Hans Freiherrn von Hammerstein
Mangold von Eberstein
Hans Freiherrn von Hammerstein

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

An der Saale

Der Pfeifer sang:

»Ich muß singen in Wind und Not:
mir kam groß Ungemach.
Ich hatt ein Mädel so lieb, ich küßt ihm so gern
sein nußbraunes Haar.

Nun aber muß ich singen:
Wer ein Glück hat, der grab es in Schweigen tief,
der achte Vater, Mutter und Freund
für Räuber und Dieb.

Der Mai wollt sich antun, als eine Braut,
war jed Ästlein mit Blüten zum Springen voll.
Da fuhr ein Frost und Schnee daher,
und daß es nicht blühen soll.

Mein nußbraun Mädel, ich hab dich lieb,
ich sings weit, weit, weit in Wind und Not.
Und glaub's nicht, was die bösen Zungen dir sagen,
ich hab dich lieb, lieb, lieb auf den Tod.«

Er saß, die Laute vor sich, ein wenig einwärts des Waldsaumes rittlings auf einem roten Sandsteinblock, den graue Flechten und grünes Moos bewachsen hatten. Zwei Schritte unterhalb auf einem ähnlichen Stein die Trudel, und ihre nackten Beinchen baumelten in der Luft, weil sie den Boden nicht erreichen konnten. Es war an jener Stelle flußabwärts 91 der Roßmühle, wo der steil abfallende Waldhang die Straße hart gegen das Wasser drängt, das hier an einer klafterhohen Böschung schneller gezogen und lebhafter mit leise rauschenden Wellen und Wirbeln fließt. Eine alte Eiche, aus dem Wald vortretend, überwölbte die Straße, und von ihrem Stamm aus hat es einen schönen Blick das Tal hinauf mit dem gewundenen Lauf der braungrünen Saale in Wiesengrün und Weidengebüsch. Oberhalb etwa fünfhundert Gänge der steilen Giebel der Mühle, rechts und links die waldigen Lehnen und dann quer vorgelegt der Sodenberg, mächtig, in voller Wucht und Breite hingestellt und mit der steilen Burg auf dem schwarzen Gipfelfelsen das ganze Tal bedrohend, das ihm hilflos offen und ergeben zu Füßen liegt.

Die Gänse weideten am abschüssigen Ufer, schwammen schnatternd unten im Fluß, und etliche standen sich putzend am Straßenrand. Da saß auch der Spitz, ihr Treiben überwachend. Ein zahmes Reh, das ein Glöckchen umgebunden hatte, äste am Waldsaum. Der Pfeifer hatte es in einer Schlinge gefunden, befreit und der Trudel gebracht, und sie es mit der Flasche aufgezogen. Nun folgte es ihr wie ein Hündlein.

Die Saale spiegelte blank. Große, dicke Wolken spiegelte sie, die es eilig hatten, talüber gegen die Rhön und nach Thüringen zu reisen. Sie waren schwer von Regen und hatten zum Platzen geschwollene Bäuche, teils grellweiße, wo sie nach der Sonne blickten, teils arg finstere, wo sie vor dem Licht sich hinschoben, und alle halbe Stunden brach einmal eine und schüttete einen wehenden Regenschleier im Wind auf die Waldhöhen und das Tal hinab. Dann geschah es, daß sogar der harte Sodenberg in solchen Schleiern verschwommen und unsicher wurde oder ganz verschwand, und der Flußspiegel war für eine Weile dunkel und rauh. Bald aber flog die Sonne wieder hervor und über die Gegend hin, alles lachte verklärt und kunterbunt, die Wipfel rauschten Tropfen schüttelnd, der Wind wellte ein paar schmale Saatstreifen unterm Wald am Berghang der Mühle gegenüber, die Saale spiegelte es wider wie geschliffen, und die Schwalben schossen mit Gezirr nah überm Wasser. 92

Der Pfeifer zog die Beine auf, stützte das Haupt in die Linke, ließ die Rechte mit der Laute schlaff niederhängen und dachte hinter schreckhaft gerunzelter Stirne düster nach. Die Trudel trommelte mit den Füßen wider den Stein und ließ die Haselgerte mit den zwei Blättlein oben, die sie in der Hand hielt, auf und nieder wippen. Dazu kaute sie Kuckucksklee.

»Hach!« stöhnte der lange Hans, »ich hört, in Hinterhindostanien gäb es Weise, die sitzen ihr Leben lang so auf einem Steine in der Wüste und denken nach; worüber, das sagen sie nicht, weil Schweigen aller Weisheit Ende. Aber ich kanns mir denken. In mir wohnt auch solch ein Weiser, der gern was wüßte und dem Leben gram ist, weil ers nicht ergründen kann. O Rätsel! spricht er. O Rätsel aus Rätseln über Rätsel! und seufzt. Aber ihm gegenüber sitzt ein anderer, ein Hanswurst, ein Hund, ein Windhund, der findet alles so einfach, wo man Geld hat. Er lacht den Weisen aus, der schilt ihn, sie heißen sich gegenseits einen Narren, und wer hat Recht? O es ist nicht einfach, so zwiefach zu sein, Kopf und sein Gegenstück, lieber Himmel und verfluchte Erde. Es geht immer im Sturm dahin, Sonne und Schatten, hitzig und frostig, trocken und naß, wie heut. Wie viel harte Anläufe nahm ich schon, ein mönchischer Denker zu werden, aber der lustige, durstige Spielmann hat mich immer wieder in den tollen Strom der narrenbunten Welt zurückgeworfen. Hach! wie schwer ist Mensch sein. Am besten, man gibt beiden zu trinken, dem Weisen und dem Hanswurst. Dann meint jeder, er säh sich im Spiegel, der Narr spricht weise und der Weise lacht, und beiden ist pudelwohl, weil jeder vermeint, er hätt den andern hinters Licht geführt. – Komm, mein Mädchen, sitz zu mir herauf und umhalse mich. Damit vereinigst du die zwiegespaltenen Teile meines bedauernswürdigen Wesens, und es ist wieder ein ganzer, runder Narr.«

Die Trudel ließ sich lachend von ihrem Sitz heruntergleiten und sprang zu ihm hin. Er warf das Instrument weg und zog sie herauf, so daß sie mit den Gesichtern gegeneinander saßen. Sie schlang ihre Arme um seinen Nacken.

»Kind,« sprach er, »sag mir, und bist du jetzt auch immer treu gewesen?« 93

»Ei!« lachte sie, »das eben wollt ich dich fragen. Was hast du da vorhin von einem nußbraunen Mädel gesungen?«

»Sang ich von Braunen? Ich kann das Liedchen auch blond machen, wann es dir so besser gefällt. Aber siehst du, da zeigt sich das Weib. Ich hab doch gar nicht gefragt, ob du mir treu gewesen, nur überhaupt.«

»Überhaupt? – das heißt doch eben du und ich.«

»Schau, schau! – Das Kind schien so wunderbar allgemein, und jetzt ist es nur mehr ein Herz.«

»Du hast heut wieder deinen ganz verrückten Tag, oder du tust so, weil du mir nit sagen willst, daß du untreu gewesen. Warum warst du überhaupt so lange fort? Wo hast du dich wieder all umgetrieben? Zeig dein Tagbüchlein her, ich wills lesen.«

»Mein Tagbuch. Also am Sonntag, da haben wir nichts getan, am Montag haben wir davon ausgeruht, am Dienstag sind wir früh aufgewesen und geritten, wohin denn nur gleich, na, irgendwo auf den Straßen, und haben gehalten, aber umsonst, am Mittwoch haben wir Kaufleut gefangen und die über Nacht auf Donnerstag zwerch über Feld und durch Wald umhergeführt, rauhe, ungebaute Wege bei Sturm und Regen, schwere Arbeit, sehr naß. Am Freitag dann haben wir uns wärmen müssen . . .«

»Wo?«

»In – ja in einem Wirtshaus im Spessart.«

»Ein hübsches Mägdlein drin?«

»Zwei, eine recht, eine sehr leidlich.«

»Mit braunen Zöpfen?«

»Des entsinn ich mich nimmer. War auch so trüb Wetter und gar eine finstere Stuben.«

»Wie lang seid Ihr da blieben?«

»Einen halben Tag etwa.«

»Zur Nacht?«

»Ich sagte doch schon Tag.«

»Den kann man auch zur Nacht machen.«

»Wir ließen ihn Tag sein. Er war schlecht genug dafür, und tranken drei Schoppen oder sechse.«

»Und . . .« 94

»Und ritten heim.«

»Und?«

»Und heut ist Sonnabend, und ich bin hier.«

»Und singst von braunen Zöpfen.«

»Kind! Kind! Wer hätt gedacht, daß du eifersüchtig werden wirst! Das ist eine häßliche Sünde!«

»Und die Untreue ist keine?«

»Bin ich untreu? Bin doch hier!«

»Jetzt.«

»Liebe ist jetzt, ist heut. Heute Blumen, morgen Heu. Liebe blüht, Treu ist Heu.«

»Ja, ja, drum bleibt sie auch. Aber die deine hält freilich nit länger frisch als ein Kleeblatt.«

»Jetzt aber dreh ich den Spieß um. Wie steht's mit der deinen? Sag mir dein Tagbüchlein!«

»Das ist bald geschrieben: Sonntag Gäns hüten, Montag Gäns hüten, Dienstag Gäns hüten, Mittwoch . . .«

»Halt! Da hätten wir die Tage. Aber bei Nacht sind die Gäns im Stall und die Mädchen im Bett. Und . . .«

»Schlafen.«

»Schon gut – für den, der dabei ist.«

»Ach, wärst du nur dabei gewesen, statt bei der Braunen.«

»Ich sagte dir doch, ich mußt umreiten in Sturm und Regen.«

»Ja, und zumal bei Nacht. Ich kanns mir denken wie. Wo habt ihr die Nächte verlungert? Dann nur in einer wart ihr zu Pferd.«

»Nun soll ich ihr auch noch das Nachtbuch vorlegen! Nein, ein solches ward nicht geschrieben.«

»Es bleibt auch besser ungeschrieben, das deine.«

Eine Strecke gegen die Mühle hinauf ließ sich ein langgezogener, seltsamer Klageton vernehmen, halb Menschensang, halb Tiergeheul. Sie achteten es nicht.

»Wer ist aller die Woch in der Roßmühl zugekehrt?« fragte der Pfeifer.

Die Trudel dachte nach. »Einmal gegen Abend war der schwarze Thomas da. Ist aber nit gar lang blieben und wieder fortgeritten auf Hammelburg. Hu, das ist ein greulicher Mann.« 95

»Und weiter?«

»Es sitzen oft Leut in der Stub oder im Gärtlein, wann ich heimkomm, Landfahrer und so. Auch Weiber dabei, ich schau sie nit an.«

»Aber die Mannsleut? Die Reuter?«

Sie schüttelte den Kopf. »Sind zumeist gar schlimme Gesichter und wüste Gesellen. Dann und wann gibts auch Lärm und Streit. Der Alte vom Sodenberg ist auch einmal vorbei kommen die Woch und hat den Müller herausrufen lassen und ihn hart gescholten, er wollt seinem Treiben schon ein End machen, wann er erst die Mühl einmal hätt, da wollt er das Nest schon sauber fegen.«

»Der Herr Neidhard von Thüngen?«

Die Trudel nickte. »Er war früher nit gar oft oben und ist immer gar bald fortgeritten. Jetzt aber bleibt er meist lang im Schloß. Wann ich ihn reiten seh, wird mir bang. Er ist so gar finster und gestreng, und sein Gesicht ist ganz verzogen, so zwickt ihn das Podagra ins Bein.«

»Aber die jungen Herrlein vom Reußenberg, die gefallen dir wohl, da ist dir nit bang, so einer vorbeireit und gar absitzt und ein Schlücklein oder zwei und dich aufs Knie nimmt dazu.«

»Kommt alle halbe Jahr kaum einer, und daß er abgesessen wär, gedenk ich überhaupt gar nimmer. Aber sag, was tätst du, so du unversehens einmal einen bei mir fändst.«

»Hm. Das ist was anderes.«

»Als bei dir, so du mit einer Schwarzen oder Braunen im Spessart es treibst oder sonstwo.«

»Freilich, ganz was anderes.«

»Und was tätst du?«

Der Pfeifer, indem er sie sehr nachdenklich auf die Stirn küßte: »Kind, du bist so schön und wirst alle Tag schöner. Die Schönheit ist immer rein.«

Die Trudel, ihm mit lustig lauernden Augen ganz nah in die seinen sehend: »Mir also tätst du nichts?«

Er: »Dir? Warum? Was kannst du dafür? Mußt dir doch treu sein. Aber den Lumpen schmiß ich in Stücke. Denn so mir einer Äpfel stiehlt, schlag ich das Bäumlein oder den Dieb?« 96

Sie lachte und legte den Kopf an seine Schulter. »Du bist doch ein guter Kerl, und darum bin ich dir auch treu, kannst mirs glauben. Du aber magst treiben, was du willst, so du nur recht oft daher kommst. Warum kommst du gar so selten? Die Woch einmal – was ist das?«

»Hab so viel harte Arbeit. Kaufleut fangen, mein Mädel, das ist ein hart Gewerb, und manchmal schlagt es einem zuruck, daß man schon vermeint, das Fersengeld wurd einem knapp.«

»Du! Daß du nur nit einmal umbracht wirst! Herrgott! Wann ich so warten tät, ein, zwei, drei Wochen, und du kämst nimmer!«

»Was tätst du dann?«

»Ich ging in die Saal. Du – laß die Reuterei, werd wieder ein Spielmann.«

»Kind, meine Zeit ist noch nit kommen.«

Wieder ward der Klageton vernehmbar, jetzt länger und liedartig. Das Echo drüben hallte die Endtöne nach, und da es der Sänger zu bemerken schien, rief er es wiederholt heraus, schließlich mit kurzen, harten Rufen, ähnlich dem Bellen eines Hundes, und dazwischen lachte er laut.

Der Pfeifer: »Was ist das?«

Die Trudel: »Das tut der Sauhirt, der singt so. Er sitzt da oben etwa dreihundert Gäng von hier, weißt, gleich bei der Mühl, wo's den tiefen Grund im Berg herunter macht und das halbversiegte Bächlein rinnt. Da liegen große Felsen unten wirr durcheinand und Eichen drüber, und der Grund ist naß, da suhlen sich seine Säu und haben Mast. Er aber sitzt auf einem Stein, wie wir da, hängt den Kopf schief, und singt ab und an so seltsamlich, sinniert und redt seine Sprach, die nur die Säu verstehn und der Hund etwan. Dann kriecht er auch im Wald herum und reißt Blumen ab. Die bringt er mir abends und schaut mich an dabei, als ein Kalb auf dem Schlächterkarren.«

»Ich weiß, er hat ein Augenmaß auf dich.«

»Und einen Zorn auf dich. Wann du kommst, da bellt er ganz wild oder grunzt wie sein schwarzer Eber, so der bös wird. Und gar feine Ohren hat er. Deinen Schimmel, 97 den kennt er am Trab von weitem, und irrt ihn kein anderes Roß, wie oft mich.«

»Und du schaust immer nach den Reutern, so einer kommt?«

»Ja, und darum hüt ich am liebern dahier. Da seh ich die Straß hinauf bis dort zur Krümm vor Michelau, wo's den Berg vorschiebt. Und oft geh ich auch den Berg hinauf und schau das Tal hinunter, da sieht man bis zur Krümm vor Hurzfurt und Gräfendorf, wo die Weg ausm großen Wald von Roßbach und Völkersleier zur Saal herab kommen, und naht ein Reuter, da tut's mir, als es in dem Liedlein heißt.

Hör ich einen Hufschlag trappen,
trappt mein Herz, wie trappt es mit!
Ists ein Schimmel, ists ein Rappen?
Ists mein Liebster oder nit? –

Wie geht es nur gleich weiter?«

Der Pfeifer: »Sonn und Wolken gehn am Himmel,
    hell und düster ist die Welt.«
Die Trudel: »Und er reitet einen Schimmel,
    her mein Sonn und Wonn, mein Held.«
Beide: »Sonn und Wolken gehn am Himmel,
    Reuter ziehn talab, talauf.
    Kommt der Schimmel, kommt der Schimmel,
    geht mein Herz in Sonne auf.«

Indem hörte man es wirklich trappen. Eben warf es wieder einen Schauer in die Wipfel, und die schrägen Regenstriche machten die drei Reiter, die von der Mühle herantrabten, nicht leicht kenntlich. Der Spitz bellte. Das zahme Reh flüchtete von der Straße in den Wald hinein. Dadurch wurde der erste der Reiter aufmerksam, ließ sich in Schritt fallen und sah den Pfeifer mit dem Mädchen sitzen.

»Grüß Gott, lang Hans!« rief er. Da er den Mantel umgeschlagen und den Hut tief ins Gesicht gerückt hatte, war er noch immer nicht recht zu kennen. Jetzt wandte er sein Pferd unter der Eiche herum. »So verbringst du die Zeit?« lachte er, »das heiß ich gut untergeschauert.«

»Grüß Gott auch, Herr Fritz,« versetzte der Pfeifer. Die Trudel sprang vom Stein und strich das Röcklein glatt. 98

Fritz von Thüngen ließ das Pferd mit langem Zügel an einem Strauch rupfen. Seine zwei Knechte stellten sich unter das Blätterdach der Eiche. Der Pfeifer war an den Junker herangetreten.

»Was tut man anderes bei solchem Wetter?« sprach er.

Der Ritter drauf: »Solches Tun ist auch bei schönem Wetter schön. Pfeifer, ich wollt, du wärst mein Knecht. Ich sag dir abermal: Sag dem Herrn Mangold auf und komm zu mir, du sollst es gut haben in Zeitlofs. Ich tu auch deinem Herrn keine Abred damit, er weiß, daß ich dich gern möcht. Mit keinem reit ich lieber, dann mit dir.«

Der Pfeifer: »So sagt das Mädel da auch. Und ich weiß wohl, Herr Fritz, daß es jeder Mann und jedes Roß gut hat zum Zeitlofs. Heißt man Euch doch einen Vater aller Reuter. Dennoch, mein Herr ist auch gar gut zu mir, und endlich, was tuts, ob einer da oder dort seinen Stall hat, wir sind doch alleweil viel unterwegens, und reit zum öftern mit Euch.«

Der von Thüngen: »Ist wahr, aber ich hätt dich gern ganz bei mir, gäb dir ein Häuslein hinterm Schloß am Berg, könntst dein Mädel mitnehmen und da hausen.«

Der Pfeifer: »Ei, Herr, solch ein ordentlicher Hausstand, der ging uns beiden wider die Natur. Da liefen wir bald auseinander in die Welt.«

Der von Thüngen: »Das versteh ich eigentlich, geht mir nit gar anders.«

Der Pfeifer: »Und man soll ein Blümlein ohne Not nit verpflanzen. Dies da wächst recht schön bei den Gänsen an der Saal.«

Der Thüngen lachend: »An der Sinn gibts auch Gäns genug.«

Der Pfeifer: »Liegt mir aber just da recht schön am Weg. Kurz, ich laß es lieber hier.«

Der Regen hatte aufgehört, die Sonne wischte übers Tal hin.

Der Thüngen umblickend: »Na, dann gut.«

Er nahm die Zügel auf und ließ das Pferd zurücktreten. »Behüt Euch Gott, und komm nur recht bald übern Abend 99 zum Singen.« Er hatte zur Straße gewendet. »Habt ihr die Woch was Gutes gefangen?« rief er zurück.

Der Pfeifer: »Nit sonderlich guts, drei mindere Pfeffersäck. Schatz sie auf nit mehr dann 600 Gulden alle zusamm.«

Der Thüngen: »Es muß schärfer angezogen werden. So kleinen Schaden, den spüren die Nürnberger zu wenig.«

Er grüßte noch einmal und trabte an. Der Pfeifer winkte den Knechten zu, und die Reiter zogen am Fluß talab. Bald sah man sie um die Biegung des dem Dorf Michelau vorgelagerten Rückens verschwinden.

Der lange Hans kehrte zur Trudel zurück, schwang sich wieder rittlings auf den Felsen, das Mädchen vor sich mit dem Rücken zu ihm und legte ihr die Arme um den Hals.

»So,« sprach er ihr ins Ohr. »Jetzt wollen wir ins Wunderland fahren, sieben Meilen hinters Morgenrot. Das ist ein guter Gaul dazu. Ich geb ihm die Sporen – sieh! Wir fliegen schon, hui! übers Tal hinauf und den Sodenberg weg. Unten Berg, Wald, Fels, Fluß. Der Spitz schaut uns wunderlich nach, die Gäns merkens nicht. Da drüben die Rhön, schau nur dunkelblau, weit, weit, ein Zug, ein Gipfel hinterm andern, und da drunten gen Mittag der Reußenberg, die Homburg vieltürmig als eine Stadt, das Mainland. Sollen wir auf Würzburg in den Stachel auf ein Schöpplein fahren? Oder lieber in den Thüringer Wald? Wie schön die Wolken fliegen, als wie große, weiche Federbetten. Ich dächt, da legen wir uns hinein. Hollah! Das hat ja keinen Boden! Surr! Das geht mitten durch!«

Er schaukelte das Mädchen hin und her. Sie lachte aus der Maßen. Jetzt ließ er sich mit ihr herunterfallen. »Bums! Da liegen wir und sind wieder da, und der Spitz freut sich.«

Der Hund kam wedelnd gesprungen und umtanzte sie mit lautem Gebell. Der Sauhirt oben sang. Die Saale spiegelte sonnig. Ein schwärzlicher Regenvorhang strich mit den Säumen über den Sodenberg hin. Der lange Hans und die Trudel saßen wieder auf dem Felsen, hielten sich umschlungen und küßten einander sehr. 100

 


 << zurück weiter >>