Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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203 Vier und dreissigstes Buch.

1. Zwischen die Sorgen der großen entweder kaum geendigten oder noch heranziehenden Kriege reihete sich ein dem Erzähler geringfügiger Auftritt, der aber durch die Hitze der Theilnehmenden zu einem großen Streite ausschlagen konnte. Marcus Fundanius und Lucius Valerius, die Bürgertribunen, trugen bei dem Bürgerstande auf Abschaffung des Oppischen Gesetzes an. Cajus Oppius, ein Bürgertribun, hatte unter dem Consulate des Quintus Fabius und Tiberius Sempronius, mitten im Sturme des Punischen Krieges, den Vorschlag durchgesetzt, daß kein Frauenzimmer mehr als eine halbe Unze Goldes besitzen, keine bunte Kleidung tragen, und weder in Rom noch in einer Römischen Stadt, noch unter tausend Schritten davon, ausgenommen zu heiligen Feierlichkeiten, mit einem Zweispanne fahren sollte. Die Bürgertribunen Junius Brutus (der eine Marcus, der andre Publius) nahmen das Oppische Gesetz in Schutz und erklärten, sie würden die Abschaffung nicht zugeben. Den Vorschlag zu empfehlen, oder ihn zu widerrathen, traten Viele vom Adel auf. Das Capitolium war voll von Menschen, die dem Vorschlage wohl oder übel wollten. Die Frauen ließen sich durch kein Abrathen, durch keine Regel des Anstandes, durch kein Verbot der Männer in ihren Häusern halten: sie besetzten alle Straßen der Stadt und die Zugänge zum Gerichtsplatze und baten die zu Gericht gehenden Männer, doch nicht dagegen zu sein, daß man bei dieser Wohlhabenheit des States, bei dem täglichen Wachsthume jedes Privatvermögens auch den Frauen ihren ehemaligen Schmuck wieder zugestehe. Mit jedem Tage wurde der Zulauf der Weiber größer; denn sie sammelten sich auch aus den kleineren Städten und Gerichtsorten. Schon wagten sie es, 204 sogar die Consuln, die Prätoren und andre Obrigkeiten anzusprechen und zu bitten. Indeß hatten sie an dem einen Consul, Marcus Porcius Cato, einen durchaus unerbittlichen Mann; und er vertheidigte das Gesetz, dessen Abschaffung in Vorschlag war, durch folgende Rede.

2. «Wenn es Jeder von uns bei seiner Frau sich zur Weise gemacht hätte, ihr Quiriten, des Mannes Recht und Würde zu behaupten, so würden uns jetzt die Frauen sämtlich nicht so viel zu schaffen machen. So aber wird unsre in unsern Häusern durch die weibliche Unbändigkeit besiegte Freiheit sogar hier auf dem Gerichtsplatze zu Boden und unter die Füße getreten; und weil wir, Jeder seiner Einen, nicht widerstehen konnten, werden sie Alle uns furchtbar. Ich hielt es für ein Mährchen, für eine erdichtete Sage, daß auf irgend einer Insel das ganze männliche Geschlecht durch eine Verschwörung der Weiber völlig ausgerottet sein sollte. Allein jede Menschenart wird höchst gefährlich, wenn man ihr Zusammenlauf, Versammlung und geheime Berathschlagung gestattet. Auch kann ich kaum mit mir selbst darüber eins werden, ob die Sache an und für sich, oder ihre Verhandlung als Beispiel schlimmer ist. Dieses würde mehr vor uns Consuln und Obrigkeiten gehören, jenes mehr vor euch, ihr Quiriten. Denn ob der Vorschlag, der an euch gebracht wird, dem State zuträglich sei, oder nicht, dies zu erwägen, ist eure Sache, die ihr darüber zur Stimmengebung schreitet. Ob aber dies Herbeistürzen der Weiber, das unstreitig den Obrigkeiten zu Schulden kommt, mag es nun ihr eigner Betrieb, oder euer Werk sein, Marcus Fundanius und Lucius Valerius, euch Tribunen oder uns Consuln zu größerer Unehre gereiche, weiß ich nicht. Euch alsdann, wenn ihr nun schon so weit gekommen seid, zur Erregung tribunicischer Empörungen auch Weiber aufzuführen: uns, wenn wir eben so, wie einst durch den Austritt des Bürgerstandes, jetzt durch den der Weiber gezwungen werden, Gesetze anzunehmen. Nicht ohne roth zu werden kam ich so eben durch einen Zug von Weibern auf den Gerichtsplatz. Und 205 hätte ich nicht aus Achtung mehr für die Würde und weibliche Ehre dieser und jener, als für die des ganzen Haufens, an mich gehalten, damit es nicht heißen sollte: Der Consul habe sie zur Rede gesetzt; so hätte ich gesagt: Was ist das für Sitte, auf die Gassen herauszulaufen, die Straßen zu besetzen, und fremde Männer anzusprechen? Konntet ihr nicht um das Nämliche Jede ihren Mann zu Hause bitten? Seid ihr mehr auf offener Straße die Schmeichelnden, als zu Hause? mehr gegen fremde Männer, als gegen eure eignen? wiewohl ihr, wenn Sittsamkeit die Hausfrauen auf die Gränzen ihres Rechts beschränkte, euch nicht einmal zu Hause darum bekümmern mußtet, was für Gesetze hier in Vorschlag kämen, oder abgeschafft würden. – Nach dem Willen unsrer Vorfahren sollten Frauenzimmer keine einzige, selbst keine Privatsache ohne Vormund führen: sie sollten des Vaters, des Bruders, des Mannes Eigenthum sein. Wir aber lassen es, wenn es die Götter wollen, sogar geschehen, daß sie sich beinahe auf dem Gerichtsplatze selbst in die öffentlichen Zusammenkünfte und Abstimmungen mischen. Denn was thun sie auf den Straßen und Kreuzwegen anders, als daß sie hier den Vorschlag der Bürgertribunen anpreisen, dort sich für die Abschaffung des Gesetzes erklären? Lasset diesen leidenschaftlichen Wesen, diesen unbezähmbaren Geschöpfen die Zügel schießen, und lebt dann der Hoffnung, daß sie von selbst, ohne euer Zuthun, ihrer Ausgelassenheit ein Ziel stecken werden! Von Allem, was die Frauenzimmer als ihnen entweder durch Gebräuche, oder durch Gesetze aufgelegte Bürden so ungern dulden, ist dies das Geringste. Wenn wir die Wahrheit sagen wollen, so sehnen sie sich nach Freiheit, ja nach Ausgelassenheit in Allem. Was wäre noch, woran sie sich nicht wagen werden, wenn sie dies errungen haben?»

3. «Gehet alle, die Weiber betreffenden, Rechtsregeln durch, an welche unsre Vorfahren ihre Ausgelassenheit festbinden und sie den Männern unterwerfen wollten: und bei allen diesen Verstrickungen könnt ihr sie doch 206 kaum im Zaume halten. Wie? wenn ihr ihnen gestattet, daß sie erst an diesem und jenem zwicken, es den Männern entwinden, und endlich diesen gleichgestellt sind; glaubt ihr, daß ihr euch dann noch ihrer werdet erwehren können? Den Augenblick, so wie sie anfangen, euch gleich zu sein, werden sie eure Obern sein.» – «Aber in der That,» sagt man, «sie wollen ja nur nichts Neues gegen sich in Vorschlag bringen lassen. Nicht, was Rechtens ist, sondern Ungerechtigkeit verbitten sie sich.» – «Ei ja! ihr sollt nur ein vorgeschlagenes Gesetz, das ihr genehmigtet, durch eure Stimmen bestätigtet, durch so vieljährige Anwendung und Erfahrung bewährt fandet, dies sollt ihr ja nur abschaffen; das heißt, ihr sollt durch Aufhebung des Einen die andern Alle entkräften. Kein einziges Gesetz ist Allen gleich zuträglich: man sieht nur darauf, ob es dem größeren Theile und im Ganzen nützlich ist. Wenn Jeder ein Gesetz, das ihm in seinem Kreise im Wege steht, umstoßen und zu Boden werfen darf, wozu sollen wir dann Vorschläge zu Gesetzen an das Gesamtvolk bringen, da sie bald nachher Jeder, gegen den sie gegeben sind, abschaffen kann? Doch möchte ich wohl hören, was denn das sein mag, warum sogar Frauen von Stande so außer sich auf die Gassen gerannt sind und sich kaum noch vom Gerichtsplatze und der Volksversammlung entfernt halten. Wollen sie etwa die Auswechselung ihrer von Hannibal zu Gefangenen gemachten Väter, Männer, Söhne oder Brüder bewirken? Weit entfernt: und weit entfernt bleibe auch immer vom State ein solches Unglück! gleichwohl schluget ihr dies damals, zur Zeit des Unglücks, ihren pflichtmäßigen Bitten ab. Wenn also nicht die Liebe, nicht Ängstlichkeit für die Ihrigen sie versammelt hat, so that es vielleicht die Andacht: sie wollen die Idäische Mutter, die aus Pessinus in Phrygien ankommt, in Empfang nehmen. Wenn sich doch dieser Weiberaufruhr hinter einen wenigstens anständigen Vorwand verhüllete! Wir wollen – dies ist die Antwort – in Gold und Purpur strahlen; wollen an Werktagen, wie an Festtagen, über das 207 besiegte und abgeschaffte Gesetz, über eure eroberten und euch abgezwungenen Stimmen gleichsam triumphirend in Kutschen durch die Stadt fahren; wir wollen im Aufwande, in der Verschwendung durchaus von keiner Beschränkung wissen.»

4. «Oft habt ihr mich über den Aufwand der Weiber, oft über den der Männer, und nicht bloß der Unbeamteten, sondern selbst der Obrigkeiten Klage führen hören, und daß unser Stat an zwei entgegengesetzten Lastern, der Habsucht und der Verschwendung krank liege; an Seuchen; welche die Zerstörerinnen aller großen Reiche wurden. Je gesegneter und erfreulicher von Tage zu Tage die Lage des States wird, je weiter unsre Oberherrschaft sich verbreitet; wenn wir schon nach Griechenland und Asien hinüberschreiten, die mit allen Lockungen der Lüste überladen sind; wenn wir schon nach den Schätzen der Könige greifen: um so viel ängstlicher besorge ich, daß diese Dinge uns gewisser erobert haben, als wir sie. Ich versichere euch, jene Standbilder von Syracus sind als Feinde in Rom eingerückt. Schon höre ich gar zu Viele Corinths und Athens Prachtstücke preisen und bewundern, und über die irdenen Römischen Götter auf unsern Giebelzinnen lachen. Ich lobe mir diese, uns gnädigen Götter; und gnädig, hoffe ich, sollen sie uns bleiben, wenn wir sie ruhig an ihrer Stäte lassen. Zu unsrer Väter Zeiten suchte Pyrrhus durch seinen Gesandten Cineas mit Geschenken nicht nur Männer, sondern auch Frauen zu gewinnen. Noch war kein Oppisches Gesetz zur Beschränkung weiblicher Schwelgerei gegeben: dennoch nahm keine einzige ein Geschenk. Was, meint ihr, war davon der Grund? Derselbe, den unsre Vorfahren hatten, nichts über diesen Punkt durch ein Gesetz zu bestimmen. Es gab noch keine zu beschränkende Schwelgerei. So wie man nothwendig die Krankheiten eher kennt, als ihre Gegenmittel, so gingen auch die Gelüste eher hervor, als die Gesetze, die ihnen eine Gränze geben sollten. Was sonst, als die übermäßige Begierde, Land an Land zu reihen, rief das Licinische Gesetz über die 208 fünfhundert Hufen ins Daseyn? Und das Cincische Gesetz über Geschenke und Spenden, was sonst, als der Umstand, daß der Bürger schon anfing, dem Senate zinsbar und dienstpflichtig zu werden? So ist es denn durchaus kein Wunder, daß man weder ein Oppisches, noch irgend ein anderes Gesetz zur Beschränkung des Aufwandes der Weiber in jenen Zeiten nöthig fand, als sie Gold und Purpur, die ihnen geschenkt sein sollten und zuvorkommend angeboten wurden, nicht annahmen. Wenn Cineas jetzt mit seinen Geschenken in der Stadt herumginge, auf den Straßen würde er die Abnehmerinnen stehen sehen. Und bei einigen dieser Lüsternheiten weiß ich mir nicht einmal eine Veranlassung oder einen Grund zu denken. Denn zugegeben, daß etwa die Natur selbst eine Art von Scham oder Unwillen in dir rege machte, wenn du nicht darfst, was eine Andre darf; so sagt mir doch, was kann jede Einzelne unter euch, wenn die Tracht bei Allen auf gleichen Fuß gesetzt ist, als etwas an ihr allein Auffallendes fürchten? Die verwerflichste Scham ist die vor Spärlichkeit, oder vor Armuth. Der einen, wie der andern überhebt euch das Gesetz, wenn ihr das nicht habt, was ihr nicht haben dürft. – Gerade diese Gleichstellung ist mir unausstehlich! so lautet der Einwurf einer Reichen. Warum soll man nicht sehen, daß ich mich durch Gold und Purpur auszeichne? Warum soll sich die Armuth Anderer hinter diesen Vorwand des Gesetzes verstecken, so daß es scheinen muß, sie könnten, wenn es nur erlaubt wäre, das wohl haben, was sie doch nicht haben können? – Wollt ihr bei euren Gattinnen, ihr Quiriten, diesen Wettstreit anregen, daß die Reicheren gerade das haben wollen, was keine Andre haben kann? und die Ärmeren, um nicht eben deswegen verachtet zu werden, über ihr Vermögen hinausgehen? Wahrhaftig! fängt man erst an sich zu schämen, wo man nicht sollte, so wird man da, wo man sollte, sich nicht mehr schämen. Die es vom Ihrigen kann, wird sich etwas anschaffen: die es nicht kann, wird ihren Mann angehen. O den unglücklichen Mann! er mag sich erbitten, 209 oder nicht erbitten lassen! weil er doch, was er selbst nicht gegeben hatte, ihr von einem Andern geschenkt sehen wird. Schon jetzt gehen sie ohne Unterschied fremde Männer an; und was noch schlimmer ist, bitten für den Vorschlag und um die Stimme, und finden bei diesem und jenem Gehör; sie, gegen euch und euer Vermögen und eure Kinder die Unerbittlichen! Sobald das Gesetz aufhört, den Aufwand deiner Gattinn zu beschränken, beschränkst du selbst ihn nie. Glaubt doch nicht, Quiriten, daß die Sache wieder eben so stehen werde, wie sie stand, ehe ein Gesetz darüber in Vorschlag kam. Einen Bösewicht nicht anklagen, ist rathsamer, als ihn lossprechen: so würde auch die Schwelgerei ungereizt erträglicher sein, als sie nun sein wird, wenn sie, wie ein wildes Thier, selbst durch die Banden wüthend gemacht und dann entlassen wird. Ich stimme auf keine Weise für die Abschaffung des Oppischen Gesetzes: was ihr darüber verfügen werdet, mögen alle Götter gesegnet sein lassen!»

5. Als hierauf auch diejenigen Bürgertribunen, die sich mit ihrer Einsage schon angekündigt hatten, noch einige Worte von gleicher Beziehung hinzugefügt hatten, hielt Lucius Valerius für seinen ausgehängten Vorschlag folgende Rede.

«Wären bloß Privatpersonen aufgetreten, das, was wir vorgeschlagen haben, zu empfehlen oder zu widerrathen, so würde auch ich, in der Meinung, es sei von beiden Seiten genug gesagt, eure Stimmengebung schweigend abgewartet haben. Allein jetzt, da ein so ehrwürdiger Mann, der Consul Marcus Porcius, nicht bloß durch Angabe seiner Meinung, die auch ohne Worte Gewicht genug gehabt haben würde, sondern sogar in einer langen planmäßigen Rede unsern Vorschlag angegriffen hat; jetzt wird es nothwendig, mit Wenigem zu antworten. Doch er hat mehr Worte darauf verwandt, unsre Frauen zu tadeln, als unsern Vorschlag zu widerrathen, und zwar so, daß er es in Zweifel stellte, ob die Frauen das, was er rügte, aus eigner Bewegung, oder auf unsern 210 Betrieb gethan hätten. Ich will die Sache vertheidigen, nicht uns; da der Consul die Beschuldigungen mehr in Worten gegen uns ausgestoßen hat, als daß er uns wirklich verdächtig gemacht haben sollte. Daß die Frauen euch auf öffentlicher Straße gebeten haben, im Frieden und unter diesen blühenden und gesegneten Umständen des Stats ein Gesetz abzuschaffen, das über sie während des Krieges und in Zeiten der Noth gegeben war, das nennt er ein Zusammenlaufen, einen Aufruhr und mitunter gar einen Austritt der Weiber. Ich kenne diese starken Ausdrücke, die man zur Vergrößerung einer Sache herbeiholt, und deren es noch mehrere giebt: und wir Alle wissen ja, daß Marcus Cato, bei aller ihm eigenen Sanftmuth, als Redner nicht allein der Kräftige, sondern zuweilen auch der Derbe ist. Was haben denn nun die Frauen Neues gethan, wenn sie in einer sie betreffenden Sache zahlreich und öffentlich auftraten? Haben sie sich vorher nie öffentlich sehen lassen? Deine eigne Urgeschichte werde ich gegen dich aufschlagen. Vernimm, wie oft sie dies gethan haben und immer zum Segen für den Stat. Gleich anfangs, unter Romulus Regierung, als das Capitol von den Sabinern erobert war und mitten auf dem Markte eine förmliche Schlacht geliefert ward, wurde da nicht durch die zwischen beide Reihen eindringenden Frauen der Kampf geschlichtet? Ferner, nach Vertreibung der Könige, als von Marcus Coriolanus geführt die Legionen der Volsker sich bei dem fünften Meilensteine gelagert hatten, waren es da nicht die Frauen, vor denen jener Heerhaufe, unter dem die Stadt hätte erliegen müssen, sich abwandte? Weiter, nach Eroberung der Stadt durch die Gallier, womit kaufte damals die Stadt sich los? Ich meine doch, mit dem Golde, das die Frauen alle einmüthig dem State einlieferten. Im letzten Kriege endlich – um nicht lauter alte Beispiele anzuführen – kam da nicht bei dem Geldmangel die Barschaft der Witwen der Schatzkammer zu Hülfe? und als sogar fremde Götter, in unsrer mißlichen Lage uns zu helfen, herbeigeholt wurden, zogen da nicht die 211 sämtlichen Hausfrauen zum Empfange der Idäischen Mutter an den Strand hinaus? Du sagst: das sind ganz andre Veranlassungen! – Es ist auch nicht mein Zweck, die Veranlassungen als gleich darzustellen: genug, wenn ich erhärte, daß jetzt nichts Neues geschah. Wenn es aber niemanden befremdet hat, daß sie dies in Angelegenheiten gethan haben, die alle Männer und Weiber zugleich betrafen, warum soll es denn uns befremden, wenn sie es in einer Angelegenheit thun, ganz eigentlich sie selbst betrifft? Und was haben sie denn gethan? Bei Gott! wir müssen übermüthige Ohren haben, wenn wir, die wir uns als Herren für die Bitten unsrer Sklaven nicht zu hoch halten, es unter unsrer Würde finden, von ehrbaren Frauen gebeten zu werden.»

6. «Nun komme ich auf den auszumachenden Hauptpunkt. Hier hat sich der Consul über zweierlei ausgelassen. Denn Einmal eiferte er dagegen; daß überhaupt irgend ein Gesetz abgeschafft würde; und dann vorzüglich dieses, das zur Beschränkung weiblicher Verschwendung gegeben sei. Jene Vertheidigung der sämtlichen Gesetze bewährte sich ganz als die Rede eines Consuls; und diese Rüge der Verschwendung entsprach der höchsten Strenge seiner Sitten. Folglich müßte ich fürchten, wenn ich euch nicht zeige, was in beiden Behauptungen unhaltbar ist, daß man euch hier einen Irrthum vorschweben ließe. Denn so wie ich gern gestehe, daß von solchen Gesetzen, die nicht für eine gewisse Zeit, sondern ihres bleibenden Nutzens wegen auf ewig gegeben sind, kein einziges abgeschafft werden müsse, außer wenn die Erfahrung es verwerflich, oder die Lage des Stats es unbrauchbar macht; so sehe ich doch, daß solche Gesetze, welche durch gewisse Umstände nöthig wurden, wenn ich so sagen soll, sterblich sind und gerade selbst durch die Umstände abänderlich werden. Die der Friede gab, schaffet gewöhnlich der Krieg ab, und die im Kriege gegebenen der Friede: so wie bei Leitung eines Schiffs andre Maßregeln bei günstigem, andre bei widrigem Winde anwendbar sind. Da sie also wesentlich so verschieden 212 sind, so fragt es sich: Zu welcher von beiden Classen gehört das Gesetz, auf dessen Abschaffung wir antragen? Ist es ein altes königliches Gesetz und bekam zugleich mit der Stadt selbst sein Dasein? Oder ist es – was ihm den zweiten Rang gäbe – von den zu Abfassung der Rechte ernannten Zehnherren in die Zwölf Tafeln eingetragen; so daß auch wir, weil etwa unsre Vorfahren geglaubt hätten, ohne dies Gesetz lasse die weibliche Ehre sich nicht erhalten, jetzt fürchten müßten, wir möchten zugleich mit ihm auch alle Zucht und Unschuld des weiblichen Geschlechtes aufheben? Wer weiß denn nicht, daß dies Gesetz neu, daß es unter den Consuln Quintus Fabius und Tiberius Sempronius vor zwanzig Jahren gegeben sei? und wenn unsre Frauen so viele Jahre lang ohne dasselbe den besten Lebenswandel geführt haben, was ist denn für Gefahr vorhanden, daß sie mit Abschaffung des Gesetzes sich der Schwelgerei preisgeben sollten? Wenn es in der Absicht gegeben wäre, die Ausschweifung der Weiber zu beschränken, so stände zu fürchten, daß seine Abschaffung für sie ein Reiz werden könnte. Allein zu welchem Zwecke es gegeben sei, hat jene Zeit selbst nicht unbezeugt gelassen. Hannibal war in Italien, war bei Cannä Sieger. Schon hatte er Tarent, hatte Arpi, hatte Capua. Er schien sein Heer vor die Stadt Rom führen zu wollen. Unsre Bundesgenossen waren abgefallen. Wir hatten zur Ergänzung des Heers keine Soldaten, zur Behauptung der Flotte keine Seeleute, in der Schatzkammer kein Geld. Sklaven, die man bewaffnen wollte, wurden auf die Bedingung gekauft, daß man den Eigenthümern nach Beendigung des Krieges den Kaufpreis bezahlen wollte. Die Statspächter erklärten sich bereit, gegen Sicherung eben dieses Zahltages die Lieferungen an Getreide und andern Kriegsbedürfnissen zu übernehmen. Sklaven auf die Ruderbänke stellten wir selbst in einer nach Verhältniß des Vermögens festgesetzten Zahl und leisteten ihnen die Löhnung vom Unsrigen. Alles Gold und Silber lieferten wir, da die Senatoren uns hierin vorangingen, dem State ein. 213 Die Witwen und Unmündigen legten ihre Gelder in die Schatzkammer. Es wurde eine Summe festgesetzt, über welche niemand an verarbeitetem Golde und Silber, niemand an geprägtem Silber und Kupfer im Hause haben sollte. Waren in einer solchen Zeit unsre Frauen so auf Verschwendung und Putz versessen, daß zur Steuer derselben das Oppische Gesetz nöthig geworden wäre? damals, als der Senat, weil alle Frauen in Trauer waren und darüber das Opfer der Ceres unterblieb, die Trauer mit dreißig Tagen zu endigen befahl? Wem leuchtet nicht ein, daß Mangel und Elend des Stats, und die Nothwendigkeit, alle Privatgelder zum Gebrauche des Stats zu verwenden, dieses Gesetz abgefaßt haben, um es so lange gelten zu lassen, als der Zweck seiner Abfassung gelten würde? Denn wenn Alles, was damals auf Veranlassung der Umstände entweder der Senat erkannte, oder das Volk zum Gesetze machte, auf immer beibehalten werden soll, warum tragen wir denn jetzt den Privatpersonen ihre Gelder ab? warum verpachten wir die Lieferungen an den Stat für bares Geld? warum kauft man nicht noch zum Waffendienste Sklaven? warum stellet nicht jeder Privatmann seine Ruderknechte, wie wir sie damals stellten?»

7. «Alle anderen Stände, jeder Einzelne, sollen den Übergang des States in eine glücklichere Lage empfinden; nur auf unsre Gattinnen soll sich der Genuß des Friedens und der allgemeinen Ruhe nicht erstrecken? Wir Männer sollen Purpur tragen, wenn wir als Obrigkeiten, als Priester, in der Verbrämung gehn: unsre Kinder sollen mit Purpur verbrämte Röcke tragen; den Obrigkeiten in den Pflanz- und Freistädten; selbst ihrer niedrigsten Classe, den Bezirksmeistern hier in Rom, sollen wir das Recht gestatten, die verbrämte Toga zu tragen, und nicht bloß bei ihrem Leben diese Auszeichnung zu haben, sondern auch noch im Tode darin verbrannt zu werden: nur unsern Frauen wollen wir den Gebrauch des Purpurs verbieten? und wenn es dir, als Manne, erlaubt sein soll, Purpur auf deiner Reitdecke zu haben, willst du der 214 Mutter deines Hauses auch nicht einmal ein Purpurmäntelchen gestatten? dein Roß soll prächtiger gedeckt, als deine Gattinn gekleidet sein? Doch bei dem Purpur, der sich abträgt und verbraucht wird, sehe ich, wenn gleich keinen gerechten, doch noch immer einigen Grund, warum du so zähe bist: allein bei dem Golde, an welchem nichts als das Arbeitslohn verloren geht, wozu da diesen Geiz? Es ist vielmehr ein Nothpfennig, sowohl für den Familien- als für den Statsbedarf, gerade wie ihr davon die Erfahrung habt. Der Consul sagte: Wenn Alle so etwas nicht haben dürften, so würden sie auch einzeln nicht eifersüchtig auf einander sein. Aber bei Gott! es ist für sie Alle schmerzhaft und kränkend, wenn sie sehen, daß den Frauen der Latinischen Bundesgenossen ein Putz gestattet ist, den man ihnen genommen hat; daß jene durch Gold und Purpur sich auszeichnen; daß jene durch die Stadt fahren, und sie – zu Fuße folgen, nicht anders, als ginge die Regierung von den Städten der Latinerinnen, nicht von der ihrigen aus. Männerherzen könnte dies verwunden; was meint ihr, wie viel eher schwache Weiber, auf die auch Kleinigkeiten Eindruck machen? Obrigkeitliche Ämter, Priesterthümer, Triumphe, kriegerische Auszeichnungen, Ehrengeschenke, erbeutete Prunkstücke, können ihnen nicht werden. Nettigkeit, Putz und Anzug, dies sind die Kleinodien der Weiber: hierin finden sie ihre Freude, ihren Stolz; darum bekamen diese Dinge bei unsern Vorfahren den Namen: Weibliche Welt. Ist nicht Purpur und Gold das Einzige, was sie bei einer Trauer ablegen? das Einzige, was sie nach vollendeter Trauer wieder anlegen? Und wenn sie an Freudenfesten und Bettagen ein Mehreres thun wollen, besteht dies nicht ganz allein in einem köstlicheren Anzuge? Aber freilich, wenn ihr das Oppische Gesetz aufhebt, so wird es nicht mehr in eurer Macht stehen, von dem, was ihnen jetzt das Gesetz untersagt, dies oder jenes, falls ihr wolltet, ihnen zu untersagen? die Töchter, die Frauen, bei Einigen auch die Schwestern werden weniger abhängig sein? – – Nie werden Weiber, so lange 215 die männlichen Ihrigen leben, das Band der Unterwürfigkeit abstreifen: sie selbst verabscheuen die Ungebundenheit, die ihnen durch des Mannes, oder des Vaters Absterben zu Theil wird. Daß ihr Putz von eurer Willkür abhänge, wollen sie gern; nur nicht, vom Gesetze. Und ihr müßt sie ja auch in Abhängigkeit von euch, unter Vormundschaft, behalten; nicht in Sklaverei; müsset lieber Väter und Männer heißen wollen, als Dienstherren. Es waren verunglimpfende Ausdrücke, die sich vorhin der Consul erlaubte, wenn er von Aufruhr und Austritt der Weiber sprach. Denn freilich, es ist große Gefahr, daß sie, wie ehemals der aufgebrachte Bürgerstand, den Heiligen Berg oder den Aventinus besetzen? Gefallen lassen müssen sich diese Schwachen, was ihr über sie beschließen werdet: und an euch ist es, je mehr ihr über sie vermögt, eurer Obergewalt mit desto größerer Mäßigung euch zu bedienen.»

8. Nach diesen gegen und für das Gesetz gehaltenen Reden strömten am folgenden Tage eine weit größere Schar von Weibern auf die Straßen, und Alle in Einem Zuge besetzten sie die Hausthüren der beiden Tribunen, die dem Vorschlage ihrer Amtsgenossen widersprechen wollten: sie ließen auch nicht eher ab, bis die Tribunen die Einsage aufgaben. Nun war kein Zweifel mehr, daß alle Bezirke das Gesetz abschaffen würden. Im zwanzigsten Jahre nach seiner Aufstellung wurde es abgeschafft.

Der Consul Marcus Porcius, der gleich nach Aufhebung des Oppischen Gesetzes mit fünfundzwanzig Kriegsschiffen – fünf hatten die Bundesgenossen gestellt – nach dem Hafen Luna segelte, wo er auch sein Heer sich hatte sammeln lassen, und durch einen längs der Küste erlassenen Befehl Schiffe aller Art zusammenzog, machte bei seiner Abfahrt von Luna bekannt, daß sie ihm nach dem Hafen der Pyrenäen folgen sollten: von dort wolle er mit seiner vollzähligen Flotte gegen den Feind gehen. Sie fuhren an den Gebirgen Liguriens und dem Gallischen Meerbusen herum und stießen an dem Tage zu ihm, den er ihnen bestimmt hatte. Von da kamen sie nach Rhoda 216 und warfen die Spanische Besatzung, die im Schlosse lag, mit Sturm von den Mauern. Von Rhoda segelten sie mit günstigem Winde nach Emporiä. Hier wurden, mit Ausnahme der Seeleute, die sämtlichen Truppen ausgeschifft.

9. Schon damals bestand Emporiä aus zwei durch eine Mauer geschiedenen Städten. Die eine bewohnten Griechen, die mit den Massiliern aus Phocäa stammten, die andre Spanier. Die Griechische Stadt, die ins Meer hinauslag, hatte im ganzen Umfange ihrer Mauer nicht volle vierhundert Schritte: die Spanische Mauer, weiter vom Meere zurückgezogen, hatte im Umkreise dreitausend Schritte. Einen dritten Stamm, aus Römischen Pflanzern bestehend, ließ der vergötterte Cäsar nach Besiegung der Söhne des Pompejus sich hier ansetzen. Jetzt sind sie Alle in Ein Ganzes verschmolzen, nachdem zuerst die Spanier, zuletzt auch die Griechen in das Römische Bürgerrecht aufgenommen sind. Wer diese damals gesehen hätte, auf der einen Seite dem offenen Meere ausgesetzt, auf der andern den Spaniern, diesem wilden und kriegerischen Volke, der würde nicht haben begreifen können, wodurch sie sich hier behaupteten. Der Schutzengel ihrer Schwäche war die Zucht, die unter lauter Stärkeren an der Furcht die beste Stütze hat. Der nach der Landseite gelegene Theil der Mauer war herrlich befestigt, nach dieser Gegend hin nur mit Einem Thore versehen, dessen beständiger Aufseher immer jemand aus der Obrigkeit war. Nachts hielt der dritte Theil der Bürger auf den Mauern Wache; und sie thaten die Wachen und machten die Runde nicht bloß, weil es der Gebrauch oder das Gesetz haben wollte, sondern mit einer Sorgfalt, als stände der Feind vor den Thoren. Keinen Spanier ließen sie in die Stadt. Sie selbst gingen nie regellos hinaus. Nach dem Meere hin stand der Ausgang Allen offen. Aus dem nach der Spanischen Stadt führenden Thore gingen sie nie anders, als zahlreich, etwa jener dritte Theil der Bürger, der in der letzten Nacht auf den Mauern die Wache gehabt hatte. Was sie hinauszugehen trieb, war Folgendes. Die des Meeres unkundigen Spanier hatten gern Verkehr mit ihnen, und wünschten 217 ohnehin, die zu Schiffe eingeführten fremden Erzeugnisse zu kaufen und die von ihren Ländereien abzusetzen. Das Bedürfniß dieses gegenseitigen Umgangs machte, daß die Stadt der Spanier den Griechen offen stand. Diese waren um so viel sicherer, weil sie sich hinter den Schutz der Römischen Freundschaft steckten, welcher sie dagegen ihre Anhänglichkeit, freilich ohne die Macht der Massilier zu haben, doch mit gleicher Treue, bewiesen. Auch jetzt nahmen sie den Consul und sein Heer freundlich und hülfreich auf. Cato, der hier einige Tage verweilte, um den Standort und die Stärke der feindlichen Truppen zu erkunden, verwandte diese ganze Zeit, um selbst als der Säumende, nicht unthätig zu sein, auf Übungen seiner Soldaten. Gerade war jetzt die Jahrszeit, wo man das Getreide auf den Dreschtennen hat. Also verbot er den Fruchtlieferern alle Anschaffung von Getreide, schickte sie nach Rom, und sagte: Der Krieg muß sich selbst nähren. Nach seinem Aufbruche von Emporiä brannte und verheerte er im feindlichen Gebiete, und verbreitete allenthalben Flucht und Schrecken.

10. Zu gleicher Zeit kamen dem Marcus Helvius, der mit einer ihm vom Prätor Appius Claudius gegebenen Bedeckung von sechstausend Mann aus dem jenseitigen Spanien abzog, die Celtiberer mit einem großen Heere bei der Stadt Illiturgi entgegen. Valerius meldet, sie hätten zwanzig tausend Mann unter den Waffen gehabt; davon seien zwölftausend im Gefechte geblieben, die Stadt Illiturgi erobert und alle Erwachsenen niedergehauen. Von hier aus erreichte er das Lager des Cato; und weil jetzt die Gegend vor Feinden sicher war, schickte er seine Bedeckung in das jenseitige Spanien zurück, ging nach Rom ab und zog im kleinen Triumphe wegen des ihm gelungenen Sieges in die Stadt ein. An unverarbeitetem SilberEtwa 460,372 Gulden Conv. M. lieferte er vierzehn tausend siebenhundert zweiunddreißig Pfund in die Schatzkammer; an geprägtemEtwa 5,340 Gulden. 218 siebzehn tausend dreiundzwanzig Denare, und an Silber von OscaEtwas über 30,100 Gulden. hundert und zwanzig tausend vierhundert achtunddreißig. Die Ursache, ihm den Triumph zu verweigern, fand der Senat darin, daß er die Schlacht unter der Götterleitung eines Andern, auch im Bereiche des Oberbefehls eines Andern, geliefert hatte. Er war aber erst nach zwei Jahren wiedergekommen, weil er, als er seinen Posten schon seinem NachfolgerSuccessori Q. Minucio]. – Hier und gleich nachher macht Livius unrichtig den Minucius, den Prätor des diesseitigen Spaniens, wo er in den Platz des C. Sempronius Tuditanus einrückte, zum Nachfolger des M. Helvius, der doch das jenseitige Spanien gehabt hatte, wo ihm Q. Fabius Buteo gefolgt war. Quintus Minucius eingeräumt hatte, durch eine lange und schwere Krankheit dort zurückgehalten war. Darum zog auch Helvius in seinem kleinen Triumphe nur zwei Monate früher in die Stadt ein, als sein Nachfolger Quintus Minucius im großen. Auch dieser lieferte an Silber1,087,500 Gulden, vierunddreißig tausend achthundert Pfund, achtundsiebzig tausend24,372 Gulden. Denare, und aus Oskersilber86,736 Gulden. zweihundert achtundsiebzig tausend.

11. In Spanien hatte unterdeß der Consul sein Lager nicht weit von Emporiä., Dahin kamen vom Fürsten der Ilergeten, Bilistages, drei Gesandte, von denen der eine sein Sohn war, und klagten: «Ihre Festungen würden angegriffen, und sie müßten alle Hoffnung zum Widerstande aufgeben, wenn nicht Römische Truppen sie in Schutz nähmen. Dreitausend Mann wären hinreichend, und die Feinde würden, wenn die Römer in dieser Stärke anrückten, nicht Stand halten,» Der Consul erwiederte: «Sowohl ihre Gefahr, als ihre Besorgniß gehe ihm zu Herzen; allein er habe durchaus so viele Truppen nicht, daß er, bei dieser Nähe eines so großen feindlichen Heeres, mit dem er sogleich schlagen zu müssen, täglich erwarte, durch Theilung seines Heeres seine Stärke ohne Gefahr 219 verringern könne.» Als dies die Gesandten hörten, stürzten sie weinend dem Consul zu Füßen. Sie baten ihn, in dieser dringenden Noth sie nicht zu verlassen. Denn an wen sie, von den Römern abgewiesen, sich wenden sollten? Sie hätten keine Bundesgenossen und nirgendwo auf Erden irgend eine andre Hoffnung. Sie hätten dieser Gefahr überhoben sein können, wenn sie hätten treulos werden, wenn sie sich mit den Übrigen hätten verschwören wollen. Durch keine Drohungen, durch keine Schreckmittel hätten sie sich bewegen lassen, in der Hoffnung, an den Römern hinreichenden Schutz und Beistand zu haben. Wenn es den nicht gebe; wenn ihn der Consul ihnen versage; so nähmen sie Götter und Menschen zu Zeugen, daß sie ungern und gezwungen, um nicht dasselbe Schicksal zu leiden, was die Saguntiner erlitten hätten, von Rom abfallen würden, und lieber zugleich mit den übrigen Spaniern, als allein, zu Grunde gehen wollten.»

12. Für heute mußten sie ohne weitere Antwort abtreten. In der folgenden Nacht setzte dem Consul die Verlegenheit von zwei Seiten zu. Er wollte seine Bundesgenossen nicht im Stiche lassen, und wollte auch seine Truppen nicht schwächen, weil dies entweder die Schlacht verspäten, oder in der Schlacht gefährlich werden konnte. Sein Entschluß blieb der, sein Heer nicht zu schwächen, um nicht mit Schimpf zu bestehen, falls ihn unterdeß die Feinde angriffen. Den Bundesgenossen, glaubte er, statt wirklich zu helfen, nur die Aussicht auf Hülfe eröffnen zu müssen. Schon oft habe, vorzüglich im Kriege, der Schein die Wahrheit ersetzt, und mancher sei in der Einbildung, Hülfe zu haben, gleich als habe er sie wirklich gehabt, gerade durch dies Vertrauen und durch Hoffen und Wagen gerettet. Am folgenden Tage gab er den Abgesandten die Antwort: «Ob er gleich seine eignen Kräfte zu schwächen fürchte, wenn er sie Andern liehe, so wolle er doch auf ihre Lage und Gefahr mehr Rücksicht nehmen, als auf sich selbst.» Nun ließ er Befehl ergehen, von den sämtlichen Cohorten solle sich der dritte Theil 220 bei Zeiten mit Gebackenem versehen, um es mit auf die Schiffe zu nehmen, und die Schiffe auf den dritten Tag segelfertig sein. Zwei von den Gesandten hieß er dies dem Bilistages und den Ilergeten melden; den Prinzen wußte er durch leutselige Begegnung und Geschenke bei sich zu behalten. Die Gesandten reiseten nicht eher ab, bis sie dir Einschiffung der Soldaten gesehen hatten. Und da sie dies schon als nicht zu bezweiflende Wahrheit berichteten, so wurde dadurch nicht bloß unter den Ihrigen, sondern selbst bei den Feinden, der Ruf vom Anzuge Römischer Hülfstruppen allgemein.

13. Sobald der Consul nicht mehr nöthig hatte, dies Blendwerk zur Schau auszustellen, ließ er die Soldaten von den Schiffen zurückrufen. Weil schon die Jahrszeit zu Unternehmungen herannahete, bezog er dreitausend Schritte von Emporiä ein Winterlager. Von hier aus führte er seine Truppen, so daß er eine mäßige Bedeckung im Lager zurückließ, wie es die Gelegenheit gab, bald auf dieser, bald auf jener Seite, zur Plünderung des feindlichen Gebiets. Sie brachen meistens bei Nacht auf, theils um so viel weiter vorrücken zu können, theils um die Feinde unvermuthet zu überfallen. Dadurch wurden nicht nur die neuen Soldaten geübt, sondern auch die Feinde in großer Menge aufgefangen; und schon wagten sie es nicht mehr, aus den Werken ihrer kleinen Festungen hervorzukommen. Als er den Muth der Seinigen und der Feinde zur vollen Genüge erprobt hatte, ließ er seine Obersten, auch die der Bundesgenossen, und alle Ritter und Hauptleute zusammenrufen. «Die Zeit,» sprach er, «die ihr oft gewünscht habt, ist gekommen; sie, die euch Gelegenheit geben sollte, eure Tapferkeit zu zeigen. Noch habt ihr euren Dienst mehr nach Räuber- als nach Kriegerart gethan. Jetzt sollt ihr in förmlicher Schlacht als feindliches Heer mit den Feinden euch einlassen: dann werdet ihr nicht mehr Dörfer zu plündern, sondern reiche Städte auszuleeren haben. Als Spanien noch den Carthagern gehörte, hier ihre Feldherren und Heere standen, ließen unsre Väter, ob sie gleich dort keinen Feldherrn, keine 221 Truppen hatten, dennoch ausdrücklich in das Bündniß setzen, daß der Strom Ebro ihrer Landeshoheit Gränze sein solle. Und jetzt, da zwei Prätoren, ein Consul, drei Römische Heere Spanien behaupten, beinahe schon seit zehn Jahren in diesen Provinzen kein Carthager zu sehen ist, ist für uns diesseit des Ebro die Landeshoheit verloren. Diese müßt ihr durch Waffen und Tapferkeit wieder gewinnen, und ein Volk, welches Kriege mehr aus Leichtsinn erneuert, als mit Standhaftigkeit führt, dazu zwingen, das Joch, dessen es sich entschüttelt, wieder auf sich zu nehmen.» Nachdem er sie so ungefähr ermuntert hatte, machte er ihnen bekannt, er wolle in dieser Nacht vor das feindliche Lager rücken. Nun wurden sie entlassen, um sich durch Stärkungen vorzubereiten.

14. Mitten in der Nacht rückte er, nach Abwartung der Vogelschau, aus, zog, um seiner Absicht gemäß, eine Stellung zu gewinnen, ehe es die Feinde gewahr würden, an ihrem Lager vorbei, und da er mit anbrechendem Tage in Schlachtordnung stand, schickte er drei Cohorten ihnen gerade vor den Lagerwall. Die Barbaren, voll Verwunderung, daß sich die Römer ihnen im Rücken sehen ließen, liefen zu ihren Gewehren. Unterdeß redete der Consul die Seinigen so an: «Soldaten, hier ist nichts, worauf ihr bauen könntet, als eure Tapferkeit. Und ich habe die Anlage gemacht, daß euch nichts Anderes bleiben sollte. Zwischen unserm Lager und uns stehen in der Mitte die Feinde: hinter uns ist Feindes Land. Was das Ehrenvolleste ist, ist jetzt auch das Sicherste, alle Hoffnung auf die Tapferkeit beruhen zu lassen.» Zugleich gab er jenen Cohorten Befehl zum Rückzuge, um durch den Anschein einer Flucht die Barbaren herauszulocken. Was er erwartet hatte, erfolgte. In der Meinung, die Römer wichen aus Furcht, brachen sie aus dem Thore hervor und erfüllten den ganzen zwischen ihrem Lager und der feindlichen Linie leergelassenen Platz mit Truppen. Während sie sich tummelten, ihre Schlachtreihe zu ordnen, griff der Consul, der schon Alles bereit und in Ordnung hatte, sie an, ehe sie sich aufstellten. Von beiden Flügeln führte er 222 die Reuterei voran in die Schlacht. Allein auf dem rechten sogleich geschlagen und in Unordnung weichend setzte sie auch ihr Fußvolk in Bestürzung. Der Consul bemerkte es und befahl zwei auserlesenen Cohorten, den Feind auf der rechten Seite zu umgehen, und sich ihm im Rücken zu zeigen, ehe noch die Reihen des Fußvolks auf einander träfen. Diese dem Feinde entgegengestellte Drohung, machte das Gefecht, das schon durch die Muthlosigkeit der Römischen Reuterei eine schlimme Wendung genommen hatte, wieder gleich. Und doch war auf dem rechten Flügel Reuterei und Fußvolk so außer Fassung, daß der Consul Mehrere mit eigner Hand zurückhielt und Abgewandte wieder gegen den Feind umdrehete. So war das Gefecht nicht allein, so lange man auf einander schoß, unentschieden, sondern auf dem rechten Flügel, wo Schrecken und Flucht zuerst begann, hielten auch die Römer kaum noch Stand. Vom linken Flügel hingegen und von der Stirnreihe wurden die Barbaren bedrängt, und sahen sich schüchtern nach den ihnen im Rücken drohenden Cohorten um. Als sie ihre Wurfeisen und Brandspieße verschossen hatten und nun die Schwerter zogen, da begann die Schlacht wie von neuem. Nun gab es nicht mehr überraschende Wunden aus der Ferne von nicht zu gewahrenden Schüssen, sondern man setzte, Fuß gegen Fuß, seine ganze Hoffnung auf Tapferkeit und Festigkeit.

15. Der Consul machte den schon ermattenden Seinigen dadurch wieder Muth, daß er Cohorten vom Rückhalte aus der zweiten Reihe ins Treffen führte. Dies gab eine neue Linie. Die frischen Kämpfer, die mit ungestumpften Spießen auf die ermüdeten Feinde losgingen, brachen zuerst in raschem Ansturze, wie im Keile, ein; dann schlugen sie die aus einander geworfenen in die Flucht; und in vollem Laufe suchten diese über das Feld ihr Lager wieder zu gewinnen. Als Cato ihre Flucht sich überall verbreiten sah, ritt er zurück zur zweiten Legion, die er in den Rückhalt gestellt hatte, hieß sie die Fahnen ihm vortragen und in vollem Schritte zum Sturme auf das feindliche Lager anrücken. Schritt Einer zu hitzig dem Gliede 223 voran, so schlug er, die Reihen durchreitend, ihn mit seinem Feldstabe, und forderte auch die Obersten und Hauptleute auf, Zucht zu halten. Schon wurde das feindliche Lager bestürmt: mit Steinen, Pfählen und allen Arten von Geschoß wurden die Römer vom Pfahlwerke abgetrieben. Beim Anrücken der frischen Legion wuchs hier den Stürmenden der Muth, dort kämpften die Feinde für ihren Wall so viel erbitterter. Die Blicke des Consuls späheten nach allen Seiten, um da einzubrechen, wo der Widerstand am schwächsten sei. Er sieht das Thor zur Linken weniger besetzt: dahin führt er das erste und zweite Treffen seiner zweiten Legion. Ihrem Andrange hielt der Posten am Thore nicht Stand, und die Übrigen, als sie schon Feinde im Lager erblickten, warfen, nach Verlust des Lagers selbst, auch ihre Fahnen und Waffen von sich. In den Thoren wurden sie zusammengehauen, weil sie im Gedränge in ihrem eignen Zuge hängen blieben. Die zweite Legion war es, die den Feinden in den Rücken hieb; die Übrigen plünderten das Lager. Valerius von Antium giebt die Zahl der an diesem Tage gefallenen Feinde über vierzig tausend an. Cato selbst, gewiß nicht Verkleinerer seiner Verdienste, sagt, es seien Viele geblieben; die Zahl giebt er nicht an.


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