Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Zwei Lieder

1868

I

        Die Liebe ist ein Edelstein,
Sie brennt jahraus, sie brennt jahrein
Und kann sich nicht verzehren;
Sie brennt, solang noch Himmelslicht
In eines Menschen Aug sich bricht,
Um drin sich zu verklären.

Und Liebe hat der Sterne Macht,
Kreist siegend über Tod und Nacht,
Kein Sturm, der sie vertriebe!
Und blitzt der Haß die Welt entlang,
Sie wandelt sicher den alten Gang,
Hoch über den Wolken, die Liebe!

II

So sprach zum Tropfen Tau die Welle:
»Komm, folge mir auf meiner Bahn!
Ich will dich tragen, wandre schnelle
Mit mir hinab zum Ozean.«

So sprach der Tau: »Dank für die Ehre!
Mir ist viel wohler hier allein –
Soll ich ein Tropfen in dem Meere
Von Millionen Tropfen sein?

Zieh hin, in Bitterkeit zu enden!
Ich sterb in einer Blume Schoß,
Die heute in geliebten Händen
Verwelken darf – o selig Los!

Lock mich nicht über diese Schwelle!
Hier ist mein Glück, denn Glück ist Ruh.«
Und weiter klatschend floß die Welle
Dem Meere der Vernichtung zu.

 


 


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