Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Ausgeatmet hat der gute
Cid, der von Bivar sich nannte.
Zu vollbringen seinen Willen
Ist Gil Diaz jetzt bedacht.

    Balsamieret wird sein Leichnam;
Frisch und schön, als ob er lebte,
Sitzt er da mit hellen Augen,
Mit ehrwürdig-weißem Bart;
Eine Tafel stützt die Schultern,
Eine Tafel Kinn und Arme;
Unbewegt auf seinem Stuhle
Sitzt er da, der edle Greis.

    Als zwölf Tage nun vergangen,
Schalleten die Kriegsdrommeten,
Weckten auf den Maurenkönig,
Der Valencia hart umschloß.

    Mitternacht war's, und man setzte
Auf sein gutes Pferd Babieça
Grad und fest den toten Herrn;
Schwarz und weiße Niederkleider,
Ähnlich dem gewohnten Harnisch,
Den Cid an den Beinen trug;
Durchgenäht mit goldnen Kreuzen
War die Kleidung; ihm am Halse,
Eingefaßt mit der Devise,
Wellenförmig hing sein Schild.
Von gemaltem Pergamente
Stand ein Helm ihm auf dem Haupte;
Ganz in Eisen eingekleidet
Schien er da auf seinem Roß,
In der Rechte die Tizona. –

    Neben ihm zu einer Seite
Ging Jeronimo, der Bischof,
An der andern ging Gil Diaz;
Beide führten den Babieça,
Der sich seines Herrn erfreute,
Der noch einmal auf ihm saß.

    Sacht geöffnet ward die Pforte,
Die hin gen Kastilien führet,
Trabetor wird sie genannt.
Durch sie zog Pedro Bermudez
Mit gehobner Fahne Cids,
Neben ihm vierhundert Ritter
Zur Bedeckung ihr voran.
Jetzt nun folgete Cids Leiche,
Hundert Ritter um sie her;
Hinter ihr Doña Ximena,
Wohlbegleitet von sechshundert
Edeln Männern, ihrem Schutz.

    Schweigend ging der Zug und langsam,
Leis, als wären es kaum zwanzig;
Aus Valencia waren alle
Längst schon, als der Tag anbrach.

    Alvar Fañez war der erste;
Wütig stürzt er auf die Mauren,
Die Bukar hieher gelagert;
Ungeheuer war die Zahl.

    Traf zuerst auf eine schwarze
Mohrin, die aus türk'schem Bogen
Gift'ge Pfeile tödlich schoß,
Also meisterhaft, daß man sie
Einen Stern des Himmels nannte;
Sie und ihre Schwestern alle,
Hundert schwarze Weiber streckte
Alvar Fañez in den Staub.

    Dies gesehn, erschraken alle
Sechsunddreißig Mohrenkön'ge;
Furchterblasset stand Bukar.
Wohl sechshunderttausend Ritter
Dünkt ihnen das Heer der Christen,
Alle weiß und hell wie Schnee.
Und der Schrecklichste vor allen,
Reitend vor auf weißem Rosse,
Größer als die andern alle,
In der Hand ein' weiße Fahne,
Auf der Brust ein farbicht Kreuz,
Sein Schwert glänzete wie Feuer –
Als er anlangt bei den Mauren,
Breitet ringsum er den Tod.
Alle fliehen nach den Schiffen,
Viele stürzen sich ins Meer;
Wohl zehntausend waren ihrer,
Die die Schiffe nicht erreichten,
Die des Meeres Flut verschlang.
Von den Mohrenkön'gen blieben
Zwanzig; nur Bukar entrann.

    Also siegt' auch nach dem Tode,
Weil San Jago ihm voranging,
Cid; gewonnen ward an Beute
Großer Reichtum, alle Zelte
Voll von Golde, voll von Silber;
Auch der Ärmste wurde reich.

    Sodann setzten nach dem Willen
Cids die freundlichen Begleiter
Nach San Pedro de Cardeña
Ruhig ihre Reise fort.


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