Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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31

    Sehr verlegen war Don Sancho
Vor Zamora, sehr verlegen.
Nahen konnten seine Krieger
Nicht der Stadt; doch aus Zamora
Naheten oft seinem Lager
Stolze Ritter, trotzigkühn.

    Endlich traten alle edlen
Kastilianer vor den König:
»Großer König, nimmer werden
Wir Zamora nehmen, nimmer,
Hilft uns Gott nicht und der Cid!
Euch, o König, ausgenommen,
Wiegen alle wir zusammen
Ihn nicht auf. Er überwiegt.«

    Also sendete der König,
Don Diego von Ordoño,
Aufzusuchen und ins Lager
Rückzuführen ihn, den Cid.

    Wenn ein Herr auch unrecht zürnet,
Muß ihm der Vasall gehorchen;
Wenn ein König sich entschuldigt,
Muß er treu ihm sein und hold.

    Als Don Sancho von Rodrigos
Rückkehr hörte, zog er freudig
Ihm entgegen, weit hinan.
Wenn ein König unrecht zürnte,
Muß er sich zur Ehrerstattung
Zwingen mit Erniedrigung.

    Kaum ersahe Cid den König,
Sprang er schnell von seinem Pferde;
Um so mehr beschämt es diesen,
Daß Cid sich erniedrigte.

    »Bald nun nehmen wir Zamora«,
Sprach der König. – »Und ich sage
Nochmals: nehmt Euch vor Zamora,
König, nehmet Euch in acht!«

    Pfeifen, Trommeln, Klarinetten
Künden an dem Kriegeslager
Cids Zurückkehr. Des Don Sancho
Ohren ärgerte der Lusthall;
Doch sein Mund – er sprach kein Wort.


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