Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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3

    Auf dem Platze des Palastes
Traf Rodrigo auf Don Gormaz.
Einzeln, niemand war zugegen,
Redet' er den Grafen an:

    »Kanntet Ihr, o edler Gormaz,
Mich, den Sohn des Don Diego,
Als Ihr Eure Hand ausstrecktet
Auf sein ehrenwert Gesicht?

    Wußtet Ihr, daß Don Diego,
Ab von Layñ Calvo stamme?
Daß nichts reiner und nichts edler
Als sein Blut ist und sein Schild?

    Wußtet Ihr, daß, weil ich lebe,
Ich, sein Sohn, kein Mensch auf Erden,
Kaum der mächt'ge Herr des Himmels,
Dies ihm täte, ungestraft?« –

    »Weißt du«, sprach der stolze Gormaz,
»Was wohl sei des Lebens Hälfte? –
Jüngling!« – »Ja«, sprach Don Rodrigo,
»Und ich weiß es sehr genau.

    Eine Hälfte ist, dem Edlen
Ehr erzeigen, und die andre,
Den Hochmütigen zu strafen;
Mit dem letzten Tropfen Bluts

    Abzutun die angetane
Schande.« – Als er dies gesagt,
Sah er an den stolzen Grafen,
Der ihm nun diese Worte sprach:

    »Nun, was willst du, rascher Jüngling?«
»Deinen Kopf will ich, Graf Gormaz«,
Sprach der Cid, »ich hab's gelobet!« –
»Streiche willst du, gutes Kind«,

    Sprach Don Gormaz, »eines Pagen
Streiche hättest du verdient.«
O Ihr Heiligen des Himmels!
Wie ward Cid auf dieses Wort!


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