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Siebentes Kapitel

Ein Haufen Schuhe, Nasenschützer, Fahrradpumpen, zerbrochene Hockeyschläger; an der Wand gestohlene Schilder mit Inschriften wie »East College Avenue«, »Hosenbügelei, Damenkostüme werden sorgfältig aufgefrischt«, »Dr. Sloath, Einreibungen für Jung und Alt«; ein Divan mit zerbrochener Lehne, auf dem ein Sofaschoner mit schäbigen Fransen lag; ein tintenbekleckster Holztisch mit kleinen schwarzen Brandflecken an den Kanten; eine Gipsbüste Martha Washingtons, der mit Tinte ein Schnurrbart aufgemalt war; ein paar Bücher; zahllose Sweater und alte Hüte; eine große, teure Mundharmonika – das sind einige von den interessanten Inventarstücken des Zimmers, welches Carl gemeinsam mit dem Türken während ihres Sophomorenjahres in Plato bewohnte.

Carl war glücklich. In diesem Zimmer redete er dem stotternden Genie Linderbeck zu, er solle doch danach trachten, sich den anderen ein wenig anzupassen. Hier kritzelte er kleine Briefchen an Gertie, und hier verschwatzte er, von künftigen Ruhmestaten in der Technik träumend, halbe Nächte mit dem Türken. Carl bewunderte den Türken wegen seiner Offenheit, seiner munteren Art zu reden, seines Interesses für die Technik und – für Carl.

Er spielte nach wie vor eifrig Fußball, aber für eine Mannschaft, die sich zum größten Teil aus hundertachtzig Pfund schweren Norwegern zusammensetzte, war er ziemlich leicht. Doch er hatte Aussichten. Er fuhr an zwei oder drei Abenden der Woche das Automobil des Bankiers und betreute dessen Rasen, Heizung und Kuh. Seine Mahlzeiten nahm er noch bei Mrs. Henkel ein, zusammen mit der lustigen Mae Thurston, die er zu heimlichen Spazierfahrten im Wagen des Bankiers einlud. Nach solchen Eskapaden pflegte er Gertie ganz besonders lange und freundliche Briefe zu schreiben. Die Episteln fielen ihm immer schwerer, weil er im Fuchsjahr alles erschöpft hatte, was man über das Wetter sagen kann, ohne gewöhnlich zu werden. Als im Oktober ein neuer Bankbeamter meteorgleich in den gesellschaftlichen Horizont Joralemons einbrach und, wie Briefe von Joe Jordan getreulich berichteten, Gertie seine Ritterdienste weihte, klagte Carl über den Verlust einer Kameradin. Doch er beschränkte seine Trauer streng auf die Mußestunden, und mit den Büchern, dem Fußball und den Hausarbeiten für den Bankier war er ein vielbeschäftigter junger Mann … Nach etwa zehn Tagen empfand er es wie eine Erlösung, daß er sich nicht mehr mit den Briefen an Gertie schinden mußte. Die Gemütswallungen, die ihr hätten gelten sollen, widmete Carl Professor Frazers neuem Kursus über das moderne Drama.

Offiziell war dieser Kursus angekündigt als Studium Bernard Shaws, Ibsens, Strindbergs, Pineros, Hauptmanns, Sudermanns, Maeterlincks, D'Annunzios und Rostands; inoffiziell wurde er aber von Professor Frazer als Versuch bezeichnet, den Geist des Heute, wo immer er in der zeitgenössischen Literatur zu finden sein möchte, aufzuspüren. Carl und der Türke waren verwirrte, doch unerschütterlich begeisterte Jünger seiner Vorlesungen. Sie veranlaßten alle Bandenmitglieder zur Teilnahme und wußten jede Unaufmerksamkeit im Hörsaal durch geschickte Tritte und Püffe zu verhindern.

Selbst dem Einfachen Smith, dem finstern und bäurischen Schullehrer, der ihn einen albernen Jungen genannt und durchaus nicht zu vertraulichen Aussprachen ermuntert hatte, schilderte Carl bei einem zufälligen Zusammentreffen im Collegegarten Professor Frazers Vorlesungen in der verlockendsten Weise. Smith setzte eine spöttische Miene auf und meinte, alles, was mit Theaterstücken und Theaterspielen zu tun habe, sei überflüssig, wenn nicht geradezu unmoralisch.

»Ja, aber es geht jetzt nicht nur um Theaterstücke, mein junger Freund«, äußerte Carl mit einer Erhabenheit, die ganz neu an ihm war, auf den Einfachen Smith aber keinen übermäßigen Eindruck machte. »Er bespricht alle die neuen Sachen, diese ganze neue Philosophie und das Zeugs, was es in London und Paris gibt. Außer Shakespeare und der Bibel gibt es auch noch ein paar andere Sachen!« fügte er hinzu, weil er gehässig sein wollte. Man kann ruhig behaupten, daß er den Einfachen Smith nicht ausstehen konnte.

»Was für eine neue Philosophie?«

»Der Geist der Brüderlichkeit. Sie sind dafür wohl zu orthodox!«

»O nein, mein Jungchen, dafür nicht. Und gar so sehr neu ist das auch nicht. Das ist nämlich das, was Christus gelehrt hat! Nein, mein Jungchen, ich bin nicht so orthodox, daß ich mir nicht gern alles zeigen lasse, womit man die Brüderlichkeit zu fördern sucht. Aber ich muß sagen, ich halte es nicht grade für wahrscheinlich, daß man davon in New Yorker Stücken sehr viel finden kann. Trotzdem, ich werd auf jeden Fall mal zu einer Vorlesung kommen.« »Grönlands eisgekrönte Berge« vor sich hinsummend, stapfte der Einfache Smith davon.

Professor Frazers Kursus über das moderne Drama fing mit Ibsen an. Die ersten fünf Vorlesungen waren fast konventionell; sie stellten einen Versuch dar, die zeitgenössischen Dramatiker zu klassifizieren, und brachten auch Überlegungen zum Thema des Kassenerfolges. Die sechste Vorlesung begann ziemlich ungewöhnlich.

Im Hörsaal A war eine Zuhörerschaft von vierundsechzig Köpfen versammelt – ernste Studentinnen, die Notizbücher und Brillenfutterale hervorholten, leichtfertige Mädchen, die ihre Frisur am Hinterkopf befingerten; die Männer ließen sich mit Mienen nieder, welche sagten: »Na, das wird ja bald überstanden sein«, oder blickten verehrungsvoll vor sich hin wie Eugene Linderbeck, oder aber sie waren, wie Carl, eisern entschlossen, sich nichts entgehn zu lassen – die mißtrauische Kollegsaalzuhörerschaft, gläubig, solange es sich um die Feststellung nackter Tatsachen handelt, und schwerfällig verschlossen dem Geistigen gegenüber. Professor Frazer, jünger als so mancher unter seinen vom Pflug kommenden Hörern, mit fast kahlem Kopf und sensitivem Gesicht, saß vor ihnen, eine Hand in der Tasche, mit der andern nervös auf das Tischchen trommelnd, und sprach ruhig:

»Ich werde heute keine Vorlesung halten. Ich werde die angekündigten Stücke von Shaw nicht analysieren. Ich setze voraus, daß Sie sie selbst gelesen haben. Ich werde mir vorstellen, daß ich bei einer Teegesellschaft in New Haven bin, oder bei einem Abendessen im Brevoort, und mit einer Gesellschaft von Männern spreche, die dahinter zu kommen suchen, auf welches Ziel zu sich die Welt bewegt, warum, wann, wieso; und fragen, wer die Propheten sind, die ihr den Weg weisen werden. Wir würden uns über Shaw und Wells erregen. Und es gibt wirklich etwas, das Erregung lohnt.

Diese Männer haben begriffen, daß unsere Welt nicht ein wildes Durcheinander von Rassen ist, die nicht miteinander verwandt sind, sondern eine Summe von Menschen, die nur allzusehr miteinander verwandt sind, die alle Interessen – Ernährung und Begierden und Spieltrieb – durchaus gemeinsam haben; so daß wir, wenn wir nur alle zusammen dächten und zusammen arbeiteten, etwa so, wie eine Fußballmannschaft es tut, anfangen würden, eine vollkommene Welt einzurichten.

Und das ist es, was der Sozialismus – von dem Sie alle neuerdings so viel hören und von dem Sie noch viel mehr hören werden – will. Wenn Sie sich ehrlich dazu getrieben fühlen, republikanisch zu wählen, so geht mich das selbstverständlich nicht das mindeste an. Ja, die sozialistische Partei dieses Landes ist nicht mehr als ein Glied des internationalen Sozialismus. Aber ich verlange von Ihnen, daß Sie den Versuch machen, selbständig zu denken, wenn Sie den Mut haben wollen, überhaupt zu wählen – bedenken Sie doch – zu wählen und so Einfluß darauf zu nehmen, wie diese ganze Nation geführt werden soll! Fordert diese furchtbare Verantwortung nicht, daß Sie etwas mehr tun als bloß so wählen, wie man es vor Ihnen getan hat? Daß Sie wirklich denken, angestrengt darüber nachdenken, warum Sie so wählen, wie Sie es tun? … Verzeihen Sie, daß ich vom eigentlichen Thema abkomme – aber komme ich in Wirklichkeit denn ab? Eben das, was ich Ihnen jetzt gesagt habe, ist eine von den Botschaften Shaws und Wells'.

Die große Vision der Herrlichkeit, die kommen wird, nicht mit einem plötzlichen Tausendjährigen Reich, sondern allmählich, und zu Freuden des Lebens führen wird, die wir ebenso wenig voraussehen können, wie der Medizinmann primitiver Stämme sich die Röntgenstrahlen vorzustellen vermochte! Ich wollte, es wäre hier Zeit und Gelegenheit, von dieser Vision zu schwärmen, wie William Morris es in News from Nowhere getan hat. Sie werden mir sagen, daß die verschiedenen Gruppen der Sozialisten in ihren Überzeugungen hinsichtlich dieser Zukunft so sehr auseinandergehen, daß der verwirrte Laie mit allen Theorien nichts anfangen kann. Ausgezeichnet. Sie gehen so sehr auseinander, weil es so vielerlei gibt, was wir mit diesem Menschengeschlecht tun können … Die Überwindung des Todes. Ein allmähliches Verlängern des Lebens bis zu einer Dauer von zweihundert Jahren, die alle von zufriedener Tätigkeit erfüllt sind. Die Lösung des Arbeitsproblems. Zunehmende Sicherheit und Verringerung der Arbeitszeit, ein Ausweg für den unglückseligen Konsumenten, der zwischen Arbeit und Kapital zermahlen wird. Wahre Demokratie, die Liebe zur Arbeit, die kommen wird, sobald die Arbeit nicht auf Lohnsklaven beschränkt ist, sondern mit Freuden in einer Gemeinschaft aufgeteilt wird, die alle Menschen aller Nationen umfaßt. Frankreich und Deutschland können sich miteinander vereinigen, ebenso wie Sachsen und Preußen und Bayern sich miteinander vereinigt haben. Und, vor allem, allgemeine Einsicht dafür, daß der Umstand, daß wir all dies nicht auf einen Schlag erreichen können, durchaus nicht die Hoffnungslosigkeit derartiger Bestrebungen beweist; Verständnis dafür, daß eines von den Wundern der Zukunft darin besteht, daß es immer, in allen Zeitaltern, Fortschritte gibt, auf die wir unsere Blicke richten können.

Meine Freunde, opponieren Sie so heftig, wie Sie nur wollen, gegen die kleinliche Engheit und Schmähsucht gewisser Straßenagitatoren, aber werden Sie nicht kleinlich und eng und schmähsüchtig, wenn Sie es tun!

Um nun den Zusammenhang mit Bernhard Shaws Stücken wieder herzustellen: wenn er sagt – –«

 

Heute klingen Professor Frazers Äußerungen zahm und konservativ; aber dies ging im Jahre 1905 in einem kleinen, überaus religiösen, inmitten von Ackerland gelegenen College vor sich. Man stelle sich einen frommen Pastor vor, dessen Sohn der Familienbibel Fußtritte versetzt, und man hat ein Bild davon, in welchem Geist die Hälfte der in Plato Studierenden eine Verteidigung des Sozialismus aufnahm. Carl, der ein Echo seiner Gespräche mit Bone Stillman zu hören vermeinte, blickte triumphierend um sich und mußte konstatieren, daß die Hörer einander entsetzt und ängstlich anstarrten. Er betrachtete den finsteren Einfachen Smith, der weniger geärgert als krank aussah. Er beobachtete, wie zwei Jahrgangs-»Witzbolde« über die Ekstase in Genie Linderbecks Augen kicherten.

 

In der allgemein unter dem Namen »Der Klub« bekannten Eckdrogerie, wo sich alle Lebemänner des Colleges versammelten, um Brauselimonade zu trinken, schob sich ein aufgeregter alter Mann, dessen krawattenloser Kragen fast ganz unter dem nikotinfleckigen Bart verschwand, den schwarzen Schlapphut mit der Kordel der Großen Armee aus der Stirn, schlug mit der Faust auf den Rezeptiertisch und schrie, halb zu dem Verkäufer gewandt, halb zu den Studenten, die an der Theke Kopf und Adler spielten: »Seit siebenundvierzig Jahren leb ich in Plato – ich war schon da, wie es nicht mehr war als ne vorgeschobene Handelsniederlassung. Ich hab Holz auf meinem Buckel getragen und bin dreiundfünfzig Meilen weit gegangen, um mir n Ochsengespann zu holen. Ich kann mich noch an die Zeiten erinnern, wo die Indianer im Krieg geplündert haben und die Kavallerie von St. Paul hierher geritten ist. Und diese Stadt hier ist immer für Anständigkeit und Gesetz und Ordnung eingetreten. Aber wenns so weit kommt, daß son Frazer oder irgend n anderer von den Ungläubigen aus einem von den Colleges im Osten sich bei uns im Collegegebäude auf die Hinterbeine stellen darf und von Anarchismus quatschen und sagen, wir sollen auf der alten Fahne, für die wir gekämpft haben, rumtrampeln, und keiner von den Professoren, die sich ›Reverend‹ nennen, geht hin und legt ihm das Handwerk, dann will ich euch sagen, daß ich drauf und dran bin, die Zeltpflöcke aus der Erde zu ziehen und nach dem Westen zu wandern, wos noch Patriotismus und Anständigkeit gibt, und wo man die ausländischen Anarchisten an den nächsten Laternenpfahl hängen täte, jawoll Herr, und den Frazer da auch, wenn er sie in ihren verrückten Ansichten noch unterstützt. Sie haben doch sowieso kein Recht, bei uns zu bleiben. Abschieben soll man sie, wenns ihnen nicht recht ist, wie wir unsere Sachen machen. Ich werd mir nicht gefallen lassen, daß Anarchismus gepredigt wird, und solang ich leb, seitdem ich als kleines Kind in Kanada war, hab ich nie nen anständigen Platz kennen gelernt, wo man sich das gefallen läßt. Jawoll Herr, das ist mein Ernst; ich bin ein alter Mann, aber eher zieh ich die Zeltpflöcke raus und geh auf der Santa-Fe-Straße los, das ist mein Ernst.«

»Hier ist Ihr Bitterer, Mr. Goff«, sagte der Verkäufer hastig, als er sah, daß die Tiraden des alten Mannes einen Passanten in den Laden lockten.

Mr. Goff stapfte vor sich hinbrummend hinaus, und die großen Herren vom College, die an der Theke saßen, grinsten einander zu. Aber Gus Osberg vom Juniorenjahrgang bemerkte zu Carl Ericson: »Übrigens, an dem, was der alte Goff sagt, ist schon was dran. Ich geh jede Wette ein, daß der Alte sich nicht gefallen lassen wird, daß Frazer anarchistische Reden führt. Einer, der dabei war, hat mir erzählt, daß er richtig wilde Sachen dahergeredet hat. Richtigen Anarchismus.«

»Quatsch! Davon ist gar keine Rede«, widersprach Carl. »Ich war doch da und hab das Ganze gehört. Er hat ganz einfach erklärt, was Bernard Shaw, der die Stücke schreibt, unter Sozialismus versteht.«

»Na schön, aber trotzdem, halten Sies nicht sozusagen für überflüssig, ganz öffentlich und noch dazu im Hörsaal eines Colleges über Sozialismus zu sprechen?« fragte ein Senior, der in der Debattiergesellschaft sehr viel zu sagen hatte.

»Na, zum Donnerwetter – –!« Mehr brachte Carl nicht heraus, denn alle starrten ihn an. Er kam sich lächerlich vor; er hatte Angst davor, für »verdreht« gehalten zu werden. Er entfernte sich schleunigst aus der Drogerie.

 

Als er am nächsten Abend in Mrs. Henkels Kosthaus zum Essen kam, ging ein Exemplar der Lokalzeitung, der Plato Weekly Times, von Hand zu Hand; auf der Titelseite stand eine Riesenschlagzeile:

PLATO PROFESSOR HÄLT AUFRÜHRERISCHE REDEN

Während der Drucklegung erfahren wir, daß im Collegegarten Gerüchte einhergehen, die darauf abzielen, daß man höheren Orts über die Bemerkungen eines wohlbekannten Mitgliedes unseres Lehrkörpers, das den Sozialismus und andere Formen der Anarchie gepriesen hat, sehr erregt ist. Es heißt, daß eines der älteren Mitglieder des Lehrkörpers von dem abgeirrten Lehrer eine Erklärung über seine Ausführungen verlangen wird, die angeblich in Form einer Verteidigung des englischen Anarchisten Bernhard Shaw gekleidet waren. Die Eingeweihten erwarten sensationelle Enthüllungen, und die Collegegartengespräche beschäftigen sich in so außerordentlich hohem Grade mit Diskussionen über die Angelegenheit, daß das bevorstehende wichtige Spiel mit dem St.-Johns-College fast in Vergessenheit geraten ist.

Wenn die Times auch das Plato-College als einen der schönsten Edelsteine in der stolzen Krone der Gelehrsamkeit Minnesotas stets unterstützt hat, so können wir doch nicht umhin, solche Nachrichten mit üblem Befremden aufzunehmen. Es versteht sich am Rande, daß wir unserer Mißbilligung derartig aufwiegelnder Äußerungen nicht scharf genug Ausdruck verleihen können, und daß wir über diese Angelegenheit bis zum bitteren Ende furchtlos berichten werden, mögen die Späne auch fallen, wohin immer sie wollen.

 

»Na also, Mr. Ericson«, sagte Mrs. Henkel, eine rundliche, anständige, mißtrauische Frau, an der schon so viele Generationen großer Platonier vorübergegangen waren, daß nichts mehr Eindruck auf sie machte, »da sehen Sie, was man in der Öffentlichkeit über Ihren Professor Frazer denkt. Ich hab Ihnen ja gesagt, so etwas wird mit üblem Befremden aufgenommen werden, und es sollte mich nur wundern, wenn die Öffentlichkeit nicht scharf mißbilligen würde.«

»Das ist doch nichts wie Klatsch«, antwortete Carl matt; als er jedoch den Bericht in der Weekly Times gelesen hatte, war ihm elend und ängstlich zu Mute, denn sein jugendlicher Respekt vor allem Gedruckten war groß. Am liebsten hätte er dem Redakteur der Times, der immer bekleckerte Rockaufschläge hatte, eine Tracht Prügel verabfolgt. Als er wieder aufsah, versuchte die kokette Mae Thurston ihn zu trösten: »Bei der Wäsche geht das alles ja heraus, Ericson; machen Sie sich keine Gedanken darüber. Die Redakteure müssen doch über irgendwas schreiben, sonst würden sie ja ihre Zeitung nicht voll kriegen.«

Er streichelte sie unter dem Tisch mit dem Fuß. Dann redete er viel und tat alles, um die allgemeine Unterhaltung von der Angelegenheit Frazer abzulenken; aber er wurde immer wütender und wütender und verspürte den lebhaften Wunsch nach einer wirksamen Tat, der sich in ihm folgendermaßen ausdrückte: »Ich werd ihnen schon zeigen! Ich hab ja so eine Stinkwut

 

Überall wurde über Professor Frazer geredet und diskutiert: im Ankleideraum am Sportplatz, wo die Fußballmannschaft sich in der schweißdunstigen Luft umzog und alle, vor kleinen Schränken auf einem Bein balancierend, sich mit braunen unsauberen Frottierhandtüchern abtrocknend, durcheinander sprachen; in den nett gehaltenen Zimmerchen der Studentinnen mit den Bannern und Kissen und rosa Steppdecken und Konfektschüsselchen und Familienphotographien; in dem kleinen, nach Pferden und Lederzeug riechenden, mit Reitpeitschen dekorierten Bureau des Mietstalles der Stadt, wo Mr. Goff mit dem Redakteur der Times endlose Reden führte.

Überall hörte Carl das Echo dieser Gespräche und beschloß: »Ich muß was tun


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