Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Den Siegestrunkenen

Januar 1872

            Vorüber ist der harte Strauß,
Der welsche Drache liegt bezwungen,
Und Bismarck-Siegfried kehrt nach Haus
Mit seinem Schatz der Nibelungen;
Stolz blickt auf ihrer Kinder Schar
Germania, die Heldenmutter;
Stolz blickt das Denkervolk sogar
Auf Döllinger, den Afterluther.

Ihr habt ein neues deutsches Reich,
Von Junkerhänden aufgerichtet.
Redwitz besingt den Schwabenstreich
Und hat ein dickes Buch gedichtet;
Ihr habt ein neues Oberhaupt,
Ihr Elsaß-Lothringen-Verspeiser;
Den Papst, an den ihr nicht mehr glaubt,
Ersetzt ein infallibler Kaiser.

Ihr wähnt euch einig, weil die Pest
Der Knechtschaft sich verallgemeinert,
Weil täglich noch der kleine Rest
Lebend'ger Seelen sich verkleinert;
Ihr wähnt euch einig, weil ein Mann
Darf über Krieg und Frieden schalten
Und euch zur Schlachtbank führen kann
Mit der Parol: das Maul gehalten!

Ach, Einheit ist ein leerer Schall,
Wenn sie nicht Einheit ist im Guten,
Wenn ihr korinthisches Metall
Uns mahnt an Mord und Städtegluten;
Ach, Einheit ist ein tönend Erz,
Wenn sie nur pochend auf Kanonen
Zu reden weiß an unser Herz –
Und klingt es anders von den Thronen?

Einheit des Rechtes ist kein Schild,
Der uns bewahrt vor Unterdrückung;
Nur wo als Recht das Rechte gilt,
Wird sie zum Segen, zur Beglückung.
Nur diese war's, die wir erstrebt,
Die Einheit, die man auf den Namen
Der Freiheit aus der Taufe hebt;
Doch eure stammt vom Teufel: Amen!

 


 


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