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Achtzehntes Kapitel

Diana erwachte von Kettenrasseln. Sie sprang auf, als sie die Luke öffnete, war Land zu sehen, flache Steine, die eine milde Flut näßte, ein paar Büsche, geschnitten von den starken Schatten des ersten Lichtstrahls. Auf Deck sah sie dann nur wenig mehr, einen leisen Hügel, den steinig übersonnten Strand, einige kleine Häuser, ein paar Dutzend erstaunte Fischersleute, die hier, in der vergessenen Amusabucht nie etwas anderes landen sahen, als ein Fischerboot.

Es war Leukas. Scherer hatte diese kleine Insel ausgesucht, denn der Wunsch seiner Freunde und auch der seine wollte Corfu meiden, auch Kephalonia schien zu groß. Man wollte auf dieser Meerfahrt weder Freunde noch Fremde auf Inseln treffen, die man nur einen Vormittag traumhaft touchierte, und Ithaka, an das Scherer zuerst dachte, stieß allgemein auf Abneigung, man fürchtete ein ständig archäologisches Suchen, mehr noch als in Syrakus.

»Guten Morgen! Ist das wüst genug?« rief Scherer über Deck, als er Diana sah. »Diese Eingeborenen hier unten fordern nicht einmal Ankergeld!«

»Und fangen Fische,« rief Diana, »und melken Ziegen und unser himmlischer Vater ernähret sie doch!«

»Sie sind biblisch aufgelegt,« sagte Scherer und reichte ihr nun die Hand.

»Heidnisch, denn es ist reich und einsam hier, die Sonne wird in einer Stunde brennen und wir werden auf griechischem Eppich gehn!«

»Dörpfeld suchte hier Ithaka,« sagte Scherer.

»Ich will das nicht wissen! Ithaka ist dort, wo ich will!«

»Sie sprechen ja wie Franklin!«

»So mag er für heute recht haben! Gehn wir an Land?« Sie zeigte auf das Boot, das unten anlegte.

»Ja, gehen wir denn überhaupt – aufs Festland?« fragte Scherer zurück.

»Wie?«

»Nun, da ich Sie denn so morgendlich allein erwische: wollen Sie nicht nach Patras?«

Sie standen am Fallreep, das von den schweren Tritten des an Land fahrenden Kapitäns noch leise zitterte. Die Frage war von ihnen zu zweit noch nie erörtert worden. Beide fürchteten sie. Patras hieß auch Athen, und gewisse gemeinsame Erinnerungen waren zerbrechlich. Sollten sie eines Abends dieselbe Straße nach Patras fahren, er in Gedanken an die einzige schwache Stunde seines Lebens, sie wissend, daß er nur an diese Stunde dächte? Könnte nicht jede Stunde dort ihm peinlich werden, in dem Gedanken, diese Frau, die morgen dem Prinzen ihre Gunst schenken konnte, hätte ihn, Scherer, hier, vor einem Jahre in aller Freundlichkeit abgewiesen? Und doch wollte der Herr des Schiffes, der die Fahrt bestimmte, sie selbst entscheiden lassen. Als er sie mit einer gewissen Neugier fragte, war er ihrer Antwort nicht gewiß.

Sie hatte längst entschieden. Scherer, dem sie damals ihre Freiheit so wenig opfern wollte, wie je einem anderen, war ihr in diesem Jahre vertraut geworden, Verstand und Bildung, Noblesse und Wirksamkeit kamen ihrem Wesen so sehr entgegen, daß sie ihm jedes Unheimliche fernhalten mochte. Sie sagte:

»Patras – lohnt kaum und für Athen wäre es doch wohl zu spät – meinen Sie nicht? Man könnte auch über Nacht von der balkanischen Verwicklung erwischt werden und die Jacht wird gekapert. Hätten Sie nicht Lust, statt dessen nördlich zu steuern?«

»Sehr nördlich?« fragte er lächelnd, denn er kannte ihre Neigung zu Venedig.

Sie lachte. Aber plötzlich warf sie mutwillig den kleinen Kopf herum und sagte: »Und dann: man soll sich vor alten Szenerien hüten, wenn man die Vergangenheit verachtet.«

Das klang wie ein Ruf in den Morgen, und für sie selbst war es auch nicht mehr. Scherer aber hörte etwas heraus wie Widerruf gegen das Vergangene, denn er kannte ihren Glauben an die Verwandlung des Augenblicks. Er sah sie an, fest, als wollte er ihr eignes Wort in seinem Blicke fixieren, sie hielt ihn aus, kämpferisch, kühn, unbewegt, bis er ihn wieder wandte und ruhig fortfuhr:

»Also Venedig und dann noch die Küste, meinen Sie. Es trifft sich, denn ich hätte gern ein Wort mit Ricci gesprochen, der unsere Pläne in Italien propagiert. Man kann vielleicht etwas erfahren. Wenn nur unser Kapitän nicht brennt!«

»Um Venedig würd' ich ihn gern verführen! Aber ich bin nicht sein Typ.«

»Unwahrscheinlich. Sie meinen, er ist nicht der Ihre?«

»Darauf kommt es doch nicht an, wenn man Zwecke verfolgt.«

Sie setzte diese Worte mit einer bewußten Kälte, die sie zuweilen zwang, die Menschen irrezuführen, denen sie am stärksten vertraute.

Scherer schwieg. Er dachte: – Zwecke? Was wird daraus? –

Eine Stunde später fuhr man an Land. Die Stille der Insel, der Wegfall alles Sehenswürdigen, die rasch ansteigende Glut, vor allem die Fremdheit, die am Abend zwischen Eduard und Kyrill sich gelagert hatte, ließen die Reisenden stiller hinansteigen. Scherer sah mit neuen Erwägungen hinter Diana drein, Eduard mochte nicht in Kyrills Gegenwart mit Diana, dieser wollte überhaupt mit niemand sprechen; auch Franklin schien seit gestern abend sonderbar verdunkelt.

Nur Wilhelm schien glücklich, am Lande war ihm doch natürlicher zumute, besonders wenn es wild war und heiß um ihn. Als er eine rechte Weile neben Diana hergeschritten war, Blumen, Berge und Flut betrachtend, schien ihm dies alles, Landschaft und Ausflug, irgendwie bekannt. Jenes Gefühl der wiederholten, vorzeitlich aufdämmernden Vorgänge war diesem umnebelten Dichtergedächtnis vertraut; er war nie überrascht, wenn ihn Dinge und Menschen plötzlich bekannt ansahen wie Freunde, wie Erlebnisse eines Traumes. Je mehr man sich in Gruppen verlor, ziellos und ohne Führer schweifend, um so weicher wurde Wilhelms summendes Wesen, jung und verträumt ging er neben Diana wie ein Bruder daher.

»Dort scheint es im Undurchdringlichen zu münden!« rief ihnen Scherer nach.

»Um so besser!« rief Diana und winkte: »Dann entdecken wir noch einen Tempel!«

»As you like it,« rief Scherer zurück. »Nur bitt' ich, um eins an Bord zu sein.«

Er schlug den Andern einen breiteren Weg vor, der sich wieder rechts und dann in mäßiger Höhe über den Strand hinzog, und in ihrer Versonnenheit folgten sie ihm, im Grunde ohne Interesse. Scherer hatte recht und Diana hatte ihren Willen. Nach kurzer Zeit verlor sich ihr Weg im Dickicht des Ginsters, und wie sie nun, vor Wilhelm her, mit ihrem Stock sich Bahn zu brechen suchte, war sie in ihrem Element und nun erst völlig frei von allen Nachtgedanken, die sie seit Scherers Worten heut früh aufs neue zu belasten suchten.

In menschenhohen Büschen bog sich der Ginster, gelb erblüht und golden überrauscht vom steigenden Lichte, zuweilen stieg er in Bäumen empor wie ein tropischer Goldregen, schwer fand der Fuß einen Halt im Gewirke des Eppichs, der in feuchtem Grün jenem Gelb den Grund zu wirken bestimmt war. In weicher Knorrigkeit streckten unbeschnittene Feigenstämme ihr lappig schweres Blattwerk aus, Gewirke blühender Myrten stürzten von efeubezwungenen Felsen nieder, graugrün stachen sinnlich zweckvoll Kakteen in die Luft, deren dicke Knospen zuweilen in rot prangende Kelche aufgesprungen waren, violette Agaven, aufgeschossen wie stachlichte Fontänen, atmeten gierig das Licht und die Glut, um die kurze Weile ihrer traubenhaften Blüte zu genießen, während der mütterliche Grund, zwischen flachen Schwertblättern aufgetan, schon grün gerollt verdorrte. Aus Moos und Kräutern, in wilder Zeugung wuchernd, zwängten sich die zärtlichen Stämme kleiner Oliven empor und sandten doch, vom Seewind erschreckt, die zitternden Zweige rasch wieder erdwärts. In das Aufrascheln der Eidechsen, das Hingleiten versteckter Schlangen, die den im Dickicht schreitenden Fuß zu fliehen und doch auch zu verfolgen schienen, mischten sich höher und stärker das Brummen der Hummeln, das Säuseln der Ölblätter, die eigensinnig hochgespannten Geigen der Grillen. Nach Honig, Dunst und trockenen Blüten roch die schwingende, Sinne reizende Hitze. Langsam erstritt sich der Fuß eine höhere Stelle, wo aus becherförmig hochgeschossenen Farren, aus steif aufstehend noch geschlossener Orchis glänzend und stolz wie von grüner Bronze der Kirschlorbeer in ungeheuren Büschen stieg, mit seiner Kühle in die steigende Sonne prahlend, die doch aus jedem Blatte widerglänzte.

Hier oben sah man wieder das Meer, wie es still und blinzelnd unter dem Lichte sich dehnte, und Diana, als sie es sah, ließ sich in das Gold der Ginsterwaldung fallen und blickte, die Brust in die Blüten vergraben, mit aufgestützten Armen in diese blaue Ferne, wie ein liegender Schütze, der einem Schiff auflauert. In ihrem weißen, leichten Hängekleid, als wär's in ihrem Garten, den großen Schäferhut neben sich, lag sie in goldener Wirrnis und blinzelte nach der sternblitzenden Fläche. Wilhelm, Rock und Mütze bei ihrem Hut, saß ein paar Schritt von ihr. Lange war er ihr schweigend gefolgt, mit Stock und Händen in die Büsche greifend, zuweilen vor ihr durchgezwängt, um ihr Zweige zurückzubiegen, nun wieder zurückbleibend, um einen anderen besseren Weg zu suchen.

»Sie sind ja eine Schäferin,« sagte er und hielt den Kopf etwas schief. »Wenn Sie reden, das ist meistens zu klug für mich. Aber so, dann kann ich Sie verstehn, wie meinen braunen Schäferhund, der mir vorigen Herbst weggelaufen ist. Ja, ja.« Er sagte es leise, wie bittend.

– Was für eine stille Stimme, was für eine dienend stumme Neigung, dachte Diana und sah ihn lächelnd an. Summt er nicht wie die großen haarigen Bienen und möchte Honig?

»Jetzt sind keine Herren da,« sagte Wilhelm und kauerte sich neben sie. »Da darf ich sicher Ihre Hand küssen – aber hier ganz oben!« Sie lachte und fing ihn auf.

»Du bist ein Schäferjunge und kannst mich küssen, wo du magst!« Er beugte sich und küßte sie ganz sacht auf die Wange.

»Ach, Diana, Sie sind ja eine Göttin und ruhn sich nur grade im Ginster aus, und geben sich dem Hirten nicht zu erkennen. Aber ich kenne Sie doch wieder!« Er blieb gebeugt über die halb Liegende.

»Woran kennst du mich wieder, Wilhelm?«

»An den Knien,« sagte er und lachte schlau. »Atalanta hatte nicht mal Strümpfe drüber!«

Sie zog den Rock herunter und lachte: »Hat dir Atalanta gefallen?«

»So sehr, daß ich immer nur so hinstarrte, ohne in dich verliebt zu sein!«

»Aber ich bin in dich verliebt, Wilhelm!«

»Das weiß ich schon, aber ich komme nur ganz sachte näher, siehst du …«

Er glitt an ihren Busen, ihre Knie berührend.

»Du bist zart und gut, Wilhelm, und du schmeckst nach Erdbeeren.«

»Du bist die Schönste, Diana, und Wilhelm ist der Glückliche,« und leise fing er an ihren Gürtel zu öffnen.

 

Aus langer Schlummerstarrheit fuhren sie, von einem Knistern geweckt, mit dem Entsetzen von überraschten Liebenden auf. Aber sogleich gab es ein Gelächter; denn der sie aufgestöbert, war ein Bock, der nun mit staunendem Schnuppern den Fremden näher kam.

»Da kommt es selbst,« rief Diana und suchte ihn an den Hörnern zu fassen, »das dionysische Tier und weckt uns aus panischem Schlafe. Gut, daß es kommt, wir hätten sonst die Stunde verschlafen und am Ende die Abfahrt und müßten ewig auf Leukas sein!«

»Wär' es nicht paradiesisch?« rief Wilhelm. »Was tät' ich nicht alles auf Leukas und was nicht du!«

Sie lachte ihn von der Seite listig an: »Ich schnitzte mir einen Einbaum!«

»Um darin zu wohnen?«

Sie überfiel ihn mit einem schnellen Kusse, sie lachte und sagte ihm in die Augen: »Um darin nach Corfu zu fahren, nachts, während du in der Höhle des Telemach schläfst. Dort stieg' ich auf den Lloyddampfer und führe nach Rio oder in den Mond!«

Leichter wie sie gekommen, flüchtig, im Sprunge wie eine Jägerin flog Diana, auf dem nun gebahnten Wege behender noch, und leise singend zurück zu Straße und Strand. –

 

Indessen umkreisten die Gedanken der vier Männer Diana, während sie ganz nahe mit dem fünften ein Pastorale erlebte.

Schweigend gingen Eduard und Kyrill, wie sie der Zufall eines sich verengenden Weges zusammengeführt, nebeneinander. Seit der Entdeckung ihrer Gleichaltrigkeit war eine Gegnerschaft in ihnen aufgestiegen: unlösbar und schicksalsvoll erschien beiden, plötzlich, seit gestern abend diese ganze lockere Gemeinschaft, die sie noch eben kaum zu verbinden begann, und das Gefühl, auch Diana müsse nach ihrer Art sie von nun an näher zusammenrücken, weckte in beiden zum erstenmal Eifersucht, die sich auf nichts zu gründen und ihre Neigung als Grundlage um so mehr zu festigen schien.

Dabei war Kyrill geneigt, im angeborenen und gezüchteten Groll gegen die Oberen seine Gegnerschaft als gegen den Prinzen gerichtet sich zu verkleiden, während dieser, alles verdrängend, was auf Vorurteile zurückging, mit aller Macht Mann und Idee zu scheiden suchte. Und so war er es auch, der nach langem Schweigen sich wenigstens zu den geschnarrten Worten entschloß:

»Fatales Feld, diese Astrologie, finden Sie nicht, Herr Doktor? Glaubt man dran, so macht's mißtrauisch, und glaubt man nicht, hat man doch Ressentiments.«

»Wie mit Menschen,« sagte Kyrill dunkel und schwieg so hörbar, daß der Prinz Zeit gewann nachzudenken, ob sein Nachbar an Diana glaubte oder zweifelte.

Scherer und Franklin, wie sie den beiden jüngeren Männern folgten, waren aus ihrer Heiterkeit in kritische Stimmung gesunken, und durch keine Leuchtkraft der Sonne und des Meeres ins Gleichgewicht zurückzubringen. Franklin, der Diana weder nach ihrer Erscheinung noch nach ihrer Vergangenheit erotisch erfassen konnte, fühlte sich, wie er sie von ihren Freunden umkreist sah, nach dem gestrigen Abende doch mit einem Male mißachtet; ihm war, als sollte sie ihn, den Dichter und Frauenkenner, nicht so tochterhaft betrachten, wie er's doch selbst stilisiert hatte, und obwohl er lernend und schauend an Bord auf seine unruhige Art glücklich gewesen, fühlte er sich plötzlich aus seiner Jugend verdrängt. Besonders aber mißtraute er Scherer, dessen Stellung zu Diana er nie ganz verstanden und dessen neuer Auftrieb unter aller Weltlichkeit ihn heut noch aufmerksamer machte.

Denn Scherer war seit Dianas Wort am Morgen in innerer Bewegung: Möglichkeiten tauchten in ihm auf und unter, und so war ihm Franklin eben recht, vielleicht doch etwas aus ihrer Jugend klärend zu erfahren. Beide Männer warfen Netze aus, schweigend. Scherer fühlt' es und wartete deshalb, bis Franklin zuerst anzog:

»Kennen sich die jungen Leute eigentlich lange?«

»Die beiden Herren dort?« sagte Scherer, als wäre Franklins Frage mißzuverstehen.

»Prinz Eduard und das Mädchen,« denn so nannte er sie noch immer.

»Seit der Türkei, glaub' ich.«

Franklin forschte: »Sie haben, hörte ich, damals selber zum Rechten gesehen, Herr Scherer?«

»Ich – sah Fräulein de Wassilko erst wesentlich später wieder.«

»Aber der Prinz? Wenn Sie nun mit dem Andern –«

Scherer machte die Gebärde des Nichtwissens: »Da muß sie wohl schon damals rein platonisch gegen ihn geblieben sein.«

»Platonisch? Kann sie das auf die Dauer?«

Scherer lächelte: »Ich habe nur diese Erfahrung mit ihr gemacht, Herr Franklin. Aber – Sie kennen sie ja weit länger.«

»Früher, ja, früher,« rief Franklin laut, als spräche er wie vom verlorenen Paradiese. »Da war das Mädchen schauend und weise. Jetzt – scheint sie mir mehr ein liebendes Weib.«

»Seit sie in meiner Nähe lebt, fand ich sie weit mädchenhafter, als die Leute nach jenem Abenteuer glauben möchten.«

»Äußerlich, Herr Scherer, aber drinnen – da füllt sich die Schale mit Wonnen an!« In seiner rhapsodischen Art rief er das Wort in die Luft, so daß Eduard und Kyrill sich gleichzeitig umwandten. Scherer, im stillen amüsiert und nur mutiger gemacht, wollte nach seiner Weise ins Gesellschaftliche einlenken und rief den Vorderen zu:

»Sie versäumen das schönste Sonett, das Herr Franklin vor Jahren auf unsere Jägerin gemacht hat, als sie noch eine Priesterin war!«

»Darf man Dacapo bitten?« sagte Eduard erlöst und schloß sich den Beiden an.

»Herr Scherer ist es, der dichtet,« rief Franklin, »nicht ich!«

»Durch Rarität wird die Ware kostbarer,« spottete Eduard.

»Zählen wir, Prinz,« gab Scherer zurück, »wer von uns allen die meisten Gedichte verbrannt hat.«

»Ich nicht. Meine ließ ich immer als Schiffchen auf dem Teich im Parke schwimmen.« Die Stimmung wurde leichter, sie scherzten weiter.

Nur der Russe ging, dumpf und einsam, allein vor ihnen, durch den glühenden Mittag. –

Eine Stunde später saßen alle heiter und hungrig beim Lunch. Der Prinz, doch etwas unruhig geworden, ersparte dem noch weit nervöseren Russen das Examen, das beide über Diana verhängen wollten.

»Gnädigste sind durch homerische Grabungen zweifellos heute vormittag Mitglied der Akademie geworden?«

Sie war entschlossen ihr Fernsein humanistisch zu verdunkeln, sie log:

»Ein Stückchen haben wir wirklich entdeckt, Wilhelm und ich! Weiter hinauf, bald dort, wo wir Sie verließen, nur etwas mehr landeinwärts, stießen wir unter einer Olive auf ein paar efeubewachsene Klötze, die sich dann als Säulenstümpfe herausstellten, natürlich spätere Zeit, ich hielt sie sogar für römisch. Aber Sie haben ja einmal Kunstgeschichte studiert, Wilhelm!«

Er staunte, weniger, daß sie dies alles erfand, um kein Befremden über ihren einsamen Gang zu gestatten, als über die Glätte, mit der sie ihn anrief. »Römische Trommeln, nennt man es, glaub' ich, aber jetzt muß man sich an den Fisch halten.«

Als er aber sah, wie der Russe forschend zu ihm hinüber, dann wieder auf Diana blickte, wie der Prinz den Russen und Scherer beide streifte, da fühlte sich Wilhelm, heut morgen der Günstling dieser umworbenen Frau und offenbar der Einzige an Bord, der sich ihrer Küsse hätte rühmen dürfen, plötzlich verwirrt und arm und von ihr verbannt. –

Als sie gegen Abend allein auf dem Bootsdeck stand, längst fern den Inseln, deren sommerlich einsame Hügel nur wie in Phantasien vorüberglitten, blickte Diana über das Meer, sie dachte: … Wie mich heut Vergangenheit erfaßte … Scherer, der durchaus eine Gattin wollte und so alles versäumt hat. Wilhelm, der eine Schäferin fand, wie vor Jahren einmal der hübsche Schotte … Und dieser schweigsam liebenswürdige Prinz? Ist nicht Gefahr für uns, den Augenblick zu verlieren? Warum mag er zögern? …

Sie sah einen Schatten die Treppe heraufkommen. Wilhelm trat auf sie zu.

»Diana,« sagte er leise, schmeichelnd.

»Guten Abend,« sagte sie lauter.

»Sind Sie heiter?«

»Ist es nicht wundervoll?«

»Was?« fragte Wilhelm verwirrt.

»Das Meer! Und daß wir nach Venedig fahren!«


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