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21.
Mr. Bopkins kneift aus

Alle waren frohen Mutes und einmütig entschlossen, bis zum letzten Atemzuge zu ihrem Führer zu halten, in dem Bewußtsein, daß es von ihrer Zähigkeit abhing, ob dieses vielversprechende Stück Erde der Zivilisation zugeführt werden oder noch auf Jahrzehnte hinaus als barbarische Wildnis für die übrige Welt verschlossen bleiben sollte.

Nur Mr. Bopkins hegte eine andere Auffassung. Er erschien jeden folgenden Morgen von neuem beim Doktor, um seinen Protest gegen das längere Verweilen in der Schlucht zu wiederholen und ihn aufzufordern, daß er mit den Indianern Frieden schließe. Natürlich fanden diese schönen Ratschläge niemals Gehör.

Ergrimmt über seinen Mißerfolg pflegte Mr. Bopkins sich dann jedesmal nach dem hinteren Teile der Schlucht zurückzuziehen, wo er sich am Ufer des kleinen Sees niedersetzte und über die Schlechtigkeit der Menschen nachgrübelte, die für den Repräsentanten der South-American-Railway-Company gar keinen Respekt mehr empfanden.

siehe Bildunterschrift

Mr. Bopkins saß am Rande des Sees.

So verstrich eine weitere Woche in tatlosem Ausharren. Als der Doktor am Schlusse derselben neuerdings einen Aufstieg machte und nach Yuquirenda telegraphierte, blieb er wiederum ohne Antwort.

Am darauffolgenden Morgen saß Mr. Bopkins seiner neu angenommenen Gewohnheit zufolge schon am frühen Morgen am Rande des Sees und gab seinen Gedanken Audienz.

Da wurde er durch ein Geräusch aufgeschreckt, das sich anhörte, als ob ein schwerer Gegenstand aus ziemlicher Höhe zur Erde gefallen sei. Überrascht blickte der Yankee um sich. Da sah er nicht weit von seinem Sitze einen faustgroßen Stein, an welchen ein Blatt Papier gebunden war. Rasch schaute er nach oben und gewahrte dort am Rande der Schlucht das Gesicht eines Indianers, der ihn mit einer hastigen Gebärde zur Vorsicht mahnte und dann schleunig wieder verschwand.

Mr. Bopkins schüttelte verwundert sein würdiges Haupt und blickte nach dem Lager zurück. Da er erkannte, daß man ihm von dort aus keine Aufmerksamkeit schenkte, holte er den Stein herbei und ließ sich dann wieder in seine frühere Stellung nieder, um die unerwartete Botschaft der Rothäute zur Kenntnis zu nehmen.

Er schloß nicht mit Unrecht, daß der alte Chiatzutak selber sie verfaßt hatte, denn unter der großen Kriegerschar war dieser wohl der einzige, der den Schreibgriffel zu handhaben wußte. Als Mr. Bopkins den Zettel vom Stein gelöst hatte, entfaltete er ihn und vertiefte sich in seinen Inhalt.

Der Brief machte den Eindruck, als habe ihn ein Droschkenkutscher verfaßt, der alle Regeln der Orthographie vergessen hat und nur noch weiß, daß es ein Alphabet gibt, mit welchem man unter Umständen auch schreiben kann. Einem anderen Manne wäre der Brief darum vielleicht völlig unverständlich geblieben. Mr. Bopkins hatte jedoch in einer früheren Daseinsperiode selber keine andere Rechtschreibung gekannt und seine Verträge mit den Zirkusdirektoren gewöhnlich unterzeichnet: »Ück bün mid disse Bedünnkunk tsufridden. Dschämß Bohpkinnß.« Daher wurde ihm bald klar, was der alte Kazike wollte, und weil ihm der Vorschlag des Häuptlings ein vortreffliches Mittel schien, dem unbotmäßigen Doktor einen ausgiebigen Hieb zu versetzen, war er ohne Zögern bereit, darauf einzugehen. Zum Zeichen seines Einverständnisses bog er sich daher, wie in dem Schreiben verlangt wurde, zum See nieder, schöpfte mit der hohlen Hand von dem kühlen Wasser und ließ es dann in seinen Mund gleiten, als ob er einer Erfrischung bedürfte.

Der Inhalt des verlockenden Zettels aber, den er sorgfältig in seiner inneren Brusttasche verborgen hatte, war in kurzen Worten folgender. Chiatzutak, der ja bei der geschilderten Unterredung die Ansicht des Yankee kennen gelernt hatte, schlug diesem vor, ins Lager der Indianer zu kommen, und mit ihnen auf Grund der bereits erwähnten Bedingungen Frieden zu schließen; dann mußte sich der Doktor wohl oder übel der neuen Sachlage fügen. Tat er es dennoch nicht, sollte Mr. Bopkins trotzdem keinen Schaden dadurch erleiden. Vielmehr versprachen die Indianer, ihn unverletzt an die Grenze der bewohnten Gegenden zu schaffen, wenn er seine Gefährten dem unvermeidlichen Schicksale überlasse. Im Falle aber auch er sich weigerte, auf das Ansinnen des Kaziken einzugehen, wurde ihm ein besonders grausames Ende in Aussicht gestellt.

Nun hing Mr. Bopkins mit der größten Zähigkeit an seinem kostbaren Leben und wäre schon aus diesem Grunde auf den Plan der Rothäute eingegangen. Als besonderer Stachel zur Annahme kam noch hinzu, daß er auf diese Art den verhaßten Doktor mit einem Schlage um Ansehen und Erfolg bringen konnte.

Alsbald verschwanden seine bisherigen trüben Gedanken. In einer zufriedenen Stimmung kehrte er wieder ins Lager zurück, wo er sich natürlich hütete, sein Erlebnis den übrigen durch eine Miene zu verraten. Vielmehr stellte er sich beleidigter und empörter denn je, und seine notgedrungenen Antworten konnte man kaum mehr von dem Knurren einer Bulldogge unterscheiden. Die anderen Herren ließen sich von seiner scheinbar schlechten Laune nicht anfechten; die Peones hingegen lachten aus vollem Halse darüber, was der Betroffene mit entrüsteten Blicken und heimlicher Schadenfreude entgegennahm.

Als die Nacht hereingebrochen war und die Weißen mit Ausnahme der Wachen an Eingange der Schlucht alle im tiefsten Schlafe lagen, kroch Mr. Bopkins vorsichtig aus seinem Wagen und schlich, die zusammengebundenen Stiefel über die Achsel gehängt, mit bloßen Füßen zum See hin. Dort zog er eine Schachtel Zündhölzer heraus, ließ ein Hölzchen für eine kurze Sekunde aufflammen, was im Lager niemand bemerken konnte, und wartete dann, ob dieses Zeichen oben bemerkt worden war.

Es dauerte auch nicht lange, da vernahm er, wie am Fuße des Abhanges ein Gegenstand in kurzen Pausen dumpf und leise auf den Boden schlug. Er schlich sich hin, tastete herum und berührte bald ein Seil, das von oben herunterhing und an seinem unteren Ende eine Schlinge trug. In diese trat er mit beiden Füßen und gab dann das Zeichen zum Anziehen, worauf er sich alsbald langsam in die Höhe gehoben fühlte.

Zwar kam ihn mit der Zeit ein beträchtliches Gruseln an, als der Wind ihn auf seinem luftigen Standpunkt immer heftiger hin und her schwenkte und der Abgrund unter ihm immer tiefer wurde. Doch die Schwingungen des Seils wurden bald kürzer und kürzer; dann langten mehrere Hände nach ihm herunter und er wurde über den Rand der Böschung vollends hinaufgezogen. Dieselben Helfer nahmen ihn nun in die Mitte; während er mit ihnen behutsam davonschlich, konnte er nicht umhin, im stillen vor sich hin zu kichern und sich über die Gesichter zu freuen, die seine bisherigen Gefährten machen würden, sobald sie sein Verschwinden bemerkten.

Doch seine gehobene Stimmung sollte nicht lange andauern. Als er mit seinen Begleitern unter mancherlei Beschwerden den Abhang des Cerro Cristian hinabgeklettert und in die Ebene getreten war, legten sich plötzlich ein paar feste Hände um seinen Hals. Er wurde zu Boden gerissen, gebunden und geknebelt; dann stellte man ihn wieder auf die Füße und trieb ihn mit unsanften Stößen zu einer rascheren Gangart an, den aus der Ferne herüberleuchtenden Feuern der Rothäute zu. Er war regelrecht in die Falle gegangen!

Als er ermüdet und in ziemlicher Verzweiflung dort anlangte, band man ihn zunächst an einen Baum, stellte eine Wache zu ihm und überließ ihn dann seinen keineswegs rosigen Betrachtungen.

Erst als am anderen Morgen schon lange die Sonne aufgegangen war, wurde er wieder losgeknüpft und vor den alten Kaziken gebracht, der ihn mit deutlich zur Schau getragenem Hohne empfing. Statt der erhofften freudigen Bewillkommnung, die Mr. Bopkins sich am vergangenen Tage sehr schön ausgemalt hatte, tönte ihm jetzt als Begrüßung das Wort »Dummkopf« entgegen, woran sich nach einer kurzen Pause die noch viel ehrenvolleren Titel »Feigling« und »Verräter an deinem eigenen Fleisch und Blut« reihten.

Wenn der Yankee bis dahin noch eine winzig kleine Hoffnung gehegt hatte, daß das Vorgehen der Roten auf einem Mißverständnis beruhe, dann war diese jetzt vollständig geschwunden. Mit Schrecken erkannte er, daß er rettungslos verloren sei, wenn ihn nicht die schmählich verratenen Gefährten ein zweites Mal befreiten.

Der alte Häuptling ließ ihm übrigens nicht lange Zeit, sich solchen traurigen Überlegungen hinzugeben, sondern begann sogleich voll Eifer das Verhör und zwar mit der Drohung, daß den Gefangenen die schrecklichsten Qualen treffen würden, falls sich sein Geständnis nur in einem einzigen Punkte als unrichtig erwies.

Chiatzutak hatte sich in seinen Erwartungen nicht getäuscht. Mr. Bopkins geriet darüber in ein maßloses Entsetzen, und wohl noch nie war ein Gefangener bereitwilliger mit seinem Geständnis als er.

Er erzählte haarklein die Vorbereitungen, die der Doktor und der Oberst für die Verteidigung des Lagers getroffen hatten, beschrieb das Schnellfeuergeschütz und den Luftballon samt allen ihren Einrichtungen und erwähnte schließlich aus freien Stücken sogar die Hilfe, welche die Expedition von Yuquirenda her erwartete.

Chiatzutak erbleichte förmlich, als er von dieser ungeahnten Gefahr vernahm, kannte er doch nur zu gut das gefürchtete Ansehen, das Kapitän Artigas bei allen Indianern des Gran Chaco genoß, die ihn für einen leibhaftigen Dämon hielten, gegen den jeder Widerstand nur verderblich sei. Der Häuptling hütete sich auch wohl, seinen Leuten davon Mitteilung zu machen, um sie nicht zu entmutigen; das ließ sich umso leichter tun, als er allein Englisch verstand und Mr. Bopkins keiner anderen Sprache mächtig war.

Chiatzutak überlegte sich zunächst, wie er dieser drohenden Gefahr begegnen könne; dann fiel ihm ein neuer Trostgrund ein. Er fragte den Yankee: »Du sagtest, daß der Kapitän mit seinen Dragonern erst aufbrechen werde, wenn ihn deine Freunde zu Hilfe rufen?«

Mr. Bopkins nickte bestätigend mit dem Kopfe.

»Nun,« fuhr Chiatzutak mit zufriedenem Aufatmen fort, »ich werde dafür sorgen, daß auch nicht eine Maus dort aus der Schlucht fort kann, um die Nachricht von den hiesigen Vorfällen nach Yuquirenda zu bringen.«

»Das ist nicht genug,« erwiderte der brave Yankee. »Sie täuschen sich, wenn Sie glauben, daß Ihre Feinde eines Boten bedürfen.«

»Ich weiß,« fiel der Kazike ein, »daß ihr Weißen es auch versteht, mit Hilfe eiserner Drähte Botschaften in die Ferne zu senden. Aber dazu müßten diese erst ausgespannt sein ...«

»Sie irren sich wiederum,« unterbrach ihn Mr. Bopkins. »Wir brauchen schon lange keine Drähte mehr, um Zeichen in die Ferne zu geben.«

Nun wurde Chiatzutak ernstlich besorgt und forderte eine ausführliche Erklärung. Der Gefangene suchte sie ihm nach bestem Können zu geben; aber da dem Häuptling alle Grundbedingungen fehlten, die ein Verständnis hätten ermöglichen können, schüttelte er schließlich mit dem Kopfe und sagte: »Ich kann zwar nicht alles begreifen, was du da vorbringst; trotzdem will ich dir glauben. Du sagst also, daß jene fliegende Kugel dazu nötig ist, um mit Leuten zu sprechen, die viele hundert Meilen entfernt wohnen?«

»Gewiß. Ohne diese Kugel wären deine Feinde von jedem Verkehr mit der Außenwelt abgeschlossen.«

»Gut,« versetzte der Häuptling. »Ich werde meine besten Schützen auf die Höhe hinaufsenden und dieses gefährliche Ungetüm zerschießen lassen, sobald es wieder aufsteigen will.«

»Das würde wenig nützen,« erwiderte der andere. »Solche kleine Löcher sind schnell geflickt und können höchstens eine kurze Verzögerung verursachen. Ihr müßt vielmehr versuchen, jene Masse zu zerstören, die das Gas zur Füllung des Ballons liefert.«

Hier stockte das Verständnis des Kaziken von neuem, und auch eine weitläufige Erklärung Mr. Bopkins' führte nicht zum Ziel. Aber so viel begriff Chiatzutak doch, daß in dem Wagen mit den Hydrolvorräten die hauptsächlichste Gefahr schlummere, und er sann nun auf ein Mittel, diese zu vernichten.

Er zog sich in seine Hütte zurück und ließ den Gefangenen wieder an seinen Baum binden, worüber Mr. Bopkins tief empört war und am liebsten protestiert hätte. Hatte er doch mit Sicherheit darauf gerechnet, daß ihn seine bereitwilligen Geständnisse ohne weiteres zum besten Freunde der Indianer machen würden.

Kehren wir nun zu den Eingeschlossenen in der Schlucht zurück. Als Doktor Bergmann am Morgen nach Mr. Bopkins' Auskneifen erwachte, verwunderte er sich, daß dieser nicht wie gewöhnlich zu ihm trat und seinen Protest vorbrachte. Er sprach mit dem Oberst darüber, und dieser erwiderte ebenso überrascht: »Sollte er endlich eingesehen haben, welch lächerliche Rolle er mit seinen endlosen Nörgeleien spielt?«

»Ich glaube kaum,« entgegnete der Doktor. »Wahrscheinlich schläft er noch.«

»Oder er sammelt gerade Kräfte zu einem Protest von doppelter Stärke,« schloß der Oberst lachend.

Als aber einige Stunden verstrichen waren, ohne daß der Vermißte zum Vorschein kam, wurde der Doktor besorgt und ging zu dem Wagen, um nachzusehen. Dieser stand leer und voller Unruhe wandte sich der Doktor an die Peones mit der Frage, ob der Yankee vielleicht das Lager verlassen habe. Doch niemand hatte ihn seit dem vorhergehenden Abend gesehen, und obwohl jetzt die ganze Schlucht nach ihm durchstöbert wurde, blieb er spurlos verschwunden.

»Das ist mehr als sonderbar,« sagte der Oberst, als die ausgesandten Peones von ihrer erfolglosen Suche zurückkehrten. »Er kann doch nicht einfach wie eine Schwalbe im Herbste auf und davongeflogen sein! Auch liegt der Ballon noch unversehrt auf seinem Wagen.«

»Er pflegte sich häufig hinten am See aufzuhalten,« entgegnete der Doktor. »Vielleicht ist er in der Dunkelheit ausgeglitten und ertrunken, ohne daß wir seine Hilferufe hörten.«

»Dann müßte wenigstens sein berühmter Zylinder noch obenauf schwimmen. Ich muß doch selber einmal nachsehen. Wollen Sie mich begleiten?«

Der Doktor war einverstanden. Die beiden Herren untersuchten zunächst die Umgebung von Mr. Bopkins' Wagen nach Spuren seines verschwundenen Besitzers. Aber der anhaltende Regen hatte diese längst ausgelöscht; nur die Fußspuren der Peones waren noch zu erkennen. Darum begaben sich die beiden Herren nunmehr an den Ausgang der Schlucht und begannen von dort aus, den Abhang entlang nach Spuren von dem Entschwundenen zu suchen.

Eine ziemliche Weile blieben ihre Bemühungen erfolglos, bis sie in die Nähe des Sees kamen. Hier bemerkte das scharfe Auge des Obersten, daß auf das Gerölle, das dort ursprünglich den Boden bildete, ein dünner, kaum erkenntlicher Überzug von Sand, mit Grashalmen vermengt, gefallen war. Die verdächtige Stelle mochte etwa zwei Ellen im Durchmesser spannen.

Sogleich zog der Oberst das Fernglas heraus und blickte zum oberen Rand des Abhanges hinauf, der gerade über ihnen lag. Eine leise Verwünschung entfuhr da seinen Lippen, denn dort oben ließ sich deutlich in dem weichen Gestein der feine, gerade Strich erkennen, den der Strick beim Aufziehen eingerieben hatte. Wortlos deutete Oberst Iquite auf das verräterische Zeichen und reichte seinem Begleiter das Glas, der die Farbe wechselte, sobald er die Linie am Felsen bemerkte.

»Ja, ja, lieber Doktor,« wollte der Offizier nun empört aufbrausen. »Dieser Erzschelm hat sich in feiger Hinterlist den Rothäuten in die Arme geworfen ...«

»Regen Sie sich nicht über diesen Menschen auf,« suchte ihn der Doktor zu beruhigen. »Er wird es genug bereuen und vielleicht schon mit Schmerzen an unsere sichere Schlucht zurückdenken.«

»Mir liegt auch wenig an diesem Auskneifer,« erwiderte Oberst Iquite, »im Gegenteil; jetzt haben wir wenigstens vor seinen Protesten Ruhe. Aber ich fürchte, man wird ihn dort unter allerlei Gewaltmaßregeln zum Ausplaudern zwingen. Statt daß Don Rocca dann mit seinen Leuten unvermutet über die Indianer herfallen und uns heraushauen kann, werden sie sich zu seinem Empfang gründlich vorbereiten. Jedenfalls wird dieser Joaosigno oder Chiatzutak, wie er sich jetzt nennt, nunmehr alle seine Kräfte hier zusammenziehen, um den Schlag abzuwehren. Alles in allem verfügt er wohl noch über ungefähr zwanzigtausend Krieger; gegen eine solche Übermacht vermag selbst der unvergleichliche Artigas mit seinen Reitern nichts auszurichten.«

»Ich bezweifle,« gab der Doktor zurück, »daß die Indianer den Yankee verstehen, selbst wenn er unsere Hilfsmittel bis zu einem solchen Grade verrät. Sie werden sich doch nie vorstellen können, daß man mit elektrischen Wellen zu telegraphieren vermag.«

»Sie übersehen, daß der alte Kazike längere Zeit in Buenos Aires weilte und die Telegraphen kennt.«

»Gewiß; aber nur die alte Leitungstelegraphie, keineswegs die drahtlose. Solange also niemand von uns die Reihen der roten Krieger zu durchbrechen vermag, wird es dem Kaziken unmöglich scheinen, daß wir unsere Freunde in Yuquirenda zu Hilfe rufen. Dagegen erregt ein anderer Umstand meine Besorgnis.«

»Was meinen Sie?« erkundigte sich der Oberst.

»Ich denke: ebensogut, wie man einen Mann hier in die Höhe zog, können sich andere an einem Strick in die Tiefe herablassen. Wenn wir daher nicht sehr vorsichtig sind, haben wir in einer schönen Nacht ein paar hundert dieser durchtriebenen Rothäute über dem Halse und sind verloren, weil wir gar nicht Zeit finden, zu den Waffen zu greifen.«

Der Oberst sann einige Augenblicke nach.

»Ich glaube, Ihre Besorgnis in dieser Hinsicht zerstören zu können,« sagte er dann. »Soweit ich die Indianer kenne, vermeiden sie, wenn es irgend angeht, den offenen Angriff; auch hat unser Maschinengewehr ihnen einen heillosen Schrecken beigebracht. Sie werden daher kaum ihre gesunden Glieder in Gefahr bringen, sondern in sicherer Ferne abwarten, bis wir uns von selbst ergeben. Doch trotzdem wollen wir keine Vorsichtsmaßregel außer acht lassen, und von nun an Nachts die Böschung entlang einige Feuer anzünden, zwischen denen unsere Wachen patrouillieren können. An Brennmaterial fehlt es uns zum Glück nicht.«

Sie kehrten zu den Wagen zurück und schickten die Peones aus, Reisig zu sammeln, das die niedrigen Büsche in der Schlucht auf lange Zeit liefern konnten. Freilich war es recht feucht und wollte nur schwer brennen; dennoch hoffte der Oberst, diese Feuerzeichen mit den Wachen dazwischen würden ausreichen, um die Wilden von jedem Einbruchsversuch abzuhalten. Auch konnte man Vorräte zum Trocknen aufhäufen, die nach zwei oder drei Tagen den gewünschten Brennstoff geben mußten.

Als die Peones von dem Streiche des Yankee erfuhren, bemächtigte sich ihrer eine tiefe Erbitterung, und Mr. Bopkins hätte es schwer entgelten müssen, wenn er noch in der Schlucht gewesen wäre. Denn zur Entrüstung über seine Fahnenflucht gesellte sich noch der Ärger, daß sie nunmehr dreifache Wachedienste leisten mußten und kaum mehr zum Schlafen kamen.


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