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20.
Friedensvorschläge

Die Indianer richteten sich nun draußen zu einem längeren Aufenthalt ein, denn man konnte deutlich erkennen, wie sie in den umherliegenden Büschen lange Stangen abschlugen und daraus an mehreren Stellen mit Hilfe von Reisig und Gras kleine Ranchos errichteten. Schon am zweiten Tage der Belagerung zählten die eingeschlossenen Weißen mehrere hundert dieser einfachen Bauwerke, die allerdings nur Schutz gegen die beständigen Regenschauer von oben gaben, sonst aber von allen Seiten dem Wind und Wetter freien Durchzug gewährten.

Die Weißen überließen sich gleichfalls nicht dem Müßiggange. Als erstes wurde ein potrero (Umzäunung) für die Pferde hergestellt. Diesem folgte ein größerer galpon als gemeinsamer Wohnraum für sämtliche Mitglieder der Expedition, von denen ja nur Sir Bendix und Mr. Bopkins eigene Wagen besaßen. Schließlich zimmerte sich Schani eine Küche zusammen, denn er hielt streng darauf, daß er in seinen Künsten von niemand gestört wurde; auch hatte er seine bisherige Werkstatt im Wagen oftmals sehr beengt gefunden.

Gleich am ersten Tage nach der Einschließung in der Schlucht stieg der Doktor wieder mit dem Ballon auf und suchte eine Verbindung mit Yuquirenda herzustellen; aber dort blieb alles stumm. Er war durch diesen andauernden Mißerfolg nicht wenig geärgert, zumal er daran denken mußte, daß seine Hydrolvorräte langsam zu Ende gingen; im besten Falle reichten sie noch für sieben bis acht Aufstiege.

In einer langen Unterredung mit seinen Assistenten und dem Oberst – Sir Bendix interessierte sich nur für seine Käfer, und Mr. Bopkins protestierte grundsätzlich gegen jede Beratung – wurde daher festgesetzt, die Anfragen nach Yuquirenda nur jede Woche einmal zu wiederholen. Dadurch bekamen sie noch zwei Monate Spielraum; während dieser Frist mußte Don Rocca zweifellos mit seiner Funkenstation fertig sein, wenn er überhaupt Yuquirenda erreicht hatte.

Dann verstrichen fünf Tage, während beide Parteien damit beschäftigt waren, sich für einen länger dauernden Aufenthalt an diesem Orte einzurichten.

Am Morgen des sechsten Tages trennte sich ein einzelner Indianer von seinen Genossen und kam, einen grünen Zweig über seinem Haupte schwingend, auf die Mündung der Schlucht zu. Das war augenscheinlich ein Parlamentär. Der Oberst ging ihm entgegen, um ihn einige Schritte vor der Verschanzung zu erwarten und seine Botschaft entgegenzunehmen. Als der Mann herangekommen war, verneigte er sich und fragte in gebrochenem Spanisch: »Bist du der Coronel Iquite, der dort im Lager der Weißen befiehlt?«

»Allerdings heiße ich so,« erwiderte der Oberst, »aber der Befehlshaber bin ich nicht.«

»Das macht nichts,« entgegnete der Toba. »Ich bin zu dir gesandt, um dir die Worte unseres obersten Kaziken zu überbringen. Sie lauten: ›Chiatzutak, der oberste Häuptling aller roten Krieger des Gran Chaco, richtet an den Häuptling Iquite folgende Frage: ›Bist du bereit, mit Chiatzutak über Eure Lage zu verhandeln, und ihm für die Zeit der Unterredung sicheres Geleit zu versprechen?‹«

»Wohl bin ich dazu bereit,« entgegnete der Oberst, »obgleich ich nicht begreife, was unsere Lage Euern Kaziken kümmern kann. Er vermag sie weder zu verbessern noch zu verschlechtern.«

»Señor,« gab der Indianer zurück, »ich bin nur der Mund, durch welchen Chiatzutak zu dir spricht. Er fragt dich noch: ›Bist du in diesem Falle auch bereit, das Versprechen schriftlich zu geben, daß ihm kein Leid widerfährt, auch wenn er ohne Waffen und ohne Begleitung zu dir kommt?‹«

»Chiatzutak wird hier so sicher sein wie in seinem eigenen Rancho. Dafür bürgt mein bloßes Wort zur Genüge. Doch wenn er die Versicherung lieber schriftlich haben will, steht dem nichts im Wege. Warte hier eine kleine Weile, bis ich sie geschrieben habe.«

Der Indianer nickte stumm und setzte sich ins Gras, während der Oberst zu seinen Freunden zurückkehrte und sie von dem Vorfall in Kenntnis setzte. Dann verfaßte er das gewünschte Dokument und brachte es zu dem Indianer hinaus, der es schweigend in Empfang nahm und sich damit entfernte.

Als er die Seinen erreicht hatte, entstand dort ein kurzes, lebhaftes Hin- und Herlaufen, dann öffneten sich ihre Reihen wieder und der alte Kazike, den der Oberst schon am Kaimansumpfe gesehen hatte, kam zum Vorschein. Er schritt nun langsam und bedächtig, wie es seiner Würde zukam, durch die Pampa auf den Oberst zu.

Dieser erwartete ihn stehend und empfing ihn, als er herangekommen war, mit militärischem Gruße, den der Häuptling in der gleichen Weise erwiderte. Dann setzten sich beide einander gegenüber nieder.

»Mein Läufer sagte mir,« begann der Kazike nach einer entsprechenden Pause in geläufigem Spanisch, »daß Sie nicht der alleinige Anführer Ihrer Leute sind. Könnte ich auch die anderen Señores kennen lernen, die neben Ihnen befehlen?«

»Gewiß,« erwiderte der Oberst; er rief einen der wachehaltenden Peones herbei, um den Wunsch des Häuptlings dem Doktor melden zu lassen. Während der Mann den Auftrag ausführte, fragte der Oberst den Kaziken: »Sie haben ausdrücklich von mir die Zusicherung freien Geleites verlangt, Señor; Sie kennen mich also?«

»Viele Sommer sind über meinem Haupte dahingezogen,« entgegnete der Kazike, »und ich habe während dieser Zeit viele rote und auch viele weiße Männer kennen gelernt. Darunter war Oberst Iquite einer der wenigen, von dem gerühmt wurde, daß man ihm bedingungslos vertrauen dürfe.«

Der Oberst verneigte sich dankend für diese ehrenden Worte und fuhr fort: »Darf ich vielleicht erfahren, ob sich der große Häuptling Chiatzutak früher einmal Joaosigno nannte?«

Der Indianer zuckte leicht zusammen und seine Lider senkten sich zur Hälfte über die Augen; doch dann erwiderte er in seiner alten, ruhigen Weise: »Die Padres, die mich in meinen Kindertagen tauften, nannten mich so. Aber das ist schon sehr lange her, und ich habe den Namen beinahe vollständig wieder vergessen, gleichwie die Leiden und Enttäuschungen, die er über mich brachte.«

»Doch wohl nicht ganz,« gab der Oberst mit leichtem Lächeln zurück, »denn sonst hätten Sie kaum alle roten Krieger des Gran Chaco gegen uns aufgeboten, um uns den Weg zu verlegen und uns der Vernichtung preiszugeben.«

»Ich verteidige nur die Rechte meines Volkes,« entgegnete Chiatzutak in der gleichen würdevollen Weise. »Sie sind gekommen, uns das letzte Stück unserer Vatererde zu entreißen; ich erfülle daher nur meine Pflicht, wenn ich dies mit allen Kräften zu verhindern suche. Eine persönliche Feindschaft spielt gar nicht mit. Ich bin zu alt für den Haß, der nur junge Herzen erregen kann.«

Darüber kam Doktor Bergmann mit Sir Allan und Mr. Bopkins heran. Der Kazike erhob sich zu ihrer Begrüßung, dann setzten sich alle fünf im Kreise nieder, und der Indianer warf auf jeden der Weißen einen langen, forschenden Blick. Endlich wandte er sich wieder an den Oberst und fragte: »Steht einer dieser Herren als oberster Lenker an der Spitze Ihrer Truppe oder üben Sie alle vier zu gleichen Teilen den Befehl aus?«

»Dieser Señor hier, Doktor Bergmann, ist der eigentliche, oder richtiger der einzige Befehlshaber,« erklärte der Oberst. »Ich bin nur als Vertreter der bolivianischen Regierung anwesend, und dieser Señor hier hat sich freiwillig zu Studienzwecken uns angeschlossen. Señor Bopkins endlich vertritt die Gesellschaft, welche die Kosten unserer Expedition bestreitet.«

Als Mr. Bopkins, dem natürlich jedes Wort der Verhandlung übersetzt wurde, diese Vorstellung von seiten des Oberst vernahm, zog er seine Stirn in tiefe Falten und rief zornig: »Ich protestiere gegen eine solche Fälschung der Tatsachen! Der einzige Führer und Befehlshaber, und überhaupt die Person, auf die alles ankommt, bin ich und nur ich, der Repräsentant der South-American-Railway-Company. Wenn daher dieser rote Gentleman mit uns verhandeln will, hat er sich an mich allein zu wenden. Denn nur mein Wille entscheidet; jeder andere Vertrag wäre ungültig.«

Chiatzutak, der, wie wir wissen, Englisch gut verstand und sprach, schaute sich den Protesteinleger vom Kopf bis zu den Füßen an, dann wandte er sich wieder zu dem Oberst und fragte auf Spanisch: »Liegen die Verhältnisse in der Tat so, wie dieser Señor behauptet?«

»Keineswegs,« entgegnete der Oberst. »Unser Chef ist Doktor Bergmann; jener Señor hat sogar eigentlich gar nichts mehr hineinzureden, da er schon in Yuquirenda gegen den Aufbruch der Expedition Verwahrung einlegte, die dann nur durch die Garantieleistung dieses anderen Herrn hier durchgeführt werden konnte. Sie kennen diesen übrigens schon, wenn ich mich nicht irre,« schloß er mit Anspielung auf Sir Allans Gefangenschaft und Befreiung.

»Allerdings,« sagte der Häuptling, ohne sich in seiner Ruhe stören zu lassen, »und wir bedauern sehr, daß es ihm in unserer Gesellschaft so wenig wohlgefiel. Doch sitzen wir hier nicht beisammen, um über vergangene Dinge zu sprechen. Ich möchte vielmehr Ihre Ansicht über einige Punkte hören und erwarte von Ihrem Gerechtigkeitssinn, daß Sie meine Fragen nach bestem Wissen beantworten werden.«

»Das soll gern geschehen, Señor; beginnen Sie,« erwiderte Doktor Bergmann bereitwillig.

»Nun wohl,« sprach Chiatzutak und blickte dem Ingenieur fest in die Augen. »Sagen Sie mir, wem dieser Boden gehört, auf welchem wir hier sitzen?«

»Der gehört niemandem,« fiel da der Oberst rasch ein, »aber er bildet einen Teil der freien Republik Bolivia.«

»Sie irren,« verwahrte sich der Kazike scharf. »Die wahren Erben und Besitzer des Gran Chaco haben sich stets auf das heftigste dagegen gewehrt, zu irgend einer Vereinigung von weißen Männern gezählt zu werden. Das beweisen die Kämpfe von unseren großen Ahnen, den Abipones, bis auf den heutigen Tag. Es ist Ihren Soldaten auch nie gelungen, die roten Männer jemals wirklich zu unterwerfen. Folglich sind die Ansprüche Boliviens auf den Gran Chaco nur eine Fiktion, um nicht zu sagen Anmaßung. Doch lassen wir diese theoretischen Spitzfindigkeiten und kehren wir zum praktischen Recht zurück. Nach diesem Recht ist derjenige, welcher eine Sache in seiner Gewalt hat, auch ihr gegenwärtiger Besitzer und zwar so lange, als nicht eine endgültige Entscheidung darüber getroffen ist, ob die Ansprüche anderer zu Recht bestehen. Das werden Sie mir doch zugeben, Señor?«

»In dieser Form haben Sie allerdings recht,« erwiderte Doktor Bergmann, an den sich der Häuptling direkt wandte.

»Gut,« sagte dieser befriedigt. »Die roten Krieger üben gegenwärtig die alleinige Gewalt über den Gran Chaco aus, folglich sind sie seine Besitzer, und jeder Versuch, sie darin zu stören, muß ein Eingriff in fremde Rechte genannt werden.«

Der Doktor wollte eine Einwendung machen, aber der Häuptling fuhr rasch fort: »Wenn Sie daher eine Reise durch unser Gebiet unternehmen wollten, mußten Sie zuvor unsere Genehmigung einholen. Aber das ist nicht geschehen, vielmehr sind Sie mit reichlichem Kriegsmaterial in unser Gebiet eingedrungen. Sie werden daher nicht leugnen wollen, daß Ihr Vorgehen eine kriegerische Aktion bedeutet, wie ja übrigens auch schon mehrere wirkliche Kämpfe vorgefallen sind.«

»Gegen Ihre Schlußfolgerung lassen sich manche Ansichten vorbringen, die ebensolchen Wert haben,« versetzte der Doktor. »Doch um gleich den letzten Punkt herzunehmen, versichere ich Sie, daß wir nie von unseren Waffen Gebrauch gemacht hätten, wären Ihre Krieger nicht feindlich gegen uns aufgetreten und hätten sie nicht versucht, einzelne von uns in ihre Gewalt zu bekommen.«

»Wir haben nur unser Hausrecht gewahrt,« gab der Kazike zurück, »genau wie Sie gegen jeden die Waffen erheben würden, der ohne Ihre Erlaubnis in Ihr Haus eindringt oder auf Ihren Feldern ernten will.«

»Ich würde niemanden angreifen,« mengte sich da der Oberst wieder ein, »wenn er quer durch meine Felder geht, um sich einen bedeutenden Umweg zu ersparen.«

»Lassen wir dies einmal gelten,« entgegnete der Häuptling. »Aber Sie sind eben nicht nur zu dem Zweck gekommen, um sich bloß einen Umweg zu ersparen. In diesem Falle hätte ich wahrscheinlich meine Leute sogar zurückgehalten und durchgesetzt, daß Ihnen kein Leid zugefügt wird. Aber wie wir aus sicherer Quelle wissen, sind Sie gekommen, eine neue Bahn zu vermessen, die quer durch unseren Gran Chaco führen soll. Das sind doch unleugbare Vorbereitungen, einen Teil unseres Gebietes für ständig in Besitz zu nehmen. Jeder richtig denkende Mensch wird uns also recht geben, wenn wir das als einen kriegerischen Angriff betrachten. Ja, im Grunde handelt es sich noch um weit mehr, als um einen einfachen schmalen Strang, denn neben diesem entstehen rasch neue Städte und Ansiedlungen. Die roten Krieger würden auf diese Weise, wenn sie jetzt ihre Zustimmung zu dem Bahnbau gäben, immer weiter zurückgedrängt, und nicht mehr fern läge die Zeit, da sie auch den letzten Fußbreit ihrer Heimaterde an die weißen Eindringlinge verlieren würden. Es ist daher nur selbstverständlich, daß wir uns beizeiten wehren, noch ehe das Übel allzu groß und unüberwindlich geworden ist.«

»Das ist allerdings selbstverständlich,« pflichtete der Oberst bei, »und eben, weil wir dies voraussahen, haben wir uns mit guten, wirksamen Waffen versehen.«

»Die Ihnen trotzdem nicht den gehofften Erfolg bringen werden,« erwiderte der Häuptling. »Doch lassen wir das. Ich wollte nur von Ihnen das Zugeständnis hören, daß wir uns in einem regelrechten Kriege befinden und folglich der Stärkere das Recht hat, dem Unterlegenen seine Bedingungen vorzuschreiben.«

»Vorläufig ist aber diese Frage noch nicht entschieden,« sagte der Doktor.

»Mir scheint es doch so,« gab der Häuptling zurück. »Sie sind hier in einer Schlucht eingeschlossen, aus der es keinen zweiten Ausgang gibt; vor dem einzigen Zugang aber lagern über dreitausend tapfere rote Krieger, die jeden Durchbruchsversuch leicht verhindern können. Sie sind also von allen Seiten eingeschlossen und gehen dem sicheren Hungertode entgegen, wenn Sie es nicht vorziehen, sich auf Gnade und Ungnade zu ergeben, und unsere Bedingungen anzunehmen.«

»Können wir diese erfahren?« fragte der Doktor schnell.

»Gewiß,« entgegnete der Häuptling. »Sie liefern uns erstens alle Ihre Waffen und Munition aus, auch den schießenden Turm, den Sie mit sich fuhren. Sie zerstören zweitens die fliegende Kugel, von der Sie sich in die Lüfte tragen lassen, um die Bewegungen der roten Krieger auszuspähen. Sie vernichten drittens und hauptsächlich jene gefährliche Maschine, in welcher – wir wissen das sehr genau – Tod und Verderben für die gesamte rote Rasse lauert, sobald sie in Wirkung treten kann.«

»Und was gewähren Sie uns dafür?« fiel der Oberst mit leichtem Spott ein.

»Ich verspreche Ihnen zur Belohnung Ihrer Nachgiebigkeit, daß Ihnen kein Leid geschieht, und daß Sie unter sicherer Bedeckung an den Rio Pilcomayo zurückgebracht werden. Natürlich müßten Sie vorher noch einen feierlichen Schwur leisten, daß Sie nie wieder in unser Gebiet zurückkehren wollen.«

»Und was sagen Sie darauf?« wandte sich der Oberst an den Doktor.

»Daß ich keinen Fußbreit zurückweiche,« erklärte dieser einfach, aber bestimmt. »Ich werde vielmehr bis zu meinem letzten Blutstropfen kämpfen, um das vorgesteckte ruhmvolle Ziel auch zu erreichen.«

»Bravo!« rief der Oberst. »Und daß alle im Lager ebenso denken, das kann ich mit ruhigem Gewissen versichern!«

»Halt!« fiel da Mr. Bopkins ein und zerrte, wie gewöhnlich in solchen Augenblicken, zornig an seiner Hutkrempe. »Ich finde es im höchsten Grade anmaßend, daß Sie im Namen anderer Leute sprechen, ohne diese zuvor über ihre Meinung befragt zu haben. Leider habe ich schon zur Genüge gelernt, daß Sie mich bei jeder Gelegenheit als eine vollständige Null betrachten, was Ihnen übrigens noch teuer zu stehen kommen wird. Ich erkläre Ihnen nun, daß ich für meine Person und im Namen meiner Gesellschaft die Bedingungen dieses roten Gentleman annehme, damit endlich dieser verrückte Zug ins Blaue aufgegeben wird, der nur Unsummen Geldes verschlingt und nie zu einem Ziele führen kann. Das haben wir bisher deutlich gesehen.«

»Wollen Sie nicht Ihren verehrten Schnabel halten, Sir,« ließ sich jetzt Sir Allan zum ersten Male vernehmen. »Jedermann in unserem Lager weiß, daß die Expedition seit Ihrem Protest in Yuquirenda auf meine Kosten geführt wird, und daß wir Sie nur deswegen als sogenanntes fünftes Rad am Wagen mitlaufen lassen, weil wir zum Schlusse gern jemand haben möchten, der sich gehörig ärgert, wenn wir den Sieg erkämpft haben. Ich aber als Kapitalsgeber der Expedition bin vollständig mit der Erklärung des Doktors einverstanden, und wenn Ihnen das nicht paßt, können Sie ja auf eigene Rechnung mit den Roten Freundschaft schließen. Vielleicht finden Sie bei ihnen eine Anstellung als Küchenjunge oder Pferdewächter, wozu Sie sich ohne Zweifel viel besser eignen, als vor Gentlemen der Vertreter von Gentlemen zu sein. Nun tun Sie, was Sie wollen!«

Mr. Bopkins schielte auf diese scharfe Zurechtweisung bissig zu dem Engländer hinüber, aber er wagte keinen direkten Angriff mehr auf ihn, da ihm die früheren bekanntlich schlecht bekommen waren.

Der alte Kazike hatte sich den Wortwechsel mit stoischer Ruhe angehört und ließ auch nicht durch das geringste Zeichen erkennen, was er darüber dachte. Dann wandte er sich wieder an den Doktor und fragte: »Sie weisen also meine Bedingungen zurück, Señor?«

»Gewiß!«

»Bedenken Sie, daß Sie dem sicheren Tode entgegengehen.«

»Mir scheint dieser Ausgang keineswegs sicher festzustehen.«

»Sie sind vollständig eingeschlossen.«

»Wir können warten, bis sich der Ring von selber wieder öffnet.«

»Auch das Warten wird Ihnen keine Rettung bringen, denn schließlich müssen Ihnen die Lebensmittel ausgehen. Sie müssen verhungern oder sich ergeben, und dann werden unsere Bedingungen natürlich viel härter ausfallen.«

»Es wird sich ja zeigen, wer eher die Geduld verliert.«

»Ich kann mir denken,« wandte der Häuptling noch einmal ein, »daß Sie Hilfe von Ihren Brüdern im Süden oder Norden erwarten. Aber ich sage Ihnen, daß unsere Späher rings um den ganzen Gran Chaco stehen und auch nicht eine Maus hereindringen kann, ohne daß ich es erfahre.«

»Sie werden natürlich nicht voraussetzen,« erwiderte der Doktor kühl, »daß ich Sie mit allen Gründen bekannt mache, auf welche sich unsere Hoffnungen aufbauen. Jedenfalls gewährt es uns eine große Beruhigung und kann uns nur als Ermutigung dienen, daß es Ihnen bisher trotz aller Anstrengungen nicht gelungen ist, sich auch nur eines einzigen von uns dauernd zu bemächtigen.«

»Allerdings haben Sie Ihre Gefangenen bisher immer zu befreien vermocht; aber damals hatten Sie nur Unterhäuptlinge mit unbedeutenden Streitkräften gegen sich. Hier jedoch befehle ich, und ich versichere Sie, daß auch nicht einer von Ihnen durch diesen Ring da draußen schleichen kann, ohne uns in die Hände zu fallen.«

»Wir denken gar nicht daran, uns zu trennen. Doch werden auch wir ebenso jeden Versuch, in unsere Schlucht einzudringen, mit der größten Entschiedenheit zurückweisen.«

»Wir haben es nicht nötig, uns die Köpfe an Ihrer Schlupfpforte blutig zu rennen. Wir ließen Sie ja absichtlich bis hierher vordringen, weil wir mit der größten Bestimmtheit wissen, daß es hier kein Ausweichen mehr gibt und Sie uns ohne jedes weitere Blutvergießen schließlich in die Hände fallen müssen. Ich frage Sie also zum dritten – und letzten Male: nehmen Sie an?«

»Nein,« erwiderte der Doktor und stand auf.

»Dann mag die Verantwortung auf Sie zurückfallen,« schloß der Häuptling achselzuckend. Er erhob sich, grüßte die vier Herren mit einem stolzen Neigen seines Hauptes und schritt würdevoll, wie er gekommen war, wieder davon.

Der Doktor blickte ihm ernst und schweigend nach.

»Fürchten Sie vielleicht, daß seine Drohung in Erfüllung gehen wird?« fragte der Oberst.

»Durchaus nicht,« erwiderte der Doktor, »er hat vielmehr gerade das Gegenteil seiner Absicht erreicht. Er wollte uns in Schrecken setzen und brachte uns doch gerade die Sicherheit, daß wir auf den gewünschten Entsatz rechnen können.«

»Wieso?« erkundigten sich die anderen Herren verwundert.

»Nun, erinnern Sie sich doch, daß er arglos zugab, noch keinen von uns in seine Gewalt gebracht zu haben. Daraus erhellt, daß Don Rocca glücklich nach Yuquirenda entkommen ist und dort bereits an unserer Rettung arbeitet. Es handelt sich also nur noch darum, uns mit ihm in Verbindung zu setzen, und ihn mit seinen Leuten herbeizurufen. Wenn es die Vorsehung will, wird das nicht mehr lange dauern.«

»Wir wollen es hoffen,« erwiderten die beiden anderen.


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