Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Fromme Wünsche

Juli 1864

        Herr; dein Himmel hängt voll Geigen;
Überm Sirius, da hat's
Auch für mich im Sternenreigen
Beim Konzert noch einen Platz.

Statt der schlechten Musikanten
Und der guten Menschen hier,
Spielen droben die brillanten
Seraphim das Weltklavier.

Keine Kleider, keine Falten,
Feigenblätter nicht einmal
Tragen dort die Lichtgestalten,
Brauchen weder Hut noch Schal:

Doch was hilft's mir zu erklären
Kind! wir haben ein Billett
Für die Harmonie der Sphären –
Wenn sie Lust zur Oper hätt?

Lust zum irdischen Soupieren,
Auch zum Trinken dann und wann,
Was ich schwerlich mit Papieren
Auf dein Jenseits zahlen kann?

Herr im Himmel, den ich preise,
Sieh, du hast bei mir Kredit,
Mehr als Salomo, der weise
Bankier in der rue Lafitte.

Seit in deinem Urgehirne
Aufgewacht der Schöpfungstrieb,
Eh dein Finger auf die Stirne
Evas ipse feci schrieb –

Unversiegbar strömt der Bronnen
Deines Reichtums immerzu,
Und die schönste deiner Sonnen
Gilt vor dir nicht einen Sou.

Deine Kraft wird nicht erschlaffen,
Deine Firma nicht bankrott,
Gabst du manchmal auch den Pfaffen
Die Prokura, lieber Gott.

Schuldig bleiben wirst du keinen
Wechsel, den sie ausgestellt;
Dennoch hätt ich lieber – einen
Auf ein Haus in dieser Welt.

Sind die Juden dir zuwider,
Findet sich wohl auch ein Christ
Unter ihnen, der so bieder
Wie Pereire und Rothschild ist.

Bis ich droben, neu geboren,
Mich erquickt am ew'gen Lenz
Willst du mich auf Erden schmoren
Lassen wie den Sankt Lorenz?

Vorgezogen hab ich immer
Einem Heil'gen auf dem Rost
Ein profanes Frauenzimmer
Und trichinenfreie Kost.

Pflücken möcht ich mir die Rose
Meines Glücks auf Erden schon
Und nicht warten auf die große
Letzte Liquidation.

 


 


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