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Zweiunddreißigstes Kapitel

Eduard an Herrn von Wassilko

19. Mai

Verehrter Herr de Wassilko!

Als Sie vor vier Wochen neben Ihrer Tochter die Löwentreppe der Akademie herabschritten, fuhr meine Gondel grade vorüber, ich erkannte Sie nicht, obwohl mir einmal ein Bild gezeigt worden war. Mir war, als sähe ich meinen Vater, geführt von Ihrer Tochter, die Treppe unseres Schlosses niedersteigen, und ich beschloß, alles zu tun, dies Bildnis zu verwirklichen, doch konnte ich, wie die Dinge lagen, Sie selbst in jenen Tagen noch nicht bemühen.

Ereignisse, von denen Ihnen vielleicht Kunde wurde, haben die schwere Aufgabe auf mich gelegt, die Natur und Recht meinen Brüdern übertragen, zugleich hat der Schrecken das Leben meines leidenden Vaters geendet. Als letzter Erbe mußte ich dem Amt meine Freiheit opfern.

Nach der beschworenen Verfassung meines Landes kann ich rechter Hand nur eine, im Sinne des Gesetzes ebenbürtige Ehe eingehen. In anderen Fällen ist nur die sogenannte morganatische Ehe möglich. Kirchliche Bedenken bestehen nicht, da beide Teile protestantisch getauft sind.

Nachdem nun Ihre Tochter gestern eingestimmt, beehre ich mich, Sie, hochgeehrter Herr, um Ihre Einwilligung zu bitten, und dies, sobald es Ihnen beliebt: denn mannigfache Gründe, vor allem der Wunsch, die Fama abzukürzen, drängen mich vorwärts. Fräulein Diana soll Rang und Namen einer Gräfin Wassilko annehmen. Kinder aus dieser Ehe würden erbberechtigt, jedoch nicht zur Erbfolge berechtigt sein.

Genehmigen Sie, verehrter Herr de Wassilko, den Ausdruck wahrer Verehrung Ihres

sehr ergebenen

Eduard, Fürsten zu …

 

Diana an ihren Vater

19. Mai

Vielleicht bringt diesen Brief die Abendpost Dir zu, Du, lieber Vater, erkennst die Handschrift im Dämmerlichte der Lagune, die Du nun bald verlassest. Dann läßt Du Dir die hohe rötliche Stehlampe anzünden, schiebst den gotischen Sessel darunter und lächelst, denn Du weißt voraus, was der Brief enthält.

Und wußtest Du nicht immer alles voraus, das Schicksal meiner Mutter und das Deine? Als Deine langen Finger in mesopotamischer Erde gruben, die Nägel schwarz, die Glieder müde geworden waren, am Ende stießen sie doch auf ein Festes, und mit verdoppelter Vorsicht gruben sie weiter und ergruben sich ein Glas, das das Geheimnis von Wasser und Erde mit den sieben Farben des gebrochenen Lichtes schmückte. Licht, das dem Finsteren sich entrückte, hobst Du empor, Weisheit aus der Dämmerzone der Seele trugst Du ins Licht.

Bist Du ein Magier – o, so befrage die Sterne nun auch um mein Geschick, ergründe es an seiner Beugung, aber verrate es mir nicht. Denn wenn ich schon die Freiheit gab, um einer schönen und bedrängten Seele willen, so mag ich doch nicht meine Natur um die Erwartung betrügen, die mir die Zukunft bedeutet.

Doch über alle dunklen Mächte weg sprachst Du in dem übergoldeten Kuppelsaale das alte einfache Wort: Das Herz muß entscheiden! Daß Du das sagtest, nachdem Du Eduard gesehen, bot mir die letzte Gewähr.

Ich weiß nicht, wie das alte große Haus aussieht, in dem ich wohnen soll. Aber es gibt, das weiß ich, dort einen alten Park mit hohen fernen Mauern, und darin möchte ich mit Dir wandeln. Laß es nicht zu spät werden, denn Eduards Herz ist rasch, aber nur das Deine ist weise.

Diana

 

Wilhelm an Diana

Liebe Diana! Heut früh hat die Gräfin aus der Zeitung vorgelesen, Sie werden den Prinzen Eduard heiraten. Maria kam aus dem Frühstückszimmer herausgerannt, als ich grade Clemens lehrte, wie man mit dem Hinterkopfe Nüsse aufknackt. Vor Schreck ließ ich sie fallen, was mir noch nie passiert ist.

Nun wird es nie mehr wie früher, und wenn man Ihnen im Tiergarten aufpaßt, wird erst ein galonierter Diener kommen, dann Sie und dann noch ein Diener. Und dabei bekommen Sie nicht mal die Krone, die Ihnen so gut stehen würde wie der Königin Genoveva, als sie den König Arthus mit Lanzelot betrog.

Der Durchlaucht war freilich ein lustiger Mensch, besonders wenn er so überlegen tat, abends, auf Excelsior, und dabei fraß er Sie mit allen zweiunddreißig Zähnen auf, weil der Russe seinen Sessel ziemlich nah gerückt hatte, und es war in der Rauchkabine nach Tische, wo es ohnehin immer sehr schummrig war. Aber wenn sie dann regieren, werden sie alle bitter und hochfahrend! Sie werden es ja sehn!

Die Gräfin ist schön, sie rauscht wie Wasserfälle am Abend, Maria hat viel breitere Hüften, als man zuerst denkt. Clemens war in Sie verliebt, aber jetzt hält er sich an Maria. Ich habe eine Menge dalmatische Lieder gelernt, die spiele ich Ihnen vor. Aber wann und wo?

Ihr Wilhelm


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