Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Harmlose Gedanken – Fortsetzung

April – Mai 1860

I

                  Nationalvereinsgermane,
Du verläßt das Reich der Träume,
Du wirst praktisch, deine Jahne
Klettern auf die Freiheitsbäume.

Klettern auf die höchsten Spitzen,
Langen nach den süßen Trauben,
Wollen den Entsagungswitzen
Blöder Füchse nicht mehr glauben.

Höchst gesinnungstücht'ge Steiße
Seh ich an den Masten schwanken;
Alle richten nach dem Preise
Gottvertrauend die Gedanken.

Lächelnd schaut sich den Tumult an,
Pfiffig lächelnd, der von Zollern;
Doch den alten Schwabensultan
Hör ich in der Ecke kollern.

Zu vergeben nicht ein Jota
Deines Rechts, hast du beschlossen;
Fürchterlicher Ernst von Gotha
Wird es jetzt – nur nicht geschossen!

Nicht der rohen Tat Gemeinheit
Rettet uns aus der Bedrängnis;
Mutter Deutschland, hoff die Einheit
Nur aus unbefleckter Empfängnis!

II

Nationalvereinsgermane,
Freiligräthlich vor der Seele
Steht mir schon die Karawane
Frankfurtpilgernder Kamele.

Und der wohlbekannte Mufti
An der Spitze der Bewegung,
Und die wohlbekannten Schufti
Alle voll von edler Regung!

Und der wohlbekannte Rheinfluß,
Der so sanft die Reden wässert,
Und der wohlbekannte Einfluß,
Deutschland – der sich nicht verbessert!

Und die wohlbekannten Fragen
Ohne Antwort – ach! und leider
Von den deutschen Hiobsplagen
Unsre Beule an der Eider!

Und das wohlbekannte Ruder
In der Hand des »Demiurgen«,
Und die allerdümmsten Luder,
Deutsche Ritter ohne Burgen!

Rochus, Herr von Pumpernickel,
Der am Ende jeder Woche
Schreiben wird die Leitartikel,
Wenn der Venedey gesprochen;

Wenn der Waitz und Ehren-Besel-
Er staatsmännisch aufgetreten
Oder wenn ein andrer Esel
Bileams ums Wort gebeten;

Wenn Konfuzius die Trias
Predigt mit Erlösermienen
Oder sonsten ein Messias
Sucht sein Kreuzchen zu verdienen.

Wenn ein preuß'scher Rattenfänger
Spielt die Annexierer-Weise,
Oder wenn ein krit'scher Gänger
Tief versinkt in Östreichs – Schönheit.

III

Doch erst abends bei der Bowle
Wirst du deine Größe zeigen;
Marseillaise, Carmagnole
Werden frech zum Himmel steigen.

Schwer bezopft wirst du die letzte
Hose von den Lenden streifen,
Dreißig dir von Gott gesetzte
Schlingel heimlich auszupeitschen.

Spielen mit den dreißig Kronen
Wirst du wie mit Eierschalen,
Lehren dreißig Millionen,
Mit der Faust im Sack zu prahlen.

Nationalvereinsgermane,
So verwegen, so gefährlich
Kann der Mensch in seinem Wahne
Werden um einen Taler jährlich!

IV

Die Vorfrage

»Viel schneller, als ihr glaubt,
Wird Deutschland einig, ihr Kinder:
Wir kommen unter ein Haupt
Und unter einen Zylinder.

Um einen Reichsschirm dann
Sind wir auch nicht verlegen,
Der Haupt und Hut und Mann
Beschützt vor Sonn und Regen.

Von Schleswig bis Friul
Soll dieser Schirm sich spannen –«
Halt, deutscher Thrasybul,
Was machst du mit den – Tyrannen?

»Wenn man Adressen schreibt,
Denk ich, so werden sie gehen,
Wenn jeder sich selbst entleibt,
So ist's um sie geschehen.«

V

Das sind die Kämpfer für Recht und Licht
Die sich dir dringend empfehlen:
O deutsches Volk, vergiß sie nicht
Ins – Parlament zu wählen.

Das sind die Kämpfer für Recht und Licht!
Ich seh manch lieben Bekannten,
Ich seh auch manches Schafsgesicht
Und manchen Komödianten.

Es ist der alte Mummenschanz,
Von dem sie wieder träumen;
Deutschland sucht wiederum beim Schwanz
Den Esel aufzuzäumen.

Deutschland läßt vor dem Tatenblitz
Den Donner der Rede rollen,
Mein Deutschland polstert den alten Sitz
Mit neuen Protokollen.

Sagt an, wer mag den besten Kohl
Im deutschen Lande bauen?
Wer ist der Cincinnatus wohl,
Dem wir uns anvertrauen?

Wir werden im Danaidenfaß
Aufs neue waschen den Zobel,
Und werden machen den Pelz nicht naß
Und werden sein sehr nobel.

Sehr nobel – es wird der große Hinz,
Der große Kunz ergießen
Sein großes Herz – ein großer Prinz
Wird wohl auch einen erschießen.

Ich kenne das Stück, ich kenne den Saal
Ist schwarz-rot-golden behangen:
Jakobus spielt zum zweitenmal
Auf allgemeines Verlangen.

 


 


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