Hans Freiherrn von Hammerstein
Mangold von Eberstein
Hans Freiherrn von Hammerstein

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Urspringen

In einem Gewölb des Voitischen Schlosses zu Urspringen lag der Eisenbeiß mit Händen und Füßen in den Stock gespannt. Der Raum war kellerdunkel. Ein hoch in der dicken Mauer angebrachtes Gitterloch ließ spärliches Licht einfallen, das eben noch die einander höchst ähnlichen Brüdergesichter der Rosenbergischen Knechte, die man die Göcker hieß, erkennen machte. Beide saßen auf dem Stock und würzten die Marter mit Hohn. Beide hatten rohe, von anschließenden roten Kappen umzogene Gesichter, niedere Stirnen, kalte Tieraugen, breitkantige Nasen und klobige Unterkiefer. Und beide saßen kantig und schwer und preßten die Eichenbarren dem stöhnenden Kaufmann auf die Schienbeine und Gelenke.

»Nu – bist du schon 6000 Gülden wert? Gestehst du's zu?« sprach der eine.

»Viertausend,« wimmerte der Nürnberger. »Viert – halb – tausend . . . ob ichs gleich in all meim Vermügen nit hab – daß ich der Marter abkomm – viertausend – und – achthundert – weh – ich muß sterben – fünf – tausend – ich – ich . . .« Und hätt er sich nur winden können. Aber die geringen Höhlungen im Holz ließen keinen Faden breit Raum, und die Gebrüder Göcker lasteten selbst wie Eichenklötze. 140

»Das ist der Landfried, den der Kaiser zu Wurms verneuern will,« spottete der andere. Und der erste setzte trocken hinzu: »Ich wollt, daß ich den Kaiser im Stock hätt.«

Die Tür ward aufgestoßen und es wurde etwas heller. Kunz von Rosenberg erschien, den Arm in einer weißen Binde.

»Wo ist mein Bruder?« fragte er.

Der eine der Göcker drauf: »Der Herr Lorenz ist mit dem Hampas schon fort geritten auf Poxberg.«

Kunz herzutretend und auf den eingespannten Eisenbeiß niederblickend: »Nu – wieviel gibt er?«

Der Kaufmann klagend: »Fünf – fünf – tausend, Herr –, nit minder» – nit mehr – ich kann nit mehr, – hab nit mehr . . .«

Kunz: »Sechse, oder ich tret dir das Kreuz ab.«

Der Kaufmann: »Bei Gotts Blut – habt Erbarmen – ich müßt lugen – sechs – sechs.«

Kunz: »Laßt locker. Spannt ihm die Händ aus.«

Der Eisenbeiß, das Gesicht überströmt von Schweiß, richtete sich auf und rang nach Atem und Worten.

»Herr,« stieß er endlich heraus, »mein Genoß wirds bezeugen, mehr dann dreitausend ist all mein Handel und Läger nit wert. Ein Meßschiff,« er wollte weinen, »vier Fuhren Gut habt ihr mir genommen und achthundert Gulden bar dazu, bin ein armer Mann worden, seit ich zu Lohr an Land gangen . . .«

Kunz, ihn bei der Schulter packend: »Schweig! Weiß gar wohl, daß du zwölftausend Gulden reich bist, aber hast gar ein harten Kopf, und will dich schlagen und fürder mit Pein angreifen, bis du sechstausend gibst. Legt ihn!«

Die Knechte tauchten ihn nieder. Er schrie aus Leibeskräften bei allen Heiligen um Erbarmen und versprach sechstausend.

»Kunz!« rief wer zur Tür herein. Der Rosenberg wandte sich und sah einen kleinen, stämmigen Junker mit kurzem, breitem Blondbart in Harnisch und Reitrock, den Hut auf dem Kopf, eintreten. Das war Marzell von Weiler. Der sprach: »Du sollst hinaus kommen, die Truchsessin ist da.«

Kunz: »Ich komm gleich.« Zum Gefangenen: »Itzt magst 141 du ausschnaufen. Tut ihn ausm Stock und hängt ihn wieder an, Hand und Fuß in Ketten, das Rüdenband um den Hals, auf daß er nit wieder zweitausend herunterhandelt.«

»Fünfe.« rief der Eisenbeiß, »fünfe geb ich – nein sechse – ich bitte Euch,« er fiel auf die Knie. »Bitt Euch, erlaßt mir das Band und die Ketten.«

Kunz: »Gut. Führt ihn in die Stub hinauf, bringt ihm zu essen und Schreibzeug. Du wirst um das Geld auf Nürnberg schreiben, hörst du?«

»Kunz!« rief draußen eine Weiberstimme. »Kunz – wo steckt er?«

Der Rosenberg ohne umzusehen: »Dein Genoß hat schon geschrieben, ist gescheiter dann du, hat sich Stock und Ketten gespart und gleich auf 6000 geschatzt.«

Der Eisenbeiß: »Und kanns so wenig zahlen als ich.«

Kunz: »So? Da werdt Ihr liegen und winseln, bis daß Ihr hin seid oder das Geld kommt.«

»Kunz!« rief es noch einmal. Man hörte Hundegebell und Huftritte auf den Steinfliesen. »Komm!« sprach der von Weiler und ging hinaus. Kunz wandte sich geärgert und folgte ihm.

»Zur Roßmühl muß das Geld,« rief er noch einmal umkehrend. »Hast verstanden? Zur Roßmühl an der Saal unterm Schloß, das ist genannt der Sottenberg.«

Er trat auf den Hof hinaus, einen weiten, unregelmäßigen Platz, in den von Nordosten das Schloß hereinstand, das ein klobiger, finsterer Bau mit einem geduckten, runden Eckturm und einem Treppenturm war. Die andern Seiten umgaben Stallungen und Scheuern, das Ganze umlief ein breiter Wassergraben. Der Himmel war umzogen. Es dämmerte schon. In der Mitte des Hofes hielt eine Reitergruppe, auf die er mit Marzell von Weiler zuging. Susanna Truchseß ließ sich eben vom Sattel in die Arme eines Knechtes gleiten.

»Ich hab einen Kaufmann gefangen!« rief sie, stolz die Reitpeitsche schwingend, dem Kunz entgegen.

Der drauf: »Wo ist er?«

Die Truchsessin: »Ich hab ihn auf Poxberg getägt. In acht Tagen muß er sich stellen.« 142

Kunz, die Hände zusammenschlagend: »Einen Kaufmann tägen – das trifft nur ein Frauenzimmer!«

Die Truchsessin beleidigt: »Nun, wie hätt ich anders tun sollen? Hab nur zween Knecht bei mir und waren ihrer auch drei, doch nur der eine von Nürnberg, als er sagt, er wollt dahin reiten.«

Kunz: »Hat er sich genannt?«

Die Truchsessin: »Ja, Rupprecht Zurcher sei sein Nam.«

Kunz: »Potz Leichnam! Der meineidige Poswicht, der meineidige, der ist mir schon einmal treulos worden.«

Die Truchsessin spitz: »Ei, dann hast du ihn etwan auch schon einmal getägt?«

Kunz: »Freilich, da ich ihn ledig ließ, die Schatzung zu holen. Hatt ihn zu Gnotzberg bei vier Wochen liegen, wanns der ist. Sagt er, er sei Nürnbergisch?«

Die Truchsessin: »Nein, er stünd Herzogen Ferdinando von Österreich zu, wär aus Kärntnerland.«

Kunz: »Das ist er schon. Hättst du ihn nur gefangen und gehalten, den wortbrüchigen Wicht. Er führt groß Handlung mit denen von Nürnberg und kann viel zahlen.«

Die Truchsessin, während sie zwischen Kunz und dem von Weiler dem Schloß zuschritt, erzählte: »Da ich nächst Würzburg die Höh hinauf gen Hettstadt ritt, gegnen uns drei Reuter, und hab ich alsbald kennt, daß es Kaufleut seien. Ruckt ich dem ersten zu und fragt, ob er auf Nürnberg zög. Sagt er: Ja, Frau, und ob ich was dorthin zu bestellen hätt. Riß ich das Handrohr vom Sattel, hielts ihm vors Gesicht und rief: Bist gefangen, dann ich bin derer von Nürnberg abgesagter Feind. Des hat er sich nit versehn, daß ihn ein Frauenzimmer kunnt niederwerfen, und da die Knecht sich auch gleich an ihn genestelt – hatt ich doch gar kein Pulver auf der Pfanne! – ward ihm bang und sprach: Liebe Frau, bin nit Nürnbergisch, sondern ein Bürger zu Sankt Veit in Kärnten, und meine zween Gesellen da seind Bambergisch, lasset uns ziehen. Sagt ich, die Bambergischen mögen reiten, aber dieweil er mit denen von Nürnberg handelt, müß er gefangen sein. Sprach er noch viel, daß ich ihn sollt ledig lassen, und ich könnts an der Sprach hören, daß er ein Österreicher oder 143 derselbigen Art her sei, kurzumb, ich tägt ihn auf Poxberg, zulängst auf Sonnabend nach Michäli, da müß er sich stellen.«

Kunz: »Da kannst warten, bis Ostern auf Neumond fallt. Der kommt nimmer.«

Die Truchsessin zu Marzell von Weiler: »Aber sagt, bin ich nit dapfer als ein Rittersmann?«

Sie waren durch das Törlein im Treppenturm ins Schloß getreten und gingen unter der Stiegenwindung einen kleinen Gang hin, der in eine Halle zu ebener Erde führte. Kunz öffnete die Tür und ging voraus. Die Truchsessin folgte mit dem von Weiler.

In der Halle saßen um eine Tafel mehrere Herren, die den roten Gesichtern und dem Lärm nach, den sie vollführten, schon längere Zeit dem Trinken obliegen mochten. Ein dicker Prälat mit edelsteinbesetztem Kreuz an goldener Kette auf der Brust, violetter Seidenschärpe überm Bauchgewölbe und zahlreichen, violett gefaßten Knöpflein im Talar kam ihnen entgegen. Mit seinen zwei fetten, ringgeschmückten Händen umfaßte er die Hand der Wittib Truchseß und rief gönnerhaft heiter: »Festum primae classis, schöns Mühmlein, festum primae classis cum octava! Seit Sonntag sitzen wir dahier und lassen es uns wohl sein. Dann daß der Himmel einen weidlichen Rittersmann, als den Oheim Soldan da, lässet in Gnaden achtzig Sommer werden, das will gefeiert sein.«

Er hob den Finger und zog die Stirnfalten auf. »Dann des Menschen Leben währet siebenzig, und so es hoch währet achtzig Jahre, und so es gut war, ist es Müh und Plag gewest.«

»So wie deines, Oheim,« lachte Susanna und küßte den Würzburgischen Domherrn Paulus Truchseß auf die blaurote Hängebacke. Er klopfte ihr freundlich die Schulter ab und führte sie zum Tisch, wo die Eintretenden mit lautem Rufen und Humpenschwenken begrüßt wurden. Am obern Ende saß in einem mächtigen Lehnstuhl Soldan Voit, der Gefeierte, ein uralter, verfallener Wüstling, der sich nur mehr mit fremder Hilfe bewegen konnte. Er rollte immerzu die bleifarbenen Augen in den geschwellten Tränensäcken, trank, lallte, lachte und schrie manchmal und ließ dazu die Faust 144 schwer auf den Tisch niederfallen. Neben ihm saß, um nichts als die Verzehrung einer Mettwurst bekümmert, Marsilius. Dann befanden sich noch an der Tafel Albrecht von Thüngen, der Gemahl der Dorothea Voit, und Heinz Kottwitz von Aulenbach, der ein gar schlimmer Schnapphahn war. Am untern Ende saß hinter der Kanne teilnahmslos und anscheinend eingeschlafen Nebukadnezar.

Der Domherr bot seinem hübschen Mühmchen den Ehrenplatz zur Rechten des Alten, wo er selbst bis dann gesessen.

»Wo denkst du hin?« lachte sie halblaut, »ich mag mich von dem alten Greuel nit begeifern lassen. Kommt da hinüber in Winkel unters Fenster, da ist behaglich sitzen.«

Sie nahm den Kunz, der sich nach einem andern Platz umsah, bei der Hand und schob ihn vor sich her in die Bank, so daß nun er neben Soldan zu sitzen kam. Dann folgte sie und ihr der Domherr.

Der Alte, den Kunz anstarrend: »Wer – wer bist du?«

Der brüllte ihm ins Ohr: »Kunz von den Rosenbergischen.«

Der Alte die Hand am Ohr: »Wie? – Wer? – Ha?«

Der andere noch lauter: »Kunz – Kunz – Rosenberg – siehst mich alle drei Wochen einmal, alter Esel,« setzte er leiser hinzu. Der Alte: »Ha! Wir lagen zusamm im Feld wider den Bund, ich gedenk es wohl, da vor – vor – wie hat das Nest gleich geheißen? – vor – Potz Gloria!«

Kunz: »Freilich – Potz Gloria ist eine schöne Stadt.«

Der Alte: »Die han wir dazumal gestürmt und – Potz Gloria! – verbrennt – gedenkst dus? . . .« Er schlug auf den Tisch und stierte vorgebeugt den Kunz an.

Kunz: »I wo, alter Narr, das war mein Großvater!«

Elisabeth Voit, des Marsilius Hauswirtin, trat mit Dorothea von Thüngen ein. »Hilf Himmel!« rief sie, »jetzund ist die Susanne auch da, jetzt dauerts noch einmal acht Tag!«

Der alte Soldan hob dem Kunz zunickend den Humpen mit zitternder Hand an die Lippen und sog, wobei ihm die Hälfte aus den Mundwinkeln floß und auf das schmierige Wams niedertroff.

»Susännelein!« girrte der Domherr. »bist gar schön mit 145 den gepunten Federlein am Hut als ein Schnapphähnlein, steht dir wohl zu Gesicht, und ließ mich gern von dir fangen!«

Heinz Kottwitz, den die Neugekommenen in einer Erzählung unterbrochen hatten, fuhr fort: »Ja, da hat der Sickingen mit dem Bayard geredet, da bin ich bei gewesen. Wir lagen für Metz heraußen. Da ließ er den Bayard, der war Hauptmann in der Veste, herausrufen, und sind zusammkommen im freien Feld vor Tag. Der Bayard, der war ein . . .«

Der alte Soldan: »Und gedenkst du's noch? Da war das große Schwenken, da wir aufritten vor dem Markgrafen, funfzehndausend gereisige Reuter in zwo Reihen hintereinand uff Ehre . . . da lachten alle Teuf–fel!«

Der Domherr zu Susanna kichernd: »Wann der alt Soldan verzählt, muß einer immer die Halbscheid für wahr nehmen. dann ists noch ums Doppelte zuviel.«

Heinz Kottwitz: »Der war ein Mann – Herrgott, wann der Alte nit so schreien tät! – ein Mann bei sieben Schuh hoch und hatt ein ganzen Hof von welschen Kavaliers um ihn und war angetan in Pracht und Schimmer und hätt so viel Federn aufm Helm, daß vier eitle Weiber davon hätten Putz genug gehabt . . .«

Der Alte: »Da schrie der Hauptmann – das war – Potz Gloria! – wer war gleich der Hauptmann – ha?«

Kunz: »Ja, ja, Potz Gloria ist ein trefflicher Hauptmann, hat niemalen keine Schlacht verloren mit dem Maul.«

Heinz Kottwitz: »Und ein Zwiehänder ward ihm nachgetragen, der war schier so lang als er selber. Der Franz aber hätt nur sein schlicht grau Reitröcklein an und nit mehr dann Harnisch drüber . . .«

Der Alte: »Kurzumb auf – geschwenkt! – da ritten wir am linken Flügel – potz Gloria uff Ehre! – sieben Stunden ventre a terre, und ward das Feld von unseren Sporen als umgerissen – umgerissen . . .«

Albrecht von Thüngen lachend: »Als umgerissen – und brauchten die Bauern selbiges Jahr nimmer ackern allda!«

Heinz Kottwitz: »Also stunden sie gegeneinander über und macht der Franzos eine Reverenz recht von oben herunter, als wär er ein Herzog, und so verzieret und überhöfisch, daß 146 uns allen das Lachen kam. Der Sickingen aber rückte nur ein wenig den Hut und lächelte.«

Der Alte: »Und das war dazumal – da bekamen wir einen großen Durst von, dieweil es Sommer war und eine Hitz zum Eisenschmelzen, und ward kein Wirtshäuslein nirgend funden, dieweil es eine große, dürre Heid war, und kein Wasser . . .«

Heinz Kottwitz: »Und hub der Bayard eine Red an, davon ich nit viel verstund, dieweil es französch gewest, aber so viel verstund ich, daß es gar schöne Wort waren, davon er das Maul so voll nahm, daß uns daucht, er müß dran ersticken . . .«

Der Alte: »Aber Wasser, das hätten wir nit trunken, wären als lieber verschmacht, aber vor die Gäul, da hätten wirs gebraucht, und sind selbigsmal viel Roß und Reuter verschmacht und aufn Tod kommen für Durst – bei vierhundert – uff Ehre! Da l–lachten alle Teuf–f–fel!«

Heinz Kottwitz: ». . . und redt von seinem großmächtigen König, so viel verstund ich, vom glorreichen, gewältigen, allerchristlichsten König, dem er untertan und sein treuester Rittersmann, und dazu fuchtelt er mit der Hand in der Luft rum und legt sie immer wieder auf die Brust.«

Der Alte: »Und da funden wir ein Faß auf dem Weg, das hatt der Bündisch Troß liegen lassen, ein halb Stuck, aber da wirs anzapften, kamen Gotts Marter! nur etwan hundert Maß herfür. Hatten aber einen Durst als wie die Verdammten im höllischen Feuer, soff allein funfzehn Maß, ich allein, und waren unser zehen oder zwölfe, und ging kein Tropfen mehr raus, und war Potz Gloria! das Faß noch voll und schwer. Das tät uns Zorn . . .«

Heinz Kottwitz: ». . . und rollt die Augen als ein Hund, der seim Herrn schön tut. Mein Leben hab ich nichts hündischer gesehn, dann diese fränzischen Kavaliers.«

Albrecht von Thüngen: »Ja, ja, das ist dort so die Art: Großmächtig tun und Pfauenräder schlagen, daß es schimmert und flimmert, und gar vor einem Deutschen, und vor ihrem König liegen sie wie hingeschissen.«

Der Alte: ». . . und schlugen es entzwei und funden, Potz Rem, glaubs oder nit, einen bündischen Reisigen drin 147 versoffen und aufgeschwemmt, davon war es so schwer, den haben wir Potz Gloria! ausgerungen und kamen noch fünfund zwanzig Maß heraus – ha, ha! Da l–l–lachten alle Teuf–f–f–el–l!«

Heinz Kottwitz: »Der Franz, der ließ ihn gemach ausreden, und da der Bayard genug sich gekröpfet mit Tapferkeit und Ritterehr und Treu für seinen König, bot er ihm hunderttausend Gulden, so er ihm das Städtle übergäb . . .«

Der Alte: ». . . und war als dicker, süßer Malvasier uff Ehre, und soffen den noch dazu, ha, ha, ha! – ho, . . . ho . . . ho . . .«

Susanna: »Pfui Teufel! – Hilf Himmel – was hat er denn, mich daucht, er stirbt!«

Der Alte pustete blaurot im Gesicht, und die Augen quollen ihm hervor.

Die Hausfrau herbeieilend: »Nichts. Es erbricht ihn nur wieder. Was schreit er auch so viel!«

Sie trat zum Alten und reinigte ihm mit einem Mundtüchlein Bart und Wams. Dann wollte sie ihm den Humpen entziehen. Aber der Greis wurde wild und hielt ihn mit beiden Händen fest.

Marsilius: »Weib, schaff mir noch so ein Würstchen.«

Elisabeth: »Das ist die fünfte.«

Heinz Kottwitz: »Da hätt ihr erst den Gecken sehn sollen, wie er blies und trat und tat – er, der allertreueste Ritter des allerchristlichsten Königs und der größt und stolzest Kavalier von Frankreich, und solch ein Anbot . . .«

Marzell von Weiler: »War ihm wohl zu wenig!«

Heinz Kottwitz: »Hört nur – und sein Schwert sei sonder Makel und sein Herz und Hand dazu, und er stritte um Ruhm und Ehre für den König bis in Tod. Drauf sagt ihm der Franz trocken, er nit minder und sei dem Kaiser nit minder treu, aber Krieg sei ein Gewerb und kost Geld, den Kaiser wie ihn selber, das wollte er versparen oder gewinnen, so viel anging . . .«

Der Domherr: »Ei, schöns Mühmlein, davon darf ich nichts sagen – ist Kapitelgeheimnis, was der hochwürdigste, seine fürstliche Gnaden der Herr Bischof Konrad zu 148 Pommersfelden tun. Mulier semper est novarum rerum cupida – hi, hi! – Aber ich weiß ein kurzweilig Rätselspiel, daran mag sie ihre Neugier stillen . . .«

Heinz Kottwitz: »Kurz, er zog ab als ein Hahn und scharrt und kräht noch ein paarmal hinter sich, ließ auch allsogleich, da sie im Tor waren, die Stuck wieder abfeuern und ein groß Gepölder tun wider unser Läger den ganzen Tag, habens aber nit erlangen mögen, sintemal es zu weit ab gewest . . .«

Der Domherr:

»Was für ein Fräulein
geht ohne Kleid?
Was für eine Schere
hat keine Schneid?«

Heinz Kottwitz: »Zur Nacht aber, hört nur, zur Nacht schickt er dem Franz einen heimlichen Boten und ließ wissen – was glaubt Ihr? –«

Susanna: »Den Reim kenn ich:

Das Fräulein in dem Meer,
das hat kein Kleid,
die schwarze Lichtputzscher
hat keine Schneid.«

Heinz Kottwitz: »Daß er die Veste ihm übergeben wolle vor hundertfünfzigtausend Gulden.«

Albrecht von Thüngen lachte.

Marzell von Weiler: »Hab ichs doch gleich gesagt!«

Der Domherr: »O nein – hi, hi! Ich weiß eine bessere Antwort.«

Heinz Kottwitz: »Das aber war dem Franz zu viel, und da sie noch ein paar Tag hin und her gehandelt und mit den Stucken dazu gescheußt, als wärs einem jeden ernst auf den Tod, und zu keiner Einigung kommen, sind wir abgezogen . . .«

Der Domherr:

»Susanna im Bade
die hat kein Kleid und . . .«

Heinz Kottwitz: ». . . und hat der Bayard Ruhm und Treu, und der Franz sein Geld behalten.«

Der Domherr neigte sich zum Ohr der Truchsessin und flüsterte was. Sie lachte gellend auf. Nebukadnezar fuhr aus dem Schlaf und sah bös hin. 149

Albrecht von Thüngen: »Ja, die Franzosen. Aber die wälsche Sitt hat auch schon Eingang an deutschen Höfen, und haben die Schranzen allda ihr Geschwätz mit dem Allergnädigsten und Durchlauchtigsten, Großmächtigsten und weiß der Teufel was. Vordem, da sprach man Herr König, Herr Kaiser, gnädiger Herr und basta.«

Marzell von Weiler: »Ich hört, der neue Kaiser halt gar viel auf solch niederträchtig Wesen und säh es gern.«

Heinz Kottwitz: »Da mag ihm in Deutschland nit viel von unter die Augen kommen, das er gern sieht, und manches, das er nit gern sieht.«

Albrecht von Thüngen: »Und werden seine Ohren schon des Deutschen gewohnen müssen gern oder ungern. Wir bleiben beim alten Brauch.«

Er hob den Becher und trank, die andern taten desgleichen. »Es lebe der Krieg!« krächzte heiser der alte Soldan und schwang den Humpen.

Kunz: »Und der Papst und die Frösch!« Er trank aus.

Albrecht von Thüngen, den Bart wischend: »Na, Kunz, wie stehts mit eurer Weiberfehd?«

Kunz: »Was – Weiberfehd?«

Albrecht: »Na, mit dem Handel wider Nürnberg des Frauenzimmers halber. Ist's dem Mangold noch nit leid?«

Marzell von Weiler: »I wo sollt ihm der leid werden, da das Frauenzimmer so weidlich.«

Der Domherr: »Ja, bei schönen Frauen heißts allemal je länger je lieber – nit wahr, liebs Mühmlein?«

Heinz Kottwitz: »Als beim Marsilio in Ansehung der Würste.«

Marsilius rollte die Augen und fraß.

Marzell von Weiler: »Mich daucht, der Mangold laßts zu gar keinem Vertrag kommen.«

Albrecht von Thüngen: »So wird freilich allenthalben gesprochen und einesteils gar schlimm . . .«

Nebukadnezar auffahrend: »Wer, was, wo wird gesprochen?

Marzell von Weiler: »Ei, Alter, wird einer doch noch reden dürfen . . .«

Nebukadnezar hoch aufgerichtet: »Keiner darf reden! 150 Schweigen wird ein jeder, und so ers nit tut, will ichs ihn lehren!«

Heinz Kottwitz: »Potz Blau – das möcht ich sehn . . .«

Nebukadnezar: »Potz Blau – den möcht ich sehn, der am Mangold das Maul reibt, so ich die Ohren dabei hab, und ichs ihm nit wasch, den möcht ich sehn.« Er schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Kannen hüpften. »Und wems nit recht ist, der solls sagen, jetzt soll ers mir sagen . . .«

Der alte Soldan: »Ha – ha! Es lebe – lebe – der Krieg – ha, ha! – es lebe der Markgraf Ach–Achilles – nieder mit den – Städten – nieder . . .!«

Nebukadnezar stand und blickte grimmig von einem zum andern.

Albrecht von Thüngen: »Er hat recht. Was ein rechter Rittersmann ist, der redt nit übel vom andern, es sei dann der dabei, dens angeht.«

Alle schwiegen und sahen vor sich. Der alte Soldan trommelte auf dem Tisch und pfiff pustend einen Reitermarsch.

Nebukadnezar langen Schrittes und ohne Gruß verließ die Halle.

Eine ganze Weile war Stille hinter ihm.

»Der Nebukadnezar,« sprach der Domherr zuerst, »der Nebukadnezar hat gar feine Ohren und hört als ein Has am besten, wann er schlaft.«

Heinz Kottwitz drauf: »Also dann wölln wir an einem das Maul reiben, der da sitzt. Kunz, dir aber wärs gewißlich recht, so es noch lang zu keinem Vertrag mit denen von Nürnberg käm.«

Die andern lachten.

Marzell von Weiler: »Ja, Kunz, wie ist das? Letzthin hört ich, du habest zu einem Nürnberger, den du gefangen, gesagt, du wollest der Odheimerin Töchterlein zur Eh nehmen und dir die Sachen wohl zu Herzen nehmen und anliegen lassen.«

Susanna: »Was hört man da?«

Das Gelächter stieg.

Kunz trank und blies dann: »Unsinn! Wer redt solchen Unsinn!« 151

Heinz Kottwitz: »Ei, ei, Kunz, was nimmst du dir dann mehr zu Herzen, die Sachen oder das Töchterlein? Ist eine schöne, gerade Maid, als man vernimmt!«

Kunz tobte allerlei Beteuerungen, die das Lachen nur vermehrten.

Die Hausfrau trat wieder ein mit einer Magd, die Licht brachte. »Der Nebukadnezar hat satteln lassen und ist auf und davon,« sagte sie.

Albrecht von Thüngen: »So spät? Wohin mag er trachten?«

Elisabeth: »Das weiß er wohl selber kaum. Sein Leben, das hat weder Nacht noch Tag.«

Kunz: »Auf einen guten Wein trachtet er, oder es sind ihm dahier die Weiber zu viel worden.«

Heinz Kottwitz: »Dir aber sind sie allemal zu wenig. Also wie ist das, Kunz, mit der jungen Odheimerin?«

Kunz: »Hol Euch der Teufel!«

Marzell von Weiler: »Ei, Kunz, aus was Ursach trägst du den Arm in der Binden? Ich hört, du wärst auf dem Brandenstein ein Leiterlein abgefallen.«

Unmäßiges Gelächter hob sich, und der alte Soldan brüllte mit, als hätt er alles verstanden.

Kunz schrie: »Im Spessart, da wir die Kaufleut fingen, bin ich mit dem Gaul gestürzt, habs Euch schon verzählt, sind meine Knecht dabei gewest.«

Heinz Kottwitz: »Da ist dir dabei wohl auch das Ringlein in Verlor gangen, das du sonst im Bart getragen?«

Albrecht von Thüngen: »Das tragt er schon bald ein Jahr nimmer.«

Susanna: »Kunz – Kunz! Wo ist das Ringlein hinkommen?«

Die andern in schallendem Gelächter: »Kunz, Kunz! Wo ist das Ringlein?«

Susanna nahm ihn beim Ohr.

»Kunz,« rief sie, »du wirst dem Oheim Paulo beichten, was mit dem Ringlein geschah.«

Andere: »Ja, er muß dem Dompfaffen beichten – aber laut, und gilt kein Beichtsiegel.« 152

Heinz Kottwitz: »Frau Susanne, Ihr hätt ihm das Ringlein durch die Nas ziehen müssen, da hätt ers nit verlorn.«

Sie lachten sich rot und blau, sie bogen sich und stampften mit den Füßen. Kunz wütend sprang auf und fiel über Heinz Kottwitz und Marzell von Weiler her. Die fuhren in die Höh und wehrten sich seiner. Die Balgerei wälzte sich in den Saal hinaus. Sie schlugen und zerrten einander an den Wämsern. Der Alte schrie, die andern johlten und tobten vor Lachen. Ein Knecht stürzte in die Halle und rief etwas, das im großen Lärm unterging. Er rief es mehrmals mit warnender Stimme, er brüllte schließlich: »Der Graf von Wertheim ist im Dorf!«

Der Domherr den Humpen schwingend: »Herein mit ihm!«

Der Knecht: »Die Wertheimischen sind mit vierhundert Reutern im Dorf!«

Kunz: »Die Bruck hinauf! Die Bruck hinauf! Waffen! Waffen!«

Er wollte hinaus stürmen. Ein zweiter Knecht rannte unter der Tür mit ihm zusammen.

Kunz: »Ist die Bruck aufgezogen?«

Der Knecht: »Zu spät! – Sie sind schon herin!«

Ein gewaltiger Lärm drang vom Hof herein. Heinz Kottwitz und Marzell von Weiler sprangen nach den Schwertern. Kunz schrie: »Türen zu! Riegel für! Wir müssen den Burgstall halten!«

Susanna Truchseß schrie, der Alte schrie und lachte, die andern liefen zur Tür hinaus, Knechte, schreiende Mägde stürzten herein, ihnen nach die Junker, ihnen nach fremde Reisige mit blanken Wehren. Im Augenblick war die Halle voll fechtender und fluchender Männer, und jammernd die Weiber dazwischen. »Gebt Ruh!« donnerte eine neue Stimme. Ein Ritter drängte sich vor, schlug das Visier zurück. »Im Namen des Grafen Jörg von Wertheim, Hauptmannes der Ritterschaft, Ruh – ergebt Euch!« rief er mitten im Saal stehend.

Albrecht von Thüngen eilte auf ihn zu. »Dietz Adelsheim – du?«

Sofort hob sich wieder ein Tumult. 153

Die Junker umdrängten den von Adelsheim: »Du – was willst du hier? – wo ist der Graf? – was soll das heißen?« und dergleichen erregte Rufe schwirrten durcheinander.

Der von Adelsheim: »Im Namen meines Herrn des Grafen von Wertheim . . .«

Heinz Kottwitz: »Vetter Dietz, seit wann bist du Wertheimisch?«

Der von Adelsheim: ». . . Ergebt euch, ihr alle müßt gefangen sein.«

Ungeheurer Lärm und Gelächter: »Oho! – Wo ist die Absag? – Wer gibt ihm Recht? – Was Ursach? . . .«

Dietrich von Adelsheim: »So hört mich ruhig an.«

Einer: »Halts Maul, du hast gar nichts zu reden.«

Der von Adelsheim zu den Knechten: »Greift sie!«

Der Domherr dazwischen tretend: »Ruh, Ihr Herren! Laßt die Waffen! Im Namen des Bischofs zu Würzburg, Herzogs in Franken! – Dietz von Adelsheim, wer gibt dir Recht, ein friedsam Haus zu überfallen?«

Der von Adelsheim, nachdem es endlich stiller geworden: »So ist mein Befehl: Die Reuter, so vergangenen Pfingsttag die Nürnbergischen Kaufleut im Spessart niedergeworfen, müssen des Grafen zu Wertheim Gefangene sein, voran die Voite von Rieneck allesamt.«

Jetzt aber ging erst recht das Toben an. »Narr! – Esel! – Schau dir die Leut an, eh du sie fängst! – Wer ist im Spessart gewesen? – Ich nicht! – Ich nicht! – Ich auch nicht! – Sieh dich vor – hüt dich vor mir – hüt deinen Kopf zwischen den Eselsohren . . .!«

Dietrich von Adelsheim stand mitten innen und sah wahrlich nicht sehr gescheit drein in seiner Verblüffung. Lauter Hohn und Gelächter umgab ihn. Von neuem drangen sie auf ihn ein. »Reit der Graf von Wertheim wieder einmal die Sachen der Pfeffersäck aus? Was geht ihn die Nürnberger Sach an?«

Der von Adelsheim: »Was gehts mich an? Ich hab mich Wertheimisch gemacht, und der Graf hat mirs geheißen.« Zornig schrie er den Reutern zu: »Bringt die Kaufleut herein! Wir wollen gleich sehn, wer da der Esel ist!« 154

»Was?« fuhr ihn Albrecht von Thüngen an, »was? Nürnberger Pfeffersäck willst du zeugen lassen wider fränkische Ritter? Da schau dir die Hand an! So du meinem Wort nit glaubst, hast du die im Maul! Ich war nicht im Spessart, ich hab keine Nürnberger niedergeworfen und bin gut Würzburgisch – hüt du dich und deinen Grafen dazu!«

Marzell von Weiler: »Und ich gut Pfalzgräfisch – seit wann hat der von Wertheim Feindschaft mit dem Pfalzgrafen?«

Heinz Kottwitz: »Und ich bei allen Teufeln bin gut Kottwitzisch seit je und je und scheiß auf dich und den Grafen dazu! Und so ihr mir was wollt, klagt ab zuvor – oder ihr seid Straßenräuber, Einfahrer und Diebsgesindel – du und dein Graf.«

Der Muffel, der Eisenbeiß und die sechs Ballenbinder wurden gebracht. Dietrich von Adelsheim, bebend vor Wut und Verwirrung, fragt sie: »Da – schaut euch die Herren an nach der Reih und gut. Welche davon waren unter denen, so euch gefangen?«

Höhnisch mit verschränkten Armen standen Heinz Kottwitz, Albrecht von Thüngen und Marzell von Weiler vor den Kaufleuten.

Der Muffel sprach sogleich: »Herr, die uns angerannt und niedergeworfen, die hatten sich allesamt hart verkappt, ohne einen Knecht, der uns zu Lohr verkundschaft und uns dann sein Gesicht gezeigt. Aber den hab ich nimmer erblickt, seit wir da liegen, und ist auch dazumal mit den andern, so die Wagen hinwegführten, auf Gelnhausen oder da hinaus geritten.«

Der von Adelsheim: »Nun – und vermeint ihr keinen da von den Herren zu erkennen an Gewand, Gestalt oder sonstwie?«

Der Muffel und der Eisenbeiß schüttelten die Köpfe. Auch die Ballenbinder verneinten es. Der Muffel sagte. »So ich schwören müßt – ich könnts nit.«

Der Eisenbeiß drauf: »Aber ein Junker, der trägt den Arm in einer weißen Binden, der war bei denen, so uns hergeführt, und hat mich heut vor wenig Stunden noch geschatzt. Den seh ich nit.« 155

Der von Adelsheim: »Wer ist das? Wo ist der?«

Heinz Kottwitz: »Der ist fortgeritten. Auch Nebukadnezar Voit ist fortgeritten, kurz eh du gekommen, wissen nit wohin, und wüßten wir's, wir sagtens nit.«

Der von Adelsheim in neuer Verlegenheit: »Schaut nur alle dahier recht gut an.«

Marzell von Weiler: »Vielleicht ist der hochwürdige Herr im Spessart dabei gewest . . .«

Heinz Kottwitz: ». . . und gewißlich der alt Soldan!«

Wieder brach ein schallendes Gelächter los, in das sogar die Weiber mit einstimmten.

Der Muffel war zum Tisch getreten. »Mit Verlaub,« sagte er, »der dicke Herr dahier, der war dabei, den kenn ich wieder.«

Marsilius fuhr in die Höh: »Daß dich der Teufel schänd! Hast du Tollwurzel gessen? – Ich und im Spessart gewest!«

Nun kehrte sich die Heiterkeit dem feisten Hausherrn zu. Heinz Kottwitz schrie: »Da habt ihr Recht – das ist der ärgsten Schnapphähn einer – keine Wurst und kein Kapaun ist vor ihm sicher.«

Aber der Eisenbeiß bestätigte ganz ernsthaft: »Ja, den hab ich auch gesehn.« Und die sechs Ballenbinder, einer nach dem andern vortretend und den Marsilius besichtigend, stimmten bei. Der Dicke, blaurot im Gesicht, pfauchte und schlug um sich. »Ihr Narren! – Ihr Hundsfötter! Ihr lügt allesamt!«

»Junker,« sagte der Muffel, »gesteht es zu: Ihr habt da oben bei der alten Eiche auf einem Falben gehalten und habt die Wagen auf die Eselsstraß einfahren heißen.«

Ein anderer Nürnberger: »Ja, der wars, der Statur nach war ers.«

Elisabeth Voit mengte sich drein: »Treibt nit Schindluder mit meinem Herrn,« sagte sie, »der hat noch niemalen keinem Kaufmann ein Haar gekrümmt. Er frißt – das ist all seine Hantierung.«

Dietz von Adelsheim: »Also dann, Frau, wo ist Euer Gemahl vorigen Pfingsttag gewesen? – War er daheim?«

Elisabeth nachdenkend: »Am Pfingsttag? – Hatten wir 156 große Wäsch – nein! Daheim war er nit. Ich hatt ihn weggeschickt, daß nit so viel müßt aufgekocht und gebraten werden, wie sonst, wann er da ist.«

Neues Gelächter. Marsilius spuckend: »Am Pfingsttag bin ich auf Klingenberg geritten, hab allda im Riesen gezehrt bis zum Abend – der Wirt kanns bezeugen. Und mein Knecht auch.«

Dietz von Adelsheim: »Da wolln wir den Wirt fragen, aber heut kommst du mit, Schwager, kann dir nit helfen.«

Die andern jubelnd: »Ja, Marsilius, du mußt mit, du bist gefangen! – Recht geschieht ihm! – Warum frißt er immer allein! – Warum hat er uns nit eingeladen auf eine Gans und einen Roten in Klingenberg.«

Im allgemeinen Sturm der Heiterkeit ward Marsilius von Reitern aus der Bank gezogen und hinweggeführt. Die Hausfrau und Dorothea von Thüngen wollten sich seiner annehmen und schalten auf die andern, daß sie Narrenspossen trieben. Aber freilich konnten sie nicht Zeugnis ablegen wider die acht Nürnberger, die höchlichst beteuerten, ihn wirklich und wahrhaftig im Spessart unter den Schnapphähnen erblickt zu haben. Unter der Tür wandte sich der Dicke noch einmal um und rief kläglich: »Frau, pack mir Zehrung ein vors Gefängnus!« Unter stets wiederholtem Jubel wurde er von den Junkern und Frauen hinausbegleitet. Nur Susanna Truchseß blieb mit dem Domherrn und dem alten Soldan in der Halle zurück. Sie hatte sich während des ganzen Auftritts nicht von ihrem Sitz bewegt, aber desto vernehmlicher mitgelacht.

Auch die zwei Göcker waren von den Wertheimischen auf Angabe der Kaufleute in Haft genommen worden. Mit diesen drei Gefangenen zog Dietrich von Adelsheim nun ab. Die Junker gaben ihm Geleit bis zur Brücke und segneten seinen unrühmlichen Abgang noch weidlich mit Spott, Flüchen und Drohungen. Wie der letzte Wertheimische Reiter den Graben hinter sich hatte, ward die Brücke aufgezogen, das Schnellgatter niedergelassen und das Tor verrammelt.

Sie kehrten in die Halle zurück.

»Sind sie fort?« rief ihnen Susanne entgegen. Und als 157 sie bejahten, kroch Kunz unter ihren Röcken und der Bank hervor. Und mit neuer und erhöhter Belustigung wurde das Trinken fortgesetzt.

Heinz Kottwitz aber leerte eine Kanne, setzte sich hart nieder und sprach: »Dem Dietz, dem tränk ichs ein! Potz rem! Dem brenn ich ein Dorf nieder, mach aus ihm einen Bettler, ob wir gleich eines Stammes und Wappens sind, die Kottwitz, die Fechenbach, die Adelsheim, und allsamt das Bockshorn führen. Der soll seinen Vetter kennen lernen!«

 


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