Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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    Als der gute Cid, der Feldherr
– Dessen Leben Gott bewahre,
Gott mit aller seiner Macht! –,
Als er ab nun reisen wollte
Mit Ximenen und den Töchtern,
Mit dem Hofe seiner Edeln,
Fand er alle seine Güter
In den Kriegen aufgezehrt,
Fand er keinen Maravedi,
Zu bestreiten seinen Zug.

    Jene prächt'gen Hyazinthen,
Die die Könige der Mauren
Einst verehrt dem großen Cid,
Legt anitzt Doña Ximena
In die Hände des Gemahles
Zum Versatze, zum Verkauf.

    Doña Sol und Doña Elvira,
Die zwei liebenswürd'gen Kleinen,
Als den Schmuck sie glänzen sahn
Und von dem Verkaufe hörten,
Bitter flossen ihre Tränen,
Seufzer stiegen aus dem Herzen
Der unschuld'gen Kleinen auf.
»Ach, die schönen Prachtjuwelen
Zum Versatze, zum Verkauf!«

    »Gleichen«, sprach der Cid, »die Kinder,
Die um das, was glänzt, nur seufzen,
Gleichen sie nicht Königen?
Weiber, Könige und Kinder,
Eben ihrer Schwachheit wegen
Werden sie uns achtenswert;
Denn der Schwachheit nachzugeben
Ist des Starken Pflicht; Ximene,
Geben wir den Kleinen nach!«

    »Und behalten die Juwelen!«
Riefen froh die kleinen Mädchen;
Die des Vaters Bart sonst scheuten,
Ihn zu küssen, klimmen an ihn,
Küssen ihn mit Herzenslust.

    Kommen ließ der Cid zwei Juden,
Neben sich an Tafel sitzen
Mit viel Zeremonien;
Will von ihnen tausend Goldstück
Auf die Sicherheit von zweien
Großen Kasten, angefüllet
Mit all seinem Silberwerk;
Jedoch unter der Bedingung,
Nicht vor Jahresfrist die Kasten
Zu eröffnen und nur dann erst
Sich zu halten an den Inhalt,
Wenn er sie nicht ausgelöst.

    Mehr gesichert durch den edlen
Namen Cids als durch die Kasten,
Zahlten ihm die zwei Beschnittne
Tausend Goldstück, gingen beide
Die Bedingung ein; doch nahmen
Sie mit sich die schweren Kasten,
Die der Cid – so wollt es jetzo
Seine Not – mit Sand gefüllt.

    Tat dem Herzen Cids dies wehe?
Nicht im mindsten. Herzhaft tat er's,
Voll Vertrauen auf sein Glück.
»Auf, Ximene! Jetzt zur Kirche!
Weihn wir jetzt zur Hülfe Gottes
Meine Waffen, mein Panier!«


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