Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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37. Auch in andern Städten erwachte die Neigung zu einem gleichen Abfalle, und an mehrern Orten wurden die Römischen Besatzungen entweder aus der Burg vertrieben, oder, wenn man sie treulos verrathen hatte, niedergehauen.

Henna war theils auf einer ragenden, von allen Seiten steilen Anhöhe durch seine Lage unüberwindlich; theils hatte es eine starke Besatzung, und an der Spitze dieser Besatzung einen Mann, der sich gewiß keiner Belistigung bloß gab. Dieser war Lucius Pinarius, ein Mann von Unternehmung, der die Unmöglichkeit, hintergangen zu werden, für sicherer hielt, als die Treue der Sicilianer, und vorzüglich jetzt bei den vielen Erzählungen von Verrath und Abfall der Städte und von niedergehauenen Besatzungen gegen Alles so viel eifriger auf seiner Hut war. Also war Alles bei Tage so gut, wie bei Nacht, mit Posten und Wachen versehen und besetzt, und nie trat der Soldat unter dem Gewehre aus oder von seinem Posten ab. Als die Oberhäupter zu Henna, die dem Himilco den Verrath der Besatzung schon zugesagt hatten, jetzt wahrnahmen, daß der Römische Feldherr aller ihrer List nie eine Blöße gebe, so wollten sie ganz offen zu Werke gehen. «Stadt und Burg,» sagten sie, «müßten in ihrer Gewalt sein, wenn sie sich den Römern als freie Leute zum Bunde, nicht als Sklaven zur Haft, hingegeben hätten. Darum hielten sie es für billig, daß die Thorschlüssel ihnen ausgeliefert würden. Für redliche Bundesgenossen sei eigene Treue das stärkste Band; und nur dann könne ihnen das Römische Volk und der Senat Dank wissen, wenn sie aus freiem 147 Willen, und nicht als die Gezwungenen, in der Freundschaft beharreten.»

Hierauf erwiederte der Römische Befehlshaber: «Er sei von seinem Feldherrn hier zur Besatzung eingelegt und habe die Thorschlüssel und die Wache auf der Burg von ihm erhalten, so daß er beides weder seinem eigenen, noch der Hennenser, sondern dem Gutbefinden dessen verdanke, der es ihm übergeben habe. Auf Abgang vom Posten stehe bei den Römern der Kopf, und dieses Gesetz hätten Väter sogar durch die Hinrichtung ihrer Kinder unverbrüchlich gemacht. Der Consul Marcellus sei in der Nähe: sie möchten sich mit ihren Gesandten an Den wenden, der hierüber zu gebieten und zu verfügen habe.» Sie hingegen wollten sich zu keiner Absendung verstehen und versicherten, wenn sie mit Worten nichts ausrichteten, so würden sie sich ihre Freiheit auf irgend eine Art zu verschaffen suchen. Da sagte Pinarius: «Wenn sie es denn zu beschwerlich fänden, den Consul zu beschicken, so möchten sie ihn vor dem Volke auftreten lassen, damit er erführe, ob diese Zumuthung von einigen Wenigen, oder von der gesammten Bürgerschaft herrühre.» Und mit ihrer Zustimmung wurde die Versammlung auf den folgenden Tag bestellt.

38. Als er aus dieser Unterredung sich auf die Burg zurückbegeben hatte, hielt er an seine zusammenberufenen Soldaten folgende Rede. «Ich glaube, ihr werdet gehört haben, Soldaten, wie die Römischen Besatzungen von den Sicilianern in diesen Tagen überlistet und zu Grunde gerichtet sind. Dieser List seid ihr zuvörderst durch die Gnade der Götter, dann aber auch durch die Beharrlichkeit entgangen, mit welcher ihr Tag und Nacht unter den Waffen und wach geblieben seid. Möchten wir auch auf die Folge die Zeit hinbringen können, ohne Scheuslichkeiten entweder zu leiden, oder zu begehen! Gegen heimliche List bleibt uns das Vorsichtsmittel, dessen wir uns bis jetzt bedient haben; weil es ihnen aber damit nicht glücken will, so fordern sie die Thorschlüssel geradezu und unverhohlen; und so wie wir diese abliefern, wird 148 Henna den Augenblick Carthagisch sein, und wir noch jämmerlicher zusammengehauen werden, als die Besatzung zu Murgantia gemordet ist. Mit Mühe habe ich mir eine einzige Nacht als zur Überlegung erbeten, um euch in dieser Nacht von der drohenden Gefahr zu benachrichtigen. Mit Anbruch des Tages werden sie eine Versammlung halten, um mich zu beschuldigen und gegen euch das Volk aufzuwiegeln. Am morgenden Tage also wird Henna entweder mit eurem, oder mit Hennensischem Blute überschwemmt werden. Lasset ihr euch zuvorkommen, so habt ihr nirgends die mindeste Hoffnung; seid ihr selbst die Zuvorkommenden, nirgends die mindeste Gefahr. Wer zuerst das Schwert zieht, dem gehöret der Sieg. So wartet denn Alle aufmerksam und bewaffnet auf mein Zeichen. Ich werde in der Versammlung sein, und bis Alles fertig ist, die Zeit mit Schwatzen und Zanken hinbringen. Wenn ich mit meinem Rocke das Zeichen gebe, dann fallet – hört ihr? – mit ringsum erhobenem Geschreie über den Haufen her, strecket Alles mit dem Schwerte zu Boden, und lasset ja Niemand übrig bleiben, von dem Gewalt oder List sich fürchten ließe. Euch, Mutter Ceres und Proserpina, und ihr übrigen himmlischen und unterirdischen Gottheiten, in deren Schutze diese Stadt und diese euch geheiligten Seen und Haine stehen, euch flehe ich an, nur dann uns willig und gnädig beizustehen, wenn wir diese Maßregel ergreifen mußten, uns selbst vor Tücken zu retten, nicht aber, sie auszuüben. Euch, Soldaten, würde ich angelegentlicher ermuntern, wenn dies ein Kampf mit Bewaffneten sein müßte. So aber werdet ihr Unbewaffnete, nichts weniger Erwartende, niederzuhauen haben, bis ihr dessen müde seid. Auch ist ja des Consuls Lager in der Nahe, so daß ihr vom Himilco und den Puniern nichts zu fürchten haben könnt.»

39. Als er sie mit dieser Ermunterung entlassen hatte, nahmen sie Stärkung zu sich. Am folgenden Tage stellten sie sich, diese hier, jene dort, indem sie sich zur Besetzung der Wege und zur Sperrung der Ausgänge 149 aufpflanzten, größtentheils oberhalb des Versammlungsplatzes und um ihn her, auch schon früher nicht ungewohnt, bei den Volksversammlungen Zuschauer zu sein. Als der Römische Befehlshaber, von der Obrigkeit vor das Volk geführt, seine Behauptung, daß es dem Consul und nicht ihm zukomme, über diesen Punkt zu entscheiden und zu verfügen, und meistentheils wieder, wie gestern, dasselbe vorgebracht hatte; und jene anfangs deutlich genug und schon in größerer Zahl; dann aber Alle einstimmig die Auslieferung der Schlüssel verlangten, bei seiner Unschlüssigkeit und Zögerung ihm trotzig droheten und der äußersten Gewalt sich nicht länger enthalten zu wollen schienen: da gab er mit seinem Rocke das verabredete Zeichen. Und die Soldaten, schon lange darauf wartend und gefaßt, fielen theils nach erhobenem Geschreie von oben herab der Versammlung in den Rücken, theils stellten sie sich dichtgedrängt vor die Ausgänge des Platzes. Die Hennenser, im Käfige eingeschlossen, wurden niedergehauen, und stopften sich nicht bloß in dem Gemetzel, sondern auch durch die Flucht, da Einige den Andern über die Köpfe fortstürzten, und die Unverwundeten, wenn sie über die Verwundeten, die Lebenden, wenn sie über die Todten gefallen waren, in Haufen zusammenlagen. Von hier aus ging der Angriff nach allen Seiten, und wie in einer eroberten Stadt, gab es allenthalben Gemetzel und Flucht, da die Soldaten ohne alle Rücksicht, daß sie auf einen wehrlosen Haufen einhieben, eben so wüthend waren, als ob sie Leben gegen Leben setzten oder ein heißer Kampf sie erbitterte.

So wurde Henna durch eine That behauptet, die entweder schlecht, oder nothwendig war. Marcellus, der das, was einmal geschehen war, nicht misbilligte, erkannte auch die in Henna gemachte Beute den Soldaten zu, weil er glaubte, die Sicilianer würden, hiedurch abgeschreckt, ihrer Verräthereien an den Besatzungen sich entsehen. Wirklich durchdrang auch der Ruf von dem Unglücke dieser Stadt, die mitten in Sicilien lag, und theils durch ihre natürlich feste Lage, theils durch eine Menge heiliger Spuren der vormals hier geraubten Proserpina berühmt war, 150 beinahe in Einem Tage die ganze Insel. Weil man aber die Sache so ansah, als hätten sich die Römer durch dies unerhörte Gemetzel nicht bloß an einem Wohnsitze der Menschen, sondern auch der Götter, versündigt, so traten nunmehr alle, die schon vorher gewankt hatten, zu den Puniern über.

Hippocrates und Himilco, die, von den Verräthern gerufen, ihre Truppen vergeblich vor Henna geführt hatten, zogen sich von hier, jener nach Murgantia, dieser nach Agrigent zurück. Marcellus ging wieder rückwärts ins Leontinische, und nachdem er Getreide und andre Vorräthe in sein Lager zusammengefahren, fand er sich mit Hinterlassung einer mäßigen Besatzung bei der Einschließung von Syracus ein, und setzte, weil er den Appius Claudius zur Bewerbung um das Consulat von hier nach Rom entließ, an dessen Stelle den Titus Quinctius Crispinus über die Flotte und das alte Lager. Er selbst verschanzte sich in einem Winterlager fünftausend Schritte von Hexapylon – der Ort hat den Namen Leon – und baute es aus. So viel geschah in Sicilien bis zu Anfange des Winters.

40. In eben dem Sommer kam auch der Krieg mit dem Könige Philippus, dessen man sich schon versehen hatte, zum Ausbruche. Es kamen Gesandte von Oricum zum Proprätor Marcus Valerius, welcher mit seiner Flotte Brundusium und die Calabrische Küstengegend zu decken hatte, und meldeten, Philippus habe zuerst mit hundert und zwanzig kleinen Fahrzeugen, stromaufwärts auf dem AousFlumine adverso.] – Wenn hier von Alexandrien die Rede wäre, so wüßte der Leser, daß unter flumen adversum kein andrer als der Nil, zu verstehen sei. Sollte Livius vorausgesetzt haben, daß der kleine Fluß Aous (er heißt auch Aeas) bei Apollonia, auch ungenannt den Lesern bekannt sei? ich vermuthe, hinter dem Worte flumine sei wegen Ähnlichkeit mit dem gleich folgenden adv das Wort aoo weggefallen. Falls sich diese Vermuthung auch nicht zur Aufnahme in den Text eignete, so mag sie in der Übersetzung als Nachweisung stehen., einen Versuch auf Apollonia gemacht; als ihm aber dies Unternehmen nicht geschwind genug gelungen sei, sei er heimlich in der Nacht mit seinem Heere vor Oricum gerückt und habe diese in einer Ebene gelegene, 151 weder durch Mauern, noch durch Mannschaft und Waffen geschützte Stadt im ersten Sturme überrascht. Mit dieser Anzeige verbanden sie die Bitte, er möge ihnen helfen, und diesen unstreitigen Feind der Römer, [der vom Lande aus die Hand nach dem Meere ausstrecke,]Romanis terra aut maritimis viribus.] – Crevier sagt: Msc. hic corruptissimi sunt. Alle Editoren wünschen hier eine Verbesserung. Hier ein Versuch. Philipp legte es von seinem Reiche aus durch seine jetzigen Unternehmungen zu Lande darauf an, die Seestädte, Italien gegenüber, in seine Gewalt zu bekommen, um von hier aus die Römer so viel näher und nachdrücklicher zu bekriegen. So etwas stellen, wie mich dünkt, die Gesandten von Oricum dem Römischen Befehlshaber vor. Sollte dieser Sinn vielleicht in den Worten liegen: hostem haud dubium Romanis, mare attrectantem ab terra, maritimis urbibus arceret, quae ob nullam aliam caussam, quam quod imminerent Italiae, peterentur. Die Worte mare attrectantem ab terra nehme ich aus den Spuren der Puteanischen Handschrift: mae actgrra acterra; die Lesart urbibus hat schon Ursinus aus einem alten Msc. vorgeschlagen, und quae findet sich im Florentinischen und noch einem andern. Ab terra hätte hier dann eben die Bedeutung, wie 28, 6. Oppidum munitum ab terra (a parte mediterranea) oder wie 38, 32. a mari fines eorum vastati. Auch ist das Wort attrectare in dieser Bedeutung dem Livius nicht fremd. Er sagt attrectare signum deae, attrectare fasces atque insignia etc. von den Seestädten abhalten, die er aus keiner andern Ursache angreife, als weil sie Italien nahe gegenüber lägen. Marcus Valerius, der zur Sicherung. seines Postens den Legaten Publius Valerius zurückließ, und den Theil seiner Mannschaft, welchen die Kriegsschiffe nicht fassen konnten, auf Lastschiffe brachte, kam Tages darauf mit seiner wohlbemannten und schlagfertigen Flotte zu Oricum an, und nahm diese Stadt bei der schwachen Besatzung, welche Philippus bei seinem Abzuge von hier zurückgelassen hatte, ohne großen Kampf wieder in Besitz. Hier fanden sich Gesandte von Apollonia mit der Anzeige ein, man halte sie, weil sie nicht von den Römern abfallen wollten, eingeschlossen, und sie könnten, wenn ihnen die Römer keine Hülfe schickten, dem Angriffe der Macedonier nicht länger widerstehen. Er versprach ihnen, ihre Bitte zu gewähren, und schickte unter einem Obersten der Bundesgenossen, dem Quintus Nävius Crista, einem muntern und kriegserfahrnen Manne, zweitausend auserlesene Soldaten auf Kriegsschiffen an die Mündung des Flusses. Nachdem dieser seine Leute gelandet und die Schiffe nach Oricum, 152 woher sie kamen, zur Flotte zurückgeschickt hatte, führte er sein Kohr in einiger Entfernung vom Flusse einen Weg, den die königlichen Truppen gar nicht besetzt hatten, und rückte bei Nacht, ohne von einem Feinde bemerkt zu werden, in die Stadt. Den folgenden Tag hielten sie sich ruhig, indeß der Oberste die Mannschaft der Apolloniaten, die Waffen und Kräfte der Stadt in Augenschein nahm. Da ihn ihr Anblick bei dieser Musterung mit gegründetem Muthe erfüllte, und er zugleich durch seine Kundschafter die große Sorglosigkeit und Nachlässigkeit der Feinde erfuhr, so rückte er in tiefer Nacht in aller Stille aus der Stadt, und fand das feindliche Lager bei seinem Eintritte so vernachlässigt und offen, daß man gewiß weiß, es waren schon tausend Mann eingerückt, ehe es jemand merkte; und sie hätten bis zum königlichen Zelte vordringen können, wenn sie sich vom Gemetzel zurückgehalten hätten. Daß man die nächsten am Thore niederhieb, dies machte die Feinde wach. Nun aber überfiel Schrecken und Bestürzung Alle in so hohem Grade, daß nicht allein Niemand daran dachte, zu den Waffen zu greifen, oder die Vertreibung der Feinde aus dem Lager zu versuchen, sondern daß auch selbst der König, so wie er aus dem Schlafe aufgesprungen war, fast als ein halbnackter Flüchtling, in einem Aufzuge, der sich kaum für einen Soldaten, geschweige für einen König schickte, dem Flusse und den Schiffen zueilte. Dahin strömte auch der übrige Haufe. Etwas weniger als dreitausend Mann wurden im Lager entweder gefangen oder getödtet: doch waren der Gefangenen bei weitem mehr, als der Erschlagenen. Nach Plünderung des Lagers führten die Apolloniaten die Katapulten, Ballisten und das übrige schwere Geschütz, was zum Sturme auf ihre Stadt angelegt war, zur Vertheidigung ihrer Mauern in einer ähnlichen Lage, nach Apollonia ab. Die sämtliche übrige Lagerbeute wurde den Römern preisgegeben.

Als dies nach Oricum gemeldet wurde, führte Marcus Valerius seine Flotte sogleich vor die Mündung des Flusses, damit der König nicht zu Schiffe die Flucht nehmen könne. Also ging Philippus, der sich zu einem 153 Gefechte, so wenig zu Lande, als zur See, stark genug hielt, nachdem er seine Schiffe ans Ufer gezogen undAut incensis.] – Ich folge Dukers Vermuthung, daß man statt subductis aut incensis lesen müsse: subductis atque incensis. verbrannt hatte, zu Lande nach Macedonien, mit einem Heere, das großentheils waffenlos und ausgezogen war. Die Römische Flotte überwinterte mit dem Marcus Valerius zu Oricum.

41. In Spanien hatten die Unternehmungen in diesem Jahre wechselndes Glück. Denn ehe die Römer über den Ebro gingen, schlugen Mago und Hasdrubal große Spanische Heere; und das jenseitige Spanien würde von den Römern abgefallen sein, wäre nicht Publius Cornelius mit seinem in aller Eile über den Ebro gesetzten Heere bei der wankenden Stimmung seiner Bundesgenossen zu rechter Zeit eingetroffen. Zuerst hatten die Römer ihr Lager bei dem WeißenAd Castrum Altum.] – Nach Drakenborch's Zeugnisse findet sich Castrum Altum nirgends weiter genannt, als hier; und Diodorus Siculus, der doch älter ist, als alle unsre Msc., nennt den Ort ausdrücklich άκρα Λευκή. Auch weiset Drakenb. noch andre Stellen nach, wo altus und albus verwechselt sind. Ich glaube also, Castrum Album übersetzen zu müssen. Schlosse: der Ort ist dadurch merkwürdig, daß hier der große Hamilcar umkam. Dies war eine Bergfestung und die Römer hatten hier schon früher Getreide zusammengefahren. Dennoch zogen sie von hier, weil rund umher die Menge Feinde stand, auch die feindliche Reuterei ungestraft in den Zug der Römer eingehauen und an zweitausend theils Nachzügler, theils in den Dörfern Zerstreute, getödtet hatte, dem Gebiete ihrer Freunde näher, und nahmen am Berge der Victoria ein festes Lager. Hieher kam Cneus Scipio mit allen seinen Truppen, und Hasdrubal, Gisgons Sohn, als der dritte Punische Feldherr mit einem vollständigen Heere, und alle drei nahmen jenseit des Flusses ihre Stellung dem Römischen Lager gegenüber. Publius Scipio, der mit einem fliegenden Kohre in der Stille ausgerückt war, um die Gegend in Augenschein zu nehmen, blieb den Feinden nicht unbemerkt, und sie würden ihn im freien Felde vernichtet 154 haben, wenn er sich nicht auf einen nahen Hügel gezogen hätte. Auch hier umzingelt, wurde er durch seinen dazukommenden Bruder von der Einschließung befreiet. Castulo, eine feste und angesehene Spanische Stadt, und mit dem Puniern in so genauer Verbindung, daß Hannibal von hier seine Gemahlinn hatte, fiel an die Römer ab. Die Carthager ließen sich auf die Bestürmung von Illiturgis ein, weil hier eine Römische Besatzung lag, und es schien, als würden sie den Ort vorzüglich durch Hunger erobern. Cneus Scipio, der den Bundesgenossen und der Besatzung zu Hülfe zu kommen, mit einer Legion ohne Gepäck aufbrach, drang mit großem Verluste der Feinde, zwischen ihren beiden Lagern durch, in die Stadt, und that am folgenden Tage einen eben so glücklichen Ausfall. Sie verloren in diesen zwei Gefechten über zwölftausend Mann; mehr als tausend wurden gefangen und sechsunddreißig Fahnen erbeutet. Natürlich folgte der Abzug von Illiturgis. Nun begannen die Carthager die Belagerung von Bigerra, ebenfalls einer Römischen Bundesstadt. Scipio's Ankunft machte ohne Schlacht der Einschließung ein Ende.

42. Von hier brach das Punische Lager nach Munda auf, und dahin folgten die Römer sogleich. Hier fochten sie beinahe vier Stunden lang, Heer gegen Heer; und mitten im schönsten Siege mußte den Römern das Zeichen zum Rückzuge gegeben werden, weil Cneus Scipio mit einem Wurfspieße durch den Schenkel geschossen war: die Besorgniß, daß die Wunde tödtlich sein möchte, hatte die ihn zunächst umgebenden Soldaten bestürzt gemacht. Übrigens litt es keinen Zweifel, daß man das Punische Lager, wäre nicht dies Hinderniß eingetreten, an diesem Tage hätte erobern können. Schon waren nicht allein die Soldaten, sondern auch die Elephanten bis an den Wall zurückgedrängt, und neununddreißig Elephanten auf dem Walle selbst mit Wurfpfeilen niedergeschossen. Auch in diesem Treffen sollen an zwölftausend Mann geblieben, beinahe dreitausend Gefangene gemacht und siebenundfunfzig Fahnen genommen sein.

Darauf zogen sich die Punier nach der Stadt 155 Auringe zurück, und die Römer folgten ihnen, um die Geschreckten nicht loszulassen. Hier lieferte Scipio, der sich in einer Sänfte in die Linie tragen ließ, abermals eine Schlacht: und der Sieg blieb nicht zweifelhaft, obgleich nur halb so viel Feinde fielen, als das vorigemal, weil der Streitbaren so viel weniger übrig waren. Aber eine Familie, wie die Barcinische, zur Erneurung und Wiederbelebung der Kriege wie geboren, ergänzte durch den von seinem Bruder auf Werbung abgeschickten Mago das Heer in kurzer Zeit, und machte ihm Muth, den Kampf von neuem zu wagen. Indeß da die meisten übrigen Soldaten für eine in wenig Tagen so oft besiegte Partei nicht mit höherem Muthe fochten, als vorhin, so war auch jetzt der Erfolg derselbe. Über achttausend Mann blieben, nicht viel weniger als tausend wurden gefangen, fünfundachtzig Fahnen genommen, und die Beute bestand meistens in einer großen Menge Gallischer goldener Halsketten und Armbänder. Auch zwei angesehene Fürsten der Gallier, sie hießen Mönicaptus und Civismarus, fielen in diesem Treffen: acht Elephanten wurden gefangen, drei getödtet.

Da jetzt die Sachen in Spanien so günstig standen, so fanden es die Römer nun auch beschämend, wenn die Stadt Sagunt, die Veranlassung zum Kriege, schon ins fünfteOctavum iam annum.] – Schon mehrmals ist es gerügt, daß Livius, wenn er sich nicht selbst widersprechen soll, nicht geschrieben haben könne octavo, sondern quinto. Die Fahrlässigkeit der Abschreiber bei Zahlen haben wir schon oft gesehen. Waren in der Lesart Vto nur noch die drei stärkern Striche der Silbe to sichtbar, so las sie der Abschreiber für III, und so entstand die falsche Lesart octavo. Jahr in Feindes Händen sein sollte. Sie nahmen den Ort nach Vertreibung der Punischen Besatzung wieder ein, gaben ihn den alten Bewohnern, so viele die Wuth des Krieges verschont hatte, zurück, bezwangen auch die Turdetaner, welche jenen den Krieg mit den Carthagern zugezogen hatten, verkauften sie zu Sklaven und zerstörten ihre Stadt.

43. Dies wurde unter dem Consulate des Quintus Fabius und Marcus Claudius in Spanien verrichtet. In Rom setzte, gleich nach dem Antritte der neuen 156 Bürgertribunen, Lucius Metellus, ein Bürgertribun, den Censoren Publius Furius und Marcus Atilius einen Gerichtstag vor dem Gesamtvolke an. Wegen der von ihm bei Cannä angestifteten Verschwörung, Italien zu verlassen, hatten sie ihn als Quästor im vorigen Jahre, nach Abnahme des Ritterpferdes, aus seinem Bezirke gestoßen und zum Steuersassen gemacht. Allein durch den Beitritt der andern neun Tribunen erhielten sie den Befehl, sich während ihres Amtes nicht vor Gericht zu verantworten, und blieben unangefochten. Daß sie die Schatzung nicht schlossen, daran war der Tod des Publius Furius Schuld. Marcus Atilius legte sein Amt nieder.

Die Consulnwahl wurde vom Consul Quintus Fabius Maximus gehalten. Zu Consuln wählte man zwei Abwesende, den Quintus Fabius Maximus, des Consuls Sohn, und den Tiberius Sempronius Gracchus zum zweitenmale. Prätoren wurden Marcus Atilius und die dermaligen Curulädilen Publius Sempronius Tuditanus und Cneus Fulvius Centumalus; ferner Marcus Ämilius Lepidus. Man hat es dem Gedächtnisse aufbewahrt, daß in diesem Jahre zum erstenmale die Curulädilen vier Tage nach einander Vorstellungen auf der Schaubühne geben ließen. Nach beendigten Wahlen traten auf Antrieb des Consuls Quintus Fabius die neuernannten Consuln, die man deshalb nach Rom berief, ihr Amt an: sie thaten beim Senate Anfrage wegen des Krieges, wegen ihrer eignen und der Prätoren Kriegsbezirke, auch wegen der Heere, was für welche man gebrauchen und wer sie befehligen solle: und die Standorte des Krieges nebst den Heeren wurden so vertheilt:

44. Der Krieg gegen den Hannibal wurde den Consuln übertragen, und von den Heeren das eine, welches Sempronius selbst, und das andre, welches der Consul Fabius gehabt hatte. Jedes bestand aus zwei Legionen. Der Prätor Marcus Ämilius, dem die Gerichtsbarkeit über die Auswärtigen zugefallen war, sollte seine Gerichtspflege seinem Amtsgenossen, dem Stadtprätor Marcus Atilius übertragen, die Gegend um Luceria zu seinem 157 Standorte und die beiden Legionen haben, welche der nunmehrige Consul Quintus Fabius als Prätor befehligt hatte. Dem Publius Sempronius gab das Los die Kriegsführung bei Ariminum, dem Cneus Fulvius die bei Suessula, jedem eben so mit zwei Legionen, so daß Fulvius die in der Stadt geworbenen Legionen zu führen hatte, und Tuditanus die vom Manius Pomponius übernahm. Mit Beibehaltung des Oberbefehls und Wirkungskreises ließ man dem Marcus Claudius Sicilien, so weit sich das Reich des Hiero erstreckt hatte, dem Proprätor Lentulus die alte Römische Eroberung, dem Titus Otacilius die Flotte. Zugaben an Truppen bekamen sie nicht. Dem Marcus Valerius blieb Griechenland und Macedonien nebst der Legion und Flotte, die er schon hatte; dem Quintus Mucius Sardinien mit dem alten Heere: es bestand aus zwei Legionen; dem Cajus Terentius seine bisherige Legion und das Picenum. Außerdem sollten zwei Legionen in der Stadt und zwanzigtausend Mann Bundesgenossen ausgehoben werden. Dies waren die Feldherren, dies die Truppen, die man zum Schutze des Römerreichs gegen so viele gleichzeitige entweder schon ausgebrochene oder noch zu fürchtende Kriege aufstellte.

Nachdem die Consuln zwei Legionen in der Stadt geworben und Ergänzungen für die übrigen ausgehoben hatten, besorgten sie noch vor ihrem Aufbruche aus der Stadt die Sühne der einberichteten Unglückszeichen. Der Blitz hatte in die Mauer und in Thore eingeschlagen, und zu Aricia war sogar Jupiters Tempel vom Blitze getroffen. Auch andere Täuschungen des Gesichts und des Gehörs hatte man für wirkliche Erscheinungen genommen. Auf dem Flusse bei Tarracina wollte man Kriegsschiffe gesehen haben, und doch fand man keine: im Tempel des Jupiter Vicilinus, der im Gebiete von Compsa steht, sollten Waffen geklirrt haben, und der Fluß zu Amiternum blutig geflossen sein. Nachdem die Consuln die Abwendung dieser Zeichen einem Erkenntnisse der Oberpriester gemäß besorgt hatten, rückten sie aus; Sempronius nach Lucanien, Fabius nach Apulien. Der Vater ging, 158 als Unterfeldherr bei seinem Sohne, in das Lager bei Suessula. Als ihm der Sohn entgegen ging, und die vor ihm herschreitenden Lictoren aus Achtung für das ehrwürdige Haupt ohne Anruf vorübergingen, so war der Greis schon vor elf Ruthenbündeln vorbeigeritten, als der Consul den letzten Lictor aufforderte, seine Schuldigkeit zu thun, und dieser dem Greise zurief, er solle absteigen. Jetzt endlich sprang der Vater herab und sagte: «Ich wollte nur sehen, mein Sohn, ob du es gehörig wüßtest, daß du Consul bist.»

45. In dieses Lager kam Dasius Altinius, ein Arpiner, heimlich in der Nacht mit drei Sklaven, und versprach gegen eine Belohnung Arpi zu verrathen. Als Fabius die Sache vor den Kriegsrath brachte, meinten Einige: «Einen Menschen von solchem Doppelsinne, den gemeinsamen Feind beider Parteien, müsse man als einen Überläufer peitschen und hinrichten lassen. Nach der Niederlage bei Cannä sei er, als ob sich die Treue auf die Seite des Glückes halten müsse, zum Hannibal übergegangen und habe Arpi zum Abfalle verleitet. Jetzt, da die Sache Roms gegen seine Hoffnung und Wünsche gleichsam erstände, biete er dafür, ihrer Meinung nach noch niederträchtiger, den vorhin Verrathenen einen neuen Verrath an; er stehe immer auf der Partei, mit deren Gegnern er es halte, als treuloser Bundsgenoß, als unschädlicher Feind. Man müsse in ihm den Überläufern zur Warnung ein Beispiel aufstellen, das sich als das dritte an die Verräther der Stadt Falerii und des Pyrrhus anschließe.»

Dagegen sagte Fabius, des Consuls Vater: «Sie schienen ihm, der Zeitumstände uneingedenk, mitten unter den Flammen des Krieges, gerade wie im Frieden, über jeden ohne Rückhalt schalten zu wollen, da sie, statt dahin zu arbeiten und darauf zu sinnen, wenn es irgend möglich zu machen sei, keinen Bundsgenossen von Rom abfallen zu lassen, dies aus der Acht ließen; ja sogar, wenn sich einer eines Bessern besönne und sich wieder nach der alten Freundschaft umsähe, von 159 aufzustellenden Beispielen sprachen. Wenn man von den Römern abtreten, aber nicht wieder zu ihnen zurückkehren dürfe, wem es dann nicht einleuchte: daß in Kurzem die Sache Roms, von ihren sämtlichen Bundsgenossen verlassen, alle Völker in Italien durch Verträge an Carthago gekettet sehen werde. Indeß sei er gar nicht der Mann, der dazu rathe, dem Altinius im mindesten zu trauen: er wolle sich an einen Mittelweg halten. Man solle ihn, ohne ihn gleich jetzt für einen Feind,? oder für einen Freund zu nehmen, unter freier Haft in irgend eine treue Stadt in der Nähe des Lagers, so lange der Krieg daure, in Verwahrung geben: dann habe man nach Beendigung des Krieges zu beherzigen, ob der frühere Abfall strafwürdiger, oder die spätere Rückkehr verzeihlicher sei.»

Die Stimmen erklärten sich für den Fabius. Altinius wurde in Ketten gelegt und für seine Person samt seiner Begleitung in Gewahrsam gegeben. Eine ansehnliche Summe Goldes, die er diesmal mitgebracht hatte, ließ man ihm aufbewahren. Zu Cales ging er bei Tage ohne Ketten, von der Wache begleitet; des Nachts war er gefänglich eingeschlossen. Zu Arpi vermißte man ihn zuerst in seinem Hause und suchte ihn; dann erregte das durch die ganze Stadt sich verbreitende Gerücht, da in ihm einer der ersten Männer verschwunden war, einen Auflauf, und aus Furcht vor einer Umwälzung fertigte man sogleich Boten an den Hannibal ab. Hannibal, der sich diese Mittheilung durchaus nicht leid sein ließ, weil er den Altinius als einen zweideutigen Mann schon lange in Verdacht hatte und jetzt einen Vorwand bekam, die Güter eines so reichen Mannes in Besitz zu nehmen und zu verkaufen; um doch die Leute glauben zu lassen, daß er sich hier nicht sowohl von Habsucht, als von Rache leiten lasse, erlaubteCrudelitatem quoque gravitati.] – Ich übersetze nach Stroth's glücklicher Vermuthung: crudelitatem quoque aviditati. seiner Raubgier sogar eine Grausamkeit. Er ließ die Gattinn und Kinder des Altinius 160 ins Lager holen, sie dann, zuerst über dessen Entweichung, nachher über den Belauf des im Hause gebliebenen Goldes und Silbers peinlich vernehmen, und sobald er die nöthige Auskunft hatte, lebendig verbrennen.

46. Fabius, der von Suessula aufbrach, verfolgte zunächst den Angriff auf Arpi. Als er hier in einer Entfernung von etwa fünfhundert Schritten sein Lager aufgeschlagen hatte, beschloß er nach einer näheren Besichtigung der Lage der Stadt und ihrer Mauern, gerade gegen den festesten Theil der Werke anzurücken, weil er hier vorzüglich die Besetzung vernachlässigt sah. Wie Alles, was zum Sturme auf Städte gebraucht wird, herbeigeschafft war, las er im ganzen Heere die tüchtigsten Hauptleute aus, nahm zu den Obersten, die er über sie setzte, Männer von Muth, gab ihnen sechshundert Soldaten mit, so viele ihm hinlänglich schienen, und den Befehl, wenn sie zur vierten Nachtwache blasen hörten, an jener Stelle die Sturmleitern anzuschlagen. Hier war ein niedriges und enges Thor an einer in diesem öden Theile der Stadt wenig besuchten Straße. Sobald sie vermittelst der Leitern die Mauer überstiegen hatten, sollten sieEam portam scalis prius transgressos ad murum.] – Die Übersetzung folgt der von Roellius vorgeschlagenen Versetzung des Wörtchens ad, und interpungirt so: ad eam portam, scalis prius transgressos murum, pergere, et ex etc. sich an dies Thor machen und von innen das Schloß erbrechen; wenn sie dann im Besitze dieses Theiles der Stadt waren, mit dem Horne ein Zeichen geben, damit er auch die übrigen Truppen anrücken lassen könne: er werde Alles bereit und schlagfertig halten.

Es wurde ungesäumt vollzogen: und was ihnen bei der Unternehmung ein Hinderniß werden zu wollen schien, war ihnen vorzüglich behülflich, unbemerkt zu bleiben. Ein Platzregen, welcher um Mitternacht anfing, nöthigte die feindlichen Posten und Wachen mit Verlassung ihres Standortes in die Häuser zu flüchten, ließ sie anfänglich vor dem Rauschen des gießenden Sturmschauers das Getöse der am Thore Brechenden nicht hören, und wie er 161 nun nachließ und dem Ohre mehr eintönig klang, brachte er Vielen von ihnen den Schlaf. Als die Römer im Besitze des Thors waren, mußten die auf dem Wege in gleichen Entfernungen aufgestellten Hornbläser in das Horn stoßen, um den Consul heranzurufen. So wie das verabredete Zeichen erfolgte, rief der Consul zum Aufbruche und rückte kurz vor Tage durch das gesprengte Thor in die Stadt.

47. Jetzt endlich wurden die Feinde wach, da der Regen schon aufhörte und der Tag im Anbrechen war. Die Stadt hatte eine Besatzung vom Hannibal, beinahe fünftausend Mann stark, und die Arpiner selbst stellten dreitausend. Um sich vor diesen gegen jede Untreue in ihrem Rücken zu sichern, stellten die Punier sie gegen den Feind voran. Anfangs focht man im Finstern und in engen Gassen. Als darauf die Römer nicht bloß die Straßen, sondern auch die nächsten Häuser am Thore besetzt hatten, um von oben vor Schuß und Wunde sicher zu sein; erkannten sich einige Arpiner und Römer gegenseitig und nun kam es zu Unterredungen. Die Römer fragten: Was denn die Arpiner hierin eigentlich suchten? Was ihnen die Römer zu Leide gethan, noch mehrQuod autem ob meritum.] – Duker schon wünschte statt aut lieber autem zu lesen. Und Stroth hat diese Lesart, der ich hier folge, aus dem Palatinischen Msc. Nr. 2. in den Text genommen. was sie den Puniern zu verdanken haben könnten, daß sie deswegen als Italier auf der Seite von Ausländern und Barbaren gegen ihre alten Bundesgenossen, die Römer, Krieg führten, und Africanern Italien zinsbar und steuerpflichtig machen wollten? Die Arpiner sagten zu ihrer Entschuldigung, sie wären, ohne es zu wissen, von ihren Oberhäuptern an die Punier verkauft und von einigen Wenigen überlistet und unterjocht. Nach diesem Anfange besprachen sich schon Mehrere mit Mehreren. Endlich wurde der Arpinische Prätor von seinen Leuten zum Consul begleitet, und da man sich unter Fahnen und Schlachtreihen Freundschaft zugesichert hatte, wandten plötzlich die Arpiner ihre Waffen als Freunde der Römer gegen 162 die Carthager. Auch gingen beinahe tausend Spanier, die sich beim Consul nichts weiter ausbedungen, als daß die Punische Besatzung freien Abzug bekäme, mit ihren Fahnen zu ihm über. Den Carthagern öffnete man die Thore, hielt ihnen bei der Entlassung Wort, und sie kamen unangefochten zum Hannibal nach Salapia. So war Arpi ohne alles Unglück, das ausgenommen, welches jenen alten Verräther und neuen Überläufer traf, wieder auf Römische Seite getreten. Den Spaniern ließ man doppelte Kost reichen, und sie leisteten durch ihre Tapferkeit und Treue dem State manchen Dienst.

Als der eine Consul in Apulien, der andre in Lucanien stand, kamen hundert und zwölf edle Campanische Ritter, die unter dem Vorwande, auf feindlichem Boden plündern zu wollen, mit Erlaubniß ihrer Obrigkeit aus Capua ausgerückt waren, an das oberhalb Suessula stehende Römische Lager. Sie sagten dem Posten, wer sie wären, und daß sie den Prätor zu sprechen wünschten. Den Oberbefehl im Lager hatte Cneus Fulvius. Als sie ihm gemeldet wurden, und er von den Zehn, die er aus ihrer Anzahl unbewaffnet vor sich bringen ließ, ihre Forderungen vernommen hatte – sie baten aber um weiter nichts, als daß ihnen nach der Wiedereroberung von Capua ihre Güter zurückgegeben würden – nahm er sie Alle als Freunde auf.

Auch die Stadt Aternum wurde erobert, von dem andern Prätor, Sempronius Tuditanus. Über siebentausend Menschen fielen in seine Gewalt und eine ganze Menge geprägtes Kupfers und Silbers. In Rom währte eine schreckliche Feuersbrunst zwei Nächte und einen Tag. Zwischen den Salzgruben und dem Carmentalischen Thore brannte Alles nieder, auch das Aquimälium und die Jugarische StraßeJugarioque vico.] – Drakenb. führt aus dem Festus an, Vicum Jugarium nomen habuisse ab ara Junonis Jugae, quae ibi fuit.. Das weit um sich greifende Feuer vernichtete auch im Tempel der Fortuna, der Mutter Matuta und der Spes außerhalb dem Thore, geweihete und ungeweihete Sachen in Menge.

163 48. In eben diesem Jahre erweiterten die beiden Scipione, Publius und Cneus, da ihre Sachen in Spanien erwünscht standen, und sie theils viele ehemalige Bundesgenossen wiedergewannen, theils viele neue dazu bekamen, ihre Aussichten sogar bis nach Africa. Syphax, König von Numidien, brach unerwartet mit Carthago. An ihn schickten sie drei Hauptleute als Gesandte, um Freundschaft und Bündniß mit ihm zu schließen, und ihn zu versichern, wenn er durch Fortsetzung des Krieges den Carthagern zu schaffen machte, so würde er sich dadurch den Römischen Senat samt dem Volke verbinden, und sie würden sichs angelegen sein lassen, zu seiner Zeit und in reichlichem Maße es zu vergelten. Dem fremden Könige war dieser Antrag willkommen, und da er sich mit den Gesandten über die Art der Kriegsführung besprach, so ergab es sich ihm bei den Äußerungen dieser alten Krieger, aus dem Vergleiche eines so wohlgeordneten Kriegswesens, wie Manches ihm selbst noch unbekannt sei. Da bat er sie: «Das Erste, was sie ihm als gute und treue Bundesgenossen zu Liebe thäten, müsse das sein, daß Zwei von ihnen mit der Antwort auf ihre Sendung zu ihren Feldherren zurückgingen, Einer aber als Aufseher des Kriegswesens bei ihm bliebe. Seine Numider wären mit dem Kriegsdienste zu Fuß völlig unbekannt, wären bloß gut eingeritten; so hätten schon seit den frühesten Zeiten ihres Volks ihre Vorfahren die Kriege geführt; und so wären sie selbst gewöhnt. Er habe aber einen Feind vor sich, der sich auf sein Fußvolk verlasse: wenn er es dem in der Stärke gleichthun wolle, so müsse auch er sich ein Fußvolk schaffen. Und Leute genug könne sein Reich dazu hergeben; nur die Kunst, sie zu bewaffnen, zusammenzustellen und einzuüben, verständen sie nicht. Bei ihnen bestehe Alles, wie bei einem blindlings zusammengelaufenen Haufen, in der großen ungeregelten Masse.»

Die Gesandten antworteten, sie wollten es vorerst so machen, wie er es wünsche; ließen sich aber von ihm versprechen, wenn ihre Feldherren ihre Zustimmung nicht 164 geben sollten, daß er dann jenen sogleich zurückschicken wolle. Quintus Statorius hieß der, welcher bei dem Könige zurückblieb. Mit den beiden übrigen Römern schickte der Numidische König Gesandte nach Spanien, um sich von den Römischen Feldherren die Zusage geben zu lassen. Auch trug er ihnen auf, sofort die Numider, welche unter Carthagischen Truppen als Hülfsvölker dienten, zum Übergange zu vermögen. Auch Statorius hob dem Könige bei einem Überflusse an Mannschaft ein Fußvolk aus, lehrte die Leute, die er auf Römischen Fuß einreihete, in ihren Stellungen und Entwickelungen der Fahne folgen und Glied halten; und machte sie mit der Schanzarbeit und Allem, was der Soldat zu leisten hat, so vertraut, daß sich der König bald auf sein Fußvolk eben so sehr verlassen konnte, als auf seine Reuterei, und wirklich die Carthager im freien Felde Mann gegen Mann in einer vollständigen Schlacht besiegte. Auch den Römern in Spanien gereichte die Ankunft der königlichen Gesandten zum großen Vortheile. Auf den bloßen Ruf davon erfolgte von Seiten der Numider ein Übertritt nach dem andern. So kam das Bündniß der Römer mit Syphax zu Stande. Als dies die Carthager erfuhren, ließen sie sogleich an den Gala, welcher den andern Theil Numidiens beherrschte, – das Volk hat den Namen Massyler – eine Gesandschaft abgehen.

49. Gala hatte einen Sohn, Namens Masinissa, welcher erst siebenundzwanzigSeptem et decem.] – Wesseling und Duker (man sehe Drakenborchs Anmerkung) haben dargethan, daß Masinissa damals nicht 17, sondern 27 Jahre alt war. Er war, wenn ich die Jahrrechnung, welcher Stroth am Rande seiner Ausgabe folgt, beibehalte, im Jahre Roms 512 geboren, und starb in einem Alter von 92 Jahren im J. R. 604. Also war er im J. R. 539, dessen Geschichte Livius in unserm Cap. verfolgt, nicht 17, sondern 27 Jahre alt. Die Abschreiber lasen statt VII et XX. unrichtig VII et X. aus einer Verwechselung des zweiten X mit dem folgenden A, wie in lanX und lanA. 40, 59. 8. Jahre alt war, allein ein junger Mann von solchen Anlagen, daß man schon damals voraussehen konnte, er werde dem Reiche einen größern Umfang und Wohlstand geben, als es bei seinem Antritte gehabt habe. Die Gesandten stellten vor: «Weil 165 Syphax sich den Römern angeschlossen habe, um sich durch das Bündniß mit ihnen gegen die Könige und Völker Africa's mehr Stärke zu geben, so werde auch Gala besser thun, wenn er sich sogleich mit Carthago verbände, ehe noch Syphax nach Spanien, oder die Römer nach Africa übersetzten. Den Syphax könne man, so lange er vom Römischen Bündnisse noch weiter nichts, als den Namen habe, leicht bezwingen.»Gala wurde, da sich sein Sohn für diesen Krieg als Führer anbot, ohne Mühe überredet, ein Heer abzusenden; und dieses, mit den Carthagischen Legionen in Verbindung, besiegte den Syphax in einer Hauptschlacht. Dreißigtausend Menschen sollen in diesem Treffen geblieben sein. Syphax entfloh mit wenigen Reutern vom Schlachtfelde zu den Maurusischen Numidern, welche ganz hinten am Oceane, Gades gegenüber wohnen, und da auf den bloßen Ruf von ihm die Barbaren von allen Seiten herbeiströmten, so hatte er in kurzem wieder ein großes Heer in den Waffen. Ehe er mit diesem nach Spanien über die scheidende schmale Meerenge setzen konnte, erschien Masinissa mit seinem siegreichen Heere, und führte hier den Krieg mit dem Syphax zu seinem großen Ruhme ganz allein ohne alle Mitwirkung von Seiten der Carthager.

In Spanien selbst fiel nichts vor, was eine Erwähnung verdient hätte, außer daß die Römischen Feldherren die Truppen der Celtiberier für eben den Sold, um welchen sie mit den Carthagern eins geworden waren, auf ihre Seite brachten, und über dreihundert Spanier aus den besten Häusern nach Italien schickten, um ihre unter Hannibals Hülfsvölkern dienenden Landsleute zum Abfalle zu vermögen. Nur dies zeichnet sich als Denkwürdigkeit vom diesjährigen Spanischen Feldzuge aus, daß damals die Celtiberier die ersten Lohntruppen waren, welche die Römer in ihrem Heere gehabt haben.


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