Titus Livius
Römische Geschichte
Titus Livius

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23. Eben diese Hitze fand sich auch im Römischen Heere und bei dem einen Feldherrn; und dem Wagstücke eines augenblicklichen Kampfes stand weiter nichts entgegen, als die Weisheit und der Oberbefehl eines einzigen Mannes, der von einem langsamen Gange des Krieges eine Gelegenheit erwartete, seine Kräfte durch seinen Plan zu verstärken. Desto andringlicher wurde der Feind: und schon stellte er nicht bloß vor seinem Lager seine Linie auf, sondern schritt in die Mitte des Feldes vor und zeigte sich dadurch, daß er beinahe auf die feindliche Verschanzung heranrückte, im stolzen Vertrauen auf seine Stärke. Dies sahen die Römischen Soldaten mit Unwillen; noch weit unwilliger der andere Kriegstribun Lucius Furius, rasch durch Jugend und Sinnesart, und jetzt durch die Aussichten des großen Haufens gehoben, der seinen Muth auch aus den unzuverlässigsten Dingen nimmt. Er ermunterte die ohnehin schon aufgebrachten Soldaten dadurch noch mehr, daß er das Übergewicht seines Amtsgenossen von einer Seite, der einzigen, auf der er ihm beikommen konnte, von der seines Alters, unter den wiederholten Äußerungen verkleinerte: «Die Kriege gehörten nur für die Jünglinge, und mit dem Körper habe auch der Muth seine Fülle und seine Abnahme. Aus dem raschesten Krieger sei ein Zauderer geworden, und er, der sonst gewohnt gewesen sei, durch seine Ankunft Lager und Städte im ersten Sturme zu erhaschen, bringe jetzt hinter dem Walle die Zeit als der Unthätige hin, in der Hoffnung, daß zur Verstärkung seiner und zur Schmälerung der feindlichen Kräfte – möge Gott wissen, was? welche Gelegenheit etwa, oder Zeitumstand, oder Platz zum Hinterhalte? – sich finden werde. Kälte und Lähmung zeichne die Plane des Greises. Indeß wenn Camillus der Lebensjahre genug habe, so habe er auch des Ruhmes genug. Wozu es aber 42 nöthig sei, daß mit dem absterbenden Körper eines Einzigen zugleich die Kräfte des Stats, welchem Unsterblichkeit gebühre, vergreisen sollten?»

Durch diese Reden hatte er aller Augen im Lager auf sich gewandt, und als von allen Seiten die Schlacht gefordert wurde, sprach er: «Marcus Furius, wir können dem Andrange der Soldaten nicht länger wehren; und der Feind, dessen Muth wir durch Zögern erhöhet haben, ist schon mit durchaus unerträglicher Keckheit der Höhnende. Gieb nach, du als der Eine Allen; laß es geschehen, daß dein Plan überstimmet wird, damit du so viel früher den Krieg als Sieger beendest.»

Hierauf erwiederte Camillus: «In den Kriegen, die er bisher unter seiner alleinigen Aufsicht geführt habe, sei weder er, noch das Römische Volk mit seinen Maßregeln, oder seinem Glücke unzufrieden gewesen. Jetzt wisse er, daß er einen Amtsgenossen habe, der an Recht und Gewalt ihm gleichstehe, durch Jugendkraft vor ihm den Vorzug habe. Er könne also, ob er gleich, was das Heer betreffe, gewohnt gewesen sei, zu leiten, nicht, sich leiten zu lassen, seinen Amtsgenossen nicht in seinem Oberbefehl hindern. Er möge unter dem gnädigen Beistande der Götter handeln, wie er es für des States Bestes halte. Er bitte sogar für sein Alter um die Nachsicht, nicht an der Spitze der Linie stehen zu dürfen; was aber in einer Schlacht einem Greise obliegen könne, das wolle er keinesweges verabsäumen. Nur darum bitte er die unsterblichen Götter, daß nicht etwa ein Unfall seiner Maßregel die Bewährtheit geben möge.»

Weder die Menschen hörten auf den heilsamen Rath, noch die Götter auf dies fromme Gebet. Der Forderer der Schlacht ordnete die erste Linie; dem Hintertreffen gab Camillus Haltung, und pflanzte auch einen starken Posten vor das Lager. Er selbst nahm bei dem Gange einer fremden Leitung als aufmerksamer Zuschauer seinen Stand auf einer Anhöhe.

24. Sobald im ersten Zusammentreffen die Waffen erklangen, wich der Feind, aus List, nicht aus Furcht, 43 zurück. Ihm im Rücken hob sich zwischen seiner Linie und seinem Lager ein mäßiger Hügel, und weil er Truppen die Menge hatte, so hatte er mehrere starke Cohorten unter den Waffen und schlachtfertig dazu im Lager stehen lassen, daß sie während des Gefechts, wenn sich der Feind ihren Werken näherte, hervorbrechen sollten. Der Römer, durch eine nachströmende Verfolgung des weichenden Feindes auf die ihm nachtheilige Stelle gelockt, sah sich diesem Ausfalle bloßgestellt. Folglich ging der Schrecken auf den Sieger über, und die Römische Linie bekam durch den Angriff des neuen Feindes, zugleich durch die Schräge des Abhangs eine Beugung. Die frischen Truppen der Volsker, die aus dem Lager herausgefallen waren, drangen ein, und zugleich erneuerten jene, die zum Scheine geflohen waren, das Gefecht. Schon wich der Römische Soldat nicht bloß rückwärts, sondern uneingedenk seiner heutigen Vermessenheit und seines alten Ruhms, wandte er auf mehrern Punkten den Rücken, und eilte in vollem Laufe seinem Lager zu, als Camillus, der, sobald ihn seine Begleitung auf sein Pferd geworfen hatte, schnell sein Hintertreffen vorschob, ihnen entgegenrief: «Ist das die Schlacht, Soldaten, die ihr gefordert habt? Wo ist der Mensch, wo der Gott, den ihr anklagen könntet? Nur ihr seid es, deren Verwegenheit dort, nur ihr, deren Feigheit hier die Schuld trägt. Seid ihr einem andern Führer gefolgt, so folgt nun dem Camillus, und erfechtet, wie ihr unter meiner Führung gewohnt seid, den Sieg. Wozu den Blick auf den Wall und das Lager. Es soll keinen von euch aufnehmen, der nicht Sieger ist!»

Zuerst hemmte die Beschämung ihren Heransturz. Dann, als sie sahen, daß die Fahnen gewandt, die Linie dem Feinde wieder zugekehrt wurde, und der Feldherr, bei seiner Auszeichnung durch so viele Triumphe auch durch sein Alter ehrwürdig, im Vordertreffen sich aussetzte, wo Kampf und Gefahr am dringendsten war; schalt jeder sich selbst und die andern, und in muthigem Geschreie durchlief gegenseitige Ermunterung die ganze Linie.

Auch ließ es der andre Tribun an sich nicht fehlen; 44 sondern von seinem Amtsgenossen, der die Linie des Fußvolks wiederherstellte, an die Reuterei geschickt, ersuchte er, ohne sich auf Verweise einzulassen – denn hierzu hatte er sich durch seine Theilnahme an ihrer Schuld das Ansehen vergeben – nein, ganz vom Befehlen zum Bitten herabgestimmt, sie einzeln und insgesamt, «sie möchten ihn, da er das Schicksal des heutigen Tages zu verantworten habe, vom Vorwurfe retten. Ohne Zustimmung, ja gegen die Abmahnung meines Amtsgenossen gab ich mich lieber der Unbesonnenheit Aller zum Theilnehmer hin, als der Vorsicht des Einen. Camillus sieht, in beiden Fällen des Ausgangs für euch, für sich nichts als Ruhm: ich aber werde, – und hierin bin ich gerade am schlimmsten daran– wenn die Schlacht nicht wieder hergestellt wird, Misgeschick mit Allen, die Schande allein tragen.»

Bei der wankenden Lage des HeersWeil kein einziges Msc. inter fluctuantem aciem lieset, will Stroth diesen von Drakenborch angenommenen Vorschlag Gronovs nicht gelten lassen. Ich glaube, er hat nicht Unrecht. Davon nachher. Allein seiner Erklärung: Optimum visum est, equos calonibus tradi, eosque liberos passim ragari in fluctuantis aciei speciem sinere, kann ich nicht beipflichten: 1) weil die Knechte mit den Pferden doch irgend wo, falls die Ritter wieder aufsitzen wollten, still halten mußten, folglich equi calonibus traditi unmöglich liberi ac passim vagantes, folglich auch keine acies fluctuans sein können; 2) weil auch Livius einen Haufen herumlaufender Pferde keine acies nennen kann; 3) wenn es Stroth unschicklich findet, daß Livius hier einer fluctuans acies (militum) erwähnen soll, weil dies schon zur Gnüge vorher zu erkennen gegeben sei, so würde es ja einem Livius noch weit weniger zu verzeihen sein, wenn er da, wo die Worte fluctuans acies (militum) unstatthaft sein sollen, diese dennoch gebrauchte, aber ihnen einen weit ungewöhnlicheren Sinn beilegte und diese acies fluctuans von den Pferden verstanden wissen wollte. Dies hieße ja vorsetzlich den Leser irre führen; 4) die ganze Wortfügung, daß tradere eqos in fluctuantem aciem so viel heißen soll, als etwa facere, ut traditi calonibus equi fluctuanti aciei similes essent oder tradere calonibus in formam vel speciem aciei fluctuantis, scheint mir eben so unlateinisch, als nach dem, was ich (nº. 3) gesagt habe, vollends hier nicht ohne Härte; 5) auch finde ich die Behauptung Stroths, daß Livius hier die Erwähnung einer acies fluctuans durch das Vorhergesagte durchaus unnöthig gemacht habe, so daß er als ein loquax oder garrulus erscheinen müßte, wenn er hier von einer acies fluctuans (militum) reden wollte, durchaus ungegründet. Livius hatte uns vorher die Römer als die Fliehenden gezeigt, als terga vertentes; dann den Camillus, wie er diese Flucht zu hemmen sucht. Durch diese Versuche Camilli restituentis aciem peditum war sie ja noch nicht acies restituta, sondern ehe sie dies werden konnte, mußte sie nach der gehemmten Flucht erst wieder in eine acies fluctuans übergehen. Und hier holt ja Livius nicht etwa besonders aus; er sagt nicht, die acies wurde nun fluctuans, sondern als bei Gelegenheit sagt er: Bei dieser acies fluctuans schien es am besten gethan, die Pferde etc. Wo läge in dieser Kürze die garrulitas?– Ich möchte lieber das Komma von est hinter das Wort aciem setzen: Optimum visum est in fluctuantem aciem, tradi equos. Ohne dies als ein Beispiel mehr, von jener bekannten Construction anzusehen: Esse in amicitiam ditionemque populi Rom.; in potestatem hostium esse; in Ciliciam fore und mit Liv. XXIV. 8. si stantibus vobis in aciem; würde ich doch besonders in dieser Stelle die den meisten ähnlichen Stellen zum Grunde liegende Tendenz wohin, oder Verhältniß wozu in diesem in mit dem Accusativ eben so wenig verkennen, als in den Ausdrücken in praesens, in reliquum, in rem esse u. s. w., wovon Drakenborch (Liv. XXII. 3. 2.) aus Livius selbst und Cicero die Menge von Beispielen anführt, auch aus dem Tacitus (Hist. III. 8.) Coloniam copiis validam auferre Vitellio, in rem famamque videbatur. Und ich glaube, daß mein optimum in fluctuantem aciem videbatur eben so gut Livianisch sei, als III, 43. extr. Sepultus est pessima decemvirorum in vulgus invidia. hielten sie es für das Beste, die Pferde abzugeben, und zu Fuß den 45 Feind anzugreifen. Durch Waffen und Muth sich auszeichnend, schritten sie dahin, wo sie ihr Fußvolk am meisten leiden sahen. Führer und Soldaten machten sich den höchsten Wetteifer des Muths zum unerläßlichen Ziele. So wurde denn die Einwirkung der angestrengtesten Tapferkeit für den Ausgang entscheidend: und die Volsker, die in derselben Richtung, in der sie eben noch aus verstellter Furcht gewichen waren, jetzt als wirklich Fliehende fortstürzten, wurden großentheils sowohl im Kampfe, als nachher auf der Flucht niedergehauen; die übrigen dann im Lager, welches die Römer noch in diesem Andrange eroberten; doch wurden hier mehr gefangen, als getödtet.

25. Als man hier bei der Musterung der Gefangenen mehrere Tusculaner erkannte, so wurden diese von den übrigen abgesondert, vor die Tribunen geführt, und auf näheres Befragen gestanden sie, nicht ohne öffentliche Erlaubnis gedient zu haben. Camillus, gegen einen in dieser Nähe zu besorgenden Krieg nicht gleichgültig, sagte, «Er wolle sogleich die Gefangenen nach Rom führen, damit den Vätern der Abfall der Tusculaner vom Bündnisse nicht unbekannt bliebe. Sein Amtsgenoß möge indessen, wenn es ihm gefällig sei, Lager und Heer übernehmen.»

Diesem hatte jener Eine Tag die Lehre gegeben, sich mit seinen Maßregeln nicht über bessere wegzusetzen. 46 Dennoch glaubte so wenig er selbst, als jemand im Heere, daß ihm Camillus jenen Misgriff, durch den er das Ganze an den Abgrund der Gefahr gestellt hatte, so völlig vergessen würde; und sowohl im Heere, als zu Rom galt es für eine ausgemachte Sache, daß bei dem wechselnden Erfolge der Schlacht im Volskischen die Schuld des unglücklichen Gefechts und der Flucht den Lucius Furius treffe, alle Ehre des Sieges aber dem Marcus Furius gebühre. Als die Väter, denen die Gefangenen im Senate vorgeführt wurden, für die Eröffnung des Krieges mit den Tusculanern gestimmt, und dem Camillus die Führung desselben übertragen hatten, bat er sie, ihm Einen zum Gehülfen zu geben, und da ihm erlaubt wurde, von seinen Amtsgenossen zu wählen, wen er wolle, wählte er gegen Aller Erwartung den Lucius Furius. Durch diese Selbstbeherrschung besänftigte er nicht allein den schlimmen Ruf seines Amtsgenossen, sondern erwarb auch sich selbst allgemeinen Ruhm.

Mit den Tusculanern kam es aber nicht zum Kriege. Durch Beibehaltung friedlicher Ruhe erwehrten sie sich, was sie mit den Waffen nicht konnten, der Römischen Übermacht. Als ihnen die Römer ins Land rückten, flüchtete aus den dem Zuge nahen Orten niemand; nirgendwo wurde der Feldbau eingestellt. Bei offenen Thoren zogen sie in Friedenskleidung scharweise aus der Stadt den Feldherren entgegen, und freundschaftlich lieferten sie aus der Stadt und von den Dörfern dem Heere Zufuhr ins Lager. Als Camillus, der sein Lager vor den Thoren aufgeschlagen hatte, um zu wissen, ob dies Bild des Friedens, das man ihm im Lande zur Schau stellte, auch in den Ringmauern heimisch sei, in die Stadt rückte, die Hausthüren offen sah, in offenen Buden alles vornehin zum Verkaufe ausgestellt war, die Handwerker alle, jeder mit seiner Arbeit, sich beschäftigten, die Leseschulen von den Stimmen der Lernenden ertönten, auf vollen Gassen unter anderm Pöbel Kinder und Weiber hier und dorthin gingen, wohin jeden seine Bedürfnisse führten, und nirgendwo die mindeste Anzeige von Bestürzung; ja nicht 47 einmal von Verwunderung; so suchte er allenthalben mit spähenden Blicken um sich her, wo denn der Krieg gewesen sein möchte, so wenig war irgendwo eine Spur von etwas auf die Seite Gebrachtem oder nur für jetzt Herbeigeschafftem zu finden, sondern alles war in ungestörtem Frieden so ruhig, daß man hätte glauben sollen, hier habe man auch nicht einmal von einem Kriege gehört.

26. Besiegt durch diese Hingebung der Feinde, ließ er ihren Senat berufen und sprach: «Bis jetzt habt ihr allein, ihr Tusculaner, die rechten Waffen und die rechten Mittel ausfindig gemacht, euer Eigenthum vor dem Zorne der Römer zu schützen. Gehet nach Rom an den Senat: die Väter werden beurtheilen, ob euer früheres Benehmen der Strafe, oder euer jetziges der Verzeihung würdiger sei. Ich bin nicht Willens, den Dank für die Großmuth des Stats mir im Voraus zuzueignen. Nur die Erlaubniß zur Abbitte nehmet von mir. Der Senat wird nach seinem Ermessen den Erfolg eurer Bitten bestimmen.»

Als die Tusculaner nach Rom kamen, und die Senatoren dieser noch kurz zuvor so treuen Bundsgenossen sich in der Vorhalle des Rathhauses in Trauer zeigten; ließen die Väter, auf die sogleich das Mitleiden wirkte, sie schon jetzt mehr gastfreundschaftlich als feindlich vorladen. Der Vortrag des Tusculanischen Dictators lautete so:

«Eben so gewaffnet und schlachtfertig, ihr versammelten Väter, als ihr uns jetzt am Eingange eures Rathhauses stehen seht, zogen wir, gegen die ihr den Krieg erklärtet und eröffnetet, euren Feldherren und Legionen entgegen. So war unser und unserer Bürger Aufzug, und so wird er immer sein, außer wenn wir die Waffen von euch und für euch in Empfang nehmen. Wir sagen euren Führern und euren Heeren Dank, daß sie lieber ihren Augen, als ihren Ohren glaubten, und da, wo keine Feindseligkeit sich fand, auch selbst keine begingen. Wir wollen uns von euch den Frieden erbitten, den wir gehalten haben, und flehen euch an, den Krieg dahin aufzuwenden, wo es dessen geben mag. Sollen wir leidend erfahren; was eure Waffen gegen uns vermögen, so wollen 48 wir unbewaffnet diese Erfahrung machen. Dies ist unsre Gesinnung; mögen die unsterblichen Götter geben, daß sie uns eben so erfreulich werde, als sie pflichtvoll ist! – Was die Beschuldigungen anbetrifft, die euch zur Kriegserklärung gegen uns bewogen haben, so finden wir, ob es gleich unnöthig ist, durch Thatsachen zurückgeworfene Angaben mit Worten zu widerlegen, dennoch für uns größere Sicherheit darin, falls sie wahr sein sollten, sie lieber einzugestehen, da unsre Reue so unverkennbar ist. Mag man sich gegen euch vergehen, wenn ihr die Männer seid, die eine solche Genugthuung verdienen.«

So etwa lauteten die Worte der Tusculaner. Sie erlangten für jetzt den Frieden, und bald nachher sogar das Bürgerrecht. Die Legionen zogen von Tusculum ab.

27. Camillus, ausgezeichnet durch Klugheit und Tapferkeit im Volskischen Kriege, durch Glück im Feldzuge gegen Tusculum, und in beiden durch seltene Nachsicht und Mäßigung gegen seinen Amtsgenossen, legte sein Amt nieder, nachdem unter seinem Vorsitze zu Kriegstribunen auf das folgende Jahr die beiden Valerier, Lucius und Publius, Lucius zum fünften-, Publius zum drittenmale gewählt waren, auch Cajus Sergius zum dritten-, Lucius Menenius zum zweitenmale, Spurius Papirius und Servius Cornelius Maluginensis.

Auch Censorn machte dies Jahr nöthig, hauptsächlich wegen der über die Geldschulden sich widersprechenden Gerüchte, indem die Bürgertribunen den Betrag der gehässigen ForderungenSummam – invidiae eius.] – Invidia nach Drakenborch und Walch soviel, als res invidiosa.sogar noch drückender angaben, während ihn diejenigen zur Kleinigkeit herabsetzten, die ihren Vortheil dabei fanden, wenn die Schwierigkeit des Bezahlens mehr in der Unredlichkeit der Schuldner, als an ihren Umstanden zu liegen schien. Die gewählten Censorn waren Cajus Sulpicius Camerinus, Spurius Postumius Regillensis; und die schon angefangene Untersuchung wurde durch den Tod des Postumius unterbrochen, weil man 49 sich ein Gewissen daraus machte, einem Censor einen nachgewählten Amtsgenossen zu geben. Als nun Sulpicius sein Amt niedergelegt hatte, konnten die zweiten Censorn, weil bei ihrer Wahl ein Fehler vorgefallen war, das Amt nicht führen. Und die dritten zu wählen, fand man anstößig, insofern die Götter die Censur für dieses Jahr nicht zu genehmigen schienen. Dies aber erklärten nun gar die Tribunen für eine unerträgliche Mishandlung des Bürgerstandes. «Der Senat weiche den Schatzungslisten, als Zeugen über das Vermögen jedes Bürgers, aus, weil er die Summe der Schulden nicht zur Schau gestellt haben wolle, die einen Beweis dafür geben würde, daß der eine Theil des Stats vom andern zu Grunde gerichtet sei; obgleich bei dem allen der verschuldete Bürgerstand einem Feinde nach dem andern vorgeführt werde. Auf allen Seiten ohne Unterschied suche man Kriege herbei. Von Antium wären die Legionen nach Satricum, von Satricum vor Veliträ, von da nach Tusculum geführt. Nun richte man die Waffen gegen die Latiner, Herniker, Pränestiner, mehr aus Haß gegen die Mitbürger, als gegen die Feinde; bloß damit man den Bürgerstand unter den Waffen mürbe mache und ihn nicht dahin kommen lasse, daß er sich in der Stadt erholen könne, oder in Ruhe seiner Freiheit eingedenk sei, oder in der Versammlung sich einfinde, um endlich einmal aus dem Munde eines Tribuns ein Wort zu hören, das auf Milderung des Wuchers und Abstellung andrer Bedrückungen abzwecke. Wenn der Bürgerstand den Muth habe, den ihm die Erinnerung an seiner Väter Freiheit einflößen müsse, so würden sie weder zugeben, daß man irgend einen Römischen Bürger Schulden wegen zur Leibeigenschaft verurtheile, noch eine Werbung halten lasse, bis, nach Untersuchung der Schuldenmasse, und ausgefundener Möglichkeit sie zu vermindern, Jeder wisse, was ihm, was Andern gehöre; ob ihm die Freiheit seiner Person noch übrig bleibe, oder ob er auch sich selbst dem Schließblocke schuldig sei.»

Dieser auf Empörung gesetzte Preis erregte auch sogleich Empörung; und theils wurden ja Viele zur 50 Leibeigenschaft verurtheilt, theils hatten die Väter auf das Gerücht von einem Pränestinischen Kriege die Werbung neuer Legionen befohlen; zwei Dinge, deren Verhinderung das tribunicische Hülfsamt und die Beistimmung des Bürgerstandes zugleich unternahm. Denn die Tribunen litten nicht, daß die Verurtheilten weggeführt wurden, und die Dienstfähigen ließen den Aufruf ihrer Namen unbeantwortet. Da nun den Vätern die rechtliche Verfügung in Schuldsachen nicht so wichtig war, als die Werbung; denn es lief schon die Nachricht ein, daß die von Präneste aufgebrochenen Feinde sich im Gebiete von Gabii gelagert hätten: so hatte unterdeß selbst dies Gerücht die Bürgertribunen mehr zu dem unternommenen Streite gereizt, als abgeschreckt, und das Einzige, was den Aufruhr in der Stadt zu dämpfen vermochte, war der Einbruch des Krieges beinahe in die Mauern selbst.

28. Denn als die Pränestiner erfuhren, daß zu Rom kein Heer geworben, kein Feldherr bestimmt sei, daß Väter und Bürger gegen einander selbst aufgestanden seien, so rückten ihre Anführer, welche sich diesen Zeitpunkt geboten sahen, in Eilmärschen, auf denen sie die Dörfer vor sich hin plünderten, an das Collinische Thor. Die Bestürzung in Rom wurde allgemein. Man rief: Zu den Waffen! rannte auf die Mauern und an die Thore, und nach dem endlichen Übergange vom Aufruhre zum Kriege wählte man den Titus Quinctius Cincinnatus zum Dictator. Er ernannte den Aulus Sempronius Atratinus zum Magister Equitum. Kaum wurde dies ruchtbar, als zugleich die Feinde – ein so großer Schrecken ging vor diesem Amte her – sich von den Mauern zurückzogen und die jungen Römer ohne Weigerung dem Befehle sich stellten. Während in Rom ein Heer geworben wurde, verlegten die Feinde ihr Lager in die Nähe des Flusses Allia, plünderten von hier aus das Land wert umher, und wußten sich unter einander etwas darauf, einen der Stadt Rom verderblichen Posten zu haben. «Schrecken und Flucht würden hier denselben Gang nehmen, wie im Gallischen Kriege. Denn wenn den Römern schon der seit dem Unglücke an 51 jener Stelle mit Grauen behaftete und nach ihr benannte Tag so furchtbar sei; wie viel schauderhafter, als der Tag der Allia werde ihnen die Allia selbst sein, dies Denkmal ihrer so großen Niederlage? Gewiß würden hier die schrecklichen Gestalten der Gallier und der Ton ihrer Stimme ihnen vor Augen und Ohren schweben.» Mit solchen Nichtigkeiten in eben so nichtigen Einbildungen beschäftigt, ließen sie ihre Hoffnung auf dem Glücke des Orts beruhen.

Die Römer hingegen hielten sich überzeugt, «daß der Latiner als Feind, wo er sich auch sehen lasse, derselbe sei, den sie nach dem Siege am See Regillus im Gehorsame eines hundertjährigen Friedens erhalten hatten. Der Platz, den das Andenken ihrer Niederlage bezeichne, solle sie vielmehr spornen, das Andenken diese Schimpfes auszulöschen, als daß er sie fürchten lassen sollte, daß ihnen irgend ein Boden zum Siegen verboten sei. Ja wenn ihnen hier die Gallier selbst entgegen träten, so wollten sie so fechten, wie sie in Rom gefochten hätten, bei der Wiedereroberung ihrer Vaterstadt, wie den Tag darauf bei Gabii, damals nämlich, als sie es dahin gebracht hätten, daß von den in die Ringmauern Roms eingerückten Feinden auch nicht Einer, so wenig von seinem Glücke als Unglücke, eine Nachricht habe nach Hause bringen können.»

29. In dieser Stimmung auf beiden Seiten gelangte man an die Allia. Schon zeigte sich der Feind in Schlachtordnung und Erwartung, da sprach der Römische Dictator: «Siehst du, Aulus Sempronius, wie sie im Vertrauen auf das Glück des Platzes sich an der Allia aufgestellt haben? Und mögen ihnen die unsterblichen Götter keine festere Zuversicht oder mächtigere Hülfe angedeihen lassen! Du aber sprenge, voll Vertrauen auf Waffen und Muth, mit deinen Rossen im Angriffe auf ihren Mittelpunkt: dann will ich auf die Verstörten und Bestürzten mit den Legionen anrücken. Ihr Götter, ihr Zeugen des Bundes, seid mit uns! und nehmet die Rache, die euch, an denen sie frevelten; und uns zugleich gebührt, denen sie den 52 Eid bei eurem heiligen NamenSo übersetze ich hier das Wort numen. gebrochen haben!»

Weder der Reuterei, noch dem Fußvolke hielten die Pränestiner Stand: beim ersten Angriffe und Geschreie waren ihre Glieder getrennt. Dann, als ihre Linie allenthalben die Haltung verlor, wandten sie den Rücken; und von Verwirrung und Schrecken sogar vor ihrem Lager vorübergesprengt, setzten sie sich auf ihrer fortstürzenden Flucht nicht eher, bis sie Präneste im Gesichte hatten. Hier bezogen die zerstreuten Flüchtlinge einen Posten, den sie durch Nothwälle haltbar zu machen suchten, um nicht, durch ihren Rückzug hinter die Mauern, die Dörfer sogleich den Flammen zu überlassen und nach Verheerung des Ganzen, ihrer Stadt eine Belagerung zuzuziehen. Allein sobald sich, nach Plünderung ihres Lagers an der Allia, der siegende Römer zeigte, verließen sie auch diese Befestigung, und kaum dem Schutze ihrer Mauern trauend, schlossen sie sich in die Stadt Präneste ein. Außer dieser gehörten noch acht Städte zum Gebiete der Pränestiner. Sie wurden berennt, und als sie, eine nach der andern, ohne großen Kampf genommen waren, rückte das Heer vor Veliträ. Auch dies wurde erstürmt. Nun kam die Reihe an den Hauptsitz des Krieges, Präneste, in dessen Besitz man nicht durch Sturm, sondern durch Übergabe, kam.

Titus Quinctius kehrte nach Einem Siege im Felde, nach Erstürmung von zwei feindlichen Lagern und neun Städten, und der Eroberung von Präneste durch Übergabe, nach Rom zurück, und brachte im Triumphe das von Präneste abgeführte Standbild des Jupiter Imperator auf das Capitolium. Es wurde zwischen den Kapellen Jupiters und Minervens aufgestellt, und eine unter demselben aufgehängte Tafel, welche jene Thaten beurkundete, hatte etwa folgende eingegrabene Inschrift: «Jupiter und die sämtlichen Götter verliehen, daß Titus Quinctius als Dictator neun Städte in neun TagenGronov, Duker und Drakenborch tadeln Grutern mit Recht, der die ganze Inschrift, welche Livius hier nicht liefern wollte, in den Livianischen Text aufnahm. Allein wenn Livius, der uns vorher zehn Städte nannte, nicht sich selbst und der Inschrift zugleich widersprechen soll, so muß man mit Gronov, Crevier und Andern annehmen, daß die ursprüngliche Lesart oppida novem diebus novem caperet, durch die Abschreiber verstümmelt sei, welche die beiden mittleren Worte wegen des doppelten novem aus einem den Abschreibern so gewöhnlichen Versehen wegließen. Und wie jene alle anführen, bezeugt Festus, daß die Inschrift selbst neun in neun Tagen eroberter Städte erwähnt habe. eroberte.» Am 53 zwanzigsten Tage nach seiner Ernennung legte er die Dictatur nieder,

30. Nun wurde ein Wahltag für Ernennung consularischer Kriegstribunen gehalten, auf dem man an Adlichen und Bürgerlichen eine gleiche Anzahl nahm. Aus den Vätern wurden die beiden Manlius, Publius und Cajus, nebst dem Lucius Julius gewählt; der Bürgerstand gab den Cajus Sextilius, Marcus Albinus, Lucius Antistius.

Den Manliern, die durch Abkunft den Bürgerlichen, durch Einfluß dem Julius vorgingen, bestimmte man den Krieg gegen die Volsker außerordentlich, ohne das Los oder einen Vergleich entscheiden zu lassen; welches nachher sowohl sie selbst, als die Väter, deren Werk es war, gereuete. Ohne Kundschaft einzuziehen schickten sie Cohorten auf Futterholung aus. Als sie, diese zu retten, die laut einer falschen Nachricht umzingelt sein sollten, schleunig herbeieilten, sogar ohne sich des Boten zu versichern – ein feindlicher Latiner hatte sie als Römischer Soldat belistet – so fielen sie selbst in einen Hinterhalt. In einer nachtheiligen Stellung leisteten sie unter gegenseitigem Verluste bloß durch die Tapferkeit der Soldaten Widerstand, als die Feinde von einer andern Seite das in einer Fläche liegende Römische Lager anfielen. Hier sowohl als dort gab die Unbesonnenheit und Unwissenheit der Feldherren Alles preis. Die dem Glücke des Römischen VolksGronov (und mit ihm Crevier) lieset: Quidquid (scil. de his exercitibus) superfuit, fortuna populi Romani et militum virtus – – tutata est. Drakenborch aber entscheidet sich nicht für ihn. Und ich glaube, Gronov hat schon deswegen Unrecht, weil Livius, wenn er jetzt schon des für die Römer glücklichen Umstandes (daß die Feinde den Sieg unbenutzt ließen) erwähnt hätte, nicht nachher fortfahren konnte: Quae ubi Romam sunt relata, und dann noch einmal postquam quietae res ex Volscis adferebantur: sonst würde er ja einerlei Nachricht den Römern zweimal kund thun lassen. Die Römer, wenn sie das Alles schon wußten (nämlich fortunam populi R. – reliquias tutatam esse, et Volscos nescire victoria et tempore uti) hätten nicht nöthig gehabt, auf einen Dictator zu denken. Sie wollten ihn ernennen, weil sie es noch nicht wußten: folglich kann es auch von Livius nicht unter den Umständen aufgeführt werden, von denen er sagt: Quae ubi Romam relata sunt. – Stroth nimmt fortunae hier für den Genitiv, wie ich in seiner Note aus den Worten parum faust i – contingere potuisse schließe, noch mehr aus der Deutung, die er Gronoven giebt: Quasi populo Romano nihil fortunae praeter hunc exercitum fuerit. Ich halte fortunae für den Dativ, außer dem Grunde, den mir der Sinn nothwendig zu machen scheint, auch darum, weil Livius sonst lieber statt quidquid superfuit fortunae populi Romani gesagt haben würde: quidquid fortunae superfuit populo Romano. 54 gebliebenen Überreste schützte bloß der auch ohne Leitung feststehende Muth der Soldaten. Als diese Nachrichten nach Rom kamen, wollte man anfangs einen Dictator ernennen: als aber spätere Meldungen aus dem Volskischen die dortige Ruhe bezeugten und es sich nun ergab, daß die Feinde den Sieg und die Gelegenheit nicht zu benutzen wüßten, so wurden sogar die Heere und Feldherren von dort zurückgerufen, und von dieser Seite blieb man, so viel die Volsker betraf, ungestört. Nur am Schlusse des Jahres veranlaßte der Umstand neue Bewegungen, daß die Pränestiner, von denen sich auch Latinische Völkerschaften hatten aufwiegeln lassen, den Krieg erneuerten. In eben dem Jahre wurden den Bürgern zu Setia, die über Menschenmangel klagten, neue Anbauer zur Ergänzung gegeben. Und bei den minder glücklichen Ereignissen des Krieges tröstete man sich mit dem innern Frieden, dem die bürgerlichen Kriegstribunen, durch ihre Liebe und ihr Ansehen bei ihrer Volksklasse, die Dauer gaben.

31. Gleich den Anfang des folgenden Jahres, in welchem Spurius Furius, Quintus Servilius zum zweitenmale, Cajus Livinius, Publius Clölius, Marcus Horatius, Lucius Geganius consularische Kriegstribunen waren, setzte ein heftiger Aufruhr in Flammen. Den Stoff und Vorwand zu diesem Aufruhre gaben die Schulden; und die zur Ausmittelung der Summe gewählten Censorn, Spurius Servilius Priscus und Quintus Clölius Siculus, wurden an der Ausrichtung des Geschäfts durch Krieg gehindert; denn zuerst brachten hereinstürzende Boten, dann die flüchtenden Landleute, die Nachricht vom Einfalle 55 Volskischer Legionen, die allenthalben im Römischen plünderten. Bei aller Bestürmung war man gleichwohl so weit entfernt, sich durch den Schrecken von außen von den bürgerlichen Streitigkeiten abrufen zu lassen, daß sich im Gegentheile die sämtlichen Tribunen noch so viel heftiger der Werbung widersetzten, bis sie endlich den Vätern die Bedingungen aufdrangen, daß niemand während des Krieges die Steuer zahlen, und kein Richter in Schuldensachen sprechen sollte. Als sie dem Bürgerstande diese Erleichterung verschafft hatten, wurde die Werbung nicht länger gehindert.

Nach Aushebung der neuen Legionen beschloß man, sie in zwei Heere getheilt ins Volskische einrücken zu lassen. Spurius Furius und Marcus Horatius wandten sich zur Rechten gegen die Seeküste und Antium; Quintus Servilius und Lucius Geganius zur Linken gegen die Gebirge bis Ecetra. Auf keiner von beiden Seiten bot sich der Feind. Folglich wurde eine Plünderung daraus, aber nicht so abspringend, wie die Volsker die ihrige, nach Räuberart, im Vertrauen auf die Uneinigkeit der Feinde und vor ihrer Tapferkeit in Furcht, mit Schüchternheit beeilt hatten, sondern, wie ein förmliches Heer zur förmlichen Strafübung sie vollzieht, auch vermöge ihrer Dauer um so fühlbarer. Denn die Volsker, nicht ohne Furcht, es könne von Rom indessen ein Heer ausrücken, hatten sich mit ihren Einfällen auf die äußersten Gränzen beschränkt: für den Römer hingegen wurde die Absicht, den Feind zum Kampfe herauszulocken, sogar zum Bewegungsgrunde, auf feindlichem Boden zu verweilen. Nachdem sie also allenthalben die Häuser auf dem Lande, auch einige Flecken niedergebrannt, keinen tragbaren Baum, keine Sat zu künftiger Feldfrucht verschont, und Alles, was sich an Menschen und Vieh außerhalb den Städten fand, als Beute weggetrieben hatten, zogen sie aus beiden Gegenden ihre Heere zurück nach Rom.

32. Nach einer kurzen den Schuldnern gegönnten Erholung, waren die Verurtheilungen, sobald man von Feinden Ruhe hatte, von neuem wieder in vollem Gange, und die Hoffnung, sich der alten Zinsen zu entledigen, so 56 entfernt, daß man sich durch eine Steuer zu einer von den Censorn in Verding gegebenen, von Quadern aufzuführenden, Mauer mit neuen Zinsen beladen sah; und der Bürgerstand war gezwungen, sich dieser Last zu unterziehen, weil es für die Bürgertribunen keine Werbung zu hindern gab. Ja in seiner Abhängigkeit vom Gelde der Großen machte der Bürgerstand lauter Patricier zu Kriegstribunen, den Lucius Ämilius, Publius Valerius zum viertenmale, Cajus Veturius, Servius Sulpicius, die beiden Quinctius Cincinnatus, Lucius und Cajus. Durch eben diesen Einfluß gelang es ihnen, da sie von niemand gehindert alle Dienstfähigen schwören lassen konnten, gegen die Latiner und Herniker, deren vereinte Legionen bei Satricum im Lager standen, drei Heere aufzustellen, eins zum Schutze der Stadt; ein zweites, um es schleunig ins Feld rücken zu lassen, wenn sich irgend sonst wo Bewegungen äußerten; das dritte, bei weitem das stärkste, führten Publius Valerius und Lucius Ämilius nach Satricum.

Als sie hier den Feind in einer Ebene in Schlachtordnung fanden, lieferten sie ihm sogleich ein Treffen: doch ein unter gewaltigen Stürmen sich ergießender Platzregen machte der Schlacht ein Ende, die sich, war sie gleich noch kein gewisser Sieg, doch sehr günstig anließ. Am folgenden Tage wurde sie erneuert; und eine Zeitlang leisteten mit gleichem Muthe und Glücke hauptsächlich die Latinischen Legionen Widerstand, die in dem langen Bündnisse den Römischen Dienst gelernt hatten. Nur die einhauende Reuterei brachte Unordnung in ihre Glieder, und in dieser Unordnung griff das Fußvolk sie an. So weit die Römische Linie vordrang, mußte die feindliche Schritt vor Schritt aufgeben, und als sich die Schlacht erst einmal neigte, wurde das Übergewicht der Römer unaufhaltsam. Weil die geschlagenen Feinde nach Sutricum, zweitausend Schritte von hier, nicht in ihr Lager flohen, so wurden sie, vorzüglich von der Reuterei, niedergehauen; ihr Lager erobert und geplündert. In der auf das Treffen folgenden Nacht ging ihr Zug, gleich einer Flucht, nach Antium; und ob ihnen gleich das Römische Heer fast auf der Ferse 57 folgte, so eilte doch die Furcht schneller, als die Erbitterung. Sie rückten schon in die Stadt, ehe der Römer in ihren Nachtrab einhauen, oder ihn aufhalten konnte. Nun vergingen mehrere Tage unter Plünderungen im Lande, weil sich die Römer aus Mangel an Sturmwerkzeugen zu einem Angriffe auf die Mauern nicht gehörig im Stande sahen, und die Feinde eben so wenig, eine Schlacht zu wagen.

33. Jetzt kam es zwischen den Antiaten und Latinern zu einem Aufstande, weil die Antiaten, der Übel müde, und mürbe gemacht durch einen Krieg, in welchem sie geboren und Greise geworden waren, sich auf eine Übergabe einlassen wollten; die Latiner hingegen ihr Abfall, der nach einem langen Frieden erst neulich erfolgt war, bei noch frischem Muthe, zur Beharrlichkeit im Kriege so viel entschlossener machte. Der Streit war geendigt, sobald sich beide überzeugten, daß der Eine vom Andern unabhängig seine Maßregeln verfolgen könne. Die Latiner verwahrten sich durch ihren Aufbruch vor der Theilnahme an einem, ihrer Meinung nach, ehrlosen Frieden. Die Antiaten, sobald sie sich dieser mit den Entwürfen eigener Rettung unverträglichen Mitsprecher entledigt hatten, übergaben den Römern Stadt und Land.

Die Erbitterung und Wuth der Latiner, denen es eben so sehr mislungen war, den Römern durch diesen Krieg zu schaden, als die Volsker in den Waffen zu erhalten, brach dahin aus, daß sie die Stadt Satricum, die ihr erster Zufluchtsort nach der unglücklichen Schlacht gewesen war, verbrannten: und es blieb, weil ihre Feuerbrände ohne Unterschied geweihete und ungeweihete Häuser trafen, von dieser Stadt weiter kein Gebäude übrig als der Tempel der Mutter MatutaSiehe V. 19. . Von diesem soll weder eigene Gewissenhaftigkeit, noch Ehrfurcht für die Götter, sondern eine fürchterliche Stimme sie abgehalten haben, welche ihnen vom Tempel aus die schrecklichsten Drohungen zurief, wenn sie nicht ihr gottloses Feuer von den Heiligthümern 58 entfernt hielten. Von dieser Wuth entflammt warfen sie sich aus Erbitterung auf Tusculum, weil es von der gemeinschaftlichen Verbindung der Latiner abgetreten sei, und sich den Römern nicht bloß zum Bündnisse, sondern sogar zur Annahme ihres Bürgerrechts hingegeben habe.

Da sie unerwartet zu den offenen Thoren hineinstürzten, so eroberten sie die Stadt im ersten Geschreie, bis auf die Burg. In die Burg flüchteten die Einwohner mit Weib und Kind, und schickten Boten mit der Nachricht von ihrem Unglücke an den Senat nach Rom. Mit einer Schnelligkeit, die der Treue des Römischen Volks entsprach, ließ man ein Heer nach Tusculum rücken. Es wurde von den Kriegstribunen Lucius Quinctius und Servius Sulpicius geführt. Tusculums Thore fanden sie geschlossen, und die Latiner, als Belagerer und Belagerte, wie sie unter gleichzeitigen Entwürfen, hier die Mauern Tusculums zu vertheidigen, dort die Burg zu bestürmen, zugleich Andre ängstigten, und selbst in Angst waren. Allein mit der Ankunft der Römer trat auf beiden Seiten eine andre Stimmung ein. Die Tusculaner hatte sie aus einer drückenden Besorgniß in die muthigste Entschlossenheit versetzt, die Latiner aus der fast gewissen Erwartung, die Burg zu erobern, insofern sie der Stadt schon Meister waren, in die Unwahrscheinlichkeit, sich selbst retten zu können. Von der Burg aus stieg das Geschrei der Tusculaner empor: ungleich stärker wurde es vom Römischen Heere beantwortet. Auf beiden Seiten sahen sich die Latiner bedrängt: sie waren den Angriffen der Tusculaner nicht gewachsen, die von der Höhe herab auf sie einstürzten, und konnten auch die Römer nicht abhalten, die die Mauern heranstiegen und an den Riegeln der Stadtthore brachen. Die Eroberung der Mauern durch Sturmleitern gelang früher; dann wurden auch die Thore aufgesprengt. Und da der Feind auf zwei Seiten, von vorne und vom Rücken her eindrang, so wurden die Latiner, denen zum Gefechte die Kraft, zur Flucht der Raum fehlte, zwischen beiden bis auf den letzten Mann niedergehauen. Das Römische Heer, nachdem 59 es den Feinden Tusculum wieder abgenommen hatte, wurde nach Rom zurückgeführt.


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