Joseph Seligmann Kohn
Der jüdische Gil Blas
Joseph Seligmann Kohn

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Letztes Kapitel

Die Vermählung. – Das Adels-Diplom.

Der Rest jenes Tages verstrich, theils in an mich gerichteten Nachfragen meines Wirths über die gegenwärtigen Glücksumstände seiner Mutter und das eheliche Verhältniß seiner Schwester, welche von mir zu seiner Befriedigung beantwortet wurden; theils auch in Berathungen über meinen künftigen Lebensplan, und die Anordnung unserer Geschäftsverbindungen.

Der folgende Morgen war Zeuge meines herzlichen Abschieds von dem wackern Kalman und seiner edelsinnigen Gemahlin. Ausgerüstet mit den erforderlichen Mitteln zur Eröffnung des projectirten Geschäfts-Comptoirs in Prag, ward es mir nicht schwer, die gewünschte Heirathsbewilligung mit meiner heißgeliebten Judith, um deren Hand ich mich nun ernstlicher bewerben durfte, zu erlangen. Glückliche Privatunternehmungen wirkten nicht minder, als die zahlreichen Commissions- und Speditions-Aufträge Kalmans dazu mit, mir schon in den ersten zwei Jahren meines Geschäftslebens ein nicht unbedeutendes Vermögen zu sammeln, so daß ich mich bald im Stande fühlte, ansehnliche Woll-Vorräthe auf eigene Rechnung an die auswärtigen Handelshäuser zu versenden. Ein auswärtiger Krieg vermehrte die Aufkäufe und hierdurch das Steigen der Preise dieses Artikels. Die Gewinnste eines einzigen Jahres hatten mich zum reichen Manne umgeschaffen; und die Theilnahme Judiths an meiner mercantilischen Thätigkeit, welche durch ihren berathenden Einfluß Vieles zum Gedeihen meiner Unternehmungen beizutragen vermochte, gewann mir das Vertrauen ab, ihr das Ruder des Geschäfts auf Monate zu übertragen, um eine wichtige Handelsreise nach Ungarn Behufs großer Tabakaufkäufe anzutreten. Zwar durfte ich den bestehenden Landesgesetzen zufolge, diesen Handelszweig nicht nach Böhmen einführen; weil ich jedoch in der Eigenschaft eines kaiserlichen Lieferanten aufzutreten beschloß, ward ich von diesem Zwange ausgenommen. Allerdings durfte auch nicht das geringste Quantum zu einem andern Zwecke, als in Ablieferungen an die Finanzbeamten verwendet werden. Dennoch fand ich meine Rechnungen nicht verfehlt, und weil der Staat bei meinen Lieferungen im Verhältnisse zu denen eines von mir überbotenen Vorgängers weit vortheilhafter bestand, so verkündeten bald die politischen Zeitungen, welche innerhalb des Kaiserstaates erscheinen: »Sr. Maj. haben geruht, den Tabakslieferanten Nathan Maier in Prag in Anbetracht seiner Verdienste etc. in den Adelstand mit dem Prädicate: 'Edlen von Maiersfeld' zu erheben, und zwar die Adelswürde auch auf seine Descendenten zu übertragen.«

Diese abermalige Glückserhöhung bestimmte mich, meinen Wirkungskreis in die Residenz zu verlegen, welche, als der Mittelpunkt des östreichischen Handels, eine noch mehr erhöhte Geschäftsthätigkeit gestattete. Mein Stolz weidete sich an der Erinnerung, einst in derselben Stadt den schmählichen Judenzoll entrichtet zu haben, welche jetzt ein Zeuge meines ungewöhnlichen Glückes geworden, wo eines der herrlichsten Gebäude, das allgemein zu den Zierden einer der Hauptstraßen dieser Residenz gezählt wird, auf meinen Namen stadtbücherlich eingetragen worden, und dessen Mauern noch jetzt täglich die angesehensten Cavaliere und vornehme, mit Ordensbändern gezierte Fremde aus allen Gegenden Europa's aufzunehmen pflegen.

Auch mein Familienleben hat die gütige Vorsehung gesegnet. Ermüdet von den Tagesgeschäften verlasse ich mit einbrechendem Abende das mit Courszetteln von allen Börsen Europas beschüttete Geschäfts-Comptoir, um mich in den linken Flügel des Hauses zu verfügen, welchen meine inniggeliebte Judith mit zwei aus unserer Ehe erzeugten hoffnungsvollen Knaben bewohnt. In ihrem fröhlichen Kreise befreie ich mich von dem lästigen Zwange eines steifen Ceremoniells, welches der herrschende Ton einer großen Residenz bei den Besuchen von Standespersonen uns aufzuerlegen pflegt.
 

Hier schließt die Geschichte meiner ersten Lebenshälfte, welche, der in den Adelstand erhobene, einst arme und unbedeutende Schlächtersohn aus Trebisch, niederzuschreiben, sich nicht entblödete. Der Erzieher meiner Söhne, ein Kandidat der Medizin, hat von mir das mühsame Geschäft erhalten, meine Handschrift durchzublicken, um sie der grammatischen und stylistischen Prüfung zu unterwerfen, und sie nach seinem Gutbefinden der Presse zu überliefern. Der daraus zu gewinnende Ertrag soll zur Bestreitung seiner Promotionskosten und Erlangung der Doctorwürde für ihn verwendet werden; und nun lieber Leser, empfange zum Danke für deinen Antheil an meinen Jugenderlebnissen, welchen du durch eine bis zum Schlusse des Buches fortgesetzte Lectüre desselben zu bewähren schienst, ein herzliches Lebewohl!

Wien, im Wonnemonat 1834

Mit Königl. Sächsischer Censur.


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