Georg Herwegh
Gedichte
Georg Herwegh

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Huldigung

August 1848

                    Glocken, tönt! Kanonen, donnert! Zion, öffne deine Tore!
Israel, zieh ihm entgegen, bring ihm Palm und Trikolore,
Dem Messias der Monarchen; tu die frohe Botschaft kund
Dem Messias der Propheten – – aus dem alten Deutschen Bund!

Gnädigst hat er angenommen eines goldnen Zepters Bürde;
Angenommen die Entsagung unsrer eignen Manneswürde.
Legt euch, ihr empörten Wellen! Platz, du Volkesozean,
Platz dem kaiserlichen Steuer auf der stolzen Siegesbahn!

Schweigen wird der Herr gebieten dieser Zeit bewegtem Meere,
Retten in den deutschen Hafen Östreichs scheiternde Galeere;
Bändiger der Elemente, der den Frieden uns verheißt:
Eine Schöpfung ohne Leben und ein Chaos ohne Geist.

Glocken, tönt! Kanonen, donnert! Aller Segen kommt von oben.
Blast, ihr Dichter, die Posaunen! denn die Prinzen soll man loben.
Zweifel, nüchterner Geselle, schau die Menge hochgestimmt,
Wie sie trunken den Johannes schon für den Erlöser nimmt!

O Erlöser, tu ein Wunder! Öffne diesem Volk die Augen!
Schade freilich, daß nur Fürsten zum Erlösertume taugen.
Wohl vergessen und verschollen wäre längst der Heil'ge Christ,
Hätt die Bibel nicht bewiesen, daß er kein Plebeier ist.

In der kaiserlichen Hofburg jubilieren sie und zechen
An des Wahnsinns düstrer Stätte, in dem Hause der Verbrechen;
Und die vielbelobte Treue (daß der Himmel sie verdamm!)
Schlingt die buhlerischen Arme um den alten Sündenstamm.

Freude herrscht in Trojas Hallen – die Minister sind geraten!
All die glühenden Apostel wandeln sich in Apostaten;
Wie ergiebig ist die Ernte, und die Schnitter wie behend!
Und wir dreschen ruhig weiter leeres Stroh im Parlament.

Aber tückisch im Verstecke lauert Austria, die Spinne,
Lauert, wie sie das Vertrauen dummer Fliegen sich gewinne;
Und an ihren Spinnefaden reihn wir zu der Einheit Kranz
Vierunddreißig schöne Perlen unsres deutschen Vaterlands.

Und was bringt er dir zum Danke? Edelstein aus allen Kronen,
Bringt als schönste Morgengabe dir den Fluch der Nationen;
Habsburg – Lothringen! Der Herrschaft unerbittliches Gesetz
Erbt von Metternich, dem Henker, auf den Schlächter Windisch-Grätz.

Wehe ruft im Todeskrampfe, Wehe das zertretne Böhmen!
Ewig wie die Flut der Weichsel wird des Polen Klage strömen;
Eine neue Trauerbotschaft kündet uns der Flammenschein:
Die Barbaren ziehen heute in den Dom von Mailand ein.

- Dich vergiften deine Ärzte, die den Samen der Verwesung
In die Adern dir geträufelt; hoffe nicht mehr auf Genesung,
Krankes Deutschland, nur im Fieber sprachst du von der neuen Welt;
Denn der Acker der Geschichte bleibt von Knechteshand beste

Schau, wie sie am Wege stehen, hunderttausend Domestiken,
Bettelnd einen Strahl der Gnade sich aus des Tirolers Blicken:
Feiger Pöbel, laß sie schallen, deiner Stimme Donnerkraft!
Alles treibst du mit Behagen, doch du dienst mit Leidenschaft.

Gestern war es, daß sie riefen: Barrikaden! Barrikaden!
Und im Bußhemd vor dem Volke stand der Gott von Gottes Gnaden.
Unnütz in den Staub zerronnen ist das letzte Heldenblut,
Schneckensaft der Rest – zum Färben eines Purpurmantels gut.

Die Cäsaren kommen wieder nach den Idus dieses Märzen,
Noch einmal sind wir belogen, und der Himmel wollte scherzen
Schließt euch, schließt euch, Hoffnungsblüten, denn ihr seid zu früh erwacht,
Und Europa deckt noch immer kalt und stumm die alte Nacht.

Opfern wir dem neuen Götzen, daß in einer Weihrauchwolke
Sich verhülle und vergrabe diese Schmach dem deutschen Volke!
Glocken, tönt! Kanonen, donnert! Schmeichle, schmeichle feilen Erz!
Geht ein jeder Schuß doch mitten durch der jungen Freiheit Herz.

 


 


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