Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Einem Andern

Mai 1863

        Du neues Dichterblümchen,
Du bist von deinem Rühmchen
Schon gänzlich enrhümiert.
Sukzeßchen um Sukzeßchen!
Köchinnen und Prinzeßchen
Sind alle enchantiert.

Balladen und Romänzchen,
Doch ohne Heines Schwänzchen,
Sonett und Triolett
Und jugendgreise Sprüchlein –
Man findet dich, Eunüchlein,
An jedem Damenbett.

Du sprichst zu deinem Volke:
»Sing, spiele, geige, polke,
Berausch dich dudeldick!
Kannst malen wie in München,
Auch Gräber übertünchen –
Nur laß die Politik!

Kannst Schiller feiern und Uhland,
Doch mach kein Thrasybul-Land
Hier aus dem Lande Teuts;
Behalte deine Dreißige,
Bezahl Fußvolk und Reisige,
Und trage fromm dein Kreuz!«

So sprichst du, kein Verrina,
Drum liest dich auch ganz China,
Ucker- und Muckerland;
Du spielst nicht den Propheten
Bei Herrn Belsazars Feten
Mit Zeichen an der Wand.

Du bist ein zarter Flenner,
Kein lyrischer Mordbrenner,
Der Kinderherzen schreckt;
Du hast mit deiner Fackel
Kein Glaubenstabernakel
Im Tempel angesteckt,

O holdes Musensöhnchen,
Du kannst dein Lorbeerkrönchen
Im Frieden grünen sehn;
Ihr Dichter, seid nur harmlos,
So könnt ihr auch gendarmlos
Mit einem König gehn.

 


 


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