Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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503 Acht und dreissigstes Buch.

1. Während des Krieges in Asien waren auch in Ätolien Unruhen, wozu die Athamanen den Anfang machten. Athamanien hatte damals, nach Vertreibung des Amynander, königliche Besatzungen unter Philipps Statthaltern, welche durch übermüthige und ungemäßigte Herrschergewalt die Sehnsucht nach dem Amynander weckten. Ihm, der sich jetzt als Vertriebener in Ätolien aufhielt, machten Briefe von seinen Unterthanen, worin sie ihm Athamaniens Lage schilderten, Hoffnung zur Wiedererlangung seines Reichs. Und er ließ nach Argithea – dies war Athamaniens Hauptstadt – den Ersten im Volke zurücksagen, wenn ihm seine Landsleute ihre Stimmung hinlänglich bewährten, so wolle er mit Hülfstruppen, welche ihm die Ätoler überließen, nach Athamanien kommen, begleitet von Einigen des engern Ausschusses, der den Statsrath der Nation ausmache, und dem Prätor Nicander. Als er gewiß war, daß sie schon zu Allem in Bereitschaft wären, ließ er ihnen bald nachher zu wissen thun, an welchem Tage er mit dem Heere in Athamanien einrücken werde. Zuerst hatten sich nur ihrer Vier auf die Verschwörung gegen die Macedonische Besatzung eingelassen. Diese nahmen sich zur Ausführung Jeder sechs Gehülfen. Noch nicht ganz gedeckt durch eine so kleine Anzahl, welche eher dazu taugte, die Sache zu verheimlichen, als durchzusetzen, ließen sie noch eben so viele beitreten, als vorhin. So auf zweiundfunfzig gebracht, trennten sie sich in vier Abtheilungen. Die eine ging nach Heraclea, die andre nach Tetraphylia, wo gewöhnlich die königlichen Gelder niedergelegt wurden, die dritte nach Theudoria, die vierte nach Argithea. Sie alle hatten 504 verabredet, sich anfangs ganz ruhig, als wären sie zur Betreibung von Privatangelegenheiten gekommen, auf dem Gerichtsplatze sehen zu lassen; an dem bestimmten Tage wollten sie dann die ganze Volksmenge zusammenrufen, die Macedonischen Besatzungen aus den Burgen zu vertreiben. Als dieser Tag kam, und Amynander mit tausend Mann Ätoler schon diesseit der Gränze stand, wurden der Verabredung gemäß an vier Orten zugleich die Macedonischen Besatzungen verjagt, und nach allen Seiten ergingen an die übrigen Städte schriftliche Aufforderungen, von Philipps ausgelassener Tyrannei sich zu befreien und sich der angestammten, gesetzmäßigen Regierung wiederzugeben. Allenthalben wurden die Macedonier ausgetrieben. Die Stadt Theium, wo der Befehlshaber Zeno den Brief aufgefangen, und die königlichen Truppen sich in die Burg geworfen hatten, that den Belagerern einige Tage Widerstand; dann ergab auch sie sich an den Amynander, und er hatte schon ganz Athamanien in seiner Gewalt, die kleine Feste Athenäum ausgenommen, die der Gränze Macedoniens zu nahe lag.

2. Als Philipp den Abfall Athamaniens hörte, brach er mit sechstausend Bewaffneten auf und kam in der größten Geschwindigkeit zu Gomphi an. Hier ließ er den größeren Theil seines Heers stehen – denn so starke Märsche hätte dieser nicht ausgehalten – und kam mit zweitausend Mann nach Athenäum, dem einzigen Orte, der noch in den Händen seiner Truppen war. Als er aus einigen Versuchen in der Nähe leicht abnahm, daß es weiterhin nichts als Feinde gebe, ging er wieder auf Gomphi und kehrte mit seinen sämtlichen Truppen nach Athamanien zurück. Dem Zeno, den er mit tausend Mann Fußvolk voraufgehen ließ, gab er Befehl, Ethopia zu besetzen, das über Argithea sehr vortheilhaft auf einer Höhe liegt, Als er sah, daß die Seinigen den Platz besetzt hatten, lagerte er sich selbst am Tempel des Jupiter Acräus. Hier von einem schrecklichen Unwetter einen Tag aufgehalten, setzte er am folgenden den Marsch nach Argithea fort. Gleich als sie weiter rückten, ließen sich 505 Athamanen sehen, welche sich eiligst auf die den Weg beherrschenden Höhen vertheilten. Bei ihrem Anblicke machten die ersten Glieder Halt; Bestürzung und Verlegenheit ging durch den ganzen Zug und Jeder dachte sichs auf seine Art, wie es ihm ergehen werde, wenn sich der Zug in die unter den Felsen liegenden Thäler hinabließe. Diese Unruhe unter seinen Truppen nöthigte den König, der so gern, wenn sie ihm gefolgt wären, den Paß im Fluge zurückgelegt hätte, die Vordersten umzurufen und sich auf demselben Wege, den er gekommen war, zurückzuziehen. Die Athamanen folgten ihm anfangs ruhig in der Ferne; als aber die Ätoler zu ihnen gestoßen waren, ließen sie diese hinten bleiben, um dem Zuge vom Rücken her zuzusetzen, sie selbst umströmten ihn auf den Seiten. Andre eilten, mit den Pfaden bekannt, auf kürzerem Wege ihm vorauf und besetzten die Durchgänge: und die Macedonier geriethen in solche Unordnung, daß sie mehr in völliger Flucht, als auf einem gliedhaltenden Marsche, mit Zurücklassung vieler Waffen und Leute über den Strom setzten. Hier hatte die Verfolgung ein Ende. Von da nahmen die Macedonier ihren sichern Rückweg nach Gomphi und von Gomphi nach Macedonien. Die Athamanen und Ätoler eilten von allen Seiten nach Ethopia, um den Zeno mit seinen tausend Macedoniern aufzuheben. Die Macedonier, durch den Platz nicht hinlänglich gesichert, zogen von Ethopia auf einen höheren rundum mehr abschüssigen Hügel. Die Athamanen fanden an mehreren Stellen einen Aufgang, trieben sie herab, und nahmen die Versprengten, die ihrer Flucht über unwegsame, ihnen unbekannte Klippen keine feste Richtung geben konnten, theils gefangen, theils machten sie sie nieder: Viele stürzten in der Angst über die Abhänge hinunter und nur sehr Wenige retteten sich mit dem Zeno zum Könige. Den Tag nachher erhielten sie in einem Waffenstillstande die Erlaubniß zur Beerdigung ihrer Todten.

3. Nach Wiedereroberung seines Reichs schickte Amynander Gesandte nach Rom an den Senat und nach Asien an die Scipione, die nach der großen Schlacht 506 gegen Antiochus sich zu Ephesus aufhielten. Er bat um Frieden, entschuldigte sich, zur Wiedereroberung seines väterlichen Reichs die Ätoler gebraucht zu haben, und schob die Schuld zu Philipp. Die Ätoler zogen aus Athamanien auf das Gebiet der Amphilochier und machten das ganze Volk mit Einstimmung des größeren Theils zu ihren Unterthanen. Nach der Wiedereroberung von Amphilochien – denn, es hatte ehemals den Ätolern gehört – gingen sie in gleicher Hoffnung in die Landschaft Aperantia hinüber. Auch diese ergab sich ihnen, großentheils ohne Kampf. Die Dolopen hingegen waren nie Ätolisch gewesen; sie gehörten zu Philipps Reiche. Diese ergriffen anfangs die Waffen: als sie aber die Verbindung der Amphilochier mit den Ätolern, Philipps Flucht aus Athamanien und die Niederlage seiner Truppen erfuhren, traten sie ebenfalls von Philipps Partei zu den Ätolern über. Schon glaubten die Ätoler, durch diese sie umgebenden Völkerschaften sich auf allen Seiten gegen die Macedonier gesichert zu haben, als das Gerücht von dem Siege der Römer in Asien über den Antiochus auch zu ihnen kam. Und bald nachher kamen auch ihre Gesandten von Rom ohne alle Hoffnung zum Frieden und mit der Nachricht zurück, der Consul Fulvius sei schon mit einem Heere über das Meer gegangen. Hiedurch geschreckt wirkten sie sich gleich zuerst von Rhodus und Athen Gesandschaften aus, um ihren neulich abgewiesenen Bitten durch die Fürsprache dieser Staten bei dem Senate leichtern Eingang zu verschaffen, und schickten dann die Häupter ihres Volks zu einem letzten Friedensversuche nach Rom, ohne früher auf die Abwendung des Krieges gedacht zu haben, als bis sie den Feind beinahe vor Augen hatten. Schon überlegte Marcus Fulvius, der sein Heer nach Apollonia übergesetzt hatte, mit welcher Unternehmung er den Krieg eröffnen sollte. Die Epiroten riethen zu einem Angriffe auf Ambracia, welches sich damals den Ätolern angeschlossen hatte. «Denn entweder kämen die Ätoler zum Entsatze, dann böten die Umgebungen der Stadt offene Flächen zur Schlacht, oder sie wichen dem Kampfe aus, 507 dann würde die Belagerung nicht schwierig sein. Denn Bauholz zur Aufführung der Sturmwälle und andrer Werke gebe es in der Nähe die Menge, und der schiffbare Strom Arethon, zur Herbeischaffung der Bedürfnisse so bequem, fließe an den Mauern vorbei: auch sei der Sommer, zu einer solchen Unternehmung die beste Jahrszeit, vor der Thür.» Durch diese Vorstellungen bewogen sie ihn, den Zug durch Epirus anzutreten.

4. Bei seiner Ankunft vor Ambracia fand der Consul die Belagerung sehr schwierig. Ambracia liegt unter einem felsichten Hügel; die Einwohner nennen ihn Perranthes. Wo sich die Mauer nach den Feldern und dem Flusse hinzieht, hat die Stadt die Aussicht nach Abend; die Burg hingegen, die auf dem Hügel liegt, gegen Morgen. Der Strom Aretho, der aus Athamanien kommt, fällt in den nach dem Namen der nahen Stadt genannten Ambracischen Meerbusen. Außerdem, daß auf der einen Seite der Strom, auf der andern die Höhen die Stadt schützen, war sie auch von einer festen Mauer umschlossen, welche etwas über dreitausend Schritte im Umfange hatte. Fulvius führte vom Felde her in einer mäßigen Entfernung von einander zwei Lager auf, und auf einer Höhe eine Schanze gegen die Burg. Dies Alles wollte er durch Wall und Graben so verbinden, daß die Eingeschlossenen keinen Ausgang aus der Stadt haben sollten, und auch niemand von außen, wenn er etwa Hülfstruppen hineinbringen wollte, einen Eingang. Auf das Gerücht von der Belagerung Ambracia's hatten sich die Ätoler schon vermöge eines Aufrufs vom Prätor Nicander zu Stratus eingefunden. Ihr erster Vorsatz war, mit allen Truppen zu kommen, um die Belagerung zu hindern; als sie aber die Stadt schon großentheils mit Werken umschlossen, und jenseit des Flusses auf einer Ebene das Lager der Epiroten stehen sahen, beschlossen sie, ihre Truppen zu theilen. Eupolemus, der mit tausend Mann ohne Gepäck nach Ambracia aufbrach, kam, durch eine noch offene Lücke in den Werken, in die Stadt. Nicander war zuerst Willens gewesen, mit den übrigen Truppen 508 bei Nacht das Lager der Epiroten anzugreifen, wo ihnen die Römer, weil der Fluß sie schied, nicht so leicht zu Hülfe kommen konnten. Nachher aber, als er die mit dieser Unternehmung verbundene Gefahr erwog, daß die Römer es merken könnten, und ihm der Rückzug ins Freie abgeschnitten würde, fand er diesen Plan zu gewagt, kehrte um und verheerte Acarnanien.

5. Als der Consul schon die Schanzarbeiten zur Einschließung der Stadt, schon die Werkzeuge, die er gegen die Mauern gebrauchen wollte, vollendet sah, unternahm er den Sturm auf die Mauern an fünf Stellen zugleich. Drei seiner Werke brachte er in gleichen Zwischenräumen, da wo der Zugang von der Ebene her leichter war, gegen das sogenannte Pyrrheum an, eins dem Tempel des Äsculap gegenüber, eins gegen die Burg. Mit Widderköpfen stieß er auf die Mauern, mit gesichelten Sturmpfählen riß er die Zinnen herab. Bei diesem Anblicke und bei den Stößen auf die Mauer, die ein fürchterliches Getöse machten, befiel die Bürger anfangs Schrecken und Bestürzung. Als sie aber ihre Mauern über ihre Erwartung feststehen sahen, faßten sie wieder Muth; schnellten auf die Widderköpfe vermittelst einer Wippe Massen von Blei oder Steinen oder Eichenstämme nieder, brachen vorn von den Sturmpfählen, die sie durch angeworfene Krummeisen auf die innere Seite der Mauer herabzogen, die Sicheln ab, ja durch Ausfälle, sowohl bei Nacht auf die Wachen bei den Werken, als bei Tage auf die Posten, machten sie sich sogar furchtbar.

So standen die Sachen vor Ambracia, als die Ätoler von der Verheerung Acarnaniens schon nach Stratus zurückgekehrt waren. Von da schickte ihr Prätor Nicander, in der Hoffnung, durch einen kühnen Streich der Belagerung ein Ende zu machen, einen gewissen Nicodamus mit fünfhundert Ätolern nach Ambracia hinein. Eine bestimmte Nacht, ja die Stunde der Nacht, wurde verabredet, wann jene von der Stadt aus die feindlichen Werke dem Pyrrheum gegenüber angreifen sollten, und er zugleich das Römische Lager bedrohen wolle, weil er es 509 nicht für unmöglich hielt, bei diesem von zwei Seiten einbrechenden Feindeslärme, wenn die Nacht den Schrecken noch vergrößere, eine denkwürdige That auszuführen. Auch drang Nicodamus mitten in der Nacht, nachdem er sich bei einigen Wachen durchgeschlichen, bei andern in festem Anlaufe durchgeschlagen, und die Umwallungslinie überstiegen hatte, in die Stadt, flößte den Belagerten großen Muth, Alles zu wagen, und neue Hoffnung ein, und that unvermuthet, als die bestimmte Nacht gekommen war, den verabredeten Ausfall auf die Werke. Doch war diese Unternehmung im ersten Ausbruche gefährlicher, als in der Wirkung, weil von der Außenseite kein Angriff erfolgte. Entweder hatte Furcht den Ätolischen Prätor abgeschreckt, oder er hatte es für dienlicher erachtet, den neulich in Schutz genommenen Amphilochiern zu Hülfe zu eilen, auf welche Perseus, den sein Vater Philipp abgeschickt hatte, Dolopien und Amphilochien wieder zu erobern, den Angriff aus allen Kräften betrieb.

6. Gegen das Pyrrheum standen, wie vorhin gesagt ist, an drei Stellen Römische Werke. Auf alle diese zugleich thaten die Ätoler ihren Angriff, nur nicht mit gleichen Mitteln und gleicher Kraft. Einige kamen mit brennenden Fackeln, Andere hatten gepichtes Werg und BrandspindelnCrevier giebt aus Ammian die Beschreibung des malleolus, aus der ich hier nur einige Worte anführe: Sagitta est cannea, – – ferro coagmentata, quod in muliebris coli formam – concavatur., so daß ihre ganze Linie von Flammen leuchtete. Im ersten Anlaufe tödteten sie viele Wachen. Als aber das Geschrei und Getümmel in das Lager hinüberscholl und der Consul das Zeichen gab, griffen die Römer zu den Waffen und strömten aus allen Thoren zur Hülfe herbei. An Einer Stelle machten die Ätoler Gebrauch von Schwert und Feuer zugleich; auf zweien aber zogen sie unverrichteter Sache ab, und hatten den Kampf mehr versucht, als wirklich angefangen. Die Wuth des Gefechts zog sich ganz nach jener Einen Stelle. Hier ermunterten auf zwei verschiedenen Seiten die beiden Feldherren Eupolemus und Nicodamus die Fechtenden und erhielten sie 510 bei dem Vertrauen auf die fast gewisse Erwartung, daß Nicander nach der Verabredung den Augenblick erscheinen und dem Feinde in den Rücken fallen werde. Dies hielt auch eine Zeitlang den Muth der Fechtenden aufrecht. Als sie aber von den Ihrigen kein verabredetes Zeichen gewahr wurden, die Zahl der Feinde immer stärker werden und sich im Stiche gelassen sahen, drangen sie schon nicht mehr so muthig ein. Zuletzt gaben sie die ganze Sache auf, als der Rückzug kaum noch ohne Gefahr thunlich war, und wurden fliehend in die Stadt getrieben; doch hatten sie einen Theil der Werke in Brand gesteckt und weit mehr von den Feinden erlegt, als von ihrer Seite gefallen waren. Wäre der Plan nach der Verabredung ausgeführt, so litt es keinen Zweifel, daß sie, vorzüglich an der einen Stelle, die Werke mit großem Verluste auf Seiten der Feinde hätten erobern können. Nun aber standen die Ambracier nebst den in der Stadt befindlichen Ätolern nicht bloß von dieser nächtlichen Unternehmung ab, sondern boten sich auch für die Folge, als von den Ihrigen preisgegeben, den Gefahren nicht mehr so willig. Schon fochten sie durchaus nicht mehr, wie vorhin, in Ausfällen mit den Posten der Feinde, sondern auf sicherem Standorte von ihren Mauern und Thürmen.

7. Perseus, der auf die Nachricht von der Ankunft der Ätoler, von der Einschließung der Stadt, die er bestürmte, zur bloßen Plünderung des Landes überging, räumte nun Amphilochien und ging nach Macedonien zurück. Aber auch die Ätoler wurden durch eine Plünderung auf ihrer Seeküste dort abgerufen. Pleuratus, König von Illyrien, war mit sechzig Barken und den zu ihm gestoßenen Achaischen Schiffen, welche zu Paträ standen, in den Corinthischen Meerbusen eingelaufen und verheerte die Küstengegenden Ätoliens. Gegen diesen Feind wurden von den Ätolern tausend Mann abgeschickt, welche der Flotte an jedem Orte, nach welchem sie um die Krümmungen des Ufers herumlief, schon über kürzere Pfade zuvorkamen. Vor Ambracia hatten zwar die Römer dadurch, daß sie die Mauern an mehreren Stellen mit 511 Sturmböcken niederstießen, einen ziemlichen Theil der Stadt schon entblößt, und dennoch konnten sie in die Stadt selbst nicht eindringen. Theils wurde ihnen eben so schnell statt der niedergestürzten Mauer eine neue entgegengestellt, theils vertraten die auf den Trümmern stehenden Bewaffneten die Stelle eines Bollwerks. Weil also die Unternehmung dem Consul im offenbaren Sturme nicht rasch genug gelang, so beschloß er, unter einem Platze, den er vorher mit Annäherungshütten verdeckte, einen unsichtbaren Erdgang anzulegen. Und eine Zeitlang merkten die Feinde, obgleich die Römer Tag und Nacht daran arbeiteten, eben so wenig, daß sie unter der Erde gruben, als daß sie Erde ausförderten. Nur der plötzlich emporragende Erdhügel verrieth den Belagerten die Arbeit; und nicht ohne Ängstlichkeit, daß durch Untergrabung der Mauern der Weg in die Stadt schon gebahnt sei, beschlossen sie, dem durch die Annäherungshütten verdeckten Werke gegenüber innerhalb der Mauer einen Graben zu ziehen. Wie sie mit diesem so weit in die Erde gekommen waren, als die größte Bodentiefe eines Erdganges betragen konnte, ließen sie Alles still sein, legten an mehrere Stellen das Ohr an und lauschten nach einem Getöse der Grabenden. Als sie dieses vernahmen, gruben sie sich einen geraden Weg nach dem Erdgange, und dieser machte ihnen wenig Mühe; denn sie kamen gleich an die hohle Stelle, wo die Feinde die Stadtmauer mit Stützböcken unterstellt hatten. Als hier, wo beide Werke zusammentrafen, der Weg vom Graben aus in den Erdgang nun geöffnet war, lieferten sich zuerst die Arbeiter mit ihrem Werkgeräthe, und als geschwind statt ihrer Bewaffnete eintraten, auch diese unter der Erde ein Gefecht im Verborgenen. Nachher war dies so lebhaft nicht mehr, weil sie den Erdgang, so oft sie wollten, durch vorgespannte Hardecken oder eilig vorgemachte Thüren absperren konnten. Auch ersannen sie gegen die im Erdgange ein neues Mittel, das wenig Mühe kostete. Sie gaben einem Fasse im Boden eine Öffnung, so daß eine mäßige Röhre hineingesteckt werden konnte. Die Röhre machten sie von Eisen, auch den 512 Deckel des Fasses von Eisen, der ebenfalls und zwar an mehreren Stellen durchlöchert war. Dies locker mit Flaumfedern gefüllte Faß legten sie mit der obern Mündung dem Erdgange zugekehrt. Durch einige Löcher im Deckel ragten lange Lanzen, ihre sogenannten Sarissen, hervor, um die Feinde nicht daran kommen zu lassen. Ein Stückchen glimmenden Zunder, zwischen die Federn gelegt, bliesen sie mit einem in das Vorderende der Röhre gesteckten Schmiedeblasebalge zum Feuer an. Dies erfüllte den ganzen Erdgang mit einem Rauche, der nicht allein dick genug, sondern durch den schrecklichen Geruch der angebrannten Federn noch mehr zum Ersticken war, und kaum konnte ein Mensch darin aushalten.

8. So standen die Sachen vor Ambracia, als Phäneas und Damoteles, von den Ätolern vermöge eines Volksschlusses mit unumschränkter Vollmacht abgesandt, zum Consul kamen. Denn als ihr Prätor sah, daß hier Ambracia belagert, dort die Küste von einer feindlichen Flotte bedroht, wieder auf einer andern Seite Amphilochien und Dolopien von Macedoniern verheeret wurde, und daß die Ätoler nicht Truppen genug hatten, diesen Angriffen zugleich auf drei verschiedenen Punkten zu begegnen, so fragte er in einer berufenen Versammlung bei den Ätolischen Großen an, was zu thun sei. Alle Stimmen gingen dahin, «daß man den Frieden, wo möglich, auf billige, wo nicht, auf erträgliche, Bedingungen suchen müsse. Im Vertrauen auf Antiochus hätten sie den Krieg unternommen. Nun, da Antiochus zu Lande und zu Wasser überwunden, und, beinahe zur Welt hinaus, hinter die Höhen des Taurus gebannet sei; was sie nun für Hoffnung haben könnten, den Krieg auszuhalten? Phäneas und Damoteles möchten so handeln, wie sich der Vortheil der Ätoler, unter einem solchen Misgeschicke, mit der Zustimmung ihres Gewissens vereinigen lasse. Habe ihnen nicht das Schicksal selbst jeden Anschlag, jede Auswahl unmöglich gemacht?» Mit diesen Aufträgen abgefertigt, baten die Gesandten den Consul, «der Stadt zu schonen, Mitleiden mit einem Volke zu haben, 513 das einst mit Rom im Bunde gestanden habe, und, wenn sie auch nicht sagen wollten, durch Kränkungen, durch vielfache Noth gezwungen sei, besinnungslos zu handeln. Die Ätoler hätten im Kriege der Römer gegen Antiochus auf ihre Rechnung nicht so viel Böses gebracht, als in dem früheren Kriege gegen Philipp Gutes. Damals habe man ihnen nicht überflüssig vergolten; so müsse man sie auch jetzt nicht mit übermäßigen Strafen belegen.» Hierauf antwortete der Consul: «Die Ätoler bäten oft genug, nur nie im Ernste um Frieden. Den Antiochus, den sie zum Kriege vermocht hätten, möchten sie im Gesuche um Frieden zum Muster nehmen. Nicht etwa nur die wenigen Städte, über deren Freiheit man in Streit gewesen sei, habe er geräumt, sondern ein herrliches Königreich, das ganze Asien diesseit des Taurusgebirges. Er werde auf die Friedensanträge der Ätoler gar nicht hören, bis sie die Waffen niedergelegt hätten. Vorher müßten sie ihm ihre Waffen und alle Pferde ausliefern, dann dem Römischen Volke tausend Talente Silber erlegen, und die Hälfte dieser Summe gleich bar zahlen, wenn sie Frieden haben wollten. Außer diesen Punkten werde er zu dem Vertrage noch hinzusetzen, daß sie mit dem Römischen Volke einerlei Freunde und Feinde haben müßten.»

9. Ohne sich hierüber im mindesten zu erklären, gingen die Gesandten, theils weil die Bedingungen hart waren, theils weil sie den unbändigen und veränderlichen Sinn ihrer Landsleute kannten, nach Hause zurück, um auch jetzt noch einmal, da sie noch nichts in der Sache vergeben hatten, bei dem Prätor und den Ersten des Volks anzufragen, was sie thun sollten. Man empfing sie mit Geschrei und der vorwerfenden Frage: «Wie lange sie die Sache hinhielten, da sie doch Befehl hätten, Frieden mitzubringen, möchte er sein, wie er wolle;» und auf dem Rückwege nach Ambracia fielen sie in einen nahe an der Heerstraße aufgestellten Hinterhalt der Acarnanen, mit denen sie jetzt Krieg hatten, und wurden nach Thyrium in Verwahrung gebracht. Dadurch wurde der Friede 514 verzögert. Während der Anwesenheit der Attischen und Rhodischen Gesandten, welche mit einer Fürbitte für die Ätoler zum Consul gekommen waren, hatte sich auch der Athamanische König Amynander auf sicheres Geleit im Römischen Lager eingefunden, mehr aus Theilnahme für die Stadt Ambracia, wo er als der Landflüchtige sich meistens aufgehalten hatte, als für die Ätoler. Der Consul, der durch sie das Schicksal der Gesandten erfuhr, ließ diese von Thyrium holen; und nach ihrer Ankunft nahm die Friedensunterhandlung ihren Anfang. Amynander arbeitete mit Eifer daran, was auch sein eigentliches Hauptgeschäft war, die Bürger von Ambracia zur Übergabe zu bewegen. Da er seinen Zweck in den Unterredungen mit ihren Oberhäuptern, wenn er unter die Mauer trat, nicht ganz erreichte, so ging er endlich mit Bewilligung des Consuls in die Stadt und brachte es theils durch Vorstellungen, theils durch Bitten dahin, daß sie sich an die Römer ergaben. Auch den Ätolern leistete Cajus Valerius, ein Sohn jenes Lävinus, der zuerst mit dieser Nation ein Bündniß geschlossen hatte, und Bruder des Consuls von Einer Mutter, wesentliche Dienste. Die Ambracier öffneten nach erhaltener Zusage, daß die Ätolischen Hülfstruppen unangefochten abziehen dürften, ihre Thore. Dann schlossen auch die Ätoler ab: «Sie sollten fünfhundertDas Euböische Talent (s. B. XXXVII. C. 45.) zu 40 Minen oder 1,248 Gulden angenommen, gäbe die Summe von 624,000 Gulden Conv. M. Nimmt man es zu der größern Summe von 56 Minen oder 1,760 Gulden an, so betrügen die 500 Talente 883,000 Gulden. Euböische Talente erlegen; zweihundert jetzt gleich, und die dreihundert binnen sechs Jahren in gleichen Zahlungen; alle Gefangenen und Überläufer den Römern ausliefern; auf keine von den Städten, welche seit der Überfahrt des Titus Quinctius nach Griechenland entweder von den Römern erobert oder dem Bunde mit ihnen freiwillig beigetreten wären, ihre Gerichtsbarkeit ausdehnen wollen; ferner die Insel Cephallenia sollte von allem Antheile an diesem Vertrage ausgeschlossen sein.» Fanden gleich die Ätolischen Gesandten diese 515 Bedingungen weit über ihre Erwartung erträglich, so baten sie doch um Erlaubniß, sie der Statenversammlung vorzulegen, und erhielten sie. Hier kam es über die Städte zu einem kleinen Wortwechsel. Denn da diese ehemals unter ihrer Landeshoheit gestanden hatten, so willigten sie nur ungern darein, sie gleichsam von ihrem Statskörper abreißen zu lassen; doch stimmten Alle insgesamt für die Annahme des Friedens. Die Bürger von Ambracia machten dem Consul ein Geschenk mit einem goldnen Kranze, hundert und funfzigNach Crevier 234 Mark Goldes. Jede zu 280 Silbergulden (Conv. M.) angenommen, gäbe die Summe von 65,520 Gulden. Pfund schwer. Die Standbilder von Erz und Marmor, und die Gemälde, womit Ambracia, der ehemalige Königssitz des Pyrrhus, reichlicher geschmückt war, als die übrigen Städte jener Gegend, wurden abgehoben und weggeführt: übrigens blieb Alles unberührt und unbeschädigt.

10. Nach seinem Aufbruche von Ambracia in das innere Ätolien lagerte sich der Consul bei Argos Amphilochium, zweiundzwanzig tausend Schritte von Ambracia. Hier trafen endlich die Ätolischen Gesandten bei dem Consul ein, dem ihr Zögern schon auffallend gewesen war. Als er hörte, daß die Statenversammlung der Ätoler den Frieden genehmigt habe, befahl er ihre Abreise von hier nach Rom zum Senate, erlaubte den Gesandten von Rhodus und Athen, als Fürsprecher mitzugehen, gab ihnen auch seinen Bruder Cajus Valerius zum Begleiter mit, und setzte dann selbst nach Cephallenia über. Zu Rom fanden sie bei den Großen schon durch Philipps Beschuldigungen Ohr und Herz gegen sich eingenommen; und da er durch Gesandte und in Briefen sich beklagte, daß sie ihm Dolopien, Amphilochien und Athamanien schon entrissen, und seine Besatzungen, zuletzt auch seinen Sohn Perseus, aus Amphilochien vertrieben hätten, so hatte er den Senat gar nicht geneigt gemacht, auf ihre Bitten zu hören. Doch bei dem Vortrage der Rhodier und Athener herrschte allgemeine Stille. Auch soll die Beredsamkeit 516 des Attischen Gesandten Leon, eines Sohnes des Icesias, ihre Wirkung gethan haben. Er bediente sich eines oft gebrauchten Gleichnisses, und sagte, indem er die Ätolische Volksmenge mit dem ruhigen Meere verglich, das nur die Winde auftürmten: «So lange sie dem Römischen Bündnisse treu geblieben wären, wären sie auch bei der dem Volke natürlichen Neigung zur Ungestörtheit, in ihrer Ruhe geblieben; als aber von Asien her ein Thoas, ein Dicäarchus, von Europa ein Menestas, ein Damocritus gewehet hätten, da sei jener Sturm ausgebrochen, der sie dem Antiochus – ihrer Klippe – zugeführt habe.»

11. Lange mußten sich die Ätoler umhertreiben; endlich bewirkten sie, daß die Friedensbedingungen zu Stande kamen. Sie waren folgende: «Die Ätolische Nation soll ohne alle bösliche List der Römischen ihre Oberherrschaft und ihren Vorrang behaupten helfen. Sie darf keinem Heere, das gegen deren Verbündete und Freunde geführt wird, den Durchzug durch ihr Gebiet gestatten, noch ihm irgend eine Unterstützung gewähren. Die Feinde des Römischen Volks soll sie auch für die ihrigen ansehen, gegen sie unter die Waffen treten, und den Krieg gemeinschaftlich führen. Die Überläufer, die flüchtigen Sklaven und die Gefangenen soll sie den Römern und deren Bundesgenossen zurückgeben; ausgenommen wenn etwa Gefangene, nach der Rückkehr in ihre Heimat, zum zweitenmale ihre Gefangenen geworden sind; oder wenn sie noch von jener Zeit Gefangene hat, welche damals Feinde der Römer waren, als die Ätoler mit unter den Römischen Truppen standen. Alle übrigen, welche sich vorfinden, mögen binnen hundert Tagen ohne alle bösliche List an die Obrigkeiten auf Corcyra abgeliefert werden: die jetzt nicht erscheinen, mögen zurückgegeben werden, so wie jeder von ihnen sich anfindet. Sie soll vierzig Geisel stellen, nach der Auswahl des Römischen Consuls, keinen unter zwölf, keinen über vierzig Jahre alt. Kein Prätor, kein Oberster bei der Reuterei, kein öffentlicher Schriftverwalter darf Geisel werden, auch 517 keiner, der schon vormals bei den Römern Geisel gewesen ist. Cephallenia soll von diesen Friedenspunkten ausgeschlossen sein.» Über die Geldsumme, welche sie erlegen sollten, und über die Zahlungen derselben wurde in dem, was sie mit dem Consul ausgemacht hatten, nichts abgeändert. Wollten sie statt in Silber, lieber im Golde abtragen, so konnten sie, vermöge der Übereinkunft auch hierin zahlen, nur mußten sie auf zehnFrüher war das Verhältniß des Goldes zum Silber wie 15 zu 1. Daß man jetzt des Goldes schon mehr hatte, zeigt das hier angegebene Verhältniß: 10: l. Crev. Silberstücke Ein Goldstück rechnen. «Haben die Ätoler vormals Städte, Ländereien und Bewohner unter ihrer Gerichtsbarkeit gehabt, und diese sind unter den Consuln Titus Quinctius, CneusCn. Domitio]. – Daß es hier statt Cn. Domitio heißen müsse: P. Aelio, haben nach Perizonius auch Drakenb. und Crevier anerkannt; denn des Titus Quinctius Mitconsul war nicht Cn. Domitius, sondern P. Aelius. Wie man sehr wahrscheinlich annimmt, hat Livius diesen Fehler begangen, weil er dem Polybius folgte, welcher, mit der Römischen Consulnfolge nicht so bekannt, unrichtig statt des P. Älius den Cn. Domitius mit dem Quinctius zusammenstellt. Polybius selbst aber fiel vermuthlich dadurch, wie schon Andre bemerkt haben, in diesen Fehler, daß er bei der Übersicht der Consularfolge aus den Consuln T. Quinctius, P. Aelius auf die Consuln L. Quinctius, Cn. Domitius überging. Domitius oder nach deren Consulate entweder durch Gewalt der Waffen oder freiwillig unter Römische Landeshoheit gekommen, so sollen sich die Ätoler von dem Allen nichts wieder zueignen wollen. Die Stadt Öniadä mit ihrem Gebiete soll den Acarnanen gehören.» Unter diesen Bedingungen wurde der Friede mit den Ätolern abgeschlossen.

12. Nicht allein in eben dem Sommer, sondern fast in eben den Tagen, in welchen der Consul Marcus Fulvius dies in Ätolien verrichtete, führte der andre Consul Cneus Manlius den Krieg in Gallogräcien, auf den ich mich jetzt im Verfolge der Geschichte einlasse. Mit Anfang des Frühjahrs kam der Consul nach Ephesus, übernahm vom Lucius Scipio die Truppen, musterte das Heer und hielt eine Rede an die Soldaten, worin er ihre Tapferkeit lobte, mit der sie dem Kriege gegen den Antiochus in Einer Schlacht ein Ende gemacht hätten; sie dann 518 ermunterte, sich auch dem neuen Kriege gegen diese Gallier zu unterziehen, die nicht nur den Antiochus durch Hülfstruppen unterstützt, sondern überhaupt eine so rohe Sinnesart hätten, daß Antiochus, wenn sie nicht die Macht dieser Gallier brächen, vergebens von ihnen hinter die Höhen des Taurus hinausgewiesen sein werde; und zuletzt auch einiges über sich selbst hinzufügte, worin Wahrheit und Bescheidenheit sprach. Mit Vergnügen und wiederholtem Beifalle hörten die Soldaten dem Consul zu: und in den Galliern sahen sie ja nur einen Theil der Kräfte des Antiochus, der nach Besiegung des Königs, als Gallisches Heer allein stehend, keinen Ausschlag geben könne. Nur glaubte der Consul, daß ihm Eumenes – er war eben in Rom – jetzt zur unrechten Zeit fehle, insofern er mit den Gegenden und Menschen bekannt, und ihm selbst darum zu thun sei, daß die Macht der Gallier geschwächt wurde. Er ließ also dessen Bruder Attalus von Pergamus kommen, forderte ihn auf, mit ihm zugleich den Krieg zu eröffnen, und als ihm dieser versprach, in Person und durch seine Truppen mitzuwirken, entließ er ihn, um sich in Stand zu setzen, nach Hause. Wenige Tage nachher, als der Consul von Ephesus nach Magnesia aufgebrochen war, stieß Attalus schon mit tausend Mann zu Fuß und zweihundert zu Pferde unterweges zu ihm, hatte seinem Bruder Athenäus befohlen, mit den übrigen Truppen zu folgen, und den Schutz der Stadt Pergamus Männern übertragen, auf deren Anhänglichkeit an seinen Bruder und die Regierung er rechnen konnte. Der Consul lobte den jungen Mann, rückte mit allen Truppen bis zum Mäander vor und schlug hier sein Lager auf, weil der Fluß zum Durchgehen zu tief war, und zum Übersetzen des Heers erst Schiffe zusammengebracht werden mußten. Nach dem Übergange über den Mäander kamen sie nach Hiera Come.

13. Hier ist ein heiliger Hain des Apollo mit einem Orakel: die Priester sollen die Antworten in ganz netten Versen geben. In zwei Märschen kam der Consul von hier an den Fluß Harpasus, wo ihn Gesandte von Alabanda 519 ersuchten, eine kleine, neulich von ihnen abgefallene Festung, entweder durch seine Verwendung, oder durch die Waffen zur Unterwerfung unter die alte Behörde zu nöthigen. Hieher kam auch des Eumenes und Attalus Bruder, Athenäus, mit dem Cretenser Leusus und dem Macedonier Corragus. Sie führten ihm tausend Mann zu Fuß, ein Gemisch aus mehreren Völkern, und dreihundert Reuter zu. Der Consul, der einen Obersten mit einem mäßigen Kohre abschickte, gab die durch Sturm gewonnene Feste den Bürgern von Alabanda wieder. Ohne vom Wege abzubeugen, nahm er sein Lager bei Antiochia jenseit des Mäanderstromes. Die Quellen dieses Flusses entspringen zu Celänä. Die Stadt Celänä war einst die Hauptstadt Phrygiens. Man wanderte von da in die Nähe des alten Celänä aus, und gab der neuen Stadt, von des Königs Seleucus Gemahlin Apame, den Namen Apameaab Apamea, sorore Seleuci]. – Die Städte heißen Apamea, der Name der Frau ist Apame. Man sehe Dukers Anmerkung und oben B. 35. C. 47. Ferner war diese Apame nicht eine Schwester des Seleucus Nicanor, sondern seine Gemahlinn. Sollte Livius zwei Fehler auf einmal begangen haben? Ich stimme zwar dem Ausspruche eines der neuesten Editoren völlig bei: Errores, quibus unusquisque scriptor obnoxius est, notare nobis licet, sed non pro lubitu ipsos scriptores corrigere; sobald ich gewiß zu sein glaube, daß der scriptor ipse den Fehler wirklich gemacht habe, wie z. B. im 11ten Cap. in der Angabe des Consuls Domitius, statt Aelius. Allein die Kritik soll durch lindernde, vertreibende Mittel heilen, soll dem Ursprunge des Schreibfehlers nachspüren, die Verwechselung der Buchstaben anzugeben suchen, und dem Schriftsteller nicht zur Last legen, was Schuld seiner oft rohen, oft überklugen Abschreiber war. An unzähligen Stellen verwechseln die Abschreiber dexter und sinister, equites und pedites, warum nicht auch hier uxor und soror, da sie hier in dem x einen Fehler begingen, der ihnen so gewöhnlich ist? Drakenb. nämlich führt 26, 29, 4. die Menge Stellen an, wo sie statt des x ein s setzten, iusta statt iuxta lasen, mos statt mox, res statt rex, Nasus statt Naxus, ausi statt auxi und – ich mag nicht noch mehr abschreiben. Er selbst vermuthet, daß die fehlerhafte Lesart ab Apamea sorore aus der alten zusammenhängenden Schreibart abapame ucsore (ab Apame uxore) entstanden sei. Das u ging in a über und veranlaßte den Fehler Apamea; das csore ging in sorore über. Mir ist diese Conjectur so wahrscheinlich und die glückliche Vermeidung zweier Fehler so willkommen, daß ich keinen Anstand nehme, nach Drakenborchs Vorschlage zu übersetzen.. Auch der Fluß Marsyas, der nicht weit von den Quellen des Mäanders entspringt, fällt in den Mäander, und die Sage behauptet, Marsyas habe mit Apoll den Wettstreit auf der Flöte zu Celänä gehabt. Der Mäander, der 520 oben auf der Burg von Celänä entspringt und mitten durch die Stadt herabläuft, ergießt sich zuerst durch Carien, danach durch Ionien in den Meerbusen zwischen Priene und Milet. In das Lager des Consuls bei Antiochia kam des Antiochus Prinz Seleucus, um nach dem mit Scipio geschlossenen Vertrage dem Heere Getreide zu bringen. Da entstand ein kleiner Streit über die Hülfstruppen des Attalus, weil Seleucus behauptete, Antiochus habe sich nur verpflichtet, Römischen Soldaten Getreide zu liefern. Auch endigte ihn die Festigkeit des Consuls, der durch einen abgeschickten Obersten bekannt machen ließ, die Römischen Soldaten sollten nichts annehmen, bevor nicht die Hülfstruppen des Attalus das Ihrige empfangen hätten. Von hier rückten sie nach Gordiutichos vor – so heißt die Stadt – und kamen dann in drei Märschen nach Tabä. Diese Stadt liegt im Gebiete von Pisidien, auf jener Seite, wo es sich nach dem Pamphylischen Meere erstreckt. Als dieses Land noch bei vollen Kräften war, hatte die Stadt in ihren Bürgern muthige Krieger. Auch jetzt bewirkte ihre Reuterei durch einen Ausfall auf den Zug der Römer bei dem ersten Angriffe eine nicht geringe Unordnung: als es sich aber zeigte, daß sie ihnen weder an Zahl, noch an Tapferkeit gleich waren, baten sie, in ihre Stadt zurückgetrieben, um Verzeihung ihres Fehlers und erboten sich zur Übergabe der Stadt. Ihnen wurden fünfundzwanzig SilbertalenteUngefähr 25,000 Thaler. Auf den Griechischen Medimnus gingen 6 Römische Modii. und zehntausend Medimnen Weizen auferlegt und so die Übergabe angenommen.

14. In drei Tagen gelangten die Römer weiter zum Flusse Chaus: nach ihrem Aufbruche von hier eroberten sie die Stadt Eriza im ersten Angriffe. Sie kamen zur Feste Thabusion in der Nähe des Flusses Indus, dem man diesen Namen gegeben hatte, weil hier ein Indier vom Elephanten abgeworfen war. Sie waren nicht weit mehr von Cibyra, und noch immer kam keine Gesandschaft von dem Moagetes, dem Zwingherrn dieser Stadt, einem in allen 521 Stücken treulosen Übermüthigen. Einen Versuch zu machen, wie dieser gesinnet sei, schickte der Consul den Cajus Helvius voraus, mit viertausend Mann zu Fuß und fünfhundert zu Pferde. Als dieser Zug schon die Gränze betrat, kamen ihm Gesandte mit der Anzeige entgegen, der Zwingherr sei bereit, jede Forderung zu erfüllen; sie baten den Helvius, als Freund in ihr Gebiet einzurücken und seinen Soldaten keine Plünderung auf dem Lande zu gestatten: zugleich überreichten sie einen goldenen Kranz von funfzehn Talenten. Helvius versprach, das Land mit der Plünderung verschonen zu lassen und hieß die Gesandten zum Consul gehen. Der Consul, dem sie die nämlichen Eröffnungen machten, antwortete: «Einmal haben wir Römer nicht den mindesten Beweis von einer günstigen Gesinnung eures Zwingherrn gegen uns: zum Andern gilt er überall für einen solchen Menschen, daß wir eher auf seine Bestrafung zu denken hätten, als auf seine Freundschaft.» Durch eine solche Sprache in Verlegenheit gesetzt, konnten ihn die Gesandten nur noch bitten, den Kranz anzunehmen und dem Zwingherrn den Zutritt zu gestatten, um selbst mit ihm zu reden und sich zu entschuldigen. Mit Bewilligung des Consuls kam Tages darauf der Zwingherr in das Lager, seiner Kleidung und Begleitung nach kaum mit dem Anstande eines mäßig begüterten Privatmannes: auch machte er in seiner Rede den Demüthigen, den Vernichteten, setzte seine Macht so sehr herab und klagte über die Armuth der ihm unterwürfigen Städte. Unter ihm standen außer Cibyra auch Syleum und das sogenannte Alimne. Er gab Hoffnung, wiewohl er selbst die Möglichkeit zu bezweifeln schien, von diesen, wenn er sich und seine Unterthanen rein ausplünderte, fünfundzwanzig Talente zusammen zu bringen. «Aber eine solche Hohnneckerei,» rief der Consul, «ist doch nicht länger auszustehen. Dir war es nicht genug, als du uns durch deine Gesandten zum Besten hattest, in der Ferne von uns nicht zu erröthen: vor unsern Augen beharrest du auf derselben Schamlosigkeit. Fünfundzwanzig Talente sollten den Bereich deiner Zwingherrschaft arm 522 machen? So mache dich denn, wenn du nicht in drei Tagen fünfhundert Talente zahlst, auf Plünderung im Lande, auf Belagerung der Stadt gefaßt.» Zusammengeschreckt durch diese Ankündigung fuhr er dennoch hartnäckig fort, Armuth zu heucheln, und nur stufenweise ließ er sich durch ein unanständiges Zulegen, bald unter Ausflüchten, bald unter Bitten und verstellten Thränen, bis auf hundert Talente treiben. Zehntausend MedimnenAuf den Griechischen Medimnus gingen sechs Römische Modii. Getreide wurden noch dazu gefordert. Dies Alles war in sechs Tagen eingetrieben.

15. Von Cibyra wurde das Heer durch das Gebiet von Sinda geführt, ging über den Fluß Caularis und lagerte sich. Am folgenden Tage ging der Zug der Römer neben dem See Caralitis hin. Bei Mandropolis ruheten sie. Als sie nach der nächsten Stadt, Lagos, vorrückten, nahmen die Bewohner aus Furcht die Flucht. Von Menschen leer und mit einer Menge von allen Vorräthen gestopft, wurde die Stadt geplündert. Von hier, von der Quelle des Flusses Lysis, zogen die Römer am folgenden Tage weiter an den Strom Cobulatus. Gerade damals belagerten die Termessier die Burg der schon eroberten Stadt Isionda. Die Eingeschlossenen schickten, weil für sie keine andre Hülfe zu hoffen war, Gesandte an den Consul, mit der Bitte, sie zu retten: denn mit Weib und Kind auf die Burg eingeschlossen, sahen sie täglich dem Tode entgegen, den sie entweder unter dem Schwerte, oder durch den Hunger erleiden würden. So bot sich dem Wunsche des Consuls ein Vorwand zu einem Seitenzuge nach Pamphilien. Seine Ankunft befreite die Bewohner von Isionda von der Belagerung. Termessus erhielt den Frieden gegen Zahlung von funfzig Talenten Silbers; so auch die Aspendier und Pamphiliens übrige Völker. Auf seinem Rückzuge aus Pamphilien lagerte er sich den ersten Tag am Flusse Taurus, den folgenden bei Come, mit dem Zunamen XylineÜbersetzt würde Hiera Come (Cap. 12. am Ende) der heilige Flecken heißen, so wie hier Xyline Come der Holzflecken. . Nach seinem 523 Aufbruche von hier kam er in fortgesetzten Märschen zur Stadt Corbasa. Dann war Darsa die nächste Stadt. Diese fand er von ihren Bewohnern aus Furcht verlassen und voll von Vorräthen aller Art. Auf seinem weiteren Zuge, neben den Sümpfen hin, begegneten ihm Gesandte von Lysinoe, welche ihm diese Stadt übergaben. Von hier kam er in das Gebiet von Sagalassus, ein ergiebiges und an allen Arten von Früchten tragbares Land. Die Bewohner sind Pisidier, bei weitem die geübtesten Krieger jener Gegend. Nicht dies allein macht ihnen Muth, sondern auch die Fruchtbarkeit ihres Landes, ihre Volksmenge und die Lage ihrer Stadt mit einer seltenen Befestigung. Der Consul, bei dem sich keine Gesandschaft an der Gränze einstellte, schickte Truppen auf Plünderung in die Dörfer. Da wurde endlich ihr Trotz gebrochen, als sie ihr Eigenthum wegtragen und forttreiben sahen. Sie schickten Gesandte, verstanden sich zur Lieferung von funfzig Talenten, zwanzigtausend Medimnen Weizen, zwanzigtausend an Gerste, und erlangten dafür den Frieden. Er rückte bis an die Quellen des Obrima vor und lagerte sich bei einem Flecken, Come Aporidos genannt. Tages darauf traf hier von Apamea aus Seleucus bei ihm ein. Von hier schickte er die Kranken und das hinderliche Gepäck nach Apamea, ließ sich vom Seleucus Wegweiser geben, rückte noch denselben Tag in das Metropolitanische Gefilde und ging den folgenden bis Diniä in Phrygien. Von da kam er nach der Stadt Synnada, deren Nachbaren sämtlich ihre Städte aus Furcht verlassen hatten. Mit der hier abgeführten Beute, die seinen Zug schon schleppend machte, kam er so, daß er in einem ganzen Tage kaum fünftausend Schritt zurücklegte, nach Beudos, mit dem Zunamen das Alte. Nach seinem Aufbruche von hier lagerte er sich bei Anabura, den Tag darauf an den Quellen des Alander, den dritten Tag bei Abbassus. Hier blieb er mehrere Tage stehen, weil nun die Tolistobojische Gränze erreicht war.

16. Ein großer Schwarm Gallier, der entweder aus Mangel an Land, oder aus Lust zur Beute und in der 524 Voraussetzung auswanderte, daß ihnen keines von allen Völkern, durch welche ihr Zug ginge, in den Waffen gewachsen sei, drang unter Anführung eines Brennus bis zu den DardanernDardania, in Nordwest von Macedonien; das heutige Servien. vor. Hier veruneinigten sie sich: und an zwanzigtausend Menschen, die sich unter ihren Herzogen Leonorius und Lutarius vom Brennus trennten, nahmen ihren eignen Weg nach Thracien. Hier kamen sie unter Siegen, wenn man sich ihnen widersetzte, unter auferlegten Lieferungen, wenn man sie um Schonung bat, bis Byzanz, und behaupteten sich eine Zeitlang in dem Besitze der Städte am Propontis, so daß ihnen jene Küste steuerpflichtig war. Nun kam ihnen die Lust, nach Asien überzugehen, von dessen großer Fruchtbarkeit sie in dieser Nähe gehört hatten. Sie bemächtigten sich Lysimachiens mit List, besetzten den ganzen Chersones mit ihren Waffen und kamen an den Hellespont herab. Da sie sich hier von Asien nur durch die schmale Meerenge geschieden sahen, wurde ihr Wunsch hinüberzugehen noch so viel lebhafter, und sie beschickten, in Hinsicht auf diese Überfahrt, den Statthalter in jener Gegend, den Antipater. Indeß sich dies Geschäft über ihre Erwartung verzögerte, kam es wieder zwischen ihren Herzogen zu einer neuen Trennung. Leonorius ging mit der größeren Hälfte des Schwarms zurück nach Byzanz, wo er hergekommen war: Lutarius hingegen nahm den Macedoniern, welche Antipater unter dem Scheine einer Gesandschaft als Kundschafter hingeschickt hatte, ihre zwei Deckschiffe und drei Barken ab. Auf diesen setzte er in wenig Tagen, da er Tag und Nacht immer andre überfahren ließ, seine sämtlichen Truppen über. Bald nachher kam auch von Byzantium aus, mit Hülfe des Königs Nicomedes von Bithynien, Leonorius herüber. Nun schlossen sich die Gallier wieder an einander, und gaben dem Nicomedes Hülfstruppen, der eben mit dem Zyböta, dem Besitzer eines Theils von Bithynien, Krieg führte: und vorzüglich durch ihre Mitwirkung wurde Zyböta besiegt und ganz 525 Bithynien dem Nicomedes unterwürfig. Nach ihrem Aufbruche aus Bithynien rückten sie in Asien weiter vor. Unter ihren zwanzigtausend Menschen waren nur zehntausend Bewaffnete. Dennoch jagten sie allen Völkern diesseit des Taurus einen solchen Schrecken ein, daß sich Alle, wohin sie kamen, und wohin sie nicht kamen, die entfernten so gut, als die benachbarten, ihrer Oberherrschaft fügten. Endlich theilten sie, weil sie aus drei Völkerstämmen bestanden, den Tolistobojern, Trocmern und Tectosagern, auch Asien in drei Theile, je nachdem jeder Theil einer von ihren Völkerschaften zinsbar sein sollte. Die Trocmer bekamen die Küste des Hellesponts; den Tolistobojern gab das Los Äolis und Ionien, den Tectosagern das mittelländische Kleinasien. Diese erhoben in ganz Kleinasien diesseit des Taurus ihre Schatzungen: sie selbst aber ließen sich auf beiden Seiten des Flusses Halys nieder. Der Schrecken ihres Namens wurde nun, da sich auch ihre Volksmenge durch zahlreiche Kinder vermehrte, so groß, daß sich endlich sogar Syriens Könige zur Abtragung einer Steuer verstehen mußten. Der erste unter allen Bewohnern Asiens, der sie ihnen verweigerte, war Attalus, des Königs Eumenes Vater. Sein kühnes Unternehmen wurde, gegen die Erwartung Aller, vom Glücke begünstigt, und er behauptete in einer Feldschlacht den Sieg. Doch brach er ihren Muth nicht so, daß sie ihrer Oberherrlichkeit entsagt hätten. Bis auf den Krieg des Antiochus mit den Römern war ihre Macht dieselbe geblieben. Und auch jetzt, nach Besiegung des Antiochus, standen sie in der festen Meinung, weil sie so weit vom Meere entfernt wohnten, werde bis zu ihnen kein Römisches Heer kommen.


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