Hans Freiherrn von Hammerstein
Mangold von Eberstein
Hans Freiherrn von Hammerstein

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Der Graf von Wertheim

In Gotts Namen dann – mag der Nürnberger heraufkommen,« sagte Graf Jörg von Wertheim zu seinem Hofmeister.

Er stand in einem Saal des Pallasbaues der Burg Wertheim, der mit hohen Bogenfenstern hinab ins Maintal und nordwärts gegen den Spessart blickte. Der hochgewölbte, von einer Säule getragene Raum enthielt außer einem mächtigen Prunkbett mit bemaltem Holzhimmel nur wenige Einrichtungsstücke, die mehr der Zier als des Gebrauchs halber an den Wänden aufgestellt schienen. Das Frostige und Unbehagliche, das auch die bunte Färbung der Säule und des Gewölbes kaum zu mildern vermochte, nahmen ihm in etwa zwei große Wandteppiche, deren verblaßte Stickerei Darstellungen aus dem ritterlichen Leben in der steifen Art des 14. Jahrhunderts zeigte. Vor einem der Fenster stand ein kleiner Tisch mit darauf gestelltem Schreibpult. Ein älterer, schwarz gekleideter Mann saß daran, dem der Graf etwas diktiert zu haben schien. In einem andern Fenster lehnten zwei in die Wertheimischen Farben blaurotgelb gekleidete Edelknaben.

Der Graf ging, die Hände auf dem Rücken gekreuzt, vor den Fenstern auf und ab. Er trug einen schlichten, grauen Reitrock, der an den Schultern mäßig gepufft, über Brust und Rücken mehrfach geschlitzt, schwarzes Taffetfutter durchblicken ließ und vom Gürtel abwärts in steifen Falten 158 glockenförmig bis zu den Knien herabfiel, wo ein breites, schwarzes Band ihn säumte. Die Beine staken in engen Strumpfhosen von roter Farbe, die Füße in breiten, künstlich zerschnittenen und gespornten Lederschuhen. Seine Gestalt war von mittlerer Größe, kräftig und in den Schultern leicht vorgebeugt. Das Antlitz mit stark vorgewölbten, grüngraulichen Augen, geröteter Nase und Wange, fleischiger Unterlippe im kurzen, rotborstigen und ungepflegten Bart, hatte nichts Feines. Dem Derben seiner Erscheinung widersprach das rötliche Haar, das, am Scheitel gelichtet, in dünnem seidigen Löckchen unordentlich in die schmale Stirne hing, die Schläfe, die zart und leicht eingesenkt war und in ihrer Blässe das Geäder durchscheinen ließ, und die feine, schlanke Hand.

Der Schreiber hatte sich erhoben und wollte den Saal verlassen. »Bleib,« schuf ihm der Graf. »Tu, als ob du eifrig am Schreiben wärst, aber spann die Ohren und acht wohl auf das, was der Nürnberger sagen mag. Und so dir was für uns sonderlich wichtig oder nutz zu wissen daucht, schreibs ohnmerklich auf.«

Der Mann nickte verständig, nahm seinen Platz vor dem Schreibpult wieder ein und begann, in ein geheftetes Journal aus vorgelegten Briefschaften abzuschreiben, wobei er jedoch ein leeres Blatt unter der Hand für Aufzeichnungen bereit hielt.

Die Tür ward geöffnet und der Nürnberger eingelassen. Ein kleiner, dunkelbärtiger Mann, wohlgekleidet, mit schwarzer Pelzschaube um die Schultern, erschien, der unterm Arm ein poliertes Kästchen trug und nach tiefer Verbeugung bescheidentlich unweit der Tür stehen blieb.

»Tretet näher,« sagte der Graf Jörg freundlich. »Wie heißt Ihr?«

Der Nürnberger folgte der Aufforderung, wiederholte die Verbeugung und antwortete: »Hans Pfannmuß ist mein Nam, Euer Gnaden, und bin von meinen fürsichtigen, erbarn, weisen Herrn im Rat zu Nürnberg abgefertigt, wie in diesem Brieflein geschrieben steht,« damit überreichte er ein Schreiben, »Euer Gnaden eine Kredenz zu bringen, mit untertäniger Bitt, daß Euer Gnaden dieselb Kredenz wollen freundlich 159 annehmen und behalten als ein Zeichen guter Dienste, zu denen sich allezeit willig und ganz gehorsamlich die Stadt Nürnberg erbeut.«

Während des Redens hatte er das Kästchen vorgenommen und bot es nun geöffnet dem Grafen dar. Es enthielt einen goldenen Gegenstand in Gestalt eines kleinen Tabernakels. Der Graf nahm ihn aus dem Schrein und betrachtete ihn wohlgefällig in erhobener Hand. Der Abgesandte sprach: »Ist nur ein bescheiden Stücklein, aber gute Nürnberger Goldschmiedearbeit, und drin eine Reliquia vom heiligen Sebald, dieweil dem Rat wissend, daß Euer Gnaden ein gar frommer Herr und Verehrer und Sammler von denen Reliquiis der heiligen Männer und Frauen.«

»Potztausend, ein schönes Stück,« versetzte Graf Jörg sichtlich erfreut, »und uns wahrlich lieb, dieweil wir von Sankt Sebald noch keine Reliquia haben. Vermeld deinen Herren unsern schönsten Dank. Ist uns wahrlich eine rechte Freud, und wollens wohlhalten und verehren.«

Er öffnete die kleinen Türen des zierlichen Kunstwerkes, die nun unter Glas in Purpurseide gebettet ein mit Goldstoff umsponnenes Knöchlein sehen ließen. Die Rückseite aber zeigte gleichfalls unter Glas auf Pergament die Beglaubigungsurkunde und ein fein gemaltes Bild des Heiligen. Nachdem Graf Jörg einen andächtigen Kuß auf die Scheibe vor der Reliquie gedrückt hatte, schloß er die Türlein und gab das Werk dem Boten zurück, der es versorgte, um das Kästchen sodann mit abermaliger Verneigung dem Grafen zu überreichen. Der nahm es mit gnädigem Lächeln und stellte es zum Schreiber auf den Tisch.

Nun schwiegen sie beide ein Weilchen, und der Nürnberger sah etwas beklommen in die Fenster, von denen eines offen stand und in zweiteiligem Steinrahmen ein Stück herbstlicher Waldhöhen und sanftblauen Himmels umfaßte. Im Bogen darüber und in den Scheiben der anderen, geschlossenen Fenster leuchteten die starken Farben auf Glas gemalter Wappenschilder.

Auf einen fragenden Blick des Grafen räusperte sich der Hans Pfannmuß und begann: »Meinen Herren zu Nürnberg 160 ist kund worden, wie Euer Gnaden in eim Raubhaus die Täter betreten, so allererst vor kurz im Spessart die Nürnbergischen Meßfuhren angriffen und hinweg geführt, auch etliche Bürger darbei niedergeworfen, so von Euer Gnaden wieder befreit wurden aus harter Pein, und wie Euer Gnaden selbige Täter oder doch mehrere von denen hätten aufheben lassen und itzt gefänglich enthalten. Solches hat der Rat zu Nürnberg mit großen Freuden vernommen und will auch seinen untertänigsten Dank Euer Gnaden hiemit ausgericht haben.«

Graf Jörg stand wieder mit den Händen auf dem Rücken leicht vorgebogen und hörte dem Nürnberger zu. Seine Züge blieben durchaus unbewegt. Nur die Augendeckel gingen über den großen, grüngrauen Sternen manchmal auf und nieder, wie er sie nachdenklich bald zum Fenster, bald zur Wand, bald zum Boden richtete.

Der Pfannmuß schwieg. Der Graf stand, den Kopf etwas zur Seite geneigt, als warte er des weitern, das der Nürnberger noch zu sagen habe. Nun richtete er sich auf, sah zum Wandteppich hinauf und erwiderte: »Dasselbig Raubhaus haben wir ausnehmen lassen, weil uns schon lange kund, daß viel Schnapphähn da zusammenkommen und unterschleifen. Ist uns aber nit ganz wohl gelungen, dieweil der Junker, dem wirs aufgetragen, den Anschlag ungeschickt gemacht, vielleicht auch die rechte Stund nit erwischt hat. So sind ihm, als ich acht, die rechten Täter entrunnen.«

Ein paar Augenblicke schwieg er sinnend und blickte zu Boden. Dann fuhr er fort: »Wie dem auch sein mag, solches haben wir nit allein der Stadt Nürnberg zulieb fürgenommen. Uns ist,« er hob Haupt und Stimme, »der Landfrieden am Herzen gelegen, und daß Ordnung wurd auf den Straßen. Drum haben wir wolln denen Edelleuten ein Exemplum setzen, und ist uns ein Ding, ob Nürnberg oder Rotenburg oder Frankfurt oder welche Stadt den Schaden gehabt.« Wieder machte er eine Pause. Der Nürnberger setzte zum Sprechen an. Graf Jörg aber fortfahrend fügte hinzu: »Wiewohl wir sonderlich gern der Stadt Nürnberg gute Dienste tun, weil uns der Rat stets gar wohl und 161 freundwillig gesonnen.« Mit einem leichten Lächeln sah er den Boten an. Der verneigte sich und sprach: »Welche Stadt es auch sein mag, Schaden hat eine jede von denen Raubgesellen, und was immer Euer Gnaden in den Sachen fürzunehmen belieben mögen, ist der Stadt Nürnberg ein gar guter Dienst, wovor die Stadt recht dankbar sich erzeigen will, und wär dem Rat gar lieb, wann mehr solcher Fürsten im Reich wären, die der Ordnung in ihren Landen und auf den Straßen acht haben wollten. Solches mag auch seiner kaiserlichen Majestät,« er verbeugte sich abermals, »wohlgefallen und in hochdero Wunsch und Sinne sein, dann es ist, als ich hört, ein groß Geschrei im Land zu Franken, daß dieser Kaiser den Raubern feind sei und daß er viel Schlösser und Raubhäuser woll zerstören, das die Franken einsteils nit gern hören.«

Der Graf nickte und seufzte ein wenig dabei. Der Nürnberger hielt etwas inne und fuhr dann fort: »Es hätt aber der Rat diesmal und in Ansehung gedachter Täter, so Euer Gnaden gefangen halten, ein sonderliche Bitt, sintemal es doch Nürnberger Meß war gewest, die hinweggenommen ward, und gar viel dazu, was denen zween Kaufmännern gar beschwerlich zu tragen, nämlich . . .«

Der Graf zog die Stirnfalten in die Höh und stellte den Kopf schief.

»Nämlich,« sprach der Pfannmuß nach einem Räuspern weiter, »Euer Gnaden wollen mir als dem Gesandten des Rates zu selbigen Gefangenen Frag und Rechtens gestatten.«

Graf Jörg tat ein paar Schritte vorwärts und wandte sich dann rasch um.

Der Nürnberger ließ sich nicht unterbrechen. »Weilen der Rat in solcher Sach schon etlicherweis belaufen, auch schon viele, so auf dem Schloß Brandenstein und anderen Raubhäusern gelegen, einvernommen und einsteils gute Kundschaft über diese und andere Rauber und ihre Gesellen hat, möcht es ihm hoch von Nutz sein, so ich selbige Gefangene von Angesicht zu Angesicht schauen und etwan einiges, das uns zu wissen not, von ihnen erfahren kunnt. Insonders aber wär es meinen Herren lieb und wollten inständig darum 162 gebeten haben, daß Euer Gnaden mich, Hans Pfannmußen, zu dem Gericht, so Euer Gnaden oder dero Landgericht ohn Zweifel . . .«

Graf Jörg war während der Rede langsam auf und ab geschritten. Jetzt blieb er stehen und schüttelte heftig den Kopf.

»Das können wir nit verstatten,« sagte er kurz und fast barsch. »Wes die schuldig sein, wann es von den rechten Tätern welche sein mögen, das ist Landfriedensbruch, und wollen wir wahrnehmen und vor unser Gericht ziehen oder gemeiner Ritterschaft im Land zu Franken zu richten übergeben. Hat eine Stadt nichts dabei zu tun.«

Der Nürnberger drauf: »Dannoch mit Verlaub, Euer Gnaden, so die Sach recht ergründt und gehandelt soll sein, wär es not, als ich acht und ganz bescheidentlich untertänigst will hiemit fürlegen, daß man die Kaufmänner, so niedergeworfen worden, vor den Richter führet, auf daß sie Zeugnis ablegen.«

Graf Jörg runzelte die Stirn und unterbrach ihn: »Als ich schon gesagt, uns liegt wenig an denen Kaufmännern, ob es der oder jener sei. Die Tat, wie und was sie sei, der Landfriedensbruch, das ist unser Sorg. Sollen die Kaufleut froh sein, daß sie frei und ledig worden.«

Der Nürnberger: »Möchten aber die guten Leut auch wieder das ihre erlangen . . .«

Der Graf unwirsch: »Die Pfefferfuhren, das weiß der Teufel, wo die stecken. Die haben sie nit in unser Land oder durch dasselb geführt.«

Der Nürnberger verneigte sich leicht, trat einen kleinen Schritt zurück und schwieg. Der Graf ging rascher auf und nieder.

Nach einer Weile begann der Nürnberger von neuem: »So will ich Euer Gnaden nimmer beschwerlich sein und aber nur untertäniglich bitten, Euer Gnaden wollen mir Frag zu den Gefangenen verstatten. Etwan daß Euer Gnaden Hofrichter mich zu ihnen weist und dabei ist.«

Graf Jörg blieb stehn und sah nachdenklich zum Fenster hinaus. Der Pfannmuß beobachtete aufmerksam seine Züge. 163

»Na ja,« sagte der Graf, indem er sich kurz herumkehrte. »Das können wir – das wollen wir zuvor unsern Räten fürlegen. Oder . . .«

Es klopfte an der Tür, die gleichzeitig ein wenig geöffnet wurde. Einer der Edelknaben sprang hin. Es entstand ein Geflüster durch den Türspalt.

»Oder nein,« fuhr der Graf fort. »Ihr mögt mit den Gefangenen sprechen. Du da,« wandte er sich zu dem Knaben, der noch im Fenster stand, »hol mir den Hofmeister.«

Indem eilte der andere herbei. »Gnädiger Herr,« flüsterte er, »der Hofmeister ist draußen und hätt was Eiligs zu vermelden.«

Graf Jörg ging zur Tür und winkte. Der Hofmeister trat ganz herein. »Es sind zwei Edelleut da,« sagte er leise, »einer von Eberstein, einer von Thüngen, die hätten was sonderlich Dringliches Euer Gnaden fürzubringen, und,« setzte er zögernd hinzu, »so viel ich verstanden, möchts gut sein, daß Euer Gnaden sie anhören, eh dann Euer Gnaden den dort,« er deutete mit dem Blick auf den Nürnberger, »entlassen.«

Des Grafen Stirn verfinsterte sich sehr. Es dauerte eine geraume Weile, bis er mit sich zu Rate kam. »Führ sie herauf,« sagte er endlich sichtbar verärgert, »aber nit da herein. Führ sie ins Michelsstüblein.«

Er kehrte sich wieder, schritt zur Fensterseite zurück und stand, als hätt er des Nürnbergers vergessen, eine ganze Weile vor sich hin sinnend da. Abermals klopfte es an der Tür. Der Hofmeister sah herein und nickte. Graf Jörg zum Gehen gewendet sprach: »Man ruft uns in dringlicher Sach. Harret ein Weilchen.«

Damit schritt er hinaus. Er ging über einen Vorplatz, in den die Treppe mündete, und betrat eine hofseitige, dunkel vertäfelte Stube mit kleinen, tiefen Fenstern. Die zwei Edelleute, die dort mit Harnisch und Helm angetan ihn erwarteten, schienen in dem niedern Raum noch größer, als sie waren. Der Graf trat auf sie zu. Beide hatten die Linke aufs Schwert gestützt und verneigten sich kurz. Graf Jörg machte eine Bewegung, ihnen die Hand zu reichen, ließ aber den Arm sogleich sinken, da er das abweisende Gehaben 164 der Junker bemerkte. Ein paar Sekunden standen sie sich schweigend gegenüber. Mangold von Eberstein hatte eine ganz steinerne Miene, Fritz von Thüngen eine rote Stirn und machte seine bösesten Augen, die dann vorstachen und unruhig hin und her gingen.

»Nun, Ihr Herren, was wollt Ihr?« sprach der Graf von Wertheim, indem er die Hände in die Hüften stützte.

Mangold begann: »Gnädiger Herr, seit wann ist der Brauch, daß man Edelleuten ohne Abklag feindlich ins Haus fallt?«

Graf Jörg sah ihn einige Augenblicke verblüfft an. Die Äderchen an seinen Schläfen schwollen.

»Wohl,« sprach er dann in verhaltenem Zorn mit dem Kopf nickend »die Antwort sollt Ihr haben. Zuvor aber antwortet mir: Wann wird der Junker aufhören, an der Straßen zu liegen und friedliche Kaufleut niederzuwerfen?«

Fritz von Thüngen fuhr los: »Das ist der Punkt nit, worum es sich dreht. Eine ordentlich angesagte Feindschaft und was dabei geschieht, geht niemand was an und hat sich keiner drein zu schlagen, er halte dann mit, da oder dort.«

Der Graf: »Fritz, die Antwort kunntst du dir versparen, weißt so gut als ich, was Landfriedensordnung und des Kaisers Wille ist.«

Fritz: »Ei, gnädiger Herr, ist Euch dann vom Kaiser aufgetragen, den Landfrieden zu hüten?«

Der Graf: »Mir, wie einem jeden Grafen, Fürsten und Ritter überhaupt.«

Mangold: »Dann schaff uns der Kaiser zuvor Ruh und Recht wider Städt – und Fürsten.«

Der Graf: »Wer hat wider Nürnberg angefangen?«

Mangold: »Ich, aus guter Ursach und mit Abklag, wies der Brauch seit manch hundert Jahren.«

Der Graf: »Solcher Brauch ist ab durch die Ordnung seit mehr dann hundert Jahren.«

Fritz: »Die Ordnung hat noch keiner wahrgenommen.«

Der Graf: »Leidergotts, weil der Adel sie nit hält.«

Mangold: »Nit halten kann, sonst ist er ab und dahin.«

Der Graf: »Ihr Herren, wir wollen keinen Rittertag halten dahier und streiten um Ding, die ein jeder weiß.« 165

Mangold: »Wollt Gott, es wüßt ein jeder, worum es geht, zuvoran der Kaiser.«

Der Graf: »Wollt Gott, der Kaiser hätt eine Ritterschaft, die ihm hilft wider den Feind des Reichs und Frieden hält im Land.«

Fritz: »Und Fürsten, die es dem Adel darin voran tun, statt Praktiken zu haben mit dem Feind.«

Mangold: »Und mit den Städten.«

Der Graf blies die Backen auf, als würd ihm heiß. »Gott sei's geklagt,« seufzte er, »es wird gestritten.«

Mangold: »Wie überall in Deutschland, wo man sollte einig sein.«

Der Graf: »Daß wir weiterkommen: Was beschwert Euch?«

Mangold: »Daß Ihr das Schloß Ursprung überfallen und Marsilium Voiten nebst zween Knechten gefangen haltet.«

Der Graf: »Weil sie Nürnberger niederwarfen. Ihr wart auch dabei.«

Mangold: »Wo?«

Der Graf: »Im Spessart!«

Mangold: »Ist der Wertheimisch?«

Der Graf: »Es war Unrecht.«

Mangold: »Seit wann ist der Graf zu Wertheim Nürnbergisch worden?«

Fritz: »Das hätt er uns ansagen müssen.«

Der Graf: »Hätt Euch das etwan von dem Anschlag abgebracht?

Fritz: »Nein. Aber wir hättens dem Grafen spüren lassen.«

Der Graf: »Potz Teufel, die Voite sind mir mit Gefangenen durchs Land gezogen.«

Mangold: »Ursach zur Abklag, nit aber zum Einfall in ein adlig Haus.«

Der Graf aufbrausend: »Ich pfeif auf derlei Bräuch.«

Mangold: »Gut, daß wirs wissen. Der Graf von Wertheim ist kein Ritter mehr.«

Fritz: »Wollens auch die Ritterschaft wissen lassen.«

Der Graf: »Ich bin Euer Hauptmann.«

Fritz: »Aber nicht unser Herr.« 166

Mangold: »Komm, Fritz. Das übrige ist des Schwertes.«

Er wandte sich zum Gehen.

Graf Jörg trat ihm in den Weg.

»Halt!« rief er. »So dürfen wir nit voneinander gehn. Was wollt Ihr von mir?«

Mangold: »Daß Ihr die Gefangenen ledig lasset.«

Der Graf: »Der Voit kann laufen.«

Mangold: »Weil er ohnedem unschuldig dazukömmt. Aber die zween Rosenbergischen Knecht.«

Der Graf: »Sind der schlimmsten Schnapphähn welche, und ihr Herr dazu.«

Mangold: »Ihr habt sie zu Unrecht gefangen.«

Der Graf: »Mangold! Wozu gibst du deinen Kopf in die Schanz für deinen Schwager?«

Mangold: »Wann ers auch nit wär, er reit für mich, so ich für ihn.«

Der Graf: »Herrgott! Ihr seid als eine Meute Rüden. Untereinand raufen sie, aber die Jagd macht sie einig.«

Fritz: »Und kommt der Keiler, da halten sie zusamm wider ihn.«

Mangold: »So Ihr wollt, Ihr könnts erfahren, gnädiger Herr, wie stark als die Meut ist.«

Der Graf: »Ihr Herrn, gebt mir ein Weilchen Urlaub. Ich hab einen Gesandten drüben, den muß ich zuvor abfertigen. Dann wollen wir weiter reden.«

Er ging rasch hinaus und über den Vorplatz, wo schon einige neue Bittsteller auf Gehör warteten.

»Gleich, gleich!« wehrte der Graf ärgerlich den Hofmeister ab, der ihn anreden wollte.

Hastigen Schrittes betrat er den Saal. Der Hans Pfannmuß stand noch, wo er gestanden hatte.

»Wir habens erwogen und beraten,« sagte Graf Jörg. »Wir können Euch Zuspruch zu den Gefangenen nit verwilligen.«

Der Nürnberger die Stirn aufziehend: »Wird meinen Herren doch sehr leid sein.«

Der Graf: »Ohnedem – die da, so wir enthalten, die wären Euch kaum zu Nutz. Der Edelmann unter ihnen,« 167 er schmunzelte ein wenig, »der hat überhaupt keine Schuld daran, ist nit dabei gewesen, als ihm bezeugt ward, und die Knecht . . .«

Der Nürnberger, die Stockung benützend: »Die fragt ich halter doch gar gern.«

Der Graf: »Wir könnens nit zulassen. Daß ichs sag: ich hab leidergotts die Hand in die Kohlen geschlagen dabei. Unser Junker hat den Anschlag verwahrlost, und von den mehrern, so die rechten Täter gewest, keinen erwischt.«

Der Pfannmuß: »Dannoch, so man die Knecht früg, es wär vielleicht noch ein oder der andere der Rechten zu fangen.«

Der Graf mit unwirschem Kopfschütteln: »Für diesmal nimmer. Und kurz: Ihr dürft die Gefangenen nit sehn. Der gemeine Adel, auch die umbliegenden Fürsten trügen sunst Ungnad und Ungunst zu mir, als wollt ich der sein, der alle Sachen wollt ausreuten.«

Der Nürnberger mit einem tiefen Seufzer: »So hätt denn eine Stadt gar kein Schutz und Schirm mehr!«

Der Graf auffahrend: »Wars dann anders je? Man hat vor hundert Jahren den Leuten auch genommen. Es wurd mir an die letzt schwer und viel Adels auf mich laden, als an mir ausgehen wurd, wie mir dann von etlichen vom Adel offentlich unter Augen gesagt ist worden.«

Der Pfannmuß: »Ist mir gar leid, daß Euer Gnaden so viel Beschwerdnus in der Sach haben, und muß der Rat sich halter anders helfen.«

Der Graf schritt sinnend hin und her. Dann blieb er stehn und begann wieder: »Ob wir gleich Eurem Rat Rechts gestatt hätten, so wäre doch der Stadt nit gar wohl beholfen. Das aber mögt Ihr melden: Wo wir die Handlung dahin mochten bringen, daß sie Schatzung und War teils wiedergeben, gedäucht uns nach Gelegenheit der Sachen nit übel gefochten. Wie man dann täglich derhalben taidingt, darin wir kein Fleiß sparen wollen. Des soll sich der Rat gänzlich zu uns versehn.«

Damit reichte er dem Nürnberger die Hand und nickte gar gnädig. Der Pfannmuß in einiger Bestürzung verbeugte sich und hatte Eile, eben noch zu sagen: »Wollen Euer Gnaden 168 mir dann verstatten, gelegener Weis wiederumb nachzufragen, wie die Sachen stehn . . .«

Der Graf: »Das mögt Ihr. Und so wir selber etwan verhindert, Euch zu sehn, soll unser Hofmeister wissen, das Ihr begehrt.«

Noch einmal nickend entschritt er. Die Edelknaben sprangen, ihm die Tür zu öffnen. Unnahbar ging er wieder an der Reihe der Bittsteller vorüber und in die Stube zu den Junkern.

»So wolln wirs halten,« begann er und sah die zwei etwas lauernd dabei an. »Die Gefangenen sollen freigehn, bis daß ihr Schatzung und War, so ihr genommen, zurückgegeben.«

In Fritzens Auge flammte es auf, und seine Lippen zuckten. Ein Seitenblick Mangolds hieß ihn, sich zurückzuhalten. Mangold sprach: »Mein gnädiger Herr, solches können wir nit verstatten. Dann was Ihr getan und was wir getan, das hat, als wir achten, gar nichzid miteinander zu tun. Ob wir die Nürnbergischen Güter zu Recht oder Unrecht aufgehoben und wie es mit unserer Fehd und was ihrer Ursachen sein, beschaffen, darüber steht Euch kein Entscheid zu, sintemal wir Euch nit angerufen, darin zu taidigen und zu vertragen. Jedoch in Ansehung der Gefangenen habt Ihr nach unserer Meinung Unrecht, und so Ihr anderer Meinung sein wollt, mag die Sach laufen, als es sich gehört.«

Graf Jörg sah nachdenklich zu Boden und erwiderte: »Das wollen wir beraten.«

Der Eberstein drauf: »Gut. Und so Euer Gnaden in acht oder zehn Tagen zulängst solchen Rates nit genesen, und mich oder die Voite zu Ursprung oder Herrn Fritz von Thüngen zum Zeitlofs darin beschieden, wollet meiner und meiner Freunde Abklag gewärtig sein.«

Der Graf blickte auf. Es huschte durch seine Stirnfalten. »Also wollet ihr wahrlich derhalben Streit heben mit uns?«

Fritz von Thüngen heftig: »Das wollen wir, und, gnädiger Herr, es möcht Euch dann der Brieflein so viel ins Haus schneien, daß Ihr einen schönen Ratstisch damit bedecken könntet, also daß auch kein Flecklein Holz mehr herfürsieht.«

Graf Jörg von Wertheim sah dem einen wie dem andern ins Gesicht. »Ihr Herren,« sprach er dann in verändertem 169 Ton, »solchen Sinnes hätt ich mich höchlichst bei Euch nit versehn. Mangold, wir sind gar alte Freund, und du Fritz, gedenk deines Vetters, meines guten Götz von Berlichingen, der mir gar vertraut und manch guten Ritt für mich getan, wie auch ich in seinen Sachen mich stets ohn Falsch und treulich zu ihm verhalten.«

Fritz, ihn unterbrechend: »Ei, mein gnädiger Herr, ist mir lieb, daß Ihr des Götzen gedenket. Ich acht, so er nit zu Heilbronn gefangen säß seit überm Jahr, er stünd uns gern und willig zu in dieser Sach.«

Der Graf: »Nun, bald er ledig ist, wollen wir ihn fragen.«

Mangold: »Zuvor aber, mein lieber, gnädiger Herr, wollet unsern Schwager Marsilium und die Knecht ledig lassen, dann es währt uns zu lang, bis daß der gute Götz ledig wurd und wieder auf der Bahn liegt, was Euch ohnedem, gedäucht mich, nit zu Nutz wär, sintemal er stets mit seinesgleichen wider die Städt und auch wider die Fürsten gehalten als ein armer und rechter Rittersmann von Adel.«

Der Graf: »Mangold, es müßt ein Rittersmann nit arm sein heutzutag und möcht ihm besser gehn, so ers mit Fürsten und Städten hielt anstatt dagegen. Ich sag Euch was, Ihr Herren, laßt euren Hader mit Nürnberg, Ihr hebt weder Ehr dabei auf weder Geld. Haltet mit uns auf Ordnung in Land und Reich, will Euch Ämter und Güter schaffen genug von uns, von einem jeden Fürsten, wo Ihr wollt, und vom Kaiser dazu.«

Mangold: »Euer Gnaden, mich freuts, daß wir davon zu Reden kommen. Dann das ist freilich der Punkt, worum es sich dreht. Die Städt und die Fürsten, die wollen den gemeinen Adel eintun in ihrer großen Macht, daß er in Dienst und zu Hof geh und nimmer eine freie Ritterschaft sei im Reich.«

Fritz lebhaft: »So ist's. Und daß der Rittersmann einen Bürgen stell, wo ein großer Herr Schulden hat, und einreit da oder dort für ihn und das Seine verzehr, davor ist er gut. Aber daß ihm ein großer Herr hilft, so dem Junker Drang und Not an Hals rucken, das ward noch nie gesehn.«

Mangold: »Wir wollen, daß sei ein einig Reich und ein großer Herr darin, der Kaiser. Ihr aber, gnädiger Herr, die 170 Fürsten, geistliche zuvoran, und die Städt, die wollen, daß viele Herren seien und Ländlein, und was ihnen dawider im Weg steht, das ist die frei Ritterschaft, darum muß sie weg, und soll landsässig und Fürsten untertan sein. Das aber hat unser lieber Kaiser Max selig nit wollen, drum war er mit uns.«

Der Graf: »Es ist gar hart reden mit Euch, Ihr Herren, und wollen nit wieder ins Streiten kommen nach schlimmer deutscher Art. Die Zeit wird es weisen, wo Recht ist, und die Zeit ist gar schlimm. Uns liegt eine gar schwere Sorg auf dem Ruck, das ist der gemeine Mann, der rumort um und um stärker mit jedem Tag. Da seht Euch für, Ihr Junker auch, und mag uns bald allen schwül werden, großen wie kleinen Herren, daß wir zusammenhalten müssen. Dann aber mags zu spät sein.«

Fritz: »Ei, gnädiger Herr, das ist uns wohl bewußt und, als man raunen hört, gibt es etliche Städt und Fürsten sogar, die den Bauern gelegener Weis sogar wissen lassen, daß sies mit ihnen halten wollten gegen den Adel.«

Graf Jörg mit raschem Aufblick: »Es wird gar viel geraunt, das doch nit wahr ist. Und es wär gut, daß wir einmal vertraut von derlei Dingen reden. Bleibt bei uns auf ein paar Schöpplein, Ihr Herren, da reden wir uns leichter.«

Mangold: »Habt Dank, lieber, gnädiger Herr, jedennoch wir müssen um Urlaub bitten, dieweil es uns gar eilt.«

Der Graf: »Nun, dann ein andermal vielleicht. Und in der Sach, da wollen wir uns schon vertragen. Eh acht Tag herum, sollt Ihr Bescheid haben.«

Mangold: »Und, will hoffen, den, daß der Voit und die Knecht ledig sein. Dann, gnädiger Herr, daß Ihrs wisset, wir können nit nachgeben.«

Der Graf: »Der dicke Voit, den mögt Ihr heut noch und itzt gleich wieder in Freiheit sehn. Die Rosenbergischen Knecht aber, die muß ich noch behalten. Denkt nur, Ihr Herren, ich hab auch mit der Stadt zu fechten darin und hab Drang von beiden Seiten.«

Mangold: »Wär Euch verspart blieben, so Ihr die Knecht nit erst gefangen.«

Der Graf: »Wir wollen sehen, wies laufen kann. Euch 171 wollen wir nit übel, des mögt Ihr Euch gänzlich zu uns versehn.«

Er schüttelte beiden die Hände.

Mangold sprach: »Auch wir wollen Euch nit übel, mein lieber gnädiger Herr, des mögt Ihr gewiß sein, aber Recht ist Recht, und davon können wir so wenig ab, als von uns selber.«

Fritz darauf: »Und einen Spruch geb ich Euch zu bedenken, gnädiger Herr, den hat mir einmal ein Rittersmann aus Schottenland auf einem Turnier bericht und heißt: Gewähr Gott, daß wir Recht haben, dann du weißt, daß wir hart entschlossen sind, nit nachzugeben. Und so bet ich in allen meinen Sachen.«

Graf Jörg lachte. Er trat mit den Rittern auf den Gang hinaus und sagte leise etwas zum Hofmeister. Dann schieden sie freundlich voneinander, und der Hofmeister geleitete die Junker hinab.

Sie mußten im oberen Hof einige Zeit warten, bis man den Marsilius holte, und betrachteten inzwischen die Bauten der Burg, die um den gewaltigen Berchfrit im Lauf der Jahrhunderte immer weitläufiger und prächtiger aufgewachsen waren. Auch jetzt war man eben wieder am Bauen. Im untern Hof lagen Haufen roter Sandsteinblöcke, von einem der Türme starrte ein Kran mit lang herabhängenden Seilen hinaus, und durch eifriges Hämmern und Meißeln scholl ab und zu das gedehnte Rufen der Bauleute. Hier wurden Fenster gebrochen, erweitert, mit schönen Spitzbogen und Säulen versehen; dort entstand eine Stiegenschnecke mit prunkvollem, wappengeschmücktem Portal. Gegen die überhöhende Bergseite, von der die Burg durch einen künstlichen Graben tief abgeschnitten war, arbeitete man an neuen Bollwerken.

»Das ist ein Herrenschloß!« sagte Fritz von Thüngen. »Das sieht dich anders an, dann unsere Wasserkästen und Eulentürm!«

Mangold schwieg und schritt ihm voraus auf eine Bastei, von der sich ein weiter Blick nach Westen auftat. Unten in das Dreieck zwischen den Zusammenfluß von Tauber und 172 Main gedrängt das krummgassige, von Mauern und Türmen umwehrte Städtchen, weit hinab der Strom in den stillen Bergzügen, zu unterst Obstgärten und ansteigende Rebengelände der milden Spätsonne zugekehrt, oben die großen Wälder schon sacht in herbstlicher Buntheit sich färbend und von bläulichen Dünsten umwoben.

Mangold an die Brüstung gelehnt sagte: »Ist ein schön Gefühl, so man gut gefochten und Recht behalten hat.«

Fritz darauf: »Ja, ich bin so fröhlich, ich möcht heut noch wem den Grind einschlagen. Sieh, da bringen sie den Marsilius!«

Auf den Hofmeister und einen Knecht gestützt kam der feiste Voit ihnen entgegen.

»O lieben Freunde,« rief er klagend, »seht mich an, wie bin ich vom Fleische gefallen in meiner harten Gefängnus!«

»Mich daucht, du seiest noch fetter worden,« lachte Fritz von Thüngen.

Und der Hofmeister sprach schmunzelnd: »Wahrlich, er hat es nit schlecht gehabt und ward in gar ritterlicher Haft gehalten.«

Marsilius aber schrie: »Potz Gloria! Meint ihr, es hätt einer Appetit, so er im Käfig steckt und sich um Weib und Kinder härmt?«

Mangold und Fritz hoben ein gewaltiges Lachen. Allerlei Schloßgesinde war zusammengelaufen und umstand die Junker.

»Ihr aber,« fuhr jetzt Marsilius zornig auf die beiden los, »ihr seid schuld daran. Ihr fangt und peinigt Kaufleut, und ich armer, ehrenwerter Rittersmann muß davor im Kerker schmachten.«

Allseitig ward ihm schallendes Gelächter zur Antwort.

Marsilius immer wütender: »Aber das schwör ich, Potz Gloria! Das schwör ich beim – beim . . .«

Fritz: »Beim heiligen Martin, aller feisten Gänse Patron!«

Marsilius: »Ja, beim heiligen Martin und Veit und Kilian, wo solche Ordnung im Reich ist und Gerechtigkeit, da will ich von Stund an auch ein Schnapphahn sein . . .«

Fritz: »Aber er wird nur nach Speck und Würsten schnappen, als ein Hund!« 173

Marsilius: »Ja, schnappen will ich, rauben, brennen, schänden.«

Fritz: »Immer in Küch und Keller . . .«

Marsilius: »Und ihr müßts bezahlen – Potz Gloria! Jetzt gleich müßt ihr bezahlen! Flugs hinab in den Schwan, und da will ich sorgen, daß eure Säckel leichter werden!«

Fritz: »Anders herum, mein Lieber! Du wirst uns bewirten, dann wären wir nit kommen und hätten dich befreit, du lägst noch weiß Gott wie lang im Turm!«

»Essen! Essen!« rief Marsilius. »Hofmeister, schick mir Knecht und Gaul hinab zum Schwan: Gehabt euch wohl, ihr Büttel und Schergen!« Damit lief er behende durch den Hof und die Treppe zum untern Hof hinab.

Fritz und Mangold folgten ihm, durchschritten unten das prächtige Tor und gingen die steile Wehrgasse zur Stadt hinunter. Im Schwan fanden sie den Wirt mit all seinem Gesinde um den Marsilius versammelt, der mit lauter Stimme ein Mahl bestellte, das einer Prälatentafel Ehre gemacht hätte. Sie ließen ihn dabei, bestiegen nach einem raschen Imbiß ihre Pferde, ritten mit den Knechten zum Main und ließen sich auf der Fähre nach Kreuzwertheim übersetzen. Von dort ritten sie nordwärts in ein stilles Waldtal hinein. Ein Bach brauste im Grund, die herb duftenden Laubhänge warfen tiefe Schatten in die Schlucht. Nach einer Strecke kamen sie zu einer einsamen Schmiede, und weil dem Schecken des Mangold ein Eisen locker geworden war, hielten sie, um es heften zu lassen. Der Schmied, der keine Gesellen bei sich hatte, war vor der sprühenden Esse so voll Eifer am Treten und Hämmern, daß er die Reiter gar nicht kommen hörte. Er schien ein Schwert anzufertigen und sang mit kräftiger Stimme zu seiner Arbeit ein Lied. Mangold trat ein und nahm ihn beim aufgestreiften Hemdärmel. Der Schmied kehrte sich in den mächtigen Schultern und sah ihn aus stahlblauem Auge scharf an. Feuerfarbenes Haar hing ihm wild ins verrußte, bärtige Antlitz. Nachdem er draußen den Schaden besehen, das Eisen abgerissen und schon schlecht befunden hatte, ging er wieder in die Werkstatt, um ein neues zu 174 schmieden. Mangold folgte ihm und sprach: »Sing mir noch einmal das Lied vor, das du vorhin gesungen.«

Der Schmied darauf mit einem seltsamen Blick: »Das will ich Euch wohl singen, Junker, und recht deutlich, daß Ihrs merken könnt.« Und während er das Eisen auf den Amboß hielt und darauf schlug, daß die Funken wegspritzten, sprach er reimweis zu jedem Hieb:

Ich glüh dich, Herz in Liebe rot,
ich schlag dich hart mit Leid und Not,
ich schweiß dich, Herz, in Lüsten weiß,
ich klemm mit Pein dich höllenheiß.
Und würdest du nicht weich wie Blei,
du brächst von meinem Streich entzwei.

Und krümmte dich nicht Qual und Klag,
du trügest nimmer solchen Schlag.
Ich glüh und schlag dich siebenmal.
Nun zisch in Flut, und du bist Stahl.
Geglüht, gehaun, gefroren gar,
nun schlage selbst und klinge klar.«

 


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