Gottfried Keller
Das Tagebuch und das Traumbuch
Gottfried Keller

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Den 11. Juli

Das Wetter heitert ein wenig auf. Heute faßte ich plötzlich den Entschluß, einige Gedichte zusammenzupacken und einer Zeitschrift, etwa Lewalds »Europa« zuzusenden mit einem sentimentalen Katzenjammerbriefe. Ich habe zwar die »Europa« lange nicht mehr gelesen und weiß nicht, was sie für eine Tendenz hat; aber ich muß einmal etwas wagen, um den Karren aus dem Schlamm zu bringen. Geht es, so geht es und ist gut. Werde ich abgespeist, so habe ich das Meinige getan und kann mit mehr Gelassenheit das Schicksal oder die Vorsehung walten lassen. Ich habe nun einmal großen Drang zum Dichten; warum sollte ich nicht probieren, was an der Sache ist? Lieber es wissen, als mich vielleicht heimlich immer für ein gewaltiges Genie halten und darüber das andre vernachlässigen. Eine leichte Erzählung, die erste, wurde heute erfunden und angefangen, die ich vielleicht mit an Lewald nach Wien schicke, da sich solche Sachen als Beiträge eignen möchten. Zwei reisende Freunde finden im Irrenhause einer Stadt am Rhein einen originellen Wahnsinnigen, den ein großes Schicksal verfolgt hat. Sie gewinnen sein Vertrauen, besuchen ihn in seinem Kerker, und das gibt den Raum zu dem Hauptzwecke der Erzählung, zu märchenhaften, phantastischen und traurigen Szenen.


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