Hans Freiherrn von Hammerstein
Mangold von Eberstein
Hans Freiherrn von Hammerstein

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Heerschau

An der Spitze von etwa hundert Reitern zogen Mangold und Nebukadnezar vom Brandenstein aus, auf dem nur der alte Torwart mit seinem alten Hund, Nickel der Eseltreiber und einige Bauern als Hüter zurückblieben. Der Kaplan war zum Pfarrer nach Elm geflüchtet. Mit einem kleinen Trupp stieß am Morgen von Gelnhausen kommend noch Philipp von Rüdickheim zu ihnen. Adelhard von Miltitz, ob seines ersten Kriegszuges überstolz und fröhlich, und Jörg Dietz aus gleicher Ursach blaß wie Gerstenbrei und mit einer Schicksalsmiene, als ging es dem unabwendbaren Hochgericht entgegen, ritten hinter den Edelleuten. Der Rechtsbeflissene hatte sich in den letzten Monaten auf eigenen Wunsch in der so rätselhaften Kunst des Reitens unterweisen lassen, und der grobe Schau mit dem höhnischen Miltitz als Lehrer abwechselnd hatten ihn darin so weit gebracht, daß er, auf 405 einen zahmen Klepper gehängt, mitkommen konnte. So war ihm durch eigenen Eifer keine Ausflucht geblieben, als ihm der Ritter das Mitreiten befahl, während er selbst beabsichtigt hatte, sich mit den Frauen auf den sicheren Steckelberg zurückzuziehen und dort das Weitere abzuwarten. Nur das hatte sein Flehen schließlich erwirkt, daß man keinen Krieger aus ihm machte, obwohl Adelhard ihn durchaus in einen Koller zwängen und ihm eine Eisenhaube aufstülpen wollte. Nun befand er sich als friedlicher Gelehrter und Schreiber im Zuge und nährte nebst dem Hasen doch auch die geheime Hoffnung im Busen, daß man ihn wenn schon schlimmenfalls mitfangen, so doch nicht mithängen würde.

Sie ritten durchs Kinzigtal am Steckelberg vorüber, von wo viele Tüchlein ihnen winkten, auf die Sterbfritzer Höhen und überholten das Fußvolk, das sich dort mit dem Troß und Geschütz zur ersten Rast niedergelassen hatte. Es bestand aus einem dreihundert Mann starken Fähnlein Landsknechte und einem Haufen von rund zweihundert Bauern, die aus der Rüstkammer auf dem Brandenstein bewaffnet worden waren und mit ihren Sturmhauben, Brustplatten, Spießen, Morgensternen, Armbrüsten und Büchsen wackerer und vertrauenerweckender aussahen, als das grellbunte Lumpenvolk der gewerbsmäßigen Söldner, dessen Zug von den unentbehrlichen Weibern, Trägerbuben, Hunden und Fouragekarren voller zusammgestohlenem Federvieh und Gerät ins Ungeheuerliche verlängert wurde. Mangold schuf dem Feldwaibel und dem Kilian Reschhaber, der die Bauern führte, bald wieder aufzubrechen, und zog mit den Reitern ohne Aufenthalt weiter unterm Schwarzenfels her und südwärts im Tal der schmalen Sinn hinunter.

Beim Dörflein Mottgers, das eine hoch an die Berglehne gebaute, mauernumwehrte Kirche hat, begegnete ihnen Philipp von Eberstein. Die Brüder schüttelten einander die Hände zu kurzem Abschied, und eh sie sich trennten, sagte der Amtmann: »Wegen derer von Fulda hab keine Sorg. Ich hab einen Kundschafter am Hof des Abtes. Bis heut ward dort noch kein Haufen wider dich gerüstet. Es sei dann, sie hätten zu Hammelburg einen aufgestellt, was ich nit 406 weiß. Wollt aber was von Norden daher, von Fulda kommen, da schick ich dir eilends Botschaft, daß ihr euch vorseht.«

Als sie zwischen Altengronau und Zeitlofs ins Tal der großen Sinn, den sogenannten Huttischen Grund, einbogen, überraschte sie der Anblick eines weit ausgebreiteten Heerlagers, das sich da auf den Wiesen am Fluß zwischen den waldigen Bergen aufgetan hatte. Die Schimmer der Morgensonne und die Schatten des Triebgewölkes zogen wechselnd drüber hin. »Blau!« sagte Mangold, die Zeltgassen und die am Westende aufgestellte Wagenburg mit einer Reihe kleiner und mittlerer Geschütze überblickend, »das schaut ja fast stattlich und trutzlich her!«

»Dreimal mehr Karren, Huren und Hund dann wehrliche Leut,« erwiderte Nebukadnezar düster. »Guck nur, was für Gesindel!« Er deutete zur Seite, wo eben ein paar verlotterte Spießgesellen vom Wald herunterkamen. Andere lungerten um ein Feuer an einer Brücke. Es war offenbar die für die Nacht gegen Norden aufgestellte Sicherung.

»Jackel!« rief eben ein Kerl mit schwarzem Struwelhaar einem der Ankommenden zu, der einen abgekragelten Hahn über der Schulter trug, »wo hast den fein Holderkautz gschnifft?«

»Droben vom Hautzenkobel hinterm Strombart,« versetzte der andere.

»Hats no Strohborer durt?«

»Nit a Pfläumel mehr.«

»Tuften Schein, Hager Hiesel!« rief der Pfeifer, der vorn im Zug ritt, dem Schwarzen zu. Den riß es herum. Verblüfft spähte er in die Reiter hinein.

»Habts grandig Flagger gschuppt dazumal an Sunnwend z' Aschenrod?« rief der Pfeifer noch einmal.

Der Angerufene starrte ihn mißtraurisch an und schien in seiner Erinnerung vergeblich nach dem Gesicht zu suchen, das nun unter Kappe und Helm freilich nicht so leicht zu erkennen war.

»I laß d'Ladek Nanni schön grüßen,« lachte der lange Hans, »und n' Romak und 'n Pawel.«

Jetzt schien dem Hiesel was zu dämmern. »Die san beim Ulrich vo Basel,« rief er zurück. 407

Der Pfeifer drauf: »Wo schwenzen die im Terrich umeinand?«

Der Schwarze: »Die ganz Kammerusche is unter die Balmachomer gangen beim Herrn von Absberg. Bei der Roßmühl sans drunt.«

Er schrie noch etwas nach, aber man verstand es nicht mehr im Getrappel und Geklirr.

»Da hat der von Absberg eine saubere Zunft geworben,« sprach der Pfeifer zum Schau, der neben ihm ritt.

Der drauf trocken: »Wie einer ist, so laufts ihm zu. Er hat halt den roten Hahn als Feldzeichen und Werbefahn ausgesteckt.«

Auf der Straße gegen Zeitlofs herrschte ein reges Hin und Her von Reitern, Fußknechten, Wagen und abenteuerlichen Gestalten aus der Gegend des Trosses. Jetzt begegnete ihnen ein Trupp zu Pferd, der durch besondere Buntheit und Federngeflatter auffiel. Zwischen einem Fähndrich und einem Stückmeister ritt ein soldatisch ausgeputztes Frauenzimmer mit wildem Hut auf grellblonden Locken. Mangold sah ihr betroffen ins Gesicht, das feine Züge hatte, aber seine Verlebheit und Verwüstung unter der reichlich angewendeten Schminke nicht verbergen konnte. Auch das schlanke Weib, in einem frechen Gelächter mitten abbrechend, starrte mit schönen und scharf spähenden Grauaugen den Ritter erschrocken an. Sie zogen aneinander vorbei und kehrten sich gleichzeitig noch einmal im Sattel zurückschauend um. Und jetzt hatte sie Mangold erkannt: in seinem Gedächtnis stieg das Bild des Christabends in dem seltsamen Bürgerhaus zu Nürnberg auf. Er sah die zarte Gestalt mit dem blonden Haar im blaßroten Gewand vor Doktor Faustens Gästen traumtanzen und Ulrich von Hutten mit gierigen Augen jeder ihrer Bewegungen folgen.

Vor dem Eingang zum Dorf Zeitlofs fanden sie Fritz von Thüngen mit der Hetzpeitsche in der Faust, rotem Gesicht und bösen Blicken vor einem Dutzend Bauern und etlichen Juden, die erregt schreiend und jammernd auf ihn einredeten. Zumal die Juden waren zudringlich, umringten ihn im Kreis und führten eine Art Reigen um den Junker auf, 408 wobei sie in spalmodischem Tonfall ein Klagelied ertönen ließen, dem so viel zu entnehmen war, daß sie durch plündernde Söldner Schaden gelitten hätten. Nun wurde von einer andern Judenschar sogar ein Landsknecht herbeigeschleppt, der sich heftig wehrte und noch mit dem Erfolg seiner Übeltaten in Gestalt von allerlei Krämerware beladen war. Ein wenig abseits aber hinter Büschen stand ein krummer Kerl mit hämischem Gesicht in hohen Schultern und weidete sich an dem Anblick. Die herankommende Reiterschar machte dem bedrängten Edelmann Luft, und während Fritz nun mit Mangold und dem Voit zu sprechen begann, hatte der Pfeifer scharfen Blickes den Krummen hinterm Strauch erspäht. Er raunte dem Schau was zu. Der sah auch hin und nickte. Der Pfeifer ritt vor und machte den von Thüngen auf die Gestalt aufmerksam. Auf des Junkers Geheiß ritt der Pfeifer mit plötzlicher Wendung vom Weg ab, erwischte den kleinen Mann beim Kragen und zerrte den Erschrockenen vor die Edelleute. »Erkennt ihr ihn, Herr Fritz?« rief der lange Hans.

»Potz Leichnam!« sagte Fritz, »das ist ja der Schuster aus dem Dörfel bei Scheinfeld, wo wir dazumal auf der Hochzeit tanzten.«

Der Krumme schwur und beteuerte. Aber auch der Schau erkannte ihn wieder, und eben kam Herrn Fritzens Vogt herbei und bestätigte, daß der Kerl sich vor einigen Wochen im Dorf als Schuster angesiedelt habe und unter dem Volk mit aufrührerischen Reden schüre. Er habe ihn ohnedem schon aufs Korn genommen, um ihm bei guter Gelegenheit ein paar hinter die Löffel zu geben und ihn wieder auf die Wanderschaft zu bringen.

Fritz von Thüngen winkte einigen Soldaten, die in der Nähe standen. »Da,« befahl er, »nehmt den Gartsegler,« er deutete auf den Landsknecht, der von den Juden erwischt worden war, »und den Aufstörer da. Beide zum Profosen und vors Kriegsgericht.«

Ohne sich weiter um das Geschrei des Schusters und die bestohlenen Bauern und Juden zu kümmern, schritt er neben den Reitern, die sich wieder in Bewegung setzten, dem Schloß 409 zu. Aber die Juden liefen ihm nach und sangen und tanzten im Gänsemarsch am Straßenrain her. Plötzlich wandte der Junker sich um und schlug die Hetzpeitsche den ersten um die Ohren. Die Rosse wurden unruhig, stiegen und hoben die Hinterbeine, die Reiter lachten und ließen sie in die bestürzte Judenschar hineindrängen, die nun mit greulichem Gezeter in die Wiesen hinausflüchtete, wobei einige über ihre langen Röcke zu Fall kamen.

Im geräumigen Wirtschaftshof vor dem Schloß, das in vier wuchtige, kurze Türme auseckend hinter breitem Wassergraben lag, saßen die Reiter ab, und die Edelleute gingen über die Brücke ins Haus. In einer tiefgewölbten Halle fanden sie mehrere Junker um einen Tisch bei Wein und Frühmahl versammelt. Man sah Wilhelm Fuchs, die zwei Brüder von Nisika, Kunz und Lorenz von Rosenberg, Heinz Kottwitz von Aulenbach, Georg von Eberstein zu Ginolfs und Hans Thomas von Absberg. Jagdhunde lungerten auf den Fliesen umher oder bettelten bei den Tafelnden. Nach kurzer Begrüßung ward sogleich zum Kriegsrat geschritten.

Vor allem wurde Fritz von Thüngen aufgefordert, zu berichten, was für Kundschaft vom Feind man habe.

Fritz begann: »Wir seind nit müßig gewest und haben gut Kundschaft besagend, der Graf von Wertheim sei als gestern zu Langenprozelten mit etwan ein Mann tausend zu Roß und zu Fuß auch leichtem Geschütz eingezogen, und lagern bei selbigem Ort nahebei, auf die Nürnbergischen zu warten, die von Würzburg herab sollen auf Gemünden kommen, seind aber noch nit da und hat man auch keine Nachricht von denen. Die aber sollen auch die groben Stuck zur Belägerung mit ihnen führen. Der von Wertheim jedoch hat unsern Vetter Herrn Bernhard von Thüngen, das ist des Bischofs Amtsmann zu Gemünden, ins Läger beschieden und lang mit ihm gesprochen darum, daß er ihm sollt zu Roß und zu Fuß und mit den Büchsen auch Beistand tun wider die Rauber und Landfriedensbrecher als ein Amtmann seines gnädigen, andächtigen Herrn des Fürsten Bischofs Konraden, unseres lieben Herrn Vetters zu Würzburg, sintemal dem die römisch kaiserliche Majestät solches hätt 410 ernstlich geboten und geheißen als einem des Reiches Fürsten bei Vermeidung der Pön. Allein der Amtmann hat dem Grafen gesagt, er hätt noch kein Befelch von Würzburg und wollt derohalber zum Bischof schicken. Solchergestalt laßt er die Sach hinziehen und den Bischof einen guten Mann sein, als er mir durch meinen Boten eilends heut früh hat vermelden lassen und acht, so Befelch käm, daß er müßt dem Grafen Beistand tun, er tät ihn nit gern und wurd weiter teidigen und hinziehen mit mancherlei Ursach und Beschwernus.«

Mangold: »Und was ist des Grafen Vorhaben, so man davon weiß?«

Fritz: »Der will, als er dem Bernhard gesagt, so die Nürnberger zu seinem Haufen gestoßen, durch das Sinntal heraufrucken mit allem Stuck und zuvörderst mein Schloßlein dahier, darnach den Brandenstein berennen und einnehmen und uns fangen, wie sich das machen mocht. Und daucht ihm die heilige Woch just recht für solche Handlung wider uns als die Ächter und Landfriedensbrecher auch darum, daß umso minderer etwan ein frommer Edelmann uns Beistand tät wegen des Gottesfriedens.«

Mangold nach einigem Sinnen: »Gut. Nun sollt ihr mir, liebe Freunde und Schwäger, sagen, wie viel Leut als ihr habt, ein jeder von euch, Pferd und Spieß und Büchsen, leicht und schwer.«

Sagte Fritz von Thüngen: »Dahier im Huttischen Grund seind zusammkommen bis heut früh ein Mann tausend und achtundachtzig zu Fuß und ein Pferd hundert drei und neunzig, alles reisige Leut, Troß und Weiber ohngerechnet, und ist dabei ein jed Häuflein, so die von Nisika, Heinz Kottwitz, auch Kunz von Rosenberg und Hans Thomas von Absberg herzugeführt haben minder dem, das du führst und dem Haufen, mit dem der von Absberg noch hält unten an der Saal.«

Sprach Mangold: »Wir, das sind Nebukadnezar Voit, Philipp und ich führen ein Pferd hundert gradaus und ein Mann fünfhundert zweiundzwanzig zu Fuß, alles reisige Leut ohne Troß, darzu drei mittelschwere Stuck fahrbar, 411 scheußen Stein, und fünf Feldschlangen, scheußen Blei ein Pfund eine jede.«

Fritz drauf: »An Geschütz haben wir dahier vierzehn Stuck, davon drei schwer Steinbüchsen, dreißig Pfund der Schuß, drei ordinari Schlangen, scheußen Blei zwo Pfund, und acht lange Büchsen zu ein halb Pfund der Schuß.«

Nun legte Hans Thomas von Absberg die Stärke seines Haufens dar. Er hatte darnach rund achtzig Reiter und sechshundert Mann noch in der Gegend der Roßmühle an der Saale liegen, die erst in den letzten Tagen dort zusammengezogen worden. Zu diesem Haufen hatte einen Teil mit Geschütz Lorenz von Rosenberg gebracht.

»Was meine Leut sind, das sind gut wehrlich Leut,« erläuterte Lorenz, »was der Hans Thum geworben, das ist ein Geschmeiß und auch nit gut bei Waffen.«

»Ja,« bestätigte Fritz, »was du gestern hergeführt, das ist auch ein Lumpenvolk und Haderngesindel, desgleichen man sonst nur bei den Zigeunern erblickt, wie sie im Land zeuchen und Roß handeln, Messer schleifen, Pfannen flicken und stehlen und mordbrennen nebenbei.«

Aber der von Absberg ward schellig und schwur übel, beteuernd, er habe die Kerntruppe des Heeres gestellt mit viel Müh und Kosten, und seine Gesellen, das seien die wahren Landstörzer und Eisenfresser, lauter verwogene Leut, und er wolle mit ihnen den Papst aus der Engelsburg und den Kaiser aus Nürnberg holen, tot oder lebendig. Dazu trank er häufig, schlug mit der Faust auf den Tisch und rollte die Kohlenaugen.

»Und der Ulrich von Basel genannt,« schloß er, »das ist ein Kerl von Schrot, hat schon bei funfzehn Feldzüg hinter ihm und ist wohlgewendet im Krieg, den hab ich zum Oberwaibel gemacht, ob er gleich nur ein Aug hat.«

Lorenz von Rosenberg schmunzelte und sprach. »Hab zumeist Einaugen und Einarm gesehen unter deinen Haufen, und von Rechts- und Friedenswegen sollten die mehreren davon gar keine Köpf mehr haben, sondern die sollten stecken überm Rad auf dem Rabenstein.«

Der schwarze Thomas drauf spöttisch: »Und der deine 412 etwan – wo sollt der stecken von Rechts- und Friedenswegen? Zwischen deinen Schultern tut der dem Landfrieden so weh als der meine.«

»Hebt keinen Streit, Ihr Herren,« mahnte Mangold, »es ist not, daß wir eilends zu Rat und Schluß kommen. Fritz, nun sag mir noch, hast du Kundschaft, wie stark die von Nürnberg anrucken mögen?«

Fritz drauf: »Davon hab ich bis heut keine gewisse Kundschaft erlangen können. Jedoch, als mich mein Vetter wissen ließ, hab der Graf gesprochen, er acht, es kämen von Nürnberg zwei Fähnlein zu Fuß und eins zu Pferd, das sind hundertfünfzig Reuter und etwan achthundert Landsknecht.«

Mangold dachte kurz nach und sagte dann: »Also, liebe Schwäger, ist mein Rat, daß wir unverzogen aufbrechen mit allen unsern Haufen, das Sinntal hinabrucken, die Wertheimischen bei Langenprozelten im Lager angreifen heut nacht noch und trachten, die in den Main zu werfen. Ihr, Hans Thum und Lorenz, reitet allsogleich zu euren Haufen und ruckt von der Roßmühl auf Gemünden herein und haltet auf der Höh überm Main hinter der Stadt und dem Schloß. Dann wir sind Manns genug, den Grafen zu werfen; ihr aber müßt die Nürnberger, so sie kämen am Main herab, in der Seiten packen, und wo nit schlagen, so lang die in Handlung halten, bis daß wir mit den Wertheimischen zu gutem End kommen sind. Von den Würzburgischen in Gemünden, Schloß und Stadt, müssen wir uns, als Fritz gesagt, keines Üblen versehen. Der Graf von Rieneck hinwiederum hat mich wissen lassen, er könnt mir nit helfen, doch wollt er mir nichts tun, so ich ihm nichts tät, und ein Aug zudrucken, so wir versehentlich mit einem Huf oder etlichen auf sein Land würden treten, das ist sinnab rechten Ufers. Am linken Ufer ist es thüngisch bis hart gegen das Schloß Rieneck über, bleiben wir auf eigenem Grund.«

Alle schienen mit diesem Vorschlag einverstanden. Nur der von Absberg schüttelte gleich den Kopf und wollte sprechen. Doch Fritz von Thüngen kam ihm zuvor und sagte: »So ist auch meine Meinung; allein ich will nit verhalten, daß es, 413 als ich acht, kein allzu leicht Stück Arbeit sein mag, die Wertheimischen zu werfen. Dann sie schanzen, als mein Vetter geschrieben, auf dem Zollberg, damit sie aus dem Sinntal herab niemand möcht übereilen, und der Hügel steht gleich einer Bastion mitten ins Tal hinein für der Stadt Gemünden und dem Dorf Langenprozelten.«

»Ja,« bestätigte Heinz Kottwitz, »daß sie so tun, ist leicht zu denken. Dann der Graf ist ein trefflicher Kriegsmann und hat auch einen guten Schanzmeister. Laßt er nun gar das Geschütz auf den Zollberg bringen, und hat dessen schweres und nit wenig, so mag es uns einen harten Sturm und viel Leut kosten, den Zollberg zu überrennen.«

»Darum müssen wir den unversehens und so heimlich als möglich angehen in der Nacht,« warf Mangold ein. »Und mein Rat ist, ein Hauf packt ihn von vorn, einer geht zur rechten Hand durchn Wald über Rieneckisch Gebiet.«

Hans Thomas von Absberg ergriff das Wort und sprach: »Ihr Herren, ich hätt einen andern und, als mich daucht, bessern Anschlag. Mag der Graf hereinrucken ins Sinntal, ja sogar, tut ers nit bald, lasset uns die Wertheimer herein locken. Man zeigt sich mit kleinen Haufen, rennt ein wenig an und ruckt hinter sich, so meinen sie, es sei alles und rucken nach. Man laßt sie rucken bis etwan ein Viertel Meil abwärts Burgsinn. Indes bring ich meinen Haufen über die Saal und zwerch durch das Holz in den Wald linker Hand oberhalb der Sinn, den man heißt Sinnberg, ist meines Wissens ein Thüngisch Holz. Und zur Stund, daß ich da halt, greift ihr oben an von Burgsinn heraus, und ist nun die Handlung scharf in Gang, so pack ich die Wertheimischen unversehens von hinten, und wir haben sie all in der Fall, als die Hasen in den Netzen.«

Dieser Plan fand großen Beifall. Nur der Voit blieb stumm, und Mangold, ein wenig besorgt die Stirn runzelnd, sagte: »Das hört sich schön an und wär dawider gar nichts zu reden, dieweil uns solchergestalt auch Leut gespart werden möchten. Jedennoch wir müßten zuvörderst wissen, ob die Nürnbergischen Haufen schon zu den Wertheimischen gestoßen und daß wir alle da in der Fall beisammen hätten. 414 Dann kommen die erst hinter den deinen, Hans Thum, dann möchts dir übel zuruckschlagen, und uns vorn auch.«

Der Absberger drauf: »Solches hab ich nit ohn Bedacht gelassen und wollt mich der Nürnberger wohl versehen haben, so die noch nit beim Grafen wären, davon uns Bernhard Thüngen, wills hoffen, wird Kundschaft schicken.«

Fritz: »Aber deine Leut, ob die halten und, wanns sein muß, nach zwo Seiten hin?«

Der von Absberg: »Habt keine Sorg, die halten schon, bis daß ihr es vorn zu End gebracht. Und ists nit das gleiche wie unten am Main, wo ich halten soll wider den Nürnberger Haufen, bis daß ihr den Grafen geworfen bei Langenprozelten? Aber im Sinntal liegts weit besser für uns und schlechter für den Grafen. Dann er kann sich nit regen und ruckziehen, wie leicht am Main, und wir, ging es uns schon hinter sich und würden uns ihrer zu viel, wir mögen leicht im großen Holz zuruck und darinnen zwischen Sinnfluß und Schonderbach gen Zeitlofs herauf, und wollt uns wer nachziehn in dem Gewäld und Geklüft, das schlüg ihm übel aus.«

Nach einigem Hin- und Widerreden ward des Absbergers Vorschlag angenommen, und Mangold selbst gab ihm seine Zustimmung. Der Voit verhielt sich abermals schweigend. Nun einigten sie sich alle noch, daß der von Eberstein zum Brandenstein ihr Feldhauptmann sein, den Zug führen und jede Handlung bestimmen solle, und alle gelobten ihm mit Handschlag Gehorsam und treue Folge. Als erstes befahl Mangold sofortigen Aufbruch und Vorrückung in die Gegend um Burgsinn. Und zwar solle der eine Teil der Truppen mit dem Geschütz das Sinntal hinab auf der Straße offen ziehen und am Abend bei Burgsinn ein Lager aufschlagen, der größere Teil jedoch über Roßbach auf der Höhe und durch die Wälder dahin rücken und im Holz verborgen nächtigen. »Also,« sprach er, »hängen wir der Katz die Schellen an, und des Grafen Kundschafter, so er welche hätt, mögen ihm sagen, daß wir anrucken etliche hundert Mann stark. Ihr,« wandte er sich an Hans Thomas von Absberg und Lorenz von Rosenberg, »reitet unverzogen zu euren Haufen, ruckt an 415 der Saal herunter bei Nacht und geht bei Michelau oder Hurzfurt oder Gräfendorf durch die Furten.«

Darauf erwiderte Lorenz: »Der Fluß geht hoch vom Regen und abrinnenden Schnee im Gebürg, so acht ich, daß wir nit durch die Furten mögen und bis Wolfsmünster herab und allda über die Bruck müssen. Dann bei Gräfendorf, da hats nur einen schmalen Steg, wo kein Pferd drüber mag.«

»Das ist mir nit lieb,« sagte Mangold, »dieweil davon leichtlich Kundschaft zum Grafen gelangen könnt. Drum so geht in kleinen Haufen übern Fluß, die Reiter und das Geschütz bei Wolfsmünster, vom Fußvolk soviel möglich übern Steg bei Gräfendorf und alles noch heut in der Nacht; so das aber nimmer möglich, lasset den Tag morgen drübergehn und wartet bis zum Abend. Ich geb euch Reuter mit, die der Wege kundig, durch die schicket mir Botschaft, wie und wann ihrs tut, damit wir uns dessen versehen. Und nun, Ihr Herren,« schloß er zu allen gewendet, »lasset alle Haufen zu Roß und zu Fuß auf sein und in Reihen stehen. Wir wollen in das Läger reiten und unser Heer besehn.«

Während sie aufbrachen und noch redeten, betrat ein junger Rittersmann in schöner, neuer Rüstung mit rotgelbem Busch auf dem Helm die Halle. Es war Frowin von Hutten. Mit raschen Tritten kam er auf Mangold zu, der ihn verwundert begrüßte. »Oheim,« sprach er, »ich komm mit zween Reisigen zu Roß, den ersten, die ich gerüstet hab, sind aber gute, weidliche Gesellen alle beide, mit denen will ich dir Beistand tun wider das Reich. Und ist es gleich meine erste Handlung, und meine Kraft nit gar groß, so will ich doch mit meinen Reutern treulich tun, was du begehrst und wir vermögen.«

Mangold ergriff seine Hand und sah ihm lächelnd in die hellen, freudigen Augen. Frowin schien gewachsen und war ein Mann und Ritter geworden ganz und gar, so jugendlich sein hübsches Gesicht im aufgeschlagenen Helm leuchtete. Auch Nebukadnezar trat herzu und musterte den Gatten seines Mühmleins mit sichtlicher Billigung. Mangold aber, ihm mit der Linken auf die Schulterplatte schlagend, sprach: »Lieber Vetter, hab Dank von Herzen, und du machst mir große Freud. Daß du gekommen bist und dich erbietest, das 416 ist mir in diesen Tagen, wo ich viel Unfrohes hab, die einzige Freud. Aber ich kanns nit annehmen. Kaum sechs Wochen bist du ein Ehmann, da gehörst du zu deiner jungen Hauswirtin. Reit heim und sag ihr, ich laß sie grüßen, und ich schickte ihr da einen tapfern, weidlichen, jungen Rittersmann, der hätt mir Urfehde schwören müssen, und daß er auf drei Wochen mindstens sein Haus nit verlasse, und sie sollt ihn mir halten in ritterlicher Haft.«

Frowin sehr enttäuscht: »Oheim, nun hab ich mich seit manchem Tag schon so gefreut darauf, laß mich mit dir ziehen!«

Mangold: »Und dein Gemahl, freuts die auch, oder sitzt sie daheim und weint?«

Frowin: »Sie muß es erdulden und tuts auch. Hätt sie keinen Ritter genommen!«

Mangold: »Wohl, sie wirds ertragen müssen, daß ihr Liebster noch oft zu Pferde steigt und ausreitet. Heut aber soll er ihr zurückkehren.«

Frowin: »Früher oder später muß es doch zum erstenmal sein, und mir wärs gar lieb, daß ich in meiner ersten Handlung für dich reiten könnt.«

Mangold leise: »Frowin, ich will dirs nit verhalten, ich verseh mir nichts Gutes mehr von dieser Handlung. Es wär schad um dich. Ich kanns dir nit erlauben, daß du in solcher Sach reitest. Heb dich heim, bleib bei deinem Fräulein und seid froh, daß ihr einander habt.«

»So auch ist mein Gebot,« fiel Nebukadnezar ein, »und du wirst uns beiden Alten, deinen Oheimen, nun unverzogen gehorsam sein.«

Der junge Mann senkte den Kopf und schien sehr wenig einverstanden.

»Frowin,« sagte Mangold, »so du nit heimreitest und dich im Haus hältst, nehmen wir dich gefangen, der Voit und ich, und lassen dich zusamt deinem Gespons auf den Steckelberg bringen. Magst dus dann ausfechten mit uns zweien, wann du wieder ledig geworden.«

»Aber der Adelhard,« meinte Frowin mit einem traurigen Blick zur Tür, »der reitet mit und verdient sich Ehr vor mir.« 417

»Das kommt vom Heiraten!« lachte Mangold. »Der Adelhard ist ein freier Vogel, du hast Weib und, wills hoffen, bald auch Kind, da kommt neue Pflicht, mein Lieber, das siehst du jetzt. Hättst du dirs früher bedacht. Nun mußt du uns geloben, zu halten, was wir befehlen, und tätst du's nit, dann werfen wir dich nieder an Ort und Statt und du kommst zur Mutter auf den Steckelberg.«

Frowin: »Wohl dann, wanns sein muß, ich gelob es. Aber, liebe Oheime, mein Haus ist euch und den Euren offen, tut damit, wie ihr es brauchen mögt.«

Mangold: »Dein Haus, das hat nit einmal Wasser herum, und rennen drei gute Landsknecht ein. Soviel wir dazu tun mögen, soll es ein Haus des Friedens bleiben. Nun komm mit uns, wir wollen die Kriegsleut anschauen.«

Im Hof, ehe Mangold zu Pferde stieg, ließ er den Pfeifer, den Schau, den Kilian Aschmesser und den schwarz Hänslein zu sich kommen. Er unterrichtete sie kurz von dem Ratschluß, den man gefaßt hatte, und sagte dann: »Ihr seid meine besten und getreuesten Reuter. Ich behielt euch lieber bei mir, aber es daucht mir mehr vonnöten, daß ihr tut, was ich euch nun befehle, und merkt wohl auf dabei: Reitet mit den Junkern von Absberg und Rosenberg zur Saal hinab. Einer von euch muß dort halten bei Wolfsmünster an der Bruck, einer bei Gräfendorf am Steg, ein jeder, daß er gut sehe, was am Fluß herab oder jenseits kommen mag. Der dritt und viert reiten mit den Junkern zu ihren Haufen und warten denen auf, was die befehlen mögen. Tragen sie euch eine Botschaft auf, oder so irgend was geschieht, das uns zu wissen not, dann reitet eilends. Ihr kennt Weg und Steg und wisset uns zu finden. Und daß die Gäul es überstehn, so ihr gar eilends reiten müsset, mag es einer dem andern weitergeben, wie er am Fluß steht. Du, Pfeifer, bleib mir beim Steg nächst Gräfendorf. Habt ihr alles wohl verstanden?«

Die Reiter bejahten es. »So reitet mit Gott und habt Augen und Ohren, wo die hingehören, und daß euch weder Feind noch Schlaf übereile.« Er schüttelte jedem einzelnen die Hand.

»Gott schütz euch, lieber Herr!« sprachen die Reiter. 418

Den Pfeifer hielt Mangold, als die andern zu ihren Pferden gingen, zurück. »Langer Hans,« sprach er, »für dich hab ich noch was Sonderliches. Du nimmst den Jürgen Dietz mit. Was hälst du vom Jürgen Dietz?«

»Er ist ein Verräter,« erwiderte der Pfeifer.

Der Ritter zuckte die Achseln. »Er hats nit gestanden,« fuhr er fort, »und ward des nit überwiesen. So weiß es nur Gott. Aber mag der Schüler selbst erweisen, daß er kein Verräter ist. Du hab drauf acht, halt ihn bei dir, oder schick ihn wohin, wann es dir daucht, daß es ohne Gefahr für uns geschehen kann. Und, Pfeifer, ich geb dir Gericht über sein Leben. Tu mit ihm, als dir daucht. Und letztlich, gehts gut mit unserer Sach, mag er leben, gehts anders, dann –« er machte eine Faust mit abwärts gedrehtem Daumen. Der Pfeifer nickte. Mangold winkte den Jörg Dietz, der mit Adelhard von Miltitz im Hof stand, zu sich.

»Du reitest nun mit dem Pfeifer,« sprach er zu ihm, »und hast auf ihn zu warten, als deinen alleinigen Herrn. Sei brav und zeig dich treu.«

Mangold bestieg nun seinen Rappen und ritt mit Nebukadnezar zum Lager hinaus. Die andern hatten sich schon voraus zu den Abteilungen begeben, die jeder von ihnen aufgestellt und ausgerüstet hatte. Das ganze Dorf samt allen Kindern und Hunden war auf den Beinen, um die Heerschau zu begaffen.

»Warum hast du im Kriegsrat kein Wort gesprochen?« fragte Mangold im Reiten den Voit.

»Was soll ich lang reden?« erwiderte der. »Ich tu, was geschehn wird, und du, Mangold, hab acht, du wirst auch nit anders tun.«

Auf den Wiesengründen neben dem Fluß waren inzwischen schon die Zelte verschwunden und an ihrer Stelle das kleine Heer in Ordnung, jedes Fähnlein hinter seinem Hauptmann, und die Reiter zu Pferd, aufmarschiert. Die Wappenbanner flatterten im Wind. Die Sonnenhelle flog heiter über die starrenden Lanzenwäldlein, blinkenden Helme, Harnische und grellfarbigen Kriegstrachten hin. Lichte Wolken mit dunklen Schattenbäuchen zogen eilig ob den Buchenhängen, wo sich 419 dort und da schon ein zartes Grün hervortun wollte, und dem lieblichen Sinntal, in das von Osten die hohe Kuppe des Dreistelz hereinblickte.

Die Trommeln wirbelten. Mangold, begleitet vom langen Voit, Frowin von Hutten und Adelhard von Miltitz, ritt die einzelnen Haufen ab. Auch die Landsknechte und Bauern vom Brandenstein waren unterweilen eingetroffen und von Philipp von Rüdickheim aufgestellt worden. Den besten Eindruck machten etwa vierzig Reiter, die Georg von Eberstein gestellt und trefflich ausgerüstet hatte. Diesen zunächst kamen an Roß und Rüstung die Thüngischen und die Reiter vom Brandenstein. Auch die Landsknechte, die Fritz und Mangold geworben hatten, zusammen anderthalb Fähnlein, konnte man in ihrer zerschlitzten, zerlappten und ausgeploderten Wildheit als leidliches Kriegsvolk gelten lassen. Das übrige, außer den Bauern, gehörte den verschiedenen Orden der fahrenden Leute an, die alle Gewerbe der Landstraße vom Bettel und der Gaukelei bis zum Stehlen, Wegelagern und Mordbrennen betreiben. Solch kunterbuntes Volk auf einem Haufen beisammen ward selten gesehen. Da waren Greise und Knaben, überlange Menschen und ganz kurze, welche mit Kappen und welche mit Eisenhauben aller Art, welche mit Stiefeln und Barfüßer. Die Auslese der Gesichter schien der Teufel selbst mit uralter Erfahrung und nicht ohne höllische Scherzhaftigkeit besorgt zu haben, denn alle düstern Eigenschaften der Menschheit sah man da in Prachtstücken aufgeführt. Wahrlich, solche Schaustellung glich einem Jahrmarkt des Verbrechens und war vom Dunstkreis des Rabensteins gespenstisch umwittert. Auch die Mordwerkzeuge, mit denen diese Rotten sich ausgestattet hatten, schienen mehr der Rüstkammer des heimlichen, nächtlichen Krieges der Friedlosigkeit und des Elends wider Gut, Sitte und Ordnung als dem Waffenplatz eines Heeres zu entstammen. Vorherrschend sah man Dolche, Äxte, Knüppel, Morgensterne und mehr kurze als lange Spieße. Mangold hielt sein Pferd an und starrte in den Haufen, als säh er Träume und Wunder. Dann warf er den Rappen plötzlich zur Seite und ritt im Trab hinweg. Das Geschütz und den Troß, wo um die 420 vielgestaltigen, mit allerlei Schindmähren bespannten Karren Weiber und Buben unter Obhut eines riesenhaften, schnauzbärtigen Hurenwaibels standen, würdigte er keines Blickes mehr. Er gab das Zeichen zum Aufbruch. Und wie nun die Abteilungen sich trennten, die einen zum Zug ostwärts durchs Dorf und in die Berge gegen Roßbach hinauf sich sammelten, die andern mit dem Troß gegen Westen die Sinn hinab in Marsch gesetzt wurden, entstand ein ungeheures Geschrei und Gerenne unter den Weibern, die zu ihren Gesellen trachteten und doch die Wagen mit aller eßbaren und sonst nützlichen Habe nicht verlassen wollten. Der Hurenwaibel schwang fluchend die Peitsche, die Frauenzimmer liefen hin und her, die Wagenburg kam in Bewegung, Soldaten verließen die Reihen, Reiter und Fußvolk strömten durcheinander.

Mangold ritt mit dem Voit, Fritz von Thüngen und einigen andern der Junker durch das wilde, farbige, lärmende Gewimmel zur Straße hinaus.

»Potz Gloria!« sprach Nebukadnezar halb zu sich, halb zum Ebersteiner, »das ist mehr, als gings auf die Faßnacht, dann ins Feld.« 421

 


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