Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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Geschichte des Cid
Unter König Alfonso dem Sechsten, genannt der Tapfre

37

    »Fliegt, getreue Boten, flieget
Zu Alfonso, meinem Bruder!«
Sprach Uraca. »Er vergisset
Seines Glückes in Toledo,
Da sein Glück ihn nicht vergißt.

    Sagt ihm, daß der Feind nicht mehr ist,
Daß sein Bruder, Don Garzia,
Aus dem Kerker in das Grabmal
Seiner Ahnen wanderte.
Sagt ihm, daß die Kastilianer,
Die Asturier, die Leoner
Ihn erwarten, ihren König,
Wie die Schwester ihren Bruder;
Sagt es ihm und flieget schnell!«

    »Was zu tun?« sprach Don Alfonso;
»Ali Maimon, dieser gute
Sarazene, tat mir Guts.
Was dem Flüchtling man erzeiget,
Tut man das auch einem König?
Ob mein neuer Stand dem Mauren
Wohlgefalle, weiß der Himmel.
Eines, weiß ich, ist mir nötig,
Mit Vorsicht geheime Flucht.«

    »In der Rundung dieser Mauern
Ist ein Ort«, sprach der Gesandte,
»Niedersteigen wir zu Nacht.
Auf rückwärts beschlagnen Pferden
Eilen sicher wir davon.«

    Angekommen in Zamora,
Zog Alfonso dann nach Burgos,
Und die Reichsversammlung sprach:
»Erbe seid Ihr aller Thronen
Unsres großen Don Fernando;
Niemand streitet sie Euch jetzt.
Aber, ohn Euch zu mißfallen,
Fodern wir von Euch den Eidschwur,
An dem Morde des Don Sancho
Teilgenommen nie zu haben,
Mittel- und unmittelbar;
Solchen Eidschwur uns zu leisten
Förmlich, wie es uns gefällt,
Und bekräftigen ihn zu lassen
Von zwölf Eurer Edelsten.«

    »Dieser Wunsch sei euch gewähret«,
Sprach Alfonso; »morgen schwör ich
In der Kirche der Gadea
Vor dem heiligen Altar.
Heut begehr ich nur zu wissen,
Wer von Euch mir diesen Eidschwur
Abzunehmen dann gedenkt?«

    »Ich«, sprach Cid. –

                                      »Ihr, Don Rodrigo?
Denket Ihr daran, daß morgen
Ihr ein Untertan mir seid?«

    »Noch nicht! Daran werd ich denken,
Herr, wenn Ihr mein König seid.«


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