Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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26. Bei diesen Unternehmungen und Zurüstungen in Italien ging der Krieg in Spanien in seinem raschen Gange fort; allein bis dahin mit mehr Glück für die Römer. Nachdem die Scipione, Publius und Cneus, ihre Truppen unter sich getheilt hatten, so daß Cneus den Land-, Publius den Seekrieg führte, hielt sich der Punische Feldherr Hasdrubal, der im einen so wenig, als im andern, seinen Kräften trauen durfte, weit vom Feinde, so daß er sich durch die Entfernung und durch genommene Stellungen sicherte, bis ihm endlich auf sein dringendes und langes Anhalten viertausend Mann Fußvolk und fünfhundert Reuter als Verstärkung aus Africa geschickt wurden. Jetzt, da endlich seine Hoffnung wieder erwachte, rückte er mit seinem Lager dem Feinde näher, und auch er hieß zur Behauptung der Inseln und der Küste die Flotte in Stand setzen und segelfertig halten. Gerade im Aufschwunge zu wiederbeginnenden Unternehmungen lähmte ihn der Übergang seiner Schiffsobersten, welche seit dem harten Verweise nach dem Vorfalle am Ebro, wo sie vor Bestürzung die Flotte preisgabenVgl. XXII. 19. , es nie wieder, so wenig mit ihm als Feldherrn, als mit der Sache Carthago's, aufrichtig gemeint hatten. Diese Überläufer hatten bei dem Volke der Carpesier 46 einen Aufstand bewirkt und auf ihr Anstiften waren mehrere Städte abgefallen: eine hatten sie selbst mit Sturm erobert. So ging der Krieg aus seiner Richtung gegen die Römer zu diesem Volke hinüber; und Hasdrubal, der ihnen als Feinden mit einem rächenden Heere ins Land fiel, beschloß einen Angriff auf den Galbus, einen Carpesischen Heerführer von Ruf, welcher vor den Mauern der seit wenig Tagen eroberten Stadt mit einem starken Heere sich auf sein Lager beschränkte. Nach Voraussendung seiner Leichtbewaffneten, welche den Feind zum Kampfe herauslocken sollten, schickte er einen Theil seines Fußvolks nach allen Gegenden zur Plünderung des Landes aus, auchAd depopulandum – – dimisit, ut palantes exciperent.] – Sollte nicht zwischen dimisit und ut ein et weggefallen sein? oder passim müßte so verstanden werden: et passim quidem. die Umherstreifenden aufzufangen. Zu gleicher Zeit also gab es Getümmel vor dem Lager und auf dem Lande Flucht und Gemetzel: dann aber, als sie sich auf verschiedenen Wegen von allen Seiten her auf ihr Lager zurückgezogen hatten, schwand auf einmal alle Furcht bei ihnen so völlig, daß sie nicht allein Muth genug hatten, ihre Werke zu vertheidigen, sondern auch, den Feind zur Schlacht aufzufordern. In Taktsprüngen, nach ihrer Sitte, brachen sie im Zuge aus ihrem Lager; und ihre plötzliche Kühnheit setzte den Feind, der kurz vorher sie aufgefordert hatte, in Schrecken. Jetzt also gab Hasdrubal ebenfalls seinen Truppen eine geschützte Stellung auf einem Hügel von mäßiger Höhe, der von vorne noch durch einen Fluß gedeckt war, er ließ auch seine voraufgeschickten Leichtbewaffneten und die umherstreifende Reuterei sich ebendahin zurückziehen; und weil er sich weder durch den Hügel, noch durch den Fluß hinlänglich gesichert hielt, warf er um sein Lager einen Wall auf. Während dieser wechselseitigen Bedrohungen fielen mehrere Gefechte vor: und der Numider war als Reuter dem Spanier keinesweges gewachsen, so wenig als der Maurische Wurfschütze dem Rundschildner, der 47 ihm an Geschwindigkeit gleich, an Muth und Körperkraft bei weitem überlegen war.

27. Da die Carpesier, so oft sie sich vor dem Punischen Lager zeigten, den Feind dennoch nicht zum Kampfe herauslocken konnten, und die Bestürmung des Lagers so leicht nicht war, so nahmen sie die Stadt Ascua, wo Hasdrubal, als er ihnen ins Land rückte, Getreide und andre Vorräthe zusammengefahren hatte, mit Sturm ein und unterwarfen sich die ganze umliegende Gegend. Und nun ließen sie sich weder auf dem Marsche, noch im Lager, durch irgend einen Befehl beisammen halten. Als Hasdrubal diese gewöhnlich auf Glück folgende Unordnung bei ihnen einreißen sah, ging er nach einer Ermahnung an seine Truppen, die Feinde ohne Fahnen in ihrer Zerstreuung anzugreifen, vom Hügel herab in förmlicher Schlachtlinie ihnen vor das Lager. Als die von den Warten und Posten Zurückfliehenden mit vielem Lärme meldeten, der Feind sei schon da, so erfolgte nun erst der Aufruf zu den Waffen. Und so wie jeder sich bewaffnet hatte, stürzten sie ohne Befehl, ohne Fahnen, ohne Stellung, ohne Schluß ins Treffen. Schon hatten sich die ersten eingelassen, als andre noch in Scharen herbeiliefen, wieder andre noch nicht ausgerückt waren. Doch selbst dieser Beweis von Muth machte sie anfangs dem Feinde furchtbar. Da sie aber eben deswegen, weil sie selbst außer Schluß auf geschlossene Reihen stießen, bei ihrer geringern Zahl sich nicht schützen konnten, so sahen sie sich Einer nach dem Andern um und drängten sich, von allen Seiten her zurückgetrieben, in einen Kreis; und da sie, während sich Mann an Mann und Schild an Schild schloß, so in die Enge zusammengedrückt wurden, daß sie kaum Platz genug hatten, die Waffen zu regen, so sahen sie sich, rundum von den Feinden umstellt, bis tief in den Tag hinein dem Gemetzel preisgegeben. Nur ein kleines Kohr, das sich durchschlug, lief dem Walde und Gebirge zu: und derselbe Schrecken bewirkte beides, daß sie ihr Lager im Stiche ließen, und Tages darauf das gesammte Volk sich ergab. Doch 48 hielt es seine ZusageNec diu in pacato mansit.] – Für Stroths glückliche Vermuthung; Nec diu in pacto mansit entscheidet die von ihm aus Cic. I, Vorr. 6. angeführte Stelle: Nec diu in conditione ac pacto mansit. nicht lange. Denn von Zeit zu Zeit erfuhr man aus Carthago, daß Hasdrubal je eher je lieber mit seinem Heere nach Italien gehen solle. Die Verbreitung dieser Nachricht in Spanien wandte fast alle Völker den Römern zu. Deswegen schrieb Hasdrubal ungesäumt nach Carthago, und zeigte den großen Nachtheil, den der Ruf von seinem Abzuge gehabt habe. «Wenn er aber wirklich aufbräche, so würde ganz Spanien, noch ehe er über den Ebro ginge, den Römern gehören. Denn außerdem, daß er weder Truppen noch einen Feldherrn habe, den er statt seiner zurücklassen könne, wären die Römischen Heerführer solche Männer, gegen die man kaum bei gleichen Kräften auftreten dürfe. Wenn ihnen also Spanien nicht völlig gleichgültig sei, so möchten sie ihm an der Spitze eines tüchtigen Heeres einen Nachfolger schicken, der selbst bei dem glücklichsten Erfolge noch genug zu thun finden werde.»

28. Machte gleich dieser Brief anfangs großen Eindruck auf den Senat, so traf dieser dennoch, weil seine erste und wichtigste Sorge auf Italien gerichtet blieb, in Ansehung Hasdrubals und seiner Truppen keine Änderung. Um aber Spanien zu Lande und zu Wasser zu behaupten und zu decken, wurde Himilco mit einem angemessenen Heere und einer verstärkten Flotte hingeschickt, der auch, sobald er die Land- und Seetruppen übergesetzt, ein Lager aufgeschlagen, die Schiffe am Ufer aufgeführt und mit einem Walle eingefaßt hatte, an der Spitze seiner auserlesensten Reuter, so schnell es ihm bei einem Marsche möglich war, auf dem er sich gegen unzuverlässige, wie gegen feindliche Völker, in gleicher Fassung zu halten hatte, bei dem Hasdrubal ankam. Als er ihn mit den Beschlüssen und Aufträgen des Senats bekannt gemacht, und sich dagegen von ihm hatte belehren lassen, wie der Krieg in Spanien behandelt sein wolle, machte er den Rückweg in sein Lager, auf welchem ihn nichts 49 so sehr schützte, als seine Schnelligkeit, indem er allenthalben schon durchgegangen war, ehe man eine Vereinigung gegen ihn beschließen konnte.

Ehe Hasdrubal aufbrach, schrieb er bei den sämtlichen von ihm abhängigen Völkerschaften Geldlieferungen aus: denn er wußte wohl, daß auch Hannibal den Durchzug einigemal erkauft, und von den Galliern keine andre als gedungene Hülfstruppen gehabt hatte; daß jener kaum, wenn er einen solchen Zug mit leerer Hand angetreten hätte, bis an die Alpen gekommen sein würde. Nachdem er die Gelder eiligst beigetrieben hatte, zog er zum Ebro hinab. Als man bei den Römern von den Beschlüssen der Carthager und von Hasdrubals Marsche hörte, so schickten sich mit Zurücksetzung alles Übrigen beide Feldherren darauf an, mit vereinigten Kräften seiner Unternehmung entgegen zu gehen und ihm in den Weg zu treten; denn sie glaubten das Ende des Römischen States voraus zu sehen; wenn mit einem Feinde, wie Hannibal, der allein schon Italien beinahe erdrückte, ein Feldherr, wie Hasdrubal, und ein Heer Spanier sich vereinigen sollte. Von diesen Sorgen geängstet zogen sie ihre Truppen am Ebro (Iberus) zusammen, und da sie nach dem Übergange lange überlegt hatten, ob sie sich, Lager gegen Lager, dem Feinde stellen, oder sich damit begnügen sollten, ihn durch ihre Angriffe auf Carthagische Bundsgenossen von dem beschlossenen Zuge zurückzuhalten, fingen sie an, eine der reichsten Städte jener Gegend – sie hieß nach dem nahen Strome Ibera – zu belagern. Als Hasdrubal dies hörte, zog er gleichfalls, statt seinen Bundsgenossen zu Hülfe zu kommen, vor eine Stadt, die sich erst neulich in Römischen Schutz begeben hatte. Da hoben die Römer jene schon angefangene Einschließung auf und wandten sich zum Angriffe gegen den Hasdrubal selbst.

29. Einige Tage hatten sie in einer Entfernung von fünftausend Schritten Lager gegen Lager, zwar nicht ohne leichte Gefechte, doch ohne, in Linie auszurücken. Endlich wurde an einem und demselben Tage, als wäre es 50 verabredet, von beiden Seiten das Zeichen zur Schlacht ausgesteckt, und sie zogen mit allen Truppen in die Ebene. Die Römische Linie stand in ihren drei Reihen. Zwischen den beiden ersten Treffen wurde ein Theil der Leichtbewaffneten aufgestellt, ein andrer Theil hinter das dritte Treffen: die Reuterei deckte die Flügel. Hasdrubal besetzte seinen Mittelpunkt mit den Spaniern; ihnen zur Seite pflanzte er rechts die Punier, links die Africaner und Miethsoldaten auf: von seiner Reuterei gab er die Numider dem Punischen Fußvolke auf den Flügel, die übrigen den Africanern. Allein nicht alle Numider standen auf dem rechten Flügel, sondern nur die, welche selbst oft im hitzigsten Gefechte, weil sie zwei Pferde bei sich hatten, nach Art der Kunstspringer, von dem müden Pferde auf das frische hinüber zu springen pflegten: so flink sind sie selbst, und so gelehrig diese Art von Pferden. In dieser gegenseitigen Stellung hatten beiderlei Feldherren fast gleiche Hoffnungen. Denn auch nicht einmal an Zahl, oder in der Art der Truppen, hatten diese oder jene ein bedeutendes Übergewicht: allein die Soldaten hatten bei weitem nicht gleichen Muth. Denn den Römern, so weit sie auch von ihrem Vaterlande fochten, hatten doch ihre Feldherren leicht begreiflich gemacht, daß sie jetzt für Italien und für die Stadt Rom zu fechten hätten. Also hatten sie sichs vorgesetzt, gleich als hinge ihre Rückkehr ins Vaterland von der Entscheidung dieser Schlacht ab, zu siegen oder zu sterben. So entschlossen waren die Kämpfer gegenüber nicht. Denn der größte Theil bestand aus Spaniern, die sich nicht so gern als Sieger nach Italien schleppen, als in Spanien schlagen lassen wollten. Also gleich beim ersten Zusammenstoße, als kaum die Wurfpfeile abgeschossen waren, zog sich das Mitteltreffen zurück, und als die Römer mit großem Ungestüme eindrangen, kehrte es den Rücken. Dessenungeachtet wurde auf den Flügeln mit Hitze gekämpft. Von hier setzten den Römern die Punier zu, von dort die Africaner, und fochten gegen sie auf zwei Seiten als gegen Umzingelte. Allein sobald sich die Römische Linie 51 in ihrer ganzen Stärke in der Mitte gesammelt hatte, so hatte sie auch Kraft genug, die feindlichen Flügel aus einander zu sprengen. Es standen also hier zwei Schlachten nach entgegengesetzter Richtung; und in beiden trugen die Römer, die nun auch, nachdem sie, das Mitteltreffen verjagt hatten, an Zahl und Festigkeit der Truppen die Überlegenen waren, einen unbezweifelten Sieg davon. Die Menge der hier Gefallenen war sehr groß, und wären nicht die Spanier, als man kaum handgemein geworden war, in vollen Haufen geflohen, so würden vom ganzen Heere nur wenige übrig geblieben sein. Die Reuterei kam so gut als gar nicht zum Gefechte: denn sobald die Mauren und Numider ihr Mitteltreffen zurückgedrängt sahen, ließen sie durch ihre völlige Flucht die Flügel bloßgestellt, indem sie sogar die Elephanten vor sich her wegtrieben. Und Hasdrubal, der bis zur letzten Entscheidung des Treffens aushielt, rettete sich mitten aus dem Gemetzel nur mit Wenigen. Das Lager wurde von den Römern erobert und geplündert. Waren in Spanien noch einige Völker unschlüssig gewesen, so zog sie diese Schlacht auf Römische Seite; und dem Hasdrubal benahm sie nicht allein die Hoffnung, sein Heer nach Italien hinüberzuführen, sondern selbst in Spanien sich mit völliger Sicherheit zu halten. Als sich diese Nachricht durch die Briefe der Scipione zu Rom verbreitete, freute man sich nicht so sehr über den Sieg, als darüber, daß Hasdrubals Übergang nach Italien abgewandt war.

30. Während dies in Spanien vorging, wurde im Bruttierlande Petelia mehrere Monate nach eröffneter Belagerung, von Himilco, Hannibals Unterbefehlshaber, erobert. Diesen Sieg erkauften die Punier mit vielem Verluste und Wunden: und doch war eigentlich der Hunger das Zwangmittel, dem die Eingeschlossenen erlagen. Denn als die Lebensmittel an Getreide und das Fleisch aller Arten von vierfüßigen Thieren verzehrt waren, lebten sie zuletzt von Schildleder, Kräutern und Wurzeln und dem Abstreifel von Brombeersträuchen, und blieben unbezwungen, bis es ihnen an Kraft fehlte, auf der 52 Mauer zu stehen und die Waffen zu halten. Nach der Einnahme von Petelia gingen die Punischen Truppen nach Consentia hinüber, welches sich nach einem minder hartnäckigen Widerstande in wenig Tagen ergab. Fast in denselben Tagen berannte auch ein Bruttisches Heer die Griechische, einst so kriegerische und volkreiche Stadt Croto, die aber damals schon durch viele und große Unglücksfälle so herabgekommen war, daß sich aus allen Altern nicht volle zwanzigtausend Bürger zusammenfanden. Also bemächtigten sich einer Stadt, die für ihre Vertheidiger zu groß war, die Feinde mit leichter Mühe: nur die Burg behauptete sich, auf welche sich während des Getümmels bei Eroberung der Stadt mitten aus dem Gemetzel ihrer Mehrere retteten. Auch Locri, wo das Volk von seinen Vornehmen verrathen wurde, trat auf die Seite der Bruttier und Punier. Die Bewohner von Rhegium waren die Einzigen jener Gegend, die bis ans Ende den Römern treu und ihre eigenen Herren blieben. Jene Stimmung der Gemüther ging auch nach Sicilien über, und nicht einmal Hiero's Haus blieb von aller Theilnahme am Abfalle rein. Denn sein ältester Prinz, Gelo, dem zugleich des Vaters hohes Alter, und nach der Cannensischen Niederlage das Römische Bündniß, verächtlich wurde, trat zu den Puniern über, und würde in Sicilien Bewegungen veranlasset haben, hätte ihn nicht, als er schon das Volk bewaffnete und Bundsgenossen aufwiegelte, der Tod so zu rechter Zeit weggerafft, daß diesen der Verdacht sogar dem Vater beimaß. Dies sind die Begebenheiten dieses Jahrs in Italien, in Africa, in Sicilien, in Spanien, von ungleichem Erfolge. Am Ende des Jahres hielt Quintus Fabius Maximus bei dem Senate um die Erlaubniß an, den Tempel der Venus Erycina, den er ihr als Dictator verheißen habe, zu weihen. Der Senat fertigte den Befehl aus, daß der ernannte Consul Tiberius Sempronius, sobald er sein Amt angetreten habe, bei dem Gesamtvolke darauf antragen sollte, den Quintus Fabius für diese dem Tempel zu gebende Weihe zum Zweiherrn ernennen zu lassen. Auch gaben dem 53 Marcus Ämilius Lepidus zu Ehren, welcher zweimal Consul und Augur gewesen war, seine drei Söhne Lucius, Marcus und Quintus bei seiner Beerdigung dreitägige Spiele, und ebenfalls drei Tage nach einander auf dem Markte zweiundzwanzig Pare Klopffechter. Die Curulädilen Cajus Lätorius und Tiberius Sempronius Gracchus, der ernannte Consul, der als Ädil zugleich Magister Equitum gewesen war, stellten die Römischen Spiele an, die drei Tage nach einander gegeben wurden. Die bürgerlichen Spiele der Bürgerädilen Marcus Aurelius Cotta und Marcus Claudius Marcellus wurden dreimal gegeben.

Als das dritte Jahr des Punischen Krieges sein Ende erreicht hatte, trat Tiberius Sempronius Gracchus am funfzehnten März als Consul sein Amt an. Die Prätoren Quintus Fulvius Flaccus, der schon zweimal Consul, auch Censor, gewesen war, und Marcus Valerius Lävinus erloseten jener die Rechtspflege über die Stadt, dieser die über die Fremden; Appius Claudius Pulcher Sicilien, Quintus Mucius Scävola Sardinien. Dem Marcus Claudius Marcellus wurde vom Gesamtvolke eine Feldherrnstelle als Proconsul gegeben, weil er nach der Cannensischen Niederlage der einzige Römische Feldherr war, der in Italien mit Glück gefochten hatte.

31. Der Senat beschloß auf dem Capitole, gleich an dem Tage seiner ersten Sitzung, um in diesem Jahre eine doppelte Steuer ausschreiben zu können, die einfache schon jetzt eintreiben zu lassen, damit hiervon den sämtlichen Soldaten ihr Sold sogleich gereicht werden könne, diejenigen ausgenommen, die bei Cannä im Dienste gestanden hätten. Über die Heere trafen sie folgende Verfügungen: den zwei Stadtlegionen sollte der Consul Tiberius Sempronius einen Tag bestimmen, auf den sie sich zu Cales zu sammeln hätten: von da sollten diese Legionen in das Claudische Lager oberhalb Suessula abgeführt werden: die hier stehenden Legionen – sie gehörten aber größtentheils zum Cannensischen Heere – sollte der Prätor Appius Claudius Pulcher nach Sicilien übersetzen, 54 und die in Sicilien befindlichen sollten nach Rom herübergebracht werden. Zu dem Heere, welches sich auf den bestimmten Tag zu Cales sammeln mußte, schickte man den Marcus Claudius Marcellus, und befahl ihm, die Stadtlegionen in das Claudische Lager abzuführen. Hier das alte Heer in Empfang zu nehmen und es nach Sicilien abzuführen, schickte Appius Claudius seinen Legaten Titus Metilius Croto.

Anfangs hatten alle stillschweigend erwartet, daß der Consul einen Wahltag zur Ernennung eines Mitconsuls halten würde. Jetzt aber, als sie sahen, daß Marcus Marcellus gleichsam absichtlich weggeschickt sei, da sie doch ihn vor allen andern, wegen seiner ausgezeichneten Thaten in der Prätur, zum Consul gewählt haben würden, so wurden sie auf dem Rathhause laut. Als dies der Consul merkte, sprach er: «Beides war dem allgemeinen Besten angemessen, versammelte Väter, sowohl daß Marcus Claudius zur Austauschung der Heere nach Campanien abging, als auch, daß der Wahltag nicht eher angesetzt wurde, bis jener nach Vollendung des Geschäftes, das ihm aufgetragen ist, zurückgekehrt sein wird, damit ihr zu einem Consul, wie ihn die Umstände des Stats erfordern, gerade denjenigen bekommen möchtet, den ihr am liebsten wünscht.» Und nun war über den Wahltag bis zur Rückkehr des Marcellus Alles still. Unterdessen wurden Quintus Fabius Maximus und Titus Otacilius Crassus zu Zweiherren ernannt, den Göttinnen Mens und Venus Erycina die Tempel zu weihen, jenen, Otacilius, diesen, Fabius. Beide Tempel stehen auf dem Capitole, nur durch einen Canal von einander geschieden. Auch that man wegen der dreihundert Campanischen Ritter, welche nach Verlauf ihrer mit aller Treue in Sicilien ausgehaltenen Dienstjahre nach Rom gekommen waren, nunmehr den Antrag bei dem Gesamtvolke, sie unter die Römischen Bürger aufzunehmen, imgleichen, sie um einen Tag früher, als der Abfall des Campanischen Volks vom Römischen erfolgt sei, für Municipalbürger von Cumä gelten zu lassen. Der 55 Hauptbeweggrund, diesen Antrag zu thun, war der, daß diese Ritter sagten, sie wüßten selbst nicht, zu welchem Menschenstamme sie gehörten, da man sie, nachdem sie ihr altes Vaterland verlassen hätten, in dasjenige, in welches sie aus Sicilien zurückgekommen wären, noch nicht aufgenommen habe.

Als Marcellus vom Heere zurückkehrte, wurde ein Versammlungstag angesetzt, um den Einen Consul in die Stelle des Lucius Postumius zu wählen. Mit großer Einstimmigkeit ernannte man dazu den Marcellus, und zwar so, daß er sein Amt sogleich übernehmen sollte. Da es aber bei seinem Eintritte in das Consulat donnerte, so erklärten die zu Rathe gezogenen Augurn, ihrer Meinung nach sei die Wahl fehlerhaft; und die Väter brachten allgemein in Umlauf, es sei den Göttern misfällig, daß durch diese Wahl das Consulat zum erstenmale an zwei Bürgerliche gekommen sei. In Marcellus Platz wurde, als er von dem Amte zurücktrat, Fabius Maximus nachgewählt, der zum drittenmale Consul ward.

In diesem Jahre brannte das Meer. Bei Sinuessa warf eine Kuh ein Füllen: zu Lanuvium flossen die Bildsäulen am Tempel der Juno Sospita von Blute, und in der Nähe dieses Tempels regnete es Steine. Dieses Regens wegen wurde, wie gewöhnlich, ein neuntägiges Betfest angestellt, und die übrigen Schreckzeichen wurden sorgfältig durch Sühnungen abgewandt.

32. Nun theilten sich die Consuln in die Heere. Dem Fabius beschied das Los das Heer, welches unter dem Dictator Marcus Junius gestanden hatte; dem Sempronius die sämtlichen Freiwilligen vom Sklavenstande und fünfundzwanzigtausend Mann Bundsgenossen. Dem Prätor Marcus Valerius bestimmte man die aus Sicilien zurückgekommenen Legionen, und schickte den Marcus Claudius als Proconsul zu jenem Heere, welches zum Schutze Nola's oberhalb Suessula stand. Die Prätoren gingen nach Sicilien und Sardinien ab. Die Consuln machten bekannt, wenn sie den Senat beriefen, sollten sich die Senatoren und alle, welche das Stimmrecht im 56 Senate hätten, am Capenischen ThoreUm die Nachrichten gleich am Thore in Empfang zu nehmen. Aus dem Capenischen Thore führte die Via Appia auch nach Capua, wo Hannibal stand. Nahe am Thore war die nachher zugeworfene und bebauete Piscina Publica, ein Wasserbehälter, der zugleich der öffentliche Übungsplatz für die Schwimmer war. versammeln. Die Prätoren, welche die Gerichtspflege hatten, schlugen ihre Richterstühle am Öffentlichen Schwimmteiche auf. Hier ließen sie die Bürgschaften leisten, und hier wurde in diesem Jahre Recht gesprochen.

Unterdeß lief zu Carthago, als Mago, Hannibals Bruder, von hier aus mit zwölftausend Mann zu Fuß und tausend fünfhundert zu Pferde, nebst zwanzig Elephanten und tausend Talenten Silbers unter einer Bedeckung von sechzig Kriegsschiffen nach Italien übergehen sollte, die Nachricht ein, daß man in Spanien unglücklich gewesen und daß fast alle Völkerschaften jenes Landes zu den Römern übergegangen seien. Es fehlte nicht an solchen, die mit Zurücksetzung Italiens den Mago mit dieser Flotte und Mannschaft für Spanien bestimmten, als sich unvermuthet ein Strahl von Hoffnung zeigte, Sardinien wieder zu erobern. «Denn das Römische Heer dort sei nur schwach: der alte, mit dieser Provinz bekannte, Prätor Aulus Cornelius gehe ab; der neue werde erwartet. Außerdem seien die Sardinier der alten Regierung durch die Länge überdrüssig, und im vorigen Jahre habe man sie mit Härte und Habsucht behandelt, habe sie durch schwere Steuern und übertriebene Kornlieferungen gedrückt. Es fehle nur an dem, der ihnen die Hand biete, zu ihm überzugehen.» Dies meldeten ihnen die Häupter der Insel durch eine geheime Gesandschaft, hauptsächlich auf Betrieb des Hampsicora, der damals unter ihnen bei weitem der angesehenste und reichste war.

Durch diese Nachrichten beinahe zu gleicher Zeit gebeugt und gehoben, schickte man von Carthago den Mago mit seiner Flotte und Mannschaft nach Spanien. Für Sardinien wählte man einen Hasdrubal zum Anführer, und bestimmte ihm fast eben so viel Truppen als dem Mago.

57 Schon setzten sich auch zu Rom die Consuln, nachdem sie ihre Stadtgeschäfte beseitigt hatten, zum Kriege in Bewegung. Tiberius Sempronius bestimmte seinen Soldaten den Tag, auf den sie sich zu Sinuessa sammeln sollten; und Quintus Fabius verordnete, nachdem er deshalb bei dem Senate angefragt hatte, «daß alle Landbewohner ihr Getreide vor dem nächsten ersten Junius in die festen Städte liefern sollten. Wer es nicht geliefert hätte, dem würde er die Felder verheeren, die Sklaven käuflich versteigern, die Gebäude niederbrennen lassen.» Nicht einmal die Prätoren, welche für die Gerichtspflege gewählt waren, wurden mit Ausrichtung kriegerischer Geschäfte verschont. Man beschloß, den Prätor Valerius nach Apulien gehen zu lassen, um das Heer vom Terentius zu übernehmen: wenn die Legionen aus Sicilien angekommen wären, sollte er eigentlich diese zum Schutze jener Gegend gebrauchen: das Heer des Terentius aber mit einem Legaten nach TarentTerentianum mitti.] – Aus Livius eignen Worten Cap. 33. militibus Varronianis, quibus L. Apustius legatus Tarenti praeerat, lese ich hier mit Duker: Terentianum Tarentum mitti. Und eben so gleich nachher: Et XXV naves P. (nicht M.) Valerio datae sunt. Denn in eben dem Cap. 38. nennt Livius selbst diesen Valerius, dem die 25 Schiffe gegeben waren, Publius. Man vergl. Drakenb. Note, und die von ihm angeführte Stelle Cap. 16, 13., nach welcher P. Valerius Flaccus in diesem Jahre Legat war. gehen lassen. Auch dem Publius Valerius wurden fünfundzwanzig Schiffe gegeben, um die Seeküste zwischen Brundusium und Tarent decken zu können. Eine gleiche Anzahl von Schiffen wurde dem Stadtprätor Quintus Fulvius bestimmt, um die Küste in der Nähe von Rom zu schützen. Dem Proconsul Cajus Terentius wurde aufgetragen, im Picenischen Gebiete eine Werbung anzustellen, und jene Gegend in Schutz zu nehmen. Auch wurde Titus Otacilius Crassus, nachdem er den Tempel der Mens auf dem Capitole eingeweihet hatte, mit dem Oberbefehle über die Flotte nach Sicilien geschickt.

33. Auf diesen Kampf zweier der mächtigsten Völker auf Erden hatten alle Könige und Nationen ihre 58 Aufmerksamkeit gerichtet; und unter ihnen Philipp, König von Macedonien, so viel ernstlicher, je näher er Italien war, und nur durch das Ionische Meer von ihm geschieden wurde. So wie er auf den ersten Ruf von Hannibals Übergange über die Alpen sich über den zwischen den Römern und Puniern ausgebrochenen Krieg gefreuet hatte, so hatte er doch, so lange das Übergewicht noch unentschieden war, bei sich selbst gewankt, welchem von beiden Völkern er den Sieg am liebsten gönnen sollte. Als jetzt schon mit der dritten Schlacht der dritte Sieg auf Punischer Seite stand, neigte er sich dem Glücke zu und schickte Gesandte an den Hannibal, welche mit Umgehung der Hafen Brundusium und Tarent – denn diese waren von Römischen Wachtschiffen besetzt – bei dem Tempel der Juno Lacinia an das Land stiegen. Da sie von hier durch Apulien ihren Weg auf Capua nahmen, geriethen sie mitten unter die Römischen Posten, und wurden vor den Prätor Marcus Valerius Lävinus geführt, der in der Nähe von Luceria sein Lager hatte. Hier sagte Xenophanes, das Haupt der Gesandschaft, ohne im mindesten verlegen zu sein, König Philipp habe ihn geschickt, um mit dem Römischen Volke Freundschaft und Bündniß zu schließen; er habe Aufträge an die Consuln, an den Römischen Senat und an das Volk.

Der Prätor über den neuen Beitritt eines so berühmten Königs mitten unter dem Abfalle der alten Bundsgenossen hocherfreut, nahm seine Feinde als Freunde höflich auf, gab ihnen eine Begleitung mit, die ihnen genau die Wege mit der Bemerkung zeigen mußten, welche Plätze und welche Pässe von den Römern, oder von den Feinden besetzt wären. So kam Xenophanes durch die Römischen Posten nach Campanien, und von hier, sobald er ihm nahe genug war, in Hannibals Lager, und schloß mit ihm einen Vertrag und ein Bündniß unter folgenden Bedingungen: «König Philipp solle mit einer möglichst großen Flotte – und er schien zweihundert Schiffe stellen zu können – nach Italien übersetzen, die Seeküste verheeren und seinerseits am Kriege zu Lande und 59 zu Wasser Theil nehmen. Am Ende des Krieges solle ganz Italien mit der Stadt Rom selbst den Carthagern gehören und alle Beute dem Hannibal heimfallen. Wenn man sich Italien unterworfen habe, dann wollten sie zur See nach Griechenland kommen, und derCum quibus regibus.] – Ich trete mit Doujat und Crevier der von Gronov vorgeschlagenen Lesart regi bei. Die Abschreiber glaubten, dem Worte regi den Casus des vorangehenden quibus geben zu müssen. Allein regibus kann hier der Ablativ nicht sein 1) weil Philipp, ehe er an Kriege mit Antiochus oder Ptolemäus, Eumenes, Prusias etc. denken durfte, mit Athen, Ätolien und den Achäern, lauter Freistaten, erst fertig sein mußte; 2) dann müßte folgen: Quae regna continentis – – ad Macedonium vergunt: es folgt aber quae civitates. Wollte man aber regibus für den Dativ nehmen, und darunter Philipps Familie, Regentenstamm und Nachfolger verstehen (etwa wie I. 39. init. Clamore – orto excitos reges): so dünkt mich 1) die Bedeutung wäre zu gesucht, 2) wäre der Dativ so unmittelbar hinter dem Ablativ quibus nicht ohne Härte. König werde die Feinde zu bestimmen haben, gegen die es gelten solle. Alle an Macedonien stoßenden Staten des festen Landes und alle nahen Inseln sollten dem Philipp und seinem Reiche gehören.»

34. Ungefähr auf diese Bedingungen kam der Vertrag zwischen dem Punischen Feldherrn und den Macedonischen Gesandten zu Stande: und die diesen mitgegebenen Bevollmächtigten, welche ihn vom Könige selbst bestätigen lassen sollten, Gisgo, Bostar und Mago, gelangten wieder bis zum Tempel der Juno Lacinia, wo ihr Schiff auf einem versteckten Ankerplatze stand. Als sie nach ihrer Abfahrt schon die Höhe erreicht hatten, wurden sie von der Römischen Flotte bemerkt, welche Calabriens Küsten deckte. Den vom Publius Valerius Flaccus ausgeschickten Jachten, welche das Schiff einholen und zurückbringen sollten, suchten die Macedonier anfangs zu entkommen; da sie aber merkten, daß die Römer schneller segelten, ergaben sie sich. Als sie vor den Admiral gebracht wurden, fing Xenophanes auf die Fragen desselben, wer und woher sie wären und wohin ihre Fahrt ginge, wieder an, seine schon einmal glücklich genug geweseneSatis iam semel felix.] – Diese Worte schließt Drakenborch in zwei Commata ein. Dann scheinet felix auf den Xenophanes gezogen zu werden. Crevier hingegen hat diese Commata nicht: und ich habe mit ihm felix auf mendacium gezogen. Lüge wieder aufzutischen: «Er 60 sei von Philipp an die Römer gesandt: bis zum Marcus Valerius sei er gekommen, weil bis zu ihm, aber auch nur zu ihm, der Weg sicher gewesen sei: denn durch Campanien zu kommen, das er ganz von feindlichen Posten umstellt gefunden habe, sei ihm unmöglich gewesen.» Als aber Hannibals Gesandten durch ihre Punische Tracht und Ihr Äußeres Verdacht erregten, und bei den an sie gethanen Fragen ihre Sprache sie verrieth, so kam man durch besondere Abhörung ihrer Bedienten und angebrachte Drohungen dem Briefe Hannibals an Philipp und den Verabredungen zwischen dem Macedonischen Könige und dem Punischen Feldherrn auf die Spur. Nach erhaltener hinlänglichen Kenntniß fand man am besten, die Gefangenen und ihr Gefolge je eher je lieber nach Rom zum Senate oder zu den Consuln abführen zu lassen, wo diese auch sein möchten. Hierzu suchte man die fünf besten Schnellsegler aus, gab ihnen den Lucius Valerius Antias als Befehlshaber mit, und trug ihm auf, die Gesandten auf alle Schiffe zur abgesonderten Bewachung zu vertheilen, und dahin zu sehen, daß keiner den andern sprechen oder ihm Mittheilungen machen könne.

Um eben diese Zeit faßten zu Rom die Väter – auf den Bericht des von der Verwaltung Sardiniens abgegangenen Aulus Cornelius Mammula über den Zustand der Insel, daß Alles dort nach Krieg und Abfall aussehe; daß sein Nachfolger Quintus Mucius, weil er gerade bei der ungesunden Jahrszeit und anhaltenden Nässe eingetroffen sei, durch eine zwar nicht gefährliche, aber langwierige Krankheit auf längere Zeit außer Stand gesetzt werde, sich dem Sturme des Krieges zu unterziehen; und daß das dortige Heer bei aller hinreichenden Stärke, die Provinz in Friedenszeiten zu schützen, doch für einen Krieg, der jetzt allem Anscheine nach zum Ausbruche komme, viel zu schwach sei – den Beschluß ab: Quintus Fulvius Flaccus solle fünftausend Mann zu Fuß und vierhundert zu Pferde ausheben, diese Legion je eher je 61 lieber nach Sardinien übersetzen lassen, und ihr nach seiner Wahl einen Befehlshaber mitgeben, der sich den Kriegsgeschäften so lange unterzöge, bis Mucius wieder hergestellt sei. Hierzu wurde Titus Manlius Torquatus abgeschickt, welcher zweimal Consul, auch Censor gewesen war und in seinem Consulate die Sardinier unterjocht hatte. Fast um eben diese Zeit wurde eine von Carthago, unter Anführung Hasdrubals, mit dem Beinamen der Kahle, ebenfalls nach Sardinien gesandte Flotte, die ein schrecklicher Sturm übel zurichtete, an die Balearischen Inseln verschlagen; und darüber, daß hier die Schiffe ans Land gezogen und wieder ausgebessert werden mußten – so sehr waren nicht bloß Masten und Ruder, sondern selbst die Rümpfe beschädigt – ging viele Zeit verloren.

35. In Italien, wo es mit dem Kriege nach der Schlacht bei Cannä nicht so rasch ging, weil auf der einen Seite die Kraft gebrochen, auf der andern der Trieb erschlafft war, unternahmen es die Campaner für sich allein, den Stat von Cumä sich zu unterwerfen; zuerst dadurch, daß sie die Cumaner zum Abfalle von Rom zu bereden suchten: und als dies nicht gelang, legten sie es darauf an, sie durch List zu fangen. Die sämtlichen Campaner hatten bei Hamä einen festgesetzten Opfertag. Sie ließen den Cumanern sagen, der Campanische Senat werde sich dort einfinden, und baten, auch der Senat von Cumä möge hinkommen, um durch gemeinschaftliche Berathung es dahin zu bringen, daß beide Völker dieselben Freunde und Feinde hätten: sie würden dort Mannschaft unter den Waffen haben, um vor den Römern, wie vor den Puniern, außer Gefahr zu sein. Die Cumaner, waren sie gleich nicht ohne Besorgniß einer Hinterlist, erklärten sich doch zu Allem bereit: sie glaubten, auf diese Art eine Falle von ihrer Seite so viel besser verdecken zu können.

Der Consul Tiberius Sempronius, der indeß nach Musterung seiner Truppen zu Sinuessa, wohin er sie auf einen gewissen Tag zum Sammelplatze beschieden hatte, 62 über den Fluß Vulturnus gegangen war, setzte sich in der Nähe von Liternum. Weil er hier ein ruhiges Standlager hatte, so ließ er die Soldaten fleißig Übungen machen, damit die Neulinge – sie bestanden größtentheils aus Freiwilligen vom Sklavenstande – der Fahne folgen und sich in der Linie zu ihrer Schar finden lernten. Hierbei hatte der Feldherr sein Hauptaugenmerk darauf gerichtet, und dies auch den Legaten und Obersten zur Vorschrift gemacht, «ja nicht dadurch, daß man irgend jemand seinen vormaligen Stand vorrückte, die Stände unter einander zu entzweien. Der alte Soldat solle sichs gefallen lassen, dem jungen, der Freigeborne, dem Freigekauften sich gleichgestellt zu sehen. Jeder solle die für ehrenwerth und edelbürtig achten, denen das Römische Volk seine Waffen und Fahnen anvertrauet habe. Dieselbe Noth, welche diesen Schritt zu thun geboten habe, gebiete auch, da man ihn gethan habe, ihn zu verfolgen.» Angelegentlicher konnten die Anführer diese Befehle nicht geben, als die Soldaten sie befolgten; und in kurzer Zeit waren alle zu einem so einmüthigen Ganzen geworden, daß es fast in Vergessenheit kam, aus welchem Stande jeder ins Heer getreten sei.

Unter diesen Beschäftigungen meldeten dem Gracchus Gesandte von Cumä den Antrag, der ihnen vor einigen Tagen von den Campanern durch eine Gesandschaft gethan sei und was sie selbst darauf geantwortet hätten. Von morgen an daure das Fest drei Tage. Die Campaner würden hier nicht allein ihren ganzen Senat, sondern auch ein Lager und ein Heer haben. Gracchus, der die Cumaner Alles vom Lande in die Stadt zusammenfahren und in ihren Mauern bleiben hieß, brach den Tag vor der festgesetzten Campanischen Opferfeier nach Cumä auf. Hamä liegt von da dreitausend Schritte. Schon hatten sich hier die Campaner der Verabredung gemäß zahlreich versammelt, und nicht weit davon stand Marius Alfius, der Medixtuticus, – bei den Campanern höchstes Oberhaupt – mit vierzehntausend Bewaffneten in einem versteckten Lager, allein weit eifriger auf die 63 Zurüstungen zum Opfer bedacht und dabei zugleich auf Vorbereitung des Überfalls, als auf Befestigung seines Lagers, oder irgend ein kriegerisches Geschäft. Die Opferfeier bei Hamä warTriduum sacrificatum.] – Perizonius beweiset die Unrichtigkeit der Lesart sacrificatum. Er schlugt sacrificandum vor, und Drakenb. billigt dies, sagt aber, was auch Stroth anführt, Crevier wolle sacrificatur lesen und daraus folgern, daß auch noch zu Livius Zeiten dies Campanische Opfer bei Hamä üblich gewesen sei. Wenn dies Drakenb. aus Creviers größerer Ausgabe hat, die ich nicht gesehen habe, so hat es doch Crevier in der kleinern von 1747, die ich vor mir habe, zurückgenommen. Denn da sagt Crevier: Videmur legere debere sacrificabatur, id est, sacrificari mos erat. – Dies Imperfectum sacrificabatur passet freilich sehr gut zu dem gleich folgenden erat; allein des Perizonius Lesart sacrificandum zu nocturnum erat nicht weniger, und hat, wie Drakenb. bemerkt, noch das für sich, daß man leichter einsieht, wie aus sacrificádum das unrichtige sacrificatum entstand. dreitägig; die heilige Handlung ging bei Nacht vor sich, doch mußte sie vor Mitternacht vollzogen sein. Da Gracchus diesem Augenblicke auflauren zu müssen glaubte, so ließ er, nach Besetzung der Thore, damit niemand sein Vorhaben hinausmelden könne, und nachdem er seine Soldaten angehalten hatte, bis zur zehnten Tagesstunde sich zu pflegen und zu schlafen, damit sie mit dem ersten Dunkel auf sein Zeichen sich sammeln könnten, gegen die erste Nachtwache den Aufbruch erfolgen: und da er in aller Stille ausgerückt war, drang er, so wie er um Mitternacht bei Hamä eintraf, durch alle Thore zugleich in das von den Campanern – es war ja Nachtfeier – vernachlässigte Lager: tödtete sie theils, so wie sie im Schlafe hingestreckt lagen, theils wie sie von dem vollzogenen Opfer unbewaffnet zurückkamen. Mehr als zweitausend Menschen verloren in diesem nächtlichen Überfalle samt ihrem Heerführer Marius Alfius ihr Leben: man erbeutete vierunddreißig Fahnen.

36. Gracchus, der mit einem Verluste von nicht vollen hundert Mann das feindliche Lager erobert hatte, zog sich geschwind nach Cumä zurück, weil ihm vor Hannibal bange war, der oberhalb Capua auf der Höhe Tifata sein Lager hatte. Und er hatte sich in dem, was er vorauszusehen glaubte, nicht geirrt. Denn kaum erfuhr man diese Niederlage zu Capua, als Hannibal, der 64 das Heer von Neulingen und großentheils Sklaven über den Sieg in ausgelassener Freude, noch bei Hamä über der Beraubung der Erschlagenen und Wegschaffung der Beute anzutreffen hoffte, in schnellem Zuge vor Capua vorbeieilte, die auf ihrer Flucht ihm begegnenden Campaner unter mitgegebener Bedeckung nach Capua bringen und die Verwundeten auf Wagen hinfahren ließ. Er fand bei Hamä das Lager von den Feinden geräumt, und nichts als die Spuren eines frischen Blutbades und allenthalben die Leichen seiner Bundesgenossen hingestreckt. Einige riethen ihm, sogleich von hier auf Cumä zu gehen und die Stadt anzugreifen. So innig dies Hannibal selbst wünschte, um wenigstens, weil es ihm mit Neapolis nicht gelungen war, an Cumä eine Seestadt in Besitz zu haben, so zog er sich doch, da der Soldat bei dem schnellen Aufbruche nichts als die Waffen mitgenommen hatte, wieder in sein Lager auf Tifata zurück. Auf unablässiges Bitten der Campaner kam er Tages darauf von dort mit allem zum Sturme auf eine Stadt nöthigen Zubehöre wieder vor Cumä, und lagerte sich, nach gänzlicher Verheerung des Cumanischen Gebiets, tausend Schritte von der Stadt, in welcher Gracchus stehen blieb, mehr, weil er sich schämte, Bundesgenossen, die ihn und das Römische Volk um Rettung anflehten, in einer solchen Noth zu verlassen, als daß er sich ganz auf sein Heer hätte verlassen können. Auch der andre Consul, Fabius, der bei Cales sein Lager hatte, wagte sich nicht über den Fluß Vulturnus, zuerst durch Wiedereinholung der Götterleitung behindert, dann durch schlimme Vorbedeutungen, die ihm eine über die andre gemeldet wurden: und als er sie durch Sühnopfer abwenden lassen wollte, zeigten ihm die Priester an; daß es schwer sei, ein günstiges Opfer zu erhalten.

37. Da diese Gründe den Fabius festhielten, so blieb Sempronius in der Stadt eingeschlossen; und sie wurde schon mit Werken bestürmt. Gegen einen ungeheuern hölzernen Thurm, der auf die Stadt anrückte, führte der Römische Consul auf der Mauer selbst einen 65 andern beträchtlich höheren auf, weil er bei ZiehungSubiectis validis sublicis.] – Wenn wir die Lesart subiectis behalten, so müßte sich dies Wort auf ein dabei hinzuzudenkendes turri beziehen: muro – per se alto, quum turri subiiceret validas sublicas, pro solo usus erat. Ich vermuthe aber, daß dies subiectis aus supiectis entstanden sei. Dann würde ich dies superiectis lieber auf muro beziehen. So wurde aus supererat multidudo I. 6, 3. superat mult., aus prope 37. 49, 2. probe, aus supersit 21. 10, 3. subsit; u. s. w. der starken Grundbalken die an sich schon hohe Mauer als Unterlage genutzt hatte. Von hieraus behaupteten die Vertheidiger ihre Mauern und ihre Stadt anfangs mit Steinen, Pfählen und anderem Geschosse; zuletzt, als sie sahen, daß der herangerollte Thurm an die Mauer stieß, warfen sie vermittelst brennender Fackeln auf einmal eine Menge Feuer hinein. Und als die Menge von Bewaffneten durch den Brand in voller Verwirrung sich vom Thurme herabstürzte, brachte ein aus zwei Thoren zugleich unternommener Ausfall die feindlichen Posten zum Weichen und trieb sie in ihr Lager zurück, so daß die Punier an diesem Tage eher die Belagerten, als die Belagerer, zu sein schienen. An tausend dreihundert Carthager wurden getödtet und neunundfunfzig Gefangene gemacht, welche an der Mauer und auf ihren Posten in aller Sorglosigkeit und Unordnung, weil sie nichts weniger, als einen Ausfall, befürchteten, ehe sie sich dessen versahen, abgeschnitten wurden. Ehe sich die Feinde von dem plötzlichen Schrecken erholten, gab Gracchus das Zeichen zum Rückzuge und barg seine Truppen hinter den Mauern. Am folgenden Tage stellte Hannibal, in der Voraussetzung, der Consul werde, muthig durch sein Glück, sich in eine förmliche Schlacht einlassen, zwischen seinem Lager und der Stadt seine Linie auf. Als er aber niemand von der gewöhnlichen Bewachung der Stadt sich entfernen, nichts im Vertrauen auf gut Glück unternehmen sah, zog er sich unverrichteter Sachen auf Tifata zurück,

In eben den Tagen, an welchen Cumä von der Einschließung befreiet wurde, war auch in Lucanien bei Grumentum Tiberius Sempronius mit dem Zunamen 66 Longus in einem Gefechte mit dem Punier Hanno glücklich. Er erlegte über zweitausend Feinde, verlor nur zweihundert achtzig Mann, und erbeutete etwa einundvierzig Fahnen. Hanno, aus den Gränzen Lucaniens weggeschlagen, zog sich wieder in das Bruttische zurück. Auch wurden durch den Prätor Marcus Valerius den Hirpinern drei Städte, welche vom Römischen Volke abgefallen waren, mit Sturm wieder abgenommen, Vercellium, Vescellium und SicilinumVercellium, Vescellium, Sicilimim et auctores ] – Ich folge dieser von Stroth aufgenommenen Lesart, welche Gronov aus der Puteanischen, Petavischen und Menardischen Handschrift gab, und Drakenb. in der Florentinischen bestätigt fand.; und die Urheber des Abfalls mit dem Beile enthauptet. Über tausend Gefangene wurden öffentlich verkauft, die übrige Beute dem Soldaten überlassen, und das Heer nach Luceria zurückgeführt.


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