Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Zum neunzehnten Mai

Eröffnungstag der neuen preußischen Volkskammern

1862

        Ich sah, wie sie gleich einem Hund,
Den Trützschler feig erschossen
Und Dortüs Blut auf Freiburgs Grund
Am frühen Tag vergossen.

Ich sah, wie sich in wilder Lust
Die Knechte drauf besoffen,
Als hätt mich selber in die Brust
Ihr Standrechtsblei getroffen.

Ich sah, von Zorn und Scham bewegt,
Wie diese frommen Beter
Durch ihre Häscher ausgefegt
Den Saal der Volksvertreter.

Ich sah sie – niemals im Gefecht,
Doch immer in Gamaschen,
Bereit, zu greifen in das Recht
Und in des Volkes Taschen.

Ich sah, wie neulich ein Profos
Sein Zepter nahm vom Nagel.
Oh, dieser Augenblick war groß –
Für Junker und Janhagel!

Ich sah und hört – wie sie gelobt
Den Herrn mit Harf und Psalter,
Und wie zu Roß und Fuß getobt
Das ganze Mittelalter.

Wie lang noch? rief ich endlich aus,
Will keine Hand sich rühren?
Ich wanderte von Haus zu Haus
Und klopfte an die Türen:

Heraus! Ihr Männer meiner Wahl,
Heran, zu meiner Urne!
Hinschreit ich durch den weißen Saal
Auf ehernem Kothurne;

Hinschreit ich wieder durch die Welt,
Zerbrochne Herrscherstäbe
Und Kronen schmücken mein Gezelt;
Ich leb, ich leb, ich lebe!

Ich lebe, und ich winde schon
Den Kranz für meine Streiter;
Ich bin die Revolution!
Nur weiter, Kinder, weiter!

 


 


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