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    Niederträchtige Verräter
      Bleiben immer hinterlistig;
      Können sie mit Ritterehre
      Nicht entgehn dem bösen Kampf,
      Wollen sie ihn von Toledo
      Fernhin ziehen auf die Ebne
      Ihres Städtchens Carrion.
    Schon versammlet sind dort alle
      Große, stattliche Verwandte,
      Selbst aus königlichem Stamm;
      Alle reich in goldner Rüstung,
      Alle prächtig im Gefolge,
      Übermütig, frech und stolz.
    Und ihr Anschlag ist, die Ritter
      Cids voran hinwegzublasen,
      Ehe noch der Kampf beginnt.
      Kaum wird diesen solches merkbar,
      Wenden sie sich an den König:
      »Unter des Gesetzes Schutz
      Und in deinem sind wir, König, 
      Dir vertraut, dir anbefohlen;
      Wenn wir hinterlistig fallen,
      Rächen wird uns unser Cid.«
    So gewarnet, nimmt der König
      Aller dreier Leib und Leben
      Öffentlich in seinen Schutz;
      Weist die hinterlist'gen Grafen
      Gen Toledo, untersagend
      Das Gefecht in Carrion.
      Oh, wie sank das Herz den Frechen!
      Vorm Colado, vor Tizona
      Zittert jetzt ihr Übermut.
    Feld und Platz sind abgemessen,
      Aufgerichtet stehn die Schranken.
      Wo bleibt Fernan Gonzalez?
      Denn Bermudez steht erwartend –
      Endlich tritt er auf, erbebend,
      Stößt zuerst mit seiner Lanze,
      Und schon liegt er tief am Boden
      Mit durchbohrtem Schild und Harnisch;
      Bittend fleht' er um sein Leben,
      Als er die Tizona sah
      Aufgehoben. »Stirb, Verräter!«
      Rief Bermudez. »Schenk, o schenke
      Mir mein Leben!» sprach der Feige,
      »Ich erkenne mich besiegt.«
    Martin Antolin von Burgos
      Hob die Lanz und den Colado
      Gegen Diego Gonzalez.
      Mächtig schrie er um Erbarmen
      Unter Püffen, unter Streichen
      Des Colado, bis sein Roß ihn 
      Günstig aus den Schranken riß.
      »O wie schändlich«, riefen alle,
      »Schändlich ist auch der besiegt.«
    Nuño Gustioz tritt entgegen
      Dem verräterischen Oheim,
      Suer Gonzalez, durchbohret
      Ihm auf einmal Helm und Schild;
      Blutend liegt er an dem Boden;
      Schon setzt Nuño ihm die Lanze
      Ins Gesicht; da ruft des Vaters
      Klägliches Geschrei: »Erbarmen!
      Lieget er denn nicht besiegt?«
    Ja, besiegt und niederträchtig
      Feige, sind sie überwunden,
      Die Stolzen, Vermessenen.
      Nichts blieb itzt dem König übrig,
      Als das Urteil auszusprechen
      Niedriger Verräterei.
      Ehrlos werden ihre Namen,
      Eingezogen ihre Güter,
      Und kein Mann von Ehre nennet
      Ohne Scham die Niedrigen.
    Als der Cid von seinen Siegern
      Froh die gute Botschaft hörte,
      Dankt' er Gott; doch blieb im Herzen
      Ihm die bittere Erinnrung
      Lebenslang ein wunder Ort.
      Seit der Schmach, die ihm begegnet,
      Trug er fortan schwarze Rüstung,
      Übersät mit goldnen Kreuzen,
      Und war stiller als vorher.