Adolf Kußmaul
Jugenderinnerungen eines alten Arztes
Adolf Kußmaul

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Letzter Kommers.

Am 4. März 1845 feierte die allgemeine Studentenschaft ihren Abschiedskommers. Der große Saal der Hirschgasse war dicht gefüllt, Aegidi, der Vorstand des Verwaltungsausschusses, zählte die Gäste, es waren gegen 280.

Die Studentenschaft sah mit Befriedigung auf das Wintersemester zurück. Sie hatte sich eine freie Verfassung gegeben, den Zwang alter Vorurteile gebrochen, nie noch waren die Einzelnen so leicht und angenehm einander nahe gekommen; als Söhne eines Vaterlandes, unbekümmert um den Volksstamm, das Land oder die Kirche, der sie angehörten, hatten sie einander schätzen und lieben gelernt. In gehobener Stimmung beging die Jugend das Fest nach alter Burschenweise, bei Musik, Gesang und Schlägerklang.

Mitternacht war herangekommen und Arndts mächtiges Vaterlandslied eben verklungen. Plötzlich stimmte die Musik die Marseillaise an, und der Neckarbund, der vollzählig erschienen war, fiel, den französischen Text singend, in die Melodie ein. Er hatte die Ueberraschung ins Werk gesetzt und freute sich der Empörung, die der häßliche Streich an allen andern Tischen im Saale hervorrief. Ein furchtbarer Lärm erstickte die welsche Hymne. Dem wohlbegonnenen Feste drohte ein beschämender Ausgang, da gelang es Aegidi, die Rednerbühne zu ersteigen und die hochgehenden Wogen durch patriotische und begütigende Worte zu glätten. Er schloß mit dem feurigen Zuruf: »Brüder, auf Wiedersehen zu Frankfurt im deutschen Parlament!«

Jubelnder Beifall brauste durch den Saal, und die Präsides kommandierten: »Silentium! Initium fidelitatis!« 181

 


 


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