Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

siehe Bildunterschrift

Unterzeichnung des Friedensvertrages in Versailles 1919

Frankreich und Deutschland

Im November 1913 Straßendemonstrationen der elsässischen Bevölkerung gegen Offiziere der Garnison Zabern. Die Affäre führt zu einem Vorstoß der Linken im Reichstag und wirkt bis 1914 nach. In Lunéville und Nancy deutsch-französische Zwischenfälle.

Die französische Republik wünscht eine ruhige, friedliche, von sanfter Hand besorgte Führung des internationalen Geschäftes und, als dessen Hauptertrag, würdige Verständigung mit dem Deutschen Reich: da ist, in einem Satz, das für uns wichtigste Ergebnis der Wahlschlacht. Vor der Stichwahl, dem scrutin de ballottage, geht's bei den Nachbarn noch wüster zu als in unserem lieben Vaterland. Fraktionen und Personen, die einander gestern anspien, schließen Notbündnisse und empfehlen einander dem Wohlwollen des Wählers. Der Herr Kandidatus, der die für den Wahlgang aufgewandten, aufgebettelten, aufgepumpten zwanzigtausend Franks samt der Hoffnung auf ein Mandat, also zinslos, wegschwimmen sieht, sucht ein Bruchteilchen des Aufwandes zu retten; der Mitwerber, der ihm ein Drittel, die Hälfte (oder gar mehr) der Kosten ersetzt, wird den wackeren Bürgern als Abzuordnender vors Auge gerückt. Gestern war er ein stinkendes Schmutzbläschen im Abschaum der Menschheit, allermindestens ein verruchter Volksfeind und von Mammons Knechten erkaufter Wicht: heute ist er ein immerhin achtbarer Republikaner und, neben dem dritten Werber (der nichts oder nicht so viel geboten hat), das geringere Übel. Ein in der Stichwahl erstrittener Kammersitz ist oft recht teuer; und im ballottage ward offenbar, daß die vereinigten Sozialisten und die vereinigten Radikalen in stärkerer Goldrüstung aufmarschierten als ihre Gegner. Deren rechtes Flügelchen, die Royalisten der Action Française (Maurras, Daudet) flatterte unter der Losung: »Wählet, wenn unsere Leute nicht durchzubringen sind, niemals das kleinere, stets das größere Übel!« Nicht den Liberalen oder Radikalen, sondern den rötesten aller wählbaren Sozialdemokraten. Ähnelt die neue Kammer einem Mohnfeld, dann wird die Wehrdienstzeit gekürzt und eine Einkommensteuer beschlossen, deren Härte jeden Besitzenden in Empörung treibt. Die französische Präsenzziffer wird um dreihunderttausend Köpfe kleiner als die deutsche, Frankreich sinkt auf die Stufe einer Macht zweiten Ranges und ist nicht mehr bündnisfähig. Da, meinte der allzu kluge Herr Maurras, ist die einzige Möglichkeit, den Franzosen die republikanische Staatsform rasch zu verekeln und unserem König Philipp den Weg nach Paris zu öffnen. Deshalb pries er die politique du pire und schalt alle anderen Monarchisten, weil ihr Streben von der ›integralen‹ Glaubenslinie abirre. Auch diese Taktik, die den Kollaps, als Vorbedingung der Entgiftung, erzwingen will, hat den Rötlichen und Roten genützt. Die ›machten‹ die Wahlen, hatten das Ministerium Doumergue als bureau de bienfaisance électorale eingerichtet, verfügten über die Geheimfonds, die Bändchen und Pfründen, Ehrenzeichen und Fördermittel des Staates: und durften drum mit getroster Zuversicht in den Kampf ziehen. Doch ihr Sieg ist größer geworden, als sie selbst zu hoffen wagten. Für eine Weile ist die Herrschaft der Radikalen (verschiedener Farbentönung) gesichert. Das ist, erstens, eine persönliche Schlappe des Herrn Poincaré; aber der Wirtschaft Frankreichs fehlt in diesem Wunder spendenden Frühling der Glanz, der sie fast immer dem Auge umgoldete. Die Ungunst der Weltkonjunktur wirkte auch da, wo das Kapital fremde Industrien reichlicher als heimische gespeist hat. Bankbrüche erschreckten den Rentner. Die Börsenumsätze schrumpften von Tag zu Tag; wo aus Maklermund sonst Tobsucht zu brüllen schien, nistet nun schwüles Schweigen; und aus den Luxusgewerbestätten, Theatern, Restaurants weht Gestöhn durch die Schleier, die den blühenden Lenz verhängen. Schlechte Zeit. Muß Marianne sich in engeren Haushalt gewöhnen? Frankreich bezahlt nicht nur die eigene Armee und Marine, sondern, fürs erste, auch Rußlands; hat seit achtzehn Jahren fast achtzehntausend Millionen Franken ins Ausland verliehen; und die neuen Truppen, Schiffe, Kolonien, Wege, Waffen, Kasernen, Eisenbahnen, Grenzforts, Munition und Kriegsgerät für Erde, Meer, Luft haben viel Geld gekostet. Die Regimenter, die vor dem Britenkönig in Parade standen, sahen nicht aus wie die Berliner und Potsdamer Garde (die eleganteste, üppigste Truppe des Erdballs), sondern wie das Kriegsvolk eines Staates, der für Kinkerlitzchen nichts verschleudern darf. Und nun soll gar die Rente des Reichsgläubigers besteuert werden; der Abertausende, mit deren Geld die Republikwirtschafter. Millionen (mancher behauptet: Milliarden) waren in schweizerische und Londoner Banken ausgewandert, den Stahlkammern der stärksten Pariser Häuser die Depositen entzogen worden, unter der festesten Kreditburg der Protestanten die Stützen gebrochen und die Feinde der herrschenden Jakobiner und ihrer mares stagnantes hatten mit allen erlangbaren Mitteln das Börsengeschäft zu lähmen gestrebt. ›So kann's nicht weitergehen‹: überall war der Seufzer zu hören.

Nur rascher Modenwechsel bewahrt den Franzosen vor Mißmut. Er murrt, wenn ihm zugemutet wird, dieselbe Tracht durch zwei Lenze zu schleppen; lauter jetzt als in den Kindertagen gallischer Volkheit, da Julius Cäsar schrieb: ›Galli sunt novarum rerum cupidi‹. Unser Snob, der, weil er die Krümel von Bergsons Mahl aufgeklaubt hat, Frankreichs Seele zu kennen wähnt, schwatzte noch von der zerrüttenden Wirkung des revolutionären Geistes, als dessen Spur schon, durch den Wirbel des wiedererwachenden Nationalstolzes, aus dem Boden der Republik verweht worden war. Seit die blinde Torheit unserer Politik den réveil national ertrutzt hat, gab es in Frankreich kaum noch einen dem Heerwesen feindlichen Willen; war der Syndikalismus der Umsturzlüsternen schüchtern, die Tyrannenmacht der CGT: (Confédération Générale du Travail) morsch geworden; folgte bis in die düstersten Arbeiterviertel des Pariser Ostens den ausrückenden, heimkehrenden Truppen aus dem Herzen der Masse morgens und abends der Ruf: ›Vive l'armée!‹ Herr Hervé, der jahrelang zur Weigerung der Wehrpflicht aufgefordert hatte, schrieb nun in den ›Matin‹ unter dem Druck deutscher Drohung werde er, wenn's sein müsse, für fünfjährige Waffendienstzeit eintreten. Daß auch diese Mode bald, wenn Deutschland sich ruhig hielt, abgetragen sein werde, war vorauszusehen. Sie wäre nur noch im Museum zu erblicken, wenn das unnützliche Gelärm um Lunéville, Nancy, Zabern, Fremdenlegion ihr nicht einen Teil des Anhanges erhalten hätte. Wir helfen den französischen Nationalisten aus jeder Not; so oft die Republikaner sich naher Sorge ledig glauben und den Riemen der Rüstung lockern möchten, rüttelt Michel sie aus träger Ruhe. Sechsmal tut er's seit 1904; und hat erreicht, daß die Republik heute zu Land und zu See stärker bewehrt ist, als vor Tanger der hitzigste patriotard zu hoffen wagte. Ihm war die Durchdrückung, ist die Erhaltung dreijähriger Dienstzeit zu danken. Doch die Wucht der nationalen Gemütsbewegung hat sich schon wieder gemindert. Neue Probleme heischen Lösung; Finanz-, Wahl-. Verfassungsreform wird gefordert. Eine Steuer, die, nach deutschem Muster, den Wählerschwarm zärtlich schont und den örtlich getrennten Häuflein der Wohlhabenden die Hauptlast aufbuckelt. Ein Wahlsystem, das auch den Willen der Minderheit zu wirksamem Ausdruck bringt, die Gelegenheit zu schwieriger Bezirksmächlerei einschränkt und sich doch der unausrottbaren Gewohnheit des Bauern anpaßt: das Schwein, das er kaufen, und den Mann, den er wählen soll, zuvor (nach dem Leitsatz: »Je veux connaître mon cochon et mon député«) genau anzusehen, zu beriechen und abzutasten. Eine Verfassungsform, die das Volk aus den hartkantigen, den Blutumlauf hemmenden Klammern des Zentralismus löst, den Provinzen wieder in selbständig schöpferisches Leben hilft und dem Reich die Möglichkeit stetiger Regierung gewährt.

Am 14. März sagte ich: »Die hellsten Köpfe der Republik hatten die Notwendigkeit mutiger, nicht entehrender Resignation erkannt. Unsere Aufgabe war nur, ihnen und ihren Landsleuten Ruhe zu lassen. Wir mußten wünschen, daß die Millerand, Barthou und Poincaré, die zwar nicht den Krieg, doch die Bereitschaft zum Krieg wollen, in der Wahlschlacht von den Radikalen und Sozialisten, den Gegnern dreijähriger Dienstzeit, nicht nur besiegt, sondern für Jahre in Ohnmacht zurückgeworfen werden. Ihr seht ja, hätten nach solchem Sieg die Roten zu den Rötlichen gesagt, daß die Deutschen Vernunft angenommen haben und in Eintracht mit uns leben wollen; wozu also noch drei Dienstjahre, unter deren Last der Student, Techniker, Kaufmann knirscht und die dem wichtigsten Volksteil die Republik verleiden? Daß unsere Heeresstärkung den Weg in diese Erkenntnis bahnen werde, war des Politikers Hoffnung. Frankreich, dachte er, wird bald merken, daß es die Kluft zwischen seiner und unserer Bevölkerungsziffer nicht überbrücken, die verhaßten trois ans gegen ein höflich mit ihm verkehrendes Deutschland nicht halten kann, und sich eines Tages auch fragen, wie lange es das für zwei Heere, zwei Flotten nötige Geld aufzubringen und dennoch der Bankier Südosteuropas zu bleiben vermöge.« Wir waren nicht still, zwangen durch nutzlos schrille Geräusche den Nachbar in scheue Wachsamkeit und lesen jetzt, daß den drei Jahren auch in der neuen Kammer die Mehrheit gewiß sei. Wie lange? Die Antwort wird von Deutschlands Haltung bestimmt werden. Frankreich hat leise, behutsam gesprochen; feinem Ohr aber seinen Wunsch klar angedeutet. Solange, wie Würde und Selbstachtungsbedürfnis der Nation es irgend erlauben, will Frankreich den Krieg vermeiden. Der bon sens seines wortkargen, arbeitsamen, nüchternen Landvolkes hat längst erkannt, daß die Republik die verlorenen Provinzen aus eigener Kraft nicht zurückerobern kann und noch im (unwahrscheinlichen) Fall ausreichender fremder Hilfe der ersten Aufpfad nicht in die Vogesenschlucht zurückbiegen darf, sondern vorwärtsführen muß: in die Weite des ungeheuren Afrikanerreiches, das jetzt, nach der Einnahme von Tazza,. durch den Eisenbahnstrang Tunis-Oran-Fez zur Einheit zusammengeschmiedet und dessen Hauptstadt dann von Paris aus in sechzig Stunden erreicht werden kann. Der Republik gehört Tongking und Madagaskar, Senegambien und ein breites Lendenstück der Äquatorialprovinz, wird morgen ein großer und saftiger Fetzen kleinasiatischer Erde gehören. Und ein Gespenst soll sie hindern, ihre Kraft zu lohnendem Werk zu sammeln und ihres Lebens froh zu werden? Frankreich will den Frieden, weil es ihn wollen muß. Das ist der Sinn seiner Wahl. Dadurch ward sie zum internationalen Ereignis.

Zu dem für uns wichtigsten seit dem Frieden von Bukarest. Lasset nicht von Torheit noch von Randaliersucht den Sinn der Wahl wieder fälschen! Die Sozialisten und Radikalen verdanken drei Viertel der Wählerstimmen ihrer im Volksgedächtnis haftenden Bereitschaft, leis jeden gefährlichen Funken zu löschen, jeden Brandstoff zu wässern, bis er unschädlich geworden ist. Scheuchet, Diplomaten und Abgeordnete, Redner und Schreiber, sie nicht abermals von nützlichem Tun auf! Von einem, das ihres Vaterlandes Zukunft mit lauterer Stimme als unseres fordert. Frankreich braucht, als Kolonialmacht ersten Ranges, eine neue Trassierung seiner Willenswege; muß sich zu dem Entschluß zu völlig gewandelter Politik aufraffen. Wie Britannien nicht ungestraft jahrelang in die Nordsee starren, jeder anderen Pflicht fehlen, um jeden Preis für den Fall des Kanalkrieges Genossenschaft erkaufen und sein Geld hastig verschleudern könnte, so darf Frankreich kein Schicksal nicht länger in ein Wahngebild verankern, das es zwingt, die vage Hoffnung auf Hilfe mit dem Aufwand von Summen zu mieten, die ihm am nächsten Tag dann für größere Aufgaben unentbehrlich, aber auch unwiederbringlich sind. Den Krieg gegen Deutschland, den Krieg für zwei Provinzen, denen schon das Wirtschaftsinteresse die Sehnsucht nach der Rückkehr in Franzosenherrschaft wehrt, dürfte die Republik nur wagen, wenn in ihr der zuversichtliche Glaube lebte, das Deutsche Reich zerstückeln, auf ein Jahrhundert hinaus in kraftlose Staatenbröckchen zerstampfen zu können. Ein einzelner Sieg würde ihr nicht genügen: weil sie die Last der Serienkriege, die ihm folgen müßten, als muselmanische und asiatische Großmacht ungefährdet nicht auch nur durch fünf Lustren zu tragen vermöchte. Und die Republik müßte diesen Krieg, der, wie mancher dem Zoologen bekannte, eine wimmelnde Volkheit vernichten soll, morgen ausfechten oder ihn für immer aus dem Bezirk ihres Willens, sogar ihrer Vorstellung scheiden. Die Politik des rachsüchtigen Millionärs, der Fäuste und Revolver erdingt, oder der Weltmacht, die, mit vernarbter Brust, selbst sich den Wert schuf und zu wahren entschlossen ist: vor diesem Scheideweg steht Frankreich. Heute noch kann es für den ganzen Umfang seines Besitzstandes in drei Erdteilen die deutsche Bürgschaft erlangen: und brauchte die Gewißheit solcher Assekuranz nur mit dem stummen Verzicht auf einen Gestus zu bezahlen, der nicht mehr schreckt, doch immer noch ärgert. Jede neue Sonne breitet den Lichtpfad solcher Erkenntnis. Jedes unbesonnene Gelärm deutscher Menschheit engt ihn und schleiert den Strahl in die Schatten ehrwürdiger Leidenszeit. Eindringlicher noch als im August des Gedenkjahres 1913 töne drum heute die Mahnung: ›Da die Mehrheit des deutschen Volkes einen Krieg gegen Frankreich nicht wünscht und auch die Minderheit ihn (der an sich keinen von dem nötigen Kraftaufwand entschädigenden Ertrag verheißt) nur als das unvermeidbare Mittel gegen unerträglichen Drang hinnähme, sollte jeder, der öffentlich spricht, jeder, der öffentlichem Urteil Raum gewährt, sich sorgsamer als bisher vor ungerechtem, das Selbstachtungsbedürfnis der Franzosen verletzendem Meinensausdruck hüten. Auch das Gezeter gegen die römischem Muster nachgebildete Fremdenlegion sich in minder hartzackige Form sänftigen. Ist diese Legion deutschen Jünglingen eine Gefahr, so wird Frankreich höflich festem Antrag den Wandel des Rekrutierungssystems nicht weigern Das Geschimpf schadet nur. Rät kluge Selbstsucht nicht beiden Völkern, das Vergangene endlich nun vergangen sein zu lassen?‹ Frankreichs Wahl hat die Frage schüchtern bejaht; die Notwendigkeit der Weltmachtwahrung wird sie laut bejahen. Wenn nicht ein neuer incident franco-allemand dem Mut zu klarer Antwort das Genick bricht. Alle Wetterzeichen drängen zu verhängnisvoller Entscheidung. Krieg oder Friede? Frankreich hat gesprochen. Wir würden von der blanken Diele guten Rechtes abgleiten, wenn wir den Spruch hochmütig überhörten.

Eine Probe. Sechs Monate lang; bis der Reichstag wieder an die Haushaltarbeit geht. Ein Halbjahr lang knappe, vorurteilslose, höfliche Erörterung des in der Republik Geschehenden. Tapfere Soldaten, in denen kein Äderchen eines Politikers ist, raten zu noch stärkerer Rüstung. Die würde den Nachbar in Verzweiflung treiben, den Führern und Schützlingen des Patriotenbundes endlich wieder in Macht helfen, den Wunsch nach einer Militärdiktatur entbinden. Neue Rüstung Deutschlands zwänge Britannien und Rußland, die Frankreichs Niederwerfung, mit oder ohne Bündnisvertrag, nicht müßig dulden dürften, zum Aufgebot aller erlangbaren Kräfte, militärischer und finanzieller, die auf allen Seiten, selbst um den Preis schwer erschwinglicher Opfer, Genossenschaft erkaufen müßten. Auch davor brauchten wir nicht zu zittern, wenn Notwendigkeit uns in solchen Engpaß pferchte. Doch wir wünschen ja nicht die Schwächung noch gar die Vernichtung Frankreichs (wo lebt ein nüchterner Wacher, der solchen Wunsch hegt?); wünschen nur, in dem gewordenen Rechtszustand einträchtig mit ihm zu leben. Nicht das winzigste Dörfchen, nicht den Raum eines Schafstalles oder Rebenhügelchens ersehnen wir von ihm; nur den Verzicht auf eine angewöhnte Grimasse. Die Welt wäre ärmer, wenn die Flamme des Galliergenius nur dünn noch aus ihr loderte und Frankreichs Stimme in zaghaftes Flüstern verblühte. Eine Probe!

Heißet, Germanen, die wilden Männer sechs Monate lang schweigen. Redner und Schreiber. Vergesset, daß ›gehetzt‹ worden ist. (Nur drüben?) Lasset nicht täglich drucken, daß jeder Deutsche in Frankreich gehaßt und verfolgt, geschmäht oder geknufft wird und daß wir den Franzosen, wir edle Barbaren, dennoch nicht grollen. Unsere Väter haben gesiegt, ihre sind geschlagen worden; und ihr Land hat Hunderttausenden guter Deutschen Obdach und Einkunft, Behagen und Wohlstand gewährt. Entstellet nicht, was ihre Zeitung meldet; ändert den Sinn und die Farbe des in Frankreich Gesprochenen und Gedruckten niemals auch nur im allerkleinsten. Weder Weihrauch noch Schimpf.

Die Französische Republik kann dem Deutschen Reich nicht die schmächtigste Parzelle entreißen und danach sicher sein, daß sie, allen deutschen Gewalten zum Trotz, das Errungene sich zu wahren vermag. Deutschland will Frankreichs Macht nicht mindern, sondern, im ganzen Umfang des Dreifarbenbezirkes, mit seiner Wehrkraft verbürgen. Hier keine Absicht auf Gewinn, dort nationalen Dranges Gebieterruf in höhere, Zukunft verheißende Wirkenspflicht. Zwischen den Völkern der Jeanne d'Arc und Bismarcks nur eines Schmerzes Schatten. Der weicht, wenn der Wucht sich die Flamme vermählt. Deshalb: Höhnet den Wahlgang nicht; grunzet nicht, während Italiens Jugend wider Österreich tobt, die Triple-Entente gleiche der körperlos schillernden Seifenblase, der Dreibund dreifach gehärtetem Erz. Zäumet die Zunge! In diesem Sommer wird Schicksal.


 << zurück weiter >>