward ein Wehe daraus. Ist doch kein Hauswirth so schlimm im Hause, der seinem Knechte gestattete zu fragen in seinen heimlichen Sachen, wie und warum er solches thue? Sondern der Knecht soll zufrieden sein an seines Herrn Befehl; denselben soll er ausrichten und nicht fragen, warum. Also will Gott auch, daß wir ihn sollen fürchten und mit zitterndem und zerschlagenem Herzen und Geiste thun, was und wie ers befohlen hat, und weiter nicht fragen, forschen und grübeln nach der Ursache, warum ers also haben will. Er will, daß wir uns die Schande, ihm aber die Ehre allein geben sollen, daß wir arme Narren und Sünder sind, er aber klug und gerecht, und hält die für gerecht, die an seinen Sohn glauben, wie S. Paulus sagt (Rom. 3,24). Dagegen aber suchen wir unsre Ehre und Ruhm und seine Schande.

Darum, wer da will, daß ihm soll geraten und geholfen werden, der habe fleißig Achtung aufs mündliche Wort, gläubs und mache aus dem Quare ein Ita, und werde wie ein Kindlein; wie die heilige Schrift gar fein meisterlich vom mündlichen Worte redet. Wenn wir gleich nicht mehr hätten denn die zween Psalmen, den hundert und neunzehnten und hundert und ein und dreißigsten, die lehren uns, daß wir ja fleißig Achtung geben sollen auf das Wort; daran sollten wir uns genügen lassen, wenn uns das teuflische Quare (warum, wie) nicht hätte also durch die Erbsünde eingenommen.

Daß aber etliche vorgeben und sagen: das mündliche Wort thue nichts, sondern der Geist thue es, der ist von Nöthen; denn es hätten die Aposteln auch nicht gegläubt, darum müßte ihnen Gott den Heiligen Geist senden usw. Antwort: Die Apostel haben gleich sowohl gegläubt, wiewohl schwächlich; aber darnach ist solcher schwacher Glaube durch die Sendung des Heiligen Geistes stark worden. Denn der Heilige Geist hat nichts anders gelehret, denn was Christus zuvor gelehrt hatte, sintemal Christus sagt mit klaren Worten (Joh. 16,13): Er (der Heilige Geist) wird von ihm selbst nicht reden, sondern was er wird hören, das wird er reden usw. Summa Summarum, der Teufel will nicht, daß wir auf dem rechten Wege sollen bleiben, sondern treibet uns immerdar neben aus auf die eine Seite. Der Epikurismus gehet auf die linke Seite, der Enthusiasmus auf die rechte, auf welchem die Allerfrömmsten und Andächtigsten in großer Superstition und Abgötterei einher gehen!«

 

Daß das Evangelium keine aufwühlerische Lehre sei.

»Man beschuldiget das Evangelium als eine aufrührerische Lehre, aber sie ist nicht aufrührerisch; wiewohl ihr allzeit Aufruhr nachfolget, sie richtet aber keine nicht an, sondern bringet eitel Fried und Einigkeit. Der Teufel samt seinen Schuppen, Rotten und Secten erregt Aufruhr und alles Unglück, denn er kann reine Lehre, die ihm sein Reich zustöret, nicht leiden, macht, daß sich die Welt dawider legt. Daher kommt Uneinigkeit und Aufruhr.

Was hat es doch Gott gekostet, ehe er sein Volk dahin brachte, da ers hin haben wollte? Nämlich das Königreich Aegypten ins rothe Meer und das ganze Volk Israel in die Wüste. So hat Christus auch mit sich hingerissen die Polizei, Regiment und Priesterthum der Juden und das römische Reich. Also wird auch heut zu Tage Deutschland zerrissen und verwüstet werden.«

 

D. Martini Urtheil von Erasmo Roterodamo.

Da D. Martin des Erasmi Roterodami Conterfeitbild ansah, sprach er: »Erasmus, wie die Gestalt seines Gesichts anzeiget, wird ein listiger, tückischer Mann sein, der beide, Gott und Religion gespottet hat. Er braucht wohl feine Worte: Der liebe heilige Christus, das heilwärtige Wort, die heiligen Sacramente, aber in der Wahrheit hält ers für sehr kalt Ding. Zu beißen und stochern hat er einen Geist und Muth, und die Worte sind sehr geschwind und glatt, wie es in seiner Moria und Julio zu sehen ist. Im Lehren ist er gar kalt, taugt nichts, er kann wohl waschen, aber die Worte sind gemacht, nicht gewaschen. Wenn eine Predigt gemacht ist, so klinget sie wie ein geflickt Ding, ist gar kalt.

Darum sagte Cicero: Keine bessere Art, den Leuten das Herz zu rühren und sie zu bewegen ist, denn wenn dirs zuvor selbst zu Herzen gehet. Die gottlosen Papisten brauchen nur unsere Worte, sprechen die nach wie ein Papagei. Sehet doch nur, was er über den schönen Psalm: Wohl dem, der den Herrn fürchtet usw. (Ps. 128) und den zweiten Psalm in seinen Paraphrasibus schreibt und wäscht! Von dem Artikel, wie man vor Gott gerecht wird (der doch der höchste und vornehmste ist), sagt er kein Wort, nennet Christum nur um der Präbenden willen, achtet aber seiner nichts. Will Christus nicht ein König sein, so sei er ein Bettler; es ist ihm gleich eins. Er hat das Papstthum gereizt und vexirt, nun zeucht er den Kopf aus der Schlingen.«

 

Erasmus ein Lucianus.

»Erasmus«, sprach D. Martinus, »sticht durch den Zaun, thut nichts öffentlich, gehet keinem frei unter die Augen; darum sind seine Bücher sehr giftig. Wenn ich sterbe, will ich verbieten meinen Kindern, daß sie seine Colloquia nicht sollen lesen, denn er redet und lehret in denselbigen viel gottlos Ding unter fremden erdichteten Namen und Personen, vorsetziglich die Kirche und den christlichen Glauben anzufechten. Mich zwar und andere Leute mag er verlachen und verspotten, er spotte aber unsers Herr Gotts nicht, das rathe ich ihm; er will ungevexirt sein. Darum besorge ich, er wird ein bös Ende nehmen!

Lucianum lobe ich, der gehet frei heraus und verspottet Alles öffentlich; Erasmus aber verfälscht Alles, was Gottes ist, und die ganze Gottseligkeit unter dem Schein der Gottseligkeit, darum ist er viel ärger und schädlicher denn Lucianus.«

 

Erasmi Weise oder Ingenium.

»Erasmus ist ein rechter Momus, der Alles verspottet, auch die ganze Religion und Christum. Und auf daß ers desto baß thun könne, erdenkt er Tag und Nacht Wankelworte, daß seine Bücher auch können von Türken gelesen werden. Und wenn man meinet, er habe viel gesagt, so hat er nichts gesagt. Denn alle seine Schriften kann man ziehen und deuten, wie und wohin man will; darum kann er weder von uns, noch von den Papisten ergriffen werden, es sei denn, daß solche Wankel- und geschraubete Worte weg gethan werden, welche beide in der heiligen Schrift und in kaiserlichen Rechten verboten. Denn also setzen sie: Wer zweifelhafte, dunkle, ungewisse Worte braucht, wider den sollen sie gedeutet und verstanden werden.«

 

Von Erasmi Conterfeit.

Da D. Martino des Erasmi Conterfeit gezeigt war, gefiels ihm nicht. Und man sagt, da Erasmus sein eigen Conterfeitbild gesehen hatte, soll er gesagt haben: Sehe ich also, so bin ich der größte Bube! Also gefällt Niemand seine eigene Gestalt wohl.

 

Von seinem Leben und Ende.

»Erasmi Proposition und vornehmste Lehre ist, man soll sich nach der Zeit richten und den Mantel nach dem Winde hängen, wie man sagt; hat allein auf sich gesehen, ihm selbst gelebt, daß er möchte Ruhe und gute Tage haben, und ist gestorben wie ein Epikurer, ohne einigen Diener Gottes und Trost, ist gefahren in Bus correptum!

Erasmus Roterodamus hat in freien Künsten viel trefflich Dinges geschrieben, denn er hat Verstand, Zeit und ein müßig Leben geführt, ohn alle Mühe und Beschwerung, hat nicht geprediget, noch öffentlich gelesen, ist kein Hausvater gewest und ist in einem Stande ohne Gott, hat in aller Sicherheit gelebt, wie er denn auch gestorben ist. Am Todbette hat er keinen Kirchendiener begehrt, noch das Sacrament, und diese Wort soll er am Ende geredt haben: Fili Dei, miserere mei (Du Sohn Gottes, erbarme dich meiner), sind vielleicht erdichtet. Behüte mich Gott, daß ich an meinem letzten Ende nicht sollte einen frommen Diener begehren und zu mir fordern lassen! Ja, wenn und wo ich nur könnte einen frommen Christen bei mir haben, der mich aus Gottes Wort trösten könnte, so wollt ich Gott danken! Aber der Mensch hat solches zu Rom gelernt, davon man jetzt schweigen muß um seiner Autorität und Bücher willen, die er geschrieben hat.«

 

Von Erasmi Diatribe.

»Unter allen Büchern, so die Feinde der Wahrheit wider mich geschrieben haben, hab ich keins gar ausgelesen denn des Erasmi Diatribe; doch hab ich dieselbe auch so gelesen, daß ich oft gedachte, sie unter die Bank zu werfen. Denn Alle, so bisher wider mich geschrieben haben, die haben mir in einem oder zweien Blättern Argumenta genug gegeben, die andern hab ich Pilato geopfert und, mit Züchten zu reden, den Hintern dran gewischt, denn sie waren zu nichts anders nütze, weil nicht mehr drinnen war, denn daß sie mich mit eitel Lügen über die Maße beschwereten.«

 

Von der Rottengeister Theologia.

Einer sagte, wie der Rottengeister Theologia wäre eine Ursache vieles Übels und Unglücks. »Ja,« sprach D. M. L., »es ist kein größer Schalk denn die Sonne; denn wenn dieselbe nicht schiene, so geschähen nicht Dieberei, Ehebrecherei, Räuberei und Plackerei. Unser Herr Gott ist die größte Ursache zu sündigen; warum hat ers also geschaffen? spricht Frau Hulda, die Vernunft.«

 

Klage Lutheri, daß es im deutschen Lande übel zugehe, und daß es Gott strafen werde, wie allzeit auf die Predigt Gottes Wortes die Strafe gefolget sei.

»O lieben Kinder, wer sterben kann, der sterbe nur balde! Es will nicht gut werden in der Welt; es will wahrlich nicht gut werden! Wenn ich wüßte, daß meine Kinder sollten den Jammer sehen, der kommen wird, so wollt ich viel lieber, daß ich jetzt balde mit meinen Kindern und allen Christgläubigen stürbe. Es wird also gehen und sähet schon an, wie Johannes der Evangelist saget: Christus werde ventilabrum in manu sua haben und purgiren aream suam, er werde das Korn wurfeln auf der Tenne (Matth. 3,12). Als das Evangelium zu Rom war, da wurfelt unser Herr Gott getrost, und kamen viel feiner Leute hinweg. Gott sammlet das Körnchen in sein Scheunchen. Als die nun hinweg waren, da zündet er Rom an, daß es gar in der Aschen lag, und kann noch nicht recht wieder gebauet werden. Also wirds auch noch mit dem deutschen Lande gehen. Unser Herr Gott wird sein Körnchen einsammeln; wenn das weg ist, so wird er das deutsche Land anzünden. Denn unsere Sünden drücken uns und wir thun nicht Buße, sondern häufen noch Gottes Zorn und Strafen über uns.

Es hat neulich ein großer Fürst dem Erasmo Albero Urlaub gegeben nur darum, daß er hat geschrieben an ihn: es sei nicht recht, daß die armen Pfarrer sollen Schatzung und Steuer geben von ihrem Solde, so sie sonst kein Gewerbe noch Zugänge hätten denn ihren Sold, davon sie nährlich das treue Brod haben möchten zu essen, und diesen Sold sollten sie noch verschatzen! Aber er mußte darum das Land räumen, und haben ihm die Bürger, da er gewesen, dazu ein Paar Schuhe an die Tür gebunden und drüber geschrieben: Surge et ambula! Hat also mit Schanden müssen davon ziehen als ein Aufrührer. Wohlan, wollen wir also anfangen a domo Dei, so sei es Gott geklaget!«

 

Daß man falsche Lehrer und Ketzer ohne Erkenntniß ihrer Sünde und öffentlichen Widerruf nicht soll wieder annehmen.

Anno 1540 sagte D. Mart. Luther: »Wenn gleich der Papst würde seine dreifache Krone wegwerfen und von seinem römischen Stuhl weichen und den Primat fahren lassen und öffentlich bekennen, daß er geirret und die Kirche verwüstet und unschuldig Blut vergossen hat: so können wir ihn doch als ein Glied der christlichen Kirchen nicht wieder aufnehmen, sondern wir müssen ihn für den rechten Antichrist halten.«

Als M. Eisleben zu Wittenberg die Antinomiam hatte angerichtet und gerne mit D. M. Luthern wäre vertragen gewesen, und allerlei Conditiones vorgeschlagen worden, auch M. Eislebens Weib bitterlich weinete und sehr bat, ihren Mann wieder anzunehmen, item der Kurfürst zu Brandenburg für ihn schrieb und Fürbitte that, antwortet D. M. Luther nichts drauf denn dieß: »Wird er dieser Gestalt öffentlich wiederrufen, so kann er angenommen werden, als: Ich bekenne, daß ich genarret habe und habe denen von Wittenberg Unrecht gethan, denn sie lehreten recht, und ich habe sie unbillig gestrafet; das ist mir leid und reuet mich von Herzen, und bitte um Gottes willen, man wollt mirs vergeben! Sonst nehmen wir keine Revocation an, die er deuten kann. Es muß deutlich geredt sein. Will er nicht, so will ich sie stellen.«


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