Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Kön'ge wollen ihre Diener
Nur an ihrem Platze sehen;
Den Erhabneren darüber
Drücken sie, wie Buhlerinnen
Den verächtlich-stolz behandeln,
Der sich, ihnen zu gefallen,
Nicht verächtlich machen ließ,
Oder wie die großen Götter,
Deren hoher Zorn im Donner
Nur das Binsenrohr verschont.

    Als des Cids ruhmreichen Abzug
Don Alfonsos Ohr vernahm,
Sprach, in Mitte seines Hofes,
Sprach er also: »Weggewandt
Hat sich heut von unsern Fahnen
Wohl der tapferste der Ritter,
Der je maurisch Blut vergoß.

    Schien zuweilen seine Freiheit
Schrankenlos und nah der Kühnheit,
Ihm vielleicht war diese Freiheit
Zu erlauben, seiner Treue,
Seiner alten Liebe wegen,
Die für unser Haus er trug.

    Jetzo geht er, und auf lange –
Ein einfacher Mann; und tausend,
Tausend Herzen gehn mit ihm.
Ein einfacher Mann; verliert er
Mit dem Hofe, wo er nichts war,
Etwas? Einzig schon sein Name
Macht ihm einen andern Hof,
Wo er alles ist. Vom Schlosse,
Wenn ein hoher Stein sich losreißt,
Folgen bald ihm andre nach.

    Könige sind nie in Ruhe.
Dieser will und der den Degen;
Und an alles soll der König
Denken, prüfen, widerstehn. –
Sagt ich dem gesamten Hofe,
Daß der Cid mir für euch alle
Gilt, nahm ich euch das Vergnügen
Seines Falles, und ihr nähmet
Meine Red als Vorwurf auf
Oder sprächet: Das sind Launen,
Launen sind's der Könige.

    Summa: Cid, der erste Krieger,
Edel, auf der Ehre Gipfel,
Treu, verständig, mannhaft, klug –
Ohne Beugung vor dem Herren,
Was kann er vom Herrn erwarten?
Also bleib es, wie es ist,
Damit auch die fremden Völker
– Hört es alle, die umherstehn! –,
Damit auch die fremden Völker
Sagen, daß König Alfonsos
Ahndung keiner seiner Diener,
Selbst der Cid auch nicht, entging.«


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