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Kapitel XXIX.
Was Blenkiron erzählte.

Der Oktober stand nahe bevor und in London hatte das gesellschaftliche Leben, das zwei Monate lang pausiert hatte, von neuem begonnen. Die Zeitungen füllten sich wieder mit Anzeigen von Bällen, Gesellschaften und Diners, mit denen die Menschen, die viel Geld und nichts zu tun haben, ihre Zeit totzuschlagen pflegen.

Johnson und Cora Hartsilver waren in die Stadt zurückgekehrt, Preston und Yootha Hagerston ebenfalls. Yootha war reumütig zu ihrer Freundin gekommen und es war ihr nicht schwer geworden, die alten herzlichen Beziehungen wiederherzustellen. George Blenkiron wohnte noch in Cox's Hotel.

Preston hatte Hopford mitgeteilt, daß Major Guysburg aus Amerika zurückgekehrt und in Morleys Hotel am Trafalgar Square abgestiegen wäre. Hopford war sogleich dorthin geeilt, um den Major zu sprechen, hatte ihn aber nicht angetroffen. Unter den Gästen des Hotels war ihm aber ein schwarzhaariger Ausländer aufgefallen, der recht wohlbeleibt war und einen sorgfältig gewichsten Schnurrbart trug. Es gelang ihm bald, den Namen des Fremden festzustellen: er hieß Alphonse Michaud.

Nach dieser Entdeckung zündete sich der Journalist eine Zigarette an und verließ dann das Hotel, um seinen Freund Blenkiron aufzusuchen, den er seit seiner Rückkehr noch nicht gesehen hatte. Auf dem Wege nach Cox's Hotel traf er den Kollegen, der auf seinen Wunsch Stapletons »Nest« überwacht hatte, als Hopford sich noch in Paris befand.

»Ich bin im Begriff, einen Freund in Cox's Hotel zu besuchen,« sagte ihm Hopford, als sie einige Worte gewechselt hatten. »Ein netter Mann, Blenkiron mit Namen. Wollen Sie nicht mitkommen? Vielleicht kennt er den Burschen, den Sie damals verfolgt haben. Oder Sie treffen ihn selbst im Hotel. Man kann nie wissen!«

Sie gingen zusammen weiter. Im Hotel erfuhren sie, daß Blenkiron zu Hause war und Hopford ließ ihm seine Karte überbringen. Nach einer Minute wurden sie »hinaufgebeten.«

»Guten Abend, Blenkiron,« sagte Hopford beim Eintreten. »Ich hoffe, ich störe Sie nicht. Sonst schicken Sie mich hinaus. Ich möchte Sie mit einem Freunde bekanntmachen« und er trat Zur Seite, um seinem Kollegen Platz zu machen.

Es folgte eins tiefe Stille. Hopfords Freund und Blenkiron starrten mit tiefem Erstaunen aufeinander.

»Haben wir uns nicht schon gesehen?« sagte letzterer endlich. »Natürlich, auf der Straße vom ›Nest‹ nach Uckfield –«

Der andere lächelte.

»Ja,« sagte er, »und ich folgte Ihnen bis in dies Hotel. Ich versuchte auch Ihren Namen zu ermitteln, aber vergebens. Ich hoffe, Sie werden mir verzeihen, Mr. Blenkiron, besonders, wenn ich Ihnen sage, daß ich in Hopfords Auftrag handelte.«

Alle drei brachen in ein schallendes Gelächter aus.

»Also Sie sind der Bursche, Blenkiron,« rief Hopford, »der uns so sehr interessierte! Das ist wirklich gelungen!«

Bald saßen alle drei bei einem Glase Whisky in lebhafter Unterhaltung.

»Wissen Sie das Neueste über das »Haus mit dem Bronzegesicht?« fragte Blenkiron plötzlich.«

»Nein, was denn?« erwiderte Hopford eifrig.

»Alix Stothert, Camille Lenois, ein junges Mädchen aus ganz guter Familie, deren Namen ich verschweigen muß, und noch mehrere andere sind soeben, heute abend um sechs Uhr, unter der Anklage der versuchten Erpressung verhaftet worden. Mehrere Personen, die wir kennen, sind wahrscheinlich in die Sache verwickelt. Drei von ihnen werden Sie wohl gleich erraten.«

»QJ. und Co,« bemerkte Hopford.

Blenkiron nickte.

»Donnerwetter, das ist großartig!« rief Hopford aus. »Wer hat es Ihnen gesagt, George?«

»Der Polizeikommissär selbst. Die Nachricht ist also zuverlässig.«

Hopford sprang auf.

»Darf ich Ihr Telephon benutzen?« fragte er und ging auf die Tür zu. »Kommen Sie mit, ich will die ganze Geschichte gleich durchdiktieren.«

»Setzen Sie sich, Hopford!« rief Blenkiron und wies auf den Stuhl, von dem der Journalist sich erhoben hatte. »Nicht ein Wort von dem, was ich Ihnen gesagt habe, kommt ohne meine Bewilligung in die Zeitung. Nicht ein Wort! Verstehen Sie?«

»Aber die anderen Zeitungen werden es bringen,« rief Hopford, der die Türklinke nicht losließ.

»Sie werden es nicht bringen, das versprech' ich Ihnen. Der Polizeikommissär, den ich gut kenne, sagte mir, daß nichts davon bekanntgegeben wird, bis die ganze Bande hinter Schloß und Riegel sitzt. Ein voreiliges Wort in der Zeitung könnte die Verbrecher warnen und die Absichten der Justiz vereiteln. Ich habe Preston, Miß Hagerston, Johnson und Mrs. Hartsilver telephoniert und sie zum Souper eingeladen. Sie tun also gut, wenn Sie mit Ihrem Freunde hier bleiben.«

Hopford überlegte eine Weile.

»Darf ich noch jemand einladen?« fragte er plötzlich. »Ein Freund von Preston, Major Guysburg, der in Morleys Hotel wohnt, weiß manches über den Eigentümer der Londoner Geheimagentur, einen gewissen Alphonse Michaud, zu berichten, der die Seele des ganzen Unternehmens sein soll. Es wäre interessant, von ihm Näheres zu erfahren.«

»Rufen Sie ihn gleich an und laden Sie ihn ein,« erwiderte Blenkiron. »Michaud ist übrigens gleichfalls soeben verhaftet worden, wie der Polizeikommissär mir sagte.« – »Michaud verhaftet? Aber wofür?«

»Unter der gleichen Anklage wie die anderen. Aber bei ihm kommt noch etwas hinzu. Er soll die Einfuhr des Giftes organisiert haben, das so sonderbare Eigenschaften besitzt und –«

Die Ankunft von Preston und Yootha Hagerston, denen Johnson und Cora fast unmittelbar folgten, machte Blenkirons Erzählung ein Ende. Alle waren äußerst begierig, neues über »das Haus mit dem Bronzegesicht« zu erfahren und als bald darauf Major Guysburg ins Zimmer trat, schien ihm, daß alle zu gleicher Zeit sprachen.


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