Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Niederträchtige Verräter
Bleiben immer hinterlistig;
Können sie mit Ritterehre
Nicht entgehn dem bösen Kampf,
Wollen sie ihn von Toledo
Fernhin ziehen auf die Ebne
Ihres Städtchens Carrion.

    Schon versammlet sind dort alle
Große, stattliche Verwandte,
Selbst aus königlichem Stamm;
Alle reich in goldner Rüstung,
Alle prächtig im Gefolge,
Übermütig, frech und stolz.

    Und ihr Anschlag ist, die Ritter
Cids voran hinwegzublasen,
Ehe noch der Kampf beginnt.
Kaum wird diesen solches merkbar,
Wenden sie sich an den König:
»Unter des Gesetzes Schutz
Und in deinem sind wir, König,
Dir vertraut, dir anbefohlen;
Wenn wir hinterlistig fallen,
Rächen wird uns unser Cid.«

    So gewarnet, nimmt der König
Aller dreier Leib und Leben
Öffentlich in seinen Schutz;
Weist die hinterlist'gen Grafen
Gen Toledo, untersagend
Das Gefecht in Carrion.
Oh, wie sank das Herz den Frechen!
Vorm Colado, vor Tizona
Zittert jetzt ihr Übermut.

    Feld und Platz sind abgemessen,
Aufgerichtet stehn die Schranken.
Wo bleibt Fernan Gonzalez?
Denn Bermudez steht erwartend –
Endlich tritt er auf, erbebend,
Stößt zuerst mit seiner Lanze,
Und schon liegt er tief am Boden
Mit durchbohrtem Schild und Harnisch;
Bittend fleht' er um sein Leben,
Als er die Tizona sah
Aufgehoben. »Stirb, Verräter!«
Rief Bermudez. »Schenk, o schenke
Mir mein Leben!» sprach der Feige,
»Ich erkenne mich besiegt.«

    Martin Antolin von Burgos
Hob die Lanz und den Colado
Gegen Diego Gonzalez.
Mächtig schrie er um Erbarmen
Unter Püffen, unter Streichen
Des Colado, bis sein Roß ihn
Günstig aus den Schranken riß.
»O wie schändlich«, riefen alle,
»Schändlich ist auch der besiegt.«

    Nuño Gustioz tritt entgegen
Dem verräterischen Oheim,
Suer Gonzalez, durchbohret
Ihm auf einmal Helm und Schild;
Blutend liegt er an dem Boden;
Schon setzt Nuño ihm die Lanze
Ins Gesicht; da ruft des Vaters
Klägliches Geschrei: »Erbarmen!
Lieget er denn nicht besiegt?«

    Ja, besiegt und niederträchtig
Feige, sind sie überwunden,
Die Stolzen, Vermessenen.
Nichts blieb itzt dem König übrig,
Als das Urteil auszusprechen
Niedriger Verräterei.
Ehrlos werden ihre Namen,
Eingezogen ihre Güter,
Und kein Mann von Ehre nennet
Ohne Scham die Niedrigen.

    Als der Cid von seinen Siegern
Froh die gute Botschaft hörte,
Dankt' er Gott; doch blieb im Herzen
Ihm die bittere Erinnrung
Lebenslang ein wunder Ort.
Seit der Schmach, die ihm begegnet,
Trug er fortan schwarze Rüstung,
Übersät mit goldnen Kreuzen,
Und war stiller als vorher.


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