Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Der Schwabenkaiser

August 1867

Bedenk ich die Sache ganz genau,
So brauchen wir gar keinen Kaiser.
Heine

              Ein Schwab und nicht ein Preuße war
Als Kaiser uns versprochen,
Wir pflegen schon sechshundert Jahr
Auf diesen Mann zu pochen.

Der Dichter sucht von Zeit zu Zeit
Ihn aus dem Schlaf zu pfeifen;
Nie weiß er die Gelegenheit,
Der Kaiser, zu ergreifen.

O sprich, mein heimatlich Genie,
Wann wirst du einmal fertig?
Vor Zukunftsträumen siehst du nie,
Was not tut gegenwärtig.

Wach auf, wach auf, 's ist heller Tag!
Hervor aus deiner Kammer,
Und ende keck mit einem Schlag
Den deutschen Katzenjammer!

Hilf gründen uns ein Vaterland
Zum Ärger der Kalmücken;
Dir, Kaiser, ist ja längst bekannt,
Wo uns die Schuhe drücken.

In Ruhe bleiben werden wohl
Die welschen Faselhänse;
Bring wieder auf das Kapitol
Den Adler statt der Gänse!

Tilg unsre Schmach, o Herr, und tritt
Der Zwietracht auf den Nacken,
Die deinen Purpur uns zerschnitt
Zu dreißig Kinderjacken!

Wach auf, wach auf, und greife frisch
Nach deinem Feldherrnstabe!
Sonst nimmt man auch von deinem Tisch
Die Krone, alter Schwabe.

Hinweg mit Kolben, Axt und Speer,
Dem ritterlichen Plunder!
Studier das neue Mordgewehr,
Das Hinterladungswunder!

Wie kommt's, daß man zu Königgrätz
Dich, Kaiser, nicht zu Roß sah?
Von Moltke hört ich und von Rhetz,
Doch nichts von Barbarossa.

Ach, Waiblingen, sie sagen schon,
Du seist nur eine Mythe,
Und du verlierst sogar den Thron
Im schwäbischen Gemüte.

Ja, in mir selber tobt ein Schwall
Aufrührischer Gedanken,
Ich werde mich in keinem Fall
Um deinen Bart mehr zanken.

Sechshundert Jahr zu hatten dein,
War leeres Stroh gedroschen;
Ich geh zum Nationalverein
Mit dreißig Silbergroschen.

Ich will mit einen neuen Herrn
Statt meines alten kaufen;,
Zum Kaiser hab ich grad so gern
Die Zollern wie die Staufen.

 


 


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