Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Ultimatum an die Kleinen

Juli 1866

          Nicht im Lager von Österreich,
Nicht im Lager von Preußen
Sucht uns, ob die Lüge gleich
Auftut alle Schleusen!

Österreich ist uns zu feist,
Preußen uns zu mager
Und es lebt der deutsche Geist
Heut in anderm Lager.

Weil ihr aber alle blind,
Wittelsbach und Welfe,
So erlaubt, daß ich geschwind
Auf den Weg euch helfe!

So ein Deutschland bis zum Belt
Stünd nach unsern Sinnen,
Müßten wir mit aller Welt
Drum den Krieg beginnen!

So ein Deutschland bis ans Meer
Rechts und links gedrungen!
Etwas frische Seeluft wär
Gut für unsre Lungen.

So ein Deutschland, wo im Rat
Volkesstimm geehrt ist;
So ein Deutschland, wo zur Tat
Jeder Arm, bewehrt ist.

Nicht ein Deutschland, das noch tanzt
Um die Bundeslade
Und auf Schutt und Moder pflanzt
Sein Panier, – wie schade!

Nicht ein Deutschland, wo noch mit
Herrschen die Kosaken,
Weil man aus dem Purpur schnitt
Dreißig Kinderjacken!

Wenn ihr denkt, aufs alte Ziel
Wieder hinzusteuern,
Wenn ihr denkt, das alte Spiel
Wieder zu erneuern;

Wenn ihr denkt, ins alte Joch,
An den alten Karren
Uns zu spannen, weil wir doch
Stets die alten Narren;

Wenn ihr denkt, den faulsten Thron
Ewig zu beschützen
Und auf eine Million
Söldner euch zu stützen;

Wenn ihr glaubt, daß wir das Blut
Abermals vergießen
Und, wenn gnädig ihr geruht
Unsre Augen schließen;

Wenn ihr glaubt, daß wiederum
Wir aus euren Händen
Junker – uns und Pfaffentum
Ruhig lassen spenden;

Wenn ihr mit dem Siegesfest
Glaubt die Glut erloschen,
Weil ihr pfiffig abgepreßt
Uns die letzten Groschen;

Wenn ihr heute noch nicht wißt,
Was die Uhr geschlagen,
Und die Stunde hofft mit List
Wieder zu vertagen;

Wenn ihr heut noch nicht begreift,
Daß der Freiheit Samen
Endlich für uns alle reift
Dann, in Gottes Namen!

Dann, Herr Pfordten und Herr Beust
Und ihr Herrn Triarier,
Dann belehren euch die Fäust
Unsrer Proletarier!

 


 


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