Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Der sterbende Republikaner

        Im Zimmer, klein und enge,
Stirbt Hungertods ein Mann;
Und draußen tobt die Menge:
»Heil Philipp Orleans!«

Wo sind, die sich gesellten
Dem Sterbenden in der Not?
Wer reicht dem Julihelden
Das letzte Stückchen Brot?

»Ein Stückchen Brot, ihr Herren,
Und keinen Königsthron!
Ein Stückchen Brot, ihr Herren,
Und keine Million!

Kam es euch aus dem Sinne,
Wie ich einst König war?
Hielt diese Hand nicht inne,
Die Krone lief Gefahr!

Ihr wäret drum betrogen,
Hätt sie mir gut gedeucht!
Ich hab sie wohl gewogen,
Ich fand sie viel zu leicht!

Ich will nicht eure Kronen,
Ich brauch nur wenig Sous
Von euren Millionen
Zu einer Leichentruhl

Ich focht für eure Flaggen,
Und wär euch nun so fremd?
Ein Stückchen Brot! Ein Laken
Zu meinem Sterbehemd!«

Und lauter tobt die Menge:
»Heil Philipp Orleansl«
Im Zimmer, klein und enge,
Stirbt Hungertods der Mann.

»Leis schlägst du Herz zum Ende,
Und niemand schaut es an;
Kein Mensch hat an die Wände
Mir nur ein Kreuz getan!

Kein Gott! kein Brotl wie wenig
Bracht mir der blut'ge Sieg!
Es lebe – wer? der König?
Nein doch – die Republik!«

 


 


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