Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Zur Feier des 18.Juni 1860

          Wie Geisterhauch klingt's durch die Stille;
Es hat die Welt den Winter satt:
Mehr als die Blätter der Sibylle
Weissagt mir jedes grüne Blatt.

Es kann ja so nicht ewig dauern!
Das Leben kommt und hält Gericht
Und wirft ein Korn in finstre Mauern,
Das wachsend ihren Bau zerbricht.

Mir ist, als hätt auch unsre Eichen
Die Ahnung neuen Sturms erschreckt,
Als hätt ich in des Frühlings Zeichen
Urplötzlich neuen Sinn entdeckt.

Mir ist, als ob die Rosen sprächen
Von heißen Schlachten mir ins Ohr;
Mir ist, als ob die Dornen stächen
Viel spitziger als je zuvor.

Die Ritter haben schon die Helme
Und Sporen wieder angetan,
Und drohender wächst für die Schelme
Das schlanke Birkenreis heran.

Die kleinen Blumenglocken haben
Sich revoltiert und läuten Sturm,
Der Efeu schwört, er will begraben
Den allerletzten Zwingherrnturm.

O Frühling, ew'ge Rechtsverwahrung!
O Frühling, ewiger Protest!
Du Alkoran, du Offenbarung!
Du Allergutenseelenfest!

Vom Süden bringen uns die Schwalben
Die wunderbarste Botschaft her –
Und ihr, ihr Müden und ihr Halben,
Glaubt keine Auferstehung mehr?

Ihr Müden, Halben und ihr Kalten,
O schwingt euch nach aus eurer Gruft!
Ihr Menschenherzen, baut die alten,
Die alten Schlösser in die Luft!

Und baut sie neu, und baut sie wieder,
Und immer wieder, und vertraut:
Der Himmel senkt sich einst hernieder
Mit allen, was wir drein gebaut.

Seht ihr Italiens Banner wallen?
Hört ihr aus dunkelm Lorbeerbusch,
Hört ihr Palermos Nachtigallen?
Hört ihr sie schlagen? Das ist Tusch!

Das ist des »Räubers« Siegsfanfare!
O süßer Garibaldi-Mai,
Mach uns vom heil'gen Januare
Und mach uns vom Dezember frei!

 


 


 << zurück weiter >>