Johann Gottfried Herder
Der Cid
Johann Gottfried Herder

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16

    Vom Altar und aus der Kirche
Zog die Hochzeitfeier prächtig.
Stattlich an Ximenens Seite
Ging der König, der Vermählten
Vormund; an Rodrigos Seite
Ging der fromme, gute Bischof;
Dann der Herren langer Zug.

    Wohl durch einen Ehrenbogen
Ging der Zug hin zum Palaste.
Ausgehängt aus allen Fenstern
Hingen goldgestickt Tapeten,
Und den Boden deckten Zweige,
Frische Kräuter, Rosmarin.

    Auf den Straßen, auf den Gassen
Längs hinan bis zum Palaste
Tönet in getrennten Chören,
Unter Saitenspiel und Cymbeln,
Glückwunsch, Freud und Lustgesang.

    Alvar Fañez (unter allen
Freunden Cids ihm stets der Erste),
Jetzt, von Dienern reich begleitet
Und geschmückt mit schönen Hörnern,
Zeigt er prächtig sich als Stier.

    Antolin auf einem Esel,
Ihn gleich einem Rosse tummelnd;
Martin Pelaëz mit Blasen
Voller Erbsen, die er auswarf,
Allem Volk zur lauten Lust.

    Herzlich lacht darob der König,
Gab dem Pagen, der den Damen
Zum Erschreck den Teufel spielte,
Eine Handvoll Maravedis,
Auszuwerfen unters Volk.

    Also führete der König
Sich zur rechten Hand Ximenen,
Und die Königin empfing sie;
Hinter ihr die Herrn vom Hofe;
Froh und freier ward der Zug.

    Weizen warf man aus den Fenstern,
Daß der Hut des Königs selber,
Daß Ximenens Busenkrause
Dicht und voll von Weizen lag.
Körn- nach Körnchen las der König
Selbst ihn aus Ximenens Krause
Vor der Kön'gin Angesicht.

    Alvar Fañez, der es ansah,
Rief als Stier: »Wohl möcht ich lieber
Statt des Kopfes meines Königs
Jetzt besitzen seine Hand.« –
»Gebt ihm einen Korb voll Weizen«,
Sprach der König, »und Ximene,
Angelanget im Palaste,
Ihr umarmt ihn für den Scherz!«

    Aber von Ximenens Seele
War das taumelnde Gelächter
Weit entfernt; sie ist zu glücklich,
Als daß sie sich lustig zeige.
Mehr spricht ihr gerührtes Schweigen
Als die lautste Fröhlichkeit.


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