Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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16. Als Scipio den Cajus Lälius nebst dem Syphax und den übrigen Gefangenen nach Rom geschickt hatte, mit denen auch Gesandte vom Masinissa abreiseten, verlegte er sein Lager wieder nach Tunes und vollendete die angefangenen Verschanzungen. Die Carthager, die nach einem für dasmal ziemlich gelungenen Angriffe auf die Römische Flotte nicht allein eine kurze, sondern beinahe vergebliche Freude genossen hatten, die aber bei dem Rufe von des Syphax Gefangennehmung, auf den sie beinahe mehr Hoffnung gesetzt hatten, als auf den Hasdrubal und ihr eignes Heer, in großen Schrecken geriethen, schickten nun, ohne weiter auf einen Fürsprecher des Krieges zu hören, Friedensgesandte ab und zwar dreißig der vornehmsten Alten. Dies war bei ihnen ein ehrwürdigerer Ausschuß von Räthen und selbst auf die Leitung des Senats von größtem Einflusse. Als sie im Römischen Lager und auf dem Feldherrnplatze ankamen, warfen sie sich nach Art der Anbetenden – ich glaube, diese Sitte schrieb sich aus dem Lande ihrer früheren Abkunft her – zur Erde. Ihre Rede war einer so demüthigen Verehrung angemessen: denn sie rechtfertigten ihre Schuld nicht, schoben aber die Veranlassung dazu auf den Hannibal und die Beförderer seiner Zügellosigkeit. Sie baten um Verzeihung für ihren Stat, «der schon zweimal vorherBis iam ante]. – Das erste Mal durch den ersten Punischen Krieg; das zweite Mal durch den Krieg mit den Miethvölkern an den Thoren von Carthago. Das erste Mal rettete der von Rom bewilligte Friede, das andre Mal Hamilcars Gewandtheit und Glück, Wenn also Carthago gleich dreimal durch Schuld seiner Bürger (den zweiten Punischen Krieg mit eingerechnet) unglücklich wird, so verdankt es doch seinen Feinden, den Römern, die Rettung jetzt nur zum zweiten Male. Dukers und Creviers Verdacht gegen das Wörtchen ante ist also ohne Grund. Und wenn Drakenb. sagt: Crevierius delet vocem ante, favente cod. Put. in quo scriptum est bis iam teversae, so ist ja dies gerade eine Stimme mehr für das ante, so wie die Lesart des ebenfalls so schätzbaren Cod. Florent. bisiamteversae.» Man sieht, daß bloß das an zwischen iam und te der Ähnlichkeit wegen mit dem vorhergehenden iam weggefallen ist. Alle Handschriften haben das ante beibehalten, oder doch Spuren davon. durch die Unbesonnenheit seiner Eingebornen zu Grunde gerichtet sei, und abermals seine Rettung Feinden verdanken werde. Das Römische Volk gehe nur darauf aus, über besiegte Feinde zu herrschen, nicht aber auf ihr Verderben. Er möge ihnen, die sie zu folgsamer Unterwürfigkeit sich bereit erklärten, was ihm beliebe, anbefehlen.»

Scipio antwortete: «Er sei zwar mit der Hoffnung nach Africa gekommen, und durch den glücklichen Erfolg des Krieges sei diese seine Hoffnung noch gehoben, den Sieg, aber keinen Frieden, mit sich nach Hause zurückzunehmen. Doch wolle er, ob er gleich den Sieg beinahe schon in Händen habe, den Frieden nicht zurückweisen; damit alle Völker erfahren möchten, daß das Römische Volk seine Kriege mit eben der Rechtlichkeit, mit der es sie anfange, auch endige. Er bestimme folgende Friedensbedingungen. Die Gefangenen, die 605 Überläufer und entflohenen Sklaven sollten sie ausliefern; aus Italien und Gallien ihre Heere abführen; Spaniens sich enthalten; alle Inseln zwischen Italien und Africa abtreten; ihre sämtlichen Linienschiffe bis auf zwanzig, ihm überlassen und fünfmal hunderttausend Maß Weizen geben, und zweimal hunderttausend Maß Gerste.» Wie groß die ihnen auferlegte Geldlieferung gewesen sei, darüber sind die Angaben zu sehr verschieden. Hier finde ich, habe er ihnen fünftausend TalenteEtwa 5,375,000 Gulden Conv. auferlegt, dort, fünftausendDies hingegen nur 150,248 Gulden. Pfund Silber, wieder bei Andern, für die Soldaten den doppelten Sold. «Ob euch der Friede,» fuhr er fort, «unter diesen Bedingungen anständig sei, darüber gebe ich euch drei Tage Bedenkzeit. Nehmt ihr ihn an, so schließt mit mir Waffenstillstand und schickt nach Rom an den Senat Gesandte.» Da die Carthager nach diesem Bescheide für gut fanden, keine der Friedensbedingungen zu verweigern – denn sie suchten nur Zeit zu gewinnen, bis Hannibal nach Africa herüberkäme – so schickten sie die eine Gesandschaft an den Scipio zur Schließung des Waffenstillstandes, die andre nach Rom, welche um den Frieden anhalten sollte, und zum Scheine, um ihn so viel leichter zu erlangen, eine Anzahl von Gefangenen, Überläufern und entflohenen Sklaven mitnehmen mußte.

17. Lälius kam mit dem Syphax und den vornehmen Numidischen Gefangenen mehrere Tage früher in Rom an und setzte den Vätern die sämtlichen Verrichtungen in Africa der Reihe nach auseinander, zu ihrer Aller eben so großen Freude für jetzt, als Hoffnung für die Zukunft. Bei der Umfrage beschlossen die Väter, den König nach Alba in Verwahrung zu schicken, den Lälius aber in der Stadt zu behalten, bis die Carthagischen Gesandten kämen. Sie verordneten ein viertägiges Dankfest. Nach Entlassung des Senats und Berufung des Volks bestieg der Prätor Publius Älius mit dem Cajus Lälius die 606 Rednerbühne. Als hier nun die Leute vernahmen, die Heere der Carthager seien geschlagen, ein König von so hohem Rufe besiegt und gefangen, ganz Numidien im glänzendsten Siege durchzogen, da war es ihnen nicht möglich, sich auf eine stille Wonne zu beschränken und ihre unbegränzte Freude nicht durch Jubelgeschrei und andere der Volksmenge gewöhnliche Zeichen an den Tag zu legen. Darum ließ auch der Prätor sogleich die Bekanntmachung ergehen: «Die Tempelwärter sollten in der ganzen Stadt alle Gotteshäuser öffnen: es müsse dem Volke frei stehen, den ganzen Tag über aus Tempel in Tempel zu gehen und den Göttern Preis und Dank zu bringen.» Den Tag darauf führte er die Gesandten des Masinissa in den Senat. Zuerst wünschten sie dem Senate Glück zu den dem Publius Scipio in Africa gelungenen Thaten: dann sagten sie dafür Dank, daß er den Masinissa nicht bloß König benannt, sondern ihn auch durch Wiedereinsetzung in sein Erbreich dazu gemacht habe, welches der König nun, nach Entthronung des Syphax, wenn die Väter diese genehmigten, ohne Besorgniß und Nebenbuhler regieren werde.» Auch dafür: «daß er ihn unter Lobsprüchen vor der Versammlung mit den ehrenvollsten Geschenken ausgestattet habe: ihrer nicht unwürdig zu sein, sei Masinissas Bestreben vorhin gewesen und werde es ferner sein. Er bitte die Väter, ihm den Königstitel und die übrigen Wohlthaten und Verehrungen vom Scipio durch einen Senatsschluß zu bestätigen. Auch bitte Masinissa, wenn es nicht zu viel Beschwerde mache, die Numidischen Gefangenen, die zu Rom in Haft wären, ihm zurück zu schicken: dies würde ihm bei seinen Unterthanen zur großen Empfehlung gereichen.» Hierauf bekamen die Gesandten zur Antwort: «Die Freude über das Siegsglück in Africa theilten die Väter mit dem Könige. Daß ihn Scipio König benannt habe, daran habe er ihres Erachtens recht gehandelt und wie es sich gehöre. Und was er sonst noch Masinissa's Wünschen gemäß gethan haben möge, das Alles habe die Zustimmung und den Beifall der Väter.» Zu Geschenken, welche die 607 Gesandten dem Könige mitnehmen sollten, bestimmte man zwei purpurne Kriegskleider, jedes mit einer goldenen Schnalle und Westen mit breiter Verbrämung, ferner zwei aufgeschmückte Pferde, zwei Ritterrüstungen nebst Panzern, auch solche Zelte und Feldgeräth, wie man sie gewöhnlich einem Consul hielt. Der Prätor bekam Befehl, dies dem Könige zu übersenden. Jedem Gesandten wurden nicht unterEtwa 150 Gulden Conv. M. fünftausend, ihren Begleitern jedem tausend KupferassEtwa 30 Gulden. als Geschenk bestimmt, ferner jedem Gesandten zwei Kleider, den Begleitern eins, so wie auch den Numidern, die, ihrer Haft entlassen, dem Könige wiedergegeben werden sollten. Außerdem bestimmte man den Gesandten ein freies Haus zur Wohnung, Ehrenplätze und Bewirthung.

18. In demselben Sommer, in welchem es zu Rom jene Beschlüsse, in Africa jene Thaten gab, lieferten der Prätor Publius Quinctilius Varus und der Proconsul Marcus Cornelius im Gebiete der Insubrischen Gallier dem Punischen Feldherrn Mago eine förmliche Schlacht. Die Legionen des Prätors standen im Vordertreffen, Cornelius, ob er gleich selbst in die vordere Linie ritt, ließ die seinigen hintenan stehen; und an der Spitze beider Flügel boten Prätor und Proconsul Alles auf, ihre Soldaten zum Einbruche in die Feinde zu vermögen. Als dies ohne Wirkung blieb, sprach Quinctilius zum Cornelius: «Das Gefecht geht, wie du siehst, zu schläfrig. Durch seinen unverhofften Widerstand hat sich des Feindes Feigheit gesetzt, und wir laufen Gefahr, daß sie in Kühnheit übergehe. Wollen wir ihn in Unordnung und aus dem festen Schritte bringen, so müssen wir den Sturm der Reuterei sich erheben lassen. Entweder halt du den Kampf vorn in der Linie aus, so will ich die Reuterei ins Gefecht führen; oder ich will hier im ersten Treffen mich halten, und du lässest die Ritter unsrer vier Legionen auf den Feind.» Da sich der Proconsul 608 zur Übernahme des einen oder des andern Postens, welchen der Prätor ihm lassen wollte, bereit erklärte, so machte sich Prätor Quinctilius mit seinem Sohne, Marcus mit Vornamen, einem muthvollen jungen Manne, zu den Rittern hin, hieß sie aufsitzen und ließ sie plötzlich auf den Feind. Den Lärm vom Angriffe der Reuterei verstärkte das ihn begleitende Schlachtgeschrei der Legionen: und die feindliche Linie würde nicht Stand gehalten haben, hätte nicht Mago gleich beim ersten Andringen der Reuterei die in Bereitschaft gehaltenen Elephanten ins Treffen vorgeführt. Die durch das Gekreische, den Geruch und Anblick dieser Thiere scheu gewordenen Pferde machten die Hülfe der Reuterei unwirksam: und so wie der Römische Ritter im Schlachtgewühle, wenn er Spieß und Schwert in der Nähe gebrauchen konnte, die Überlegenheit behielt; so hatten auf ihn, wenn das scheue Pferd mit ihm durchging, die Numider aus der Ferne einen so viel sicherern Schuß. Über Vermögen behauptete die zwölfte, großentheils zusammengehauene, Legion des Fußvolks ihren Platz nur noch aus Scham, und würde ihn nicht länger behauptet haben, wenn nicht die dreizehnte Legion, die aus dem Hintertreffen vorn in die Linie einrückte, den mißlichen Kampf auf sich genommen hätte. Zwar setzte auch Mago dieser frischen Legion aus seinem Hintertreffen die Gallier entgegen. Da aber diese ohne große Mühe geworfen wurden, setzte sich das erste Glied der elften Legion in Schluß und ging auf die Elephanten los, die jetzt auch schon in der Linie des Fußvolks Unordnung bewirkten. Da sie bei dem Angriffe auf die sich drängenden Thiere fast keinen Wurfpfeil vergebens abschossen, so jagten sie diese auf ihre eigne Linie zurück: vier stürzten mit Wunden bedeckt zu Boden. Hier wich die feindliche Vorderreihe, weil plötzlich das ganze Römische Fußvolk, sobald es den Elephanten auf den Rücken sah, um sie noch scheuer und wilder zu machen, ihnen nachstürzte. Doch setzten ihre Glieder, die sich, so lange Mago noch an ihrer Spitze stand, nur Schritt vor Schritt zurückzogen, das Gefecht 609 ununterbrochen fort. Allein als sie ihn mit durchbohrtem Schenkel sinken und halbtodt aus der Schlacht wegtragen sahen, da wandten sie sogleich Alle zur Flucht sich ab. Gegen fünftausend Feinde fielen an dem Tage; zweiundzwanzig Fahnen wurden erbeutet. Aber auch den Römern war dies ein blutiger Sieg. Bei dem Heere des Prätors, und zwar größtentheils von der zwölften Legion, wurden zweitausend dreihundert vermißt; von dieser auch zwei Obersten, Marcus Cosconius und Marcus Mänius. Von der dreizehnten Legion, welche erst am Ende des Treffens auftrat, fiel der Oberste Cneus Helvius bei Wiederherstellung des Gefechts; sie verlor an zweiundzwanzig angesehene Ritter, welche von den Elephanten zertreten wurden, nebst mehreren Obersten. Überhaupt würde der Kampf länger angehalten haben, wäre nicht über die Wunde des Feldherrn der Sieg preisgegeben.

19. Mago, der nach seinem Aufbruche in der Stille der nächsten Nacht so starke Märsche machte, als sie ihm seine Wunde erlaubte, erreichte das Meer im Gebiete der Ingaunischen Ligurier. Hier kamen Gesandte von Carthago, welche wenige Tage zuvor im Gallischen Meerbusen gelandet waren, mit dem Befehle zu ihm, je eher je lieber nach Africa überzusetzen. «Sein Bruder Hannibal, an welchen ebenfalls Gesandte mit demselben Befehle abgegangen wären, werde dasselbe thun. Es stehe jetzt um Carthago gar nicht so, daß es Eroberungen in Gallien und Italien behaupten könne.»Mago, nicht bloß durch den Befehl des Senats und durch die Gefahr des Vaterlandes aufgefordert, sondern auch aus Besorgniß, der siegende Feind möge ihn, wenn er bliebe, verfolgen, ja selbst die Ligurier, wenn sie die Punier Italien räumen sähen, möchten zu denen übertreten, in deren Gewalt sie doch nächstens sein würden; zugleich auch in der Hoffnung, bei einer Seefahrt werde die Erschütterung seiner Wunde gelinder, als auf der Landstraße, und Alles zu seiner Heilung bequemer sein; segelte nach Einschiffung seiner Truppen, ab, starb aber, als er kaum über Sardinien hinaus war, an seiner Wunde: und mehrere 610 Punische Schiffe, die auf der Höhe verschlagen waren, wurden von der bei Sardinien stehenden Römischen Flotte genommen. Dies waren die Ereignisse zu Lande und zu Meere auf jener Seite Italiens, die an die Alpen stößt.

Der Consul Cajus Servilius, welcher auf seinem Posten in Hetrurien, auch in Gallien, wohin er gleichfalls vorgerückt war, nichts Merkwürdiges verrichtete, der aber seinen Vater Cajus Servilius und den Cajus Lutatius, welche bei dem Flecken Tanetum von den Bojern gefangen genommen waren, aus sechzehnjähriger Sklaverei zurückbrachte; gab seiner Rückkehr nach Rom, wobei ihm sein Vater auf der einen, Catulus auf der andern Seite ging, mehr Auszeichnung durch sein Verdienst um ein Par Einzelne, als um den Stat. Nun wurde an das Gesamtvolk der Antrag gemacht: «Da Cajus Servilius den Gesetzen zuwider Bürgertribun und Bürgerädil gewesen sei, während sein Vater, der doch ein Thronsesselamt bekleidet gehabt, noch gelebt habe, so solle er, weil er dies nicht gewußt habe, ohne Verantwortung sein.» Als der Vorschlag angenommen war, ging der Consul wieder auf seinen Standort.

Zu dem im Bruttischen stehenden Consul Cneus Servilius traten Consentia, Uffugum, Vergä, Besidiä, Hetriculum, Sypheum, Argentanum, Clampetia und viele andre unberühmte Völkerschaften über, weil sie den Punischen Krieg sich zum Ende neigen sahen. Auch lieferte dieser Consul im Gebiete von Croton dem Hannibal eine Schlacht. Die Nachrichten darüber sind unbestimmt. Valerius von Antium giebt die Zahl der gefallenen Feinde auf fünftausend an. Ein so bedeutendes Gefecht müßte entweder mit Unverschämtheit erlogen, oder aus Nachlässigkeit übergangen sein. In Italien hat wenigstens Hannibal nichts weiter gethan. Denn gerade in denselben Tagen, wie beim Mago, trafen auch bei ihm Gesandte von Carthago ein, die ihn nach Africa abriefen.

20. Knirschend und seufzend und kaum der Thränen sich enthaltend hörte er, wie man erzählt, den Antrag der Gesandten. Als sie ihm die Befehle kund gethan 611 hatten, sprach er: «So rufen sie mich denn nicht länger durch versteckte List, sondern geradezu zurück, sie, die durch Verweigerung der nachzusendenden Truppen und Gelder schon lange mich zurückzerreten! So wurden denn Hannibals Sieger – nicht die Römer, die er so oft zusammenhieb und schlug, sondern der Senat von Carthago durch entgegenarbeitenden Parteienhaß! Und über diesen meinen schimpflichen Abzug wird Scipio nicht lauter frohlocken und sich erheben, als Hanno, der meine Familie, weil er es durch andre Mittel nicht konnte, unter Carthagos Trümmern begrub.»

Aus Vorgefühl, daß es so kommen möchte, hatte er die Schiffe schon in Bereitschaft gehalten. Nachdem er den Haufen untauglicher Truppen unter dem Vorwande, dort die Besatzungen zu machen, in die wenigen Bruttischen Städte weggeschickt hatte, welche mehr aus Furcht als Ergebenheit auf seiner Partei geblieben waren, ging er mit dem Kerne des Heers nach Africa über, ließ aber noch viele geborne Italier, weil sie sich, um ihm nicht nach Africa zu folgen, in das Heiligthum der Juno Lacinia geflüchtet hatten, das bis auf diesen Tag unentweiht geblieben war, selbst im Tempel schändlich ermorden. Man sagt, die Traurigkeit dessen, der als Verbanneter aus seinem Vaterlande scheide, könne nicht leicht größer sein, als die, mit welcher Hannibal das Land der Feinde räumte. Oft habe er unter Klagen über Götter und Menschen nach Italiens Küsten zurückgeblickt, und unter Verwünschungen seiner selbst und seines Lebens sich es vorgeworfen, «daß er nicht sein Heer, noch blutig vom Siege bei Cannä, vor Rom geführt habe. Ein Scipio, der als Consul keinen feindlichen Punier in Italien gesehen habe, erdreiste sich, vor Carthago zu rücken: und er, vor welchem am Trasimenus und bei Cannä hunderttausend mit ihren Waffen gesunken seien, habe sich bei Casilinum, Cumä und Nola verlegen.» Unter solchen Vorwürfen und Klagen wurde er von dem lange behaupteten Besitze Italiens weggerissen.

21. Zu Rom liefen die Nachrichten von Magos und 612 Hannibals Abfahrt in denselben Tagen ein. Die Wonne dieses doppelten Jubels wurde einmal dadurch gemindert, daß es den Römischen Feldherren entweder am Willen, oder an Kraft gefehlt zu haben schien, sie festzuhalten, da ihnen dies doch vom Senate befohlen war; dann auch dadurch, daß man besorgt war, da sich jetzt die ganze Masse des Krieges auf Einen Feldherrn und Ein Heer geworfen hatte, wie dies ablaufen werde. In diesen Tagen kamen auch Gesandte von Sagunt und brachten die samt ihren Geldsummen aufgehobenen Carthager mit, welche auf Truppenwerbung nach Spanien übergesetzt waren. Sie lieferten zweihundert funfzig Pfund GoldAn Golde etwa 78,000 Gulden Conv. An Silber 25,000 Gulden., achthundert Pfund Silber in der Vorhalle des Rathhauses ab. Die Gefangenen wurden angenommen und in den Kerker gebracht, das Gold und Silber zurückgegeben und den Gesandten Dank abgestattet: man gab ihnen außerdem Geschenke und zur Rückkehr nach Spanien Schiffe. Dann äußerten die Bejahrteren im Senate die Bemerkung: «Der Mensch empfinde doch immer das Gute weniger, als das Schlimme. Wie Alles bei Hannibals Einbruche in Italien voll Schrecken und Bestürzung gewesen sei, hätten sie noch nicht vergessen. Wie mancherlei Unglück sich nachher ereignet habe? wie manche Veranlassung zur Trauer? Von Roms Mauern habe man das feindliche Lager gesehen. Wie da die Gelübde jedes Einzelnen und Aller insgesamt gelautet hätten? Wie oft habe man die Bürger in den Versammlungen mit gen Himmel erhobenen Händen ausrufen hören: Ob denn nie der Tag erscheinen wolle, an welchem sie Italien, vom Feinde geräumt, der Segnungen des Friedens genießen sehen könnten? Im sechzehnten Jahre endlich hätten dies die Götter verliehen, und nun trage niemand darauf an, den Göttern dafür zu danken. Mit so wenig Herzlichkeit nähmen die Menschen sogar die ankommende Wohlthat auf, geschweige daß sie der vormaligen sich gehörig erinnern sollten.» Da riefen Stimmen von allen Seiten des 613 Sales: Der Prätor Publius Älius solle die Sache zum Vortrage bringen: und es wurde der Beschluß ausgefertigt, fünf Tage lang vor allen Altären Betandachten zu halten und hundert und zwanzig große Thiere zu opfern. Weil schon nach Entlassung des Lälius und der Gesandten des Masinissa die Nachricht einlief, Carthagische Friedensgesandte an den Senat, die man schon zu Puteoli gesehen habe, würden von dort zu Lande ankommen, so beschloß man, den Cajus Lälius wieder umzurufen, um über den Frieden in seiner Gegenwart zu unterhandeln. Quintus Fulvius Gillo, ein Legat des Scipio, brachte die Carthager bis vor Rom. Sie durften die Stadt nicht betreten, bekamen Quartier in der Statsmeierei, und Zutritt vor dem Senate im Tempel der Bellona.

22. Sie brachten ungefähr dasselbe vor, wie beim Scipio. «Der Krieg sei, ohne alle Zustimmung von Seiten des Stats, ganz Hannibals Werk. Der sei ohne Befehl des Senats nicht nur über die Alpen, sondern auch über den Ebro gegangen, und habe nicht bloß die Römer, sondern schon vorher die Saguntiner für sich bekriegt. Senat und Volk von Carthago stehe mit den Römern, wenn man es genau nehmen wolle, noch diesen Tag in unverletztem Bunde. Also hätten sie auch den Auftrag, nur darum zu bitten, daß es bei dem zuletzt mit dem Consul Lutatius geschlossenen Frieden bleiben dürfe.» Als der Prätor nach der herkömmlichen Sitte den Vätern freistellte, wenn sie wollten, den Gesandten Fragen vorzulegen, und die Bejahrteren, die an dem Abschlusse des Friedens Theil gehabt hatten, der Eine nach diesem, der Andre nach einem andern Punkte fragten, die Gesandten aber – sie waren fast alle junge Männer – erwiederten, sie wären noch nicht so alt, daß sie dies wissen könnten; so rief man von allen Seiten des Sales: «Das sei ein ächt Punischer Kniff, zum Antrage auf Beibehaltung eines Friedens Gesandte zu nehmen, die sich dessen nicht erinnern könnten.»

23. Als man die Gesandten hatte abtreten lassen, wurden die Stimmen abgehört. Marcus Livius schlug vor: «Den Consul Cajus Servilius, der von beiden der nähere sei, kommen zu lassen. Da nie über einen wichtigern Gegenstand, als der vorliegende sei, eine Berathschlagung eintreten könne, so sei es seines Erachtens der Würde des Römischen Stats nicht ganz angemessen, eine solche Sache ohne den Einen, oder gar ohne beide Consuln vorzunehmen.»Quintus Metellus, der vor drei Jahren Consul, auch schon Dictator, gewesen war, sagte: «Da Publius Scipio die Feinde durch Erlegung ihrer Heere, durch Verwüstung ihres Landes, so weit gebracht habe, daß sie um Frieden flehen müßten, und kein Mensch richtiger beurtheilen könne, in welcher Absicht dieser Friede gesucht werde, als der Feldherr, der vor den Thoren von Carthago stehe, so müsse man auch nach keines Andern, als Scipio's, Gutachten den Frieden annehmen oder verweigern.»Marcus Valerius Lävinus, der zweimal Consul gewesen war, erklärte die Angekommenen für Kundschafter, nicht für Gesandte. «Denen müsse man andeuten, Italien zu räumen; müsse sie unter Aufsicht bis an die Schiffe bringen lassen, und dem Scipio schreiben, er möge mit dem Kriege nicht nachlassen.» Für diese Meinung führten Lälius und Fulvius noch an: «Auch Scipio habe die Hoffnung zum Frieden nur darauf gesetzt, wenn Hannibal und Mago nicht aus Italien zurückgerufen würden. Die Carthager würden, so lange sie diese Feldherren, diese Heere erwarteten, sich jeden Schein zu geben suchen; dann aber, selbst den diesen Augenblick geschlossenen Verträgen und allen Göttern zum Hohne, ihren Krieg fortsetzen.» Um so viel eher trat man zu der Meinung des Lävinus über. Die Gesandten wurden ohne Friedensschluß, ja fast ohne Antwort entlassen.

24. Um diese Zeit segelte der Consul Cneus Servilius, in der festen Einbildung, daß die Ehre, Italien beruhigt zu haben, ihm gebühre, nicht anders als zur Verfolgung des durch ihn verjagten Hannibal, nach Sicilien über, um von da nach Africa überzugehen. Als dies zu Rom bekannt wurde, erklärten sich die Väter 615 zuerst dahin, der Prätor solle dem Consul schreiben: Der Senat finde für gut, daß er nach Italien zurückkomme. Als aber der Prätor vorstellte, der Consul werde auf einen Brief von ihm nicht achten; so wurde ausdrücklich hierzu ein Dictator ernannt, Publius Sulpicius, der vermöge seines höheren Amts den Consul nach Italien zurückrief: den übrigen Theil des Jahres wandte er mit seinem Magister Equitum Marcus Servilius dazu an, die Städte Italiens, welche während des Krieges abgefallen waren, zu bereisen und sich von einer jeden ihre Sache vorlegen zu lassen. Während des Waffenstillstandes gingen auch aus Sardinien vom Prätor Lentulus hundert Lastschiffe mit Vorräthen unter einer Bedeckung von zwanzig Kriegsschiffen, von Feinden und von Stürmen gleich unangefochten, nach Africa über. Cneus Octavius, der mit zweihundert Lastschiffen und dreißig Linienschiffen aus Sicilien hinüberfuhr, hatte nicht dasselbe Glück. Er sah nach einer glücklichen Fahrt Africa beinahe schon vor sich, da blieb anfangs der Wind aus, dann setzte er sich in den Südwest um, wurde stürmisch und warf die Flotte aus einander. Mit den Kriegsschiffen erreichte er zwar, weil seine Ruderer mit höchster Anstrengung gegen die Fluten ankämpften, das Vorgebirge Apolls: allein die Lastschiffe wurden größtentheils nach Ägimurus, – diese Insel schließt von der Höhe her die Bucht, in welcher Carthago liegt, in einer Entfernung von fast dreißigtausend Schritten von der Stadt – die andern, der Stadt selbst gegenüber, an die warmen Bäder verschlagen. Das Alles hatte man in Carthago vor Augen. Also entstand ein Zusammenlauf aus der ganzen Stadt nach dem Markte. Die Obrigkeit berief den Senat; das Volk am Eingange des Rathhauses verlangte tobend, man solle die herrliche Beute, die man schon vor Augen und in Händen habe, nicht fahren lassen. Stellten gleich Einige dagegen vor, dies würde ein Bruch des Friedensgeschäfts sein; Andre, des Waffenstillstandes, dessen Frist noch nicht abgelaufen war; so vereinigte man sich, da die Versammlung des Senats und die des Volks beinahe zusammenfloß, 616 dennoch dahin, mit einer Flotte von funfzig Schiffen den Hasdrubal nach Ägimurus hinübergehen zu lassen, um von dort die an den Küsten und in den Hafen zerstreuten Römischen Schiffe zusammenzuholen. Und so wurden die von den entflohenen Seeleuten verlassenen Frachtschiffe zuerst von Ägimurus, dann auch die von den Bädern, im Schlepptaue nach Carthago gebracht,

25. Noch waren die Gesandten nicht von Rom zurückgekommen; noch wußte man nicht, wie der Römische Senat über Krieg und Frieden entschieden habe, und eben so wenig war die Frist des Waffenstillstandes abgelaufen. Also schickte Scipio, der eine so viel empörendere Beleidigung darin fand, daß die, welche selbst um Frieden und Waffenstillstand gebeten hätten, die Hoffnung des Friedens und das Wort des Waffenstillstandes vernichteten, sogleich den Lucius Bäbius, Lucius Sergius, Lucius Fabius als Gesandte nach Carthago. Da sich der zusammenlaufende Pöbel beinahe an ihnen vergriffen hätte, und sie selbst sahen, daß sie keinen sicherern Rückweg haben würden, so baten sie sich bei der Obrigkeit, welche sie gegen die Thätlichkeiten in Schutz genommen hatte, Schiffe zur Begleitung aus. Sobald die beiden mitgegebenen Dreiruderer bis zum Flusse Bagrada gekommen waren, von wo man das Römische Lager sehen konnte, gingen sie wieder nach Carthago zurück. Allein bei Utica stand eine Punische Flotte. Von dieser machten drei Vierruderer – sei es nun, daß es so insgeheim von Carthago aus bestellt war, oder daß der Befehlshaber der Flotte, Hasdrubal, den treulosen Streich ohne höhere Eingebung unternahm, – auf den Römischen Fünfruderer, als er eben um das Vorgebirge herumkam, plötzlich von der Höhe her Jagd. Allein einen Schnabelstoß konnten sie ihm nicht anbringen, weil er, schneller als sie, ihnen entglitt; eben so wenig konnten die Punier aus ihren niedrigern Schiffen in das höhere hinüberspringen: und die Römer, so lange ihre Geschosse ausreichten, vertheidigten es herrlich; als diese ausgingen, und nur noch die Nähe der Küste und die aus dem Lager 617 herbeiströmende Menge sie schützen konnte, steuerten sie mit vollen Rudern so heftig als möglich gegen den Strand und retteten sich selbst, bloß mit Verlust des Schiffs.

Da so durch Einen Frevel über den andern der Waffenstillstand offenbar gebrochen war, trafen von Rom aus Lälius und Fulvius mit den Carthagischen Gesandten ein. Den Letztern sagte Scipio: «Obgleich die Carthager nicht allein das Wort des Waffenstillstandes gebrochen, sondern auch an seinen Gesandten das Völkerrecht entweihet hätten, so wolle er sich doch gegen sie nichts erlauben, was Römischer Ordnung und seiner eignen Handlungsart unwürdig sei:» entließ sie und fing die Unternehmungen wieder an. Schon nahete Hannibal der Küste. Einer von seinen Seeleuten mußte den Mast besteigen, um zu sehen, in welche Gegend sie kämen. Als ihm dieser sagte, das Vordertheil sehe gerade auf ein verfallenes Grab, hieß er, nicht ohne Äußerung des Misfallens an einer solchen Vorbedeutung, den Steuermann vorbeisegeln, fuhr mit seiner Flotte bei Leptis an und schiffte hier die Truppen aus.

26. Dies waren die Begebenheiten dieses Jahrs in Africa. Die folgenden gehen in das Jahr hinaus, in welchem Marcus Servilius Geminus, der damalige Magister Equitum, und Tiberius Claudius Nero Consuln wurden. Weil übrigens zu Ende des vorigen Jahrs Gesandte aus Griechenland von den mit Rom verbündeten Städten mit der Klage eingekommen waren, daß Truppen des Königs ihr Gebiet verheert hätten, und daß König Philipp ihre Gesandten, die sie mit dem Antrage auf Erstattung nach Macedonien geschickt hatten, nicht vorgelassen habe; und sie dabei meldeten, wie es heiße, habe er unter dem Sopater viertausend Mann als Hülfstruppen für Carthago nach Africa gehen lassen und eine ansehnliche Summe Geldes mitgeschickt: so beschloß der Senat, Gesandte an den König abgehen zu lassen, welche ihm erklären sollten: Nach der Meinung der Väter könne dies mit ihren Verträgen nicht bestehen. Cajus Terentius Varro, Cajus Mamilius, Marcus Aurelius wurden hingeschickt, 618 und ihnen drei Fünfruderer gegeben. Dies Jahr zeichnete sich aus durch eine große Feuersbrunst, in welcher die Häuser auf der Publicischen Höhe bis auf den Boden abbrannten; und durch eine Wassersnoth.. Doch die Lebensmittel waren wohlfeil, weil außerdem, daß bei der Befreiung vom Feinde die Zufuhr durch ganz Italien offen stand, auch aus Spanien eine große Menge Getreide geliefert wurde, welches die Curulädilen Marcus Valerius Falto und Marcus Fabius Buteo das Maß zu vier2 Ggr. wenn nämlich aes grave gemeint ist. Ass Straße vor Straße an das Volk vertheilten.

In diesem Jahre starb auch Quintus Fabius Maximus in hohem Alter, wenn es nämlich gegründet ist, daß er das Amt eines Vogelschauers zweiundsechzig Jahre bekleidet hat, wie einige Schriftsteller angeben. Der Mann verdiente wenigstens seinen hohen Zunamen, sogar dann, wenn dieser neu bei ihm angefangen hätte. In der Menge der Amtsführungen that er es seinem Vater zuvor, seinem Großvater gleich. Sein Großvater Rullus zeichnete sich durch mehrere Siege und größere Schlachten aus: doch diese alle kann der einzige Feind Hannibal ausgleichen. Dennoch galt er mehr für den Vorsichtigen, als Thätigen; und so wie man zweifeln könnte, ob er aus Anlage der Zauderer gewesen sei, oder weil es dem Kriege, der damals geführt wurde, so eigentlich angemessen war; so ist doch nichts gewisser, als daß der Eine Mann, wie Ennius sagt, uns durch sein Zaudern den Stat wiedergab. Zum Vogelschauer wurde an seine Stelle sein Sohn Quintus Fabius Maximus geweihet; und eben so an seine Stelle zum Oberpriester – denn er hat zwei Priesterämter gehabt – Servius Sulpicius Galba. Die Römischen Spiele wurden Einen Tag, die Bürgerlichen dreimal vollständig gegeben, von den Ädilen Marcus Sextius Sabinus und Cneus Tremellius Flaccus. Diese wurden beide zu Prätoren erwählt, und mit ihnen Cajus Livius Salinator und Cajus Aurelius Cotta. Ob die Wahlversammlungen für dieses Jahr der Consul Cajus Servilius selbst 619 gehalten habe; oder, weil ihn seine Geschäfte in Hetrurien festhielten, wo er einem Senatsschlusse zufolge über die Verschwörungen der Großen Untersuchungen anstellte, der von ihm ernannte Dictator Publius Sulpicius; darüber lassen uns die widersprechenden Angaben in Ungewißheit.

27. Mit dem Anfange des folgenden Jahres thaten Marcus Servilius und Tiberius Claudius im Senate, den sie auf das Capitol beriefen, den Vortrag über die Standplätze der Heere. Sie verlangten, daß über Italien und Africa geloset würde, und beide wünschten sich Africa. Allein hauptsächlich auf Betrieb des Quintus Metellus wurde ihnen Africa weder bewilligt noch abgeschlagen. Man bestimmte, die Consuln möchten es mit den Bürgertribunen ausmachen, daß diese, falls sie nichts dagegen hätten, bei dem Gesamtvolke anfragten, wen es den Krieg in Africa führen lassen wolle. Die sämtlichen Bezirke bestimmten dazu den Publius Scipio. Gleichwohl brachten die Consuln Africa als Standplatz mit in Losung: denn so lautete der Senatsbeschluß. Tiberius Claudius bekam durch das Los Africa, so, daß er mit einer Flotte von funfzig Schiffen, lauter Fünfruderern, nach Africa übergehen und dem Scipio im Oberbefehle gleichstehen sollte. Marcus Servilius erlösete Hetrurien. Auch dem Cajus Servilius wurde der Oberbefehl in eben dieser Provinz auf den Fall verlängert, wenn der Senat gutfinden sollte, den Consul in der Stadt zu behalten. Von den Prätoren erlosete Marcus Sextius Gallien, und Publius Quinctilius Varus sollte ihm seine beiden Legionen nebst der Provinz übergeben; Cajus Livius das Bruttische mit den zwei Legionen, welche voriges Jahr der Proconsul Publius Sempronius befehligt hatte; Cneus Tremellius Sicilien, um vom Prätor des vorigen Jahrs, Publius Villius Tappulus, die Provinz mit den zwei Legionen in Empfang zu nehmen: Villius sollte dann als Proprätor mit zwanzig Kriegsschiffen und tausend Mann die Küste Siciliens decken, und von dort Marcus Pomponius auf den übrigen zwanzig Schiffen tausend fünfhundert Mann nach 620 Rom zurückbringen. Die Gerichtspflege in der Stadt traf den Cajus Aurelius Cotta. Den Übrigen wurde, jedem auf seinem Standorte und bei seinem Heere sein Oberbefehl verlängert. In diesem Jahre verfocht Rom seine Herrschaft mit nicht mehr als sechzehn Legionen. Um aber in allen Stücken unter dem Beistande der Götter zu beginnen und zu verfahren, sollten auch die Consuln, ehe sie in den Krieg auszögen, die Spiele anstellen und die großen Opferthiere darbringen, welche unter dem Consulate des Marcus Claudius Marcellus und Titus Quinctius der Dictator Titus Manlius den Göttern verheißen hatte, wenn sie in den nächsten fünf Jahren den Stat in demselben Wohlstande erhalten hätten. Diese Spiele wurden in der Rennbahn vier Tage lang gefeiert und die Opferthiere denjenigen Göttern, denen sie versprochen waren, dargebracht.

28. Bei dem Allen nahmen zugleich Hoffnung und Besorgniß mit jedem Tage zu, und man konnte mit sich selbst nicht eins werden, ob es zu höherer Freude berechtige, daß Hannibal bei seinem Abzuge aus Italien nach sechzehn Jahren dem Römischen Volke den Besitz desselben geräumt habe, oder zu größerer Besorgniß, daß er mit seinem ganzen Heere nach Africa übergegangen sei. Der Schauplatz habe sich allerdings verändert, nicht aber die Gefahr: und der neulich mit Tode abgegangene Verkündiger dieser so wichtigen Entscheidung, Quintus Fabius, habe gewiß nicht ohne Grund sich mehrmals prophetisch verlauten lassen, daß Hannibal in seinem Lande ein furchtbarerer Feind sein werde, als er im fremden gewesen sei. Und Scipio werde nicht einen Syphax vor sich haben, den König einer rohen Barbarei, dem gewöhnlich der Halbmarketender Statorius die Heere geordnet habe; noch den Schwiegervater des Syphax, Hasdrubal, den Ausreißer unter den Feldherren; noch jene im Nu erstandenen, aus einem halbbewaffneten Schwarme von Landleuten eiligst zusammengerafften Heere; sondern den Hannibal, ihn, so gut als im Hauptquartiere des tapfersten Feldherrn, seines Vaters, geboren, unter 621 Waffen herangewachsen und erzogen, als Knabe vorhin schon Soldat, kaum Jüngling schon Feldherr; der, unter Siegen verjahrt, beide Spanien, beide Gallien, Italien von den Alpen bis zur Meerenge mit Denkmalen gewaltiger Thaten erfüllt habe: und das Heer, das er führe, sei ihm selbst an Dienstjahren gleich, abgehärtet durch die Ausdauer unter allen Arten von Noth, deren Erduldung man Menschen kaum zutrauen könne; sei unzähligemal von Römerblute durchnässet und trage sich mit Rüstungen, die es den Soldaten, ja die es Feldherren abgenommen habe. Da würden dem Scipio in der Schlacht Viele aufstoßen, die mit eigner Hand Römische Prätoren, Imperatoren, Consuln erlegt, Mauer- und Lagerkränze aufzuweisen, und Römische eroberte Lager, eroberte Städte durchschwärmt hätten. Die Obrigkeiten des Römischen Volks könnten jetzt nicht so viele Ruthenbündel aufzeigen, als Hannibal nach Erlegung so vieler Feldherren sich vortragen lassen könne.» Und wenn sich nun die Römer in Gedanken mit solchen Schreckbildern beschäftigten, so schufen sie sich auch darum noch größere Sorge und Unruhe, weil jetzt, da sie gewohnt gewesen waren, mehrere Jahre hindurch den Krieg vor ihren Augen in dieser oder jener Gegend Italiens auf entfernte Aussichten und ohne alle Erwartung einer nahen Beendigung zu führen, Scipio und Hannibal, dies gleichsam zum letzten Kampfe gegen einander aufgestellte Feldherrenpar, die Aufmerksamkeit Aller gespannt hatten. Auch diejenigen, welche ein unbegränztes Vertrauen und ihre ganze Hoffnung des Sieges auf Scipio setzten, fühlten sich, je näher sie demselben entgegensahen, zu so viel größerer Theilnahme aufgeregt.

Eine ähnliche Stimmung herrschte in den Gemüthern zu Carthago. Bald gereuete es sie, wenn sie an Hannibal und die Größe seiner Thaten dachten, um Frieden gebeten zu haben; bald aber, wenn sie ihre beiden verlornen Schlachten, die Gefangennehmung des Syphax, ihre Vertreibung aus Spanien, aus Italien beherzigten, und daß dies Alles durch die Tapferkeit und Klugheit des einzigen Scipio bewirkt sei, überfiel sie ein Schauder vor 622 diesem Feldherrn, als habe ihn das Schicksal zu ihrem Verderben geboren werden lassen.

29. Schon war Hannibal zu Adrumetum angekommen. Von hier eilte er, nachdem er sich nur wenige Tage zur Wiederherstellung seiner Truppen von der Seekrankheit genommen hatte, aufgeschreckt durch die ängstlichen Meldungen, daß um Carthago her Alles von Feinden besetzt sei, in großen Tagemärschen nach Zama. Zama liegt fünf Tagereisen von Carthago. Als seine von hier ausgeschickten und von Römischen Posten aufgefangenen Kundschafter vor den Scipio gebracht wurden, so übergab sie dieser einigen Obersten, und hieß sie ganz unbesorgt Alles in Augenschein nehmen, ließ sie im ganzen Lager, wo sie wollten, herumführen, und nachdem er sich bei ihnen erkundigt hatte, ob sie auch Alles zur Gnüge beobachtet hätten, ließ er sie unter einer mitgegebenen Begleitung zum Hannibal zurückgehen. War gleich für den Hannibal von Allem, was sie meldeten, auch nicht ein einziger Umstand erfreulich; – erzählten sie doch auch, daß gerade an demselben Tage Masinissa mit sechstausend Mann zu Fuß und viertausend zu Pferde eingetroffen sei; – so beunruhigte ihn doch vorzüglich die Zuversicht des Feindes, die gewiß ihren guten Grund haben müsseDe nihilo profecto concepta est]. – Ich folge der von Drakenb. und Crevier gebilligten Lesart Gronovs concepta esset. Daß das Wort profecto hier den Indicativ est nothwendig mache, will mir darum nicht einleuchten, weil Livius selbst zweimal in Einem Cap. (XXVII. 47.) das profecto eben so in oratione obliqua gebraucht. Dort vermuthet Hasdrubal: duos profecto consules esse. Und nachher über seinen Bruder Hannibal: Profecto haud mediocri clade absterritum insequi non ausum.. Ob er also gleich selbst am Kriege Schuld war, und durch seine Ankunft den geschlossenen Waffenstillstand und die Hoffnung eines Vergleichs vernichtet hatte, so trug er doch in der Voraussetzung, billigere Bedingungen zu erhalten, wenn er jetzt in seiner ganzen Stärke, als wenn er nach einer Niederlage Frieden suchte, beim Scipio darauf an, ihm eine Unterredung zu bewilligen. Ob er dies für sich oder auf Angabe des Senats gethan habe, dies entscheidend zu behaupten, fehlt es mir an 623 Beweisen. Valerius von Antium berichtet, nach Verlust des ersten Treffens, in welchem zwölftausend Punier geblieben, tausend siebenhundert gefangen seien, sei Hannibal mit zehn andern Abgeordneten als Gesandter zum Scipio ins Lager gekommen. Genug, da Scipio die Unterredung nicht ausschlug, so rückten beide Feldherren vermöge einer Übereinkunft mit ihrem Lager weiter vor, um aus der Nähe zusammen kommen zu können. Scipio lagerte sich nicht weit von der Stadt Naraggara auf einem sowohl übrigens vortheilhaften Platze, als auch, weil sich die Wasserholung mit dem Schusse be[st]reichen ließ. Hannibal besetzte viertausend Schritte von hier eine sonst auch sichere und bequeme Höhe, außer daß die Wasserholung entlegener war. Hier wählten sie in der Mitte einen Platz, den man von allen Seiten übersehen konnte, um vor jedem Hinterhalte sicher zu sein.

30. Nachdem sie ihre Bewaffneten gleich weit zurückgeschickt hatten, traten sie, jeder mit einem Dollmetscher, gegen einander auf, die beiden größten Feldherren, nicht allein ihres Zeitalters, sondern auch jedem Könige oder Heerführer der ganzen früheren Geschichte bei allen Völkern gleich. Ein Weilchen schwiegen sie, Einer bei des Andern Anblicke, von gegenseitiger Bewunderung wie betroffen. Dann fing Hannibal an.

«Wenn es mir so vom Schicksale beschieden war, daß ich, der ich im Kriege gegen Rom der Angreifende war und so oft den Sieg beinahe schon in Händen hatte, zuerst mich einstellen mußte, um auf einen Frieden anzutragen, so freue ich mich der mir gewordenen Bestimmung, ihn gerade bei dir suchen zu müssen. Und eben so gehört auch für dich unter so manchen Auszeichnungen, die dir zu Theil wurden, diese vielleicht nicht zu den letzten, daß eben der Hannibal, dem die Götter über so viele Römische Feldherren den Sieg verliehen, vor dir zurücktritt, und daß du es bist, der diesem, früher durch eure, als durch unsre Niederlagen sich auszeichnenden, Kriege sein Ende giebt. Mag auch das Glück, um zu spielen, den Zufall haben eintreten lassen, 624 daß ich, der ich unter deines Vaters Consulate die Waffen ergriff, mit ihm unter allen Römischen Feldherren zuerst im Felde mich maß, jetzt waffenlos bei seinem Sohne mich einstelle, ihn um Frieden zu bitten. Am besten wäre es freilich gewesen, die Götter hätten unsern Vätern den Sinn verliehen, daß ihr mit Italiens, wir mit Africa's Beherrschung zufrieden gewesen wären: denn selbst euch sind ja Sicilien und Sardinien kein würdiger Ersatz für den Verlust so vieler Flotten, so vieler Heere und so manches ausgezeichneten Feldherrn. Doch das Vergangene läßt sich eher tadeln, als gut machen. Wir haben mit dem Erfolge nach fremdem Gute gerungen, daß wir unser Eigenthum aufs Spiel setzen mußten; daß nicht bloß ihr in Italien, so wie wir in Africa, Krieg zu führen hattet, sondern daß auch ihr eben so beinahe in euren Thoren und vor euren Mauern die Fahnen und Waffen der Feinde erblicktet, wie wir jetzt von Carthago aus das Getöse eines Römischen Lagers vernehmen. Folglich sind wir jetzt in einem Falle, der für uns so traurig als möglich, euch aber höchst erwünscht sein muß, daß die Friedensunterhandlungen in einem Zeitpunkte angeknüpft werden, der für euch der günstigere ist; und es knüpfen sie zwei Männer, denen nicht nur selbst so viel daran liegt, Frieden zu haben, sondern die auch sicher sind, daß ihre Staten alle ihre Abschlüsse genehmigen werden. Wir bedürfen also nur eines von friedlichen Maßregeln nicht abgeneigten Sinnes. Was mich betrifft, so haben mich, der ich bejahrt in mein Vaterland zurückkehre, das ich als Knabe verließ, nicht nur mein Alter, sondern auch bald einmal Glück, bald einmal Unglück, so in die Lehre genommen, daß ich mich lieber an die Vernunft, als an das Glück zu halten wünsche. Nur deine Jugend und dein ununterbrochenes Glück, die dir beide mehr Muth einflößen, als sich mit dem Entschlusse zum Frieden verträgt, machen mir bange. Wen das Glück nie hinterging, der läßt den unbestimmbaren Zufall so ziemlich unbeachtet. Was ich am Trasimenus, was ich bei Cannä war, das bist du heute. 625 Kaum zum Soldaten alt genug und schon mit der Feldherrnwürde bekleidet, unternahmst du Alles mit höchster Kühnheit; und nirgends täuschte dich das Glück. Du zogest hin, den Tod deines Vaters und Oheims zu rächen; erntetest so vom Trauerfalle deines Stammes einen ausgezeichneten Ruhm der Tapferkeit und musterhafter kindlicher Liebe; und gewannest beide verlorne Spanien wieder, wo du vier Punische Heere vertrieben hattest. Du wurdest Consul; und da die Übrigen nicht Muth hatten, Italien zu behaupten, rissest du mich durch deinen Übergang nach Africa, wo du zwei Heere zusammenhiebst; in Einer Stunde zwei Lager zugleich erobertest und verbranntest; den Syphax, diesen mächtigen König, gefangen nahmst; so manche ihm, so manche uns gehörige Stadt erobertest; aus dem Besitze Italiens, so fest ich ihn seit sechzehn Jahren gehalten hatte. So kann dir, ich wiederhole es, der Sieg wünschenswerther sein, als der Friede. Ich kenne ihn, diesen mehr hohen, als gedeihlichen, Sinn: auch mir lächelte einst ein solches Glück. Gäben uns die Götter im Glücke auch die rechte Sinnesart, so würden wir nicht das bloß erwägen, was sich begeben hat, sondern auch, was sich begeben kann. Wenn du dich an keinen Andern erinnertest, so bin ich selbst für jeden Glückswechsel dir Beispiels genug. Derselbe Mann, den ihr sein Lager zwischen dem Anio und eurem Rom nehmen und mit seinen Fahnen auf Roms Mauern anrücken sahet, siehe, ich stehe vor dir, zweier tapfrer Helden, die meine Brüder und berühmte Feldherren waren, beraubt, und bitte dich an den Mauern meiner beinahe eingeschlossenen Vaterstadt, diese meine Vaterstadt mit dem zu verschonen, womit ich die eurige bedrohet habe. Dem größten Glücke muß man immer am wenigsten trauen. In deiner günstigern Lage, in unserer bedenklichern, ist der Friede für dich, den Geber, glorreich und glänzend; für uns, die wir ihn suchen, ist er mehr nothwendig, als ehrenvoll. Erfreulicher und sicherer ist ein gewisser Friede, als ein noch gehoffter Sieg. Jener steht in deiner, dieser in der Götter Hand. Setze 626 nicht das Glück so vieler Jahre auf den Ausschlag einer einzigen Stunde. Nimm allerdings Rücksicht auf deine Stärke, aber auch auf den Einfluß des Glücks und das bald den einen, bald den andern Theil begünstigende Schicksal einer Schlacht. Nirgend trifft der Erfolg weniger zu, als im Kriege. Du kannst dem Ruhme, den du jetzt durch Ertheilung des Friedens haben kannst, wenn du die Schlacht gewinnst, nicht so viel Zuwachs geben, als du einbüßen wirst, wenn sie dir mislingen sollte. Die erworbenen und die gehofften Siegeszeichen zugleich kann das Schicksal einer einzigen Stunde vernichten. Bei einem abzuschließenden Frieden, Publius Cornelius, hängt Alles von dir ab: im entgegengesetzten Falle mußt du mit dem Schicksale vorlieb nehmen, das dir die Götter zumessen. Hier, in unserm Welttheile, würde vormals Marcus Atilius als eines der seltenern Beispiele des Glücks und der Tapferkeit geglänzt haben, wenn er als Sieger unsern Vätern den Frieden auf ihre Bitte bewilligt hätte. Darüber, daß er seinen Fortschritten nicht endlich ein Ziel setzte, sein sich überhebendes Glück nie beschränkte, stürzte er so viel schimpflicher zusammen, je höher er gestiegen war.»

«Freilich hat der, der den Frieden ertheilt, nicht der, der ihn sucht, die Bedingungen anzugeben; vielleicht aber sind wir nicht unwürdig, unsre Strafe uns selbst aufzuerlegen. Wir weigern uns nicht, euch Alles zu überlassen, worüber der Krieg entstand; Sicilien, Sardinien, Spanien und alle in dem ganzen Meere zwischen Africa und Italien belegenen Inseln. Wir Carthager wollen, auf Africa's Ufer beschränkt, weil es so der Götter Wille war, zusehen, wie ihr zu Wasser und zu Lande auswärtiger Staten Beherrscher seid. Ich will es nicht leugnen, die Punische Treue kann euch des neulich nicht gar zu gewissenhaft erbetenen oder abgewarteten Friedens wegen verdächtig sein. Allein Scipio, für den redlichen Willen, den Frieden festzustellen, kommt viel darauf an, durch wen er gesucht wird. Haben doch eure Väter, wie ich höre, gewissermaßen den Frieden auch darum 627 versagt, weil die Gesandschaft nicht Würde genug hatte. Ich selbst, Hannibal, bitte um Frieden. Ich würde nicht darum bitten, wenn ich ihn nicht für wohlthätig hielte, und eben dieses Wohlthätigen wegen, das mich bewog, ihn zu suchen, werde ich ihm auch die Gültigkeit geben. Und so wie ich, weil ich doch den Krieg eröffnet habe, es zu bewirken wußte, daß niemand mit ihm unzufrieden war, bis die Götter selbst unsre Neider wurden; so werde ich auch dahin zu wirken suchen, daß niemand mit dem durch mich gestifteten Frieden unzufrieden sein soll.»


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